Eine Faust-Sinfonie in drei Charakterbildern (S.108) oder kurz Faust-Sinfonie, wurde von dem ungarischen Komponisten Franz Liszt komponiert. Sie ist inspiriert durch Goethes Drama Faust. Die Sinfonie wurde anlässlich der Einweihung des Denkmals für Goethe und Schiller am 5. September 1857 in Weimar uraufgeführt.
Obwohl Liszt mit der Arbeit an dieser Sinfonie schon früher begonnen hat – es existieren Skizzen für eine Faust-Sinfonie aus den frühen 1840er – wurde die Faust-Sinfonie hauptsächlich im Sommer 1854 in Weimar komponiert. Das Werk wurde in den nächsten Jahren überarbeitet, u.a. wurde ein Chorus Mysticus zum Finale hinzugefügt, in welchem Auszüge aus dem 2. Teil von Faust durch einen Männerchor gesungen werden, sowie ein Solotenor zur Musik des mittleren Satzes.
Die Spieldauer der Sinfonie beträgt circa 70 Minuten, sie wurde für ein Orchester mit der Besetzung Piccoloflöte, zwei Flöten, zwei Oboen, zwei Fagotte, vier Hörner, drei Trompeten, drei Posaunen, Tuba, Pauke, Schlagwerk, Harfe, Orgel und Streicher geschrieben.
Struktur
Die Sinfonie besteht aus drei Sätzen:
- Faust
- Gretchen
- Mephistopheles
Aufgrund des programmatischen Bezuges kann man die Faust-Sinfonie auch als Sinfonische Dichtung mit Chor bezeichnen. Vergleichbar mit der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven, zeigt sie Liszts Beherrschung der orchestralen Komposition.
Analyse nach Sätzen
Faust
Dieser breite Satz – er dauert üblicherweise 30 Minuten – gleicht grob der Form einer Sonate mit einer zentralen Entwicklung und hingezogenen Wiederholungen. Dieser Satz kann als Synthese der gesamten Sinfonie gesehen werden, wodurch sich auch seine Länge erklärt, viele seiner Themen und Motive werden, auf verschiedene Art verändert und transformiert, im Laufe der Komposition wieder aufgegriffen – ein Verfahren, dass Liszt während seiner Weimarer Zeit auf höchstem Niveau beherrschte.
Schon die Grundtonart der Sinfonie (c-Moll) scheint verschwommen durch das Eröffnungsthema, bestehend aus Arpeggien und erhöhten Quinten. Das Thema erinnert an den düsteren Faust, in seiner ewigen Suche nach Wahrheit und Wissen. Nun folgt, durch die Oboen eingeführt, das so genannte „Nostalgie“-Thema. Am Ende eines langsamen crescendo erscheint ein heftiges Allegro agitato ed appassionato Thema, welches Fausts unersättlichen Appetit nach den Freuden des Lebens darstellt. Die c-Moll Struktur des Themas droht unter dem Gewicht von höchstgradig chromatischen Elementen hinabzustürzen. Eine von Oboe und Klarinette gespielte Melodie stellt die schmerzhaften Freuden des Helden dar. Das letzte Thema ist pentatonal und bestimmt.
Aus all diesen Elementen spinnt Liszt eine musikalische Struktur von Größe und Stärke, in welcher einige Kritiker das Selbstportrait des Künstlers zu erkennen glauben.
Gretchen
Dieser langsame Satz ist in der milden, zugeneigten Tonart As-Dur geschrieben. Nach der Einleitung durch Flöten und Klarinetten erklingt eine klare Oboenmelodie, ausgeschmückt mit zarten Dekorationen durch die Violen, welche Gretchens Jungfräulichkeit ausdrücken. Ein Dialog zwischen den Klarinetten und Violinen beschreibt, wie sie naiv, in einem Spiel von „Er liebt mich, er liebt mich nicht“, die Blätter einer Blume zupft. Gretchen ist besessen von Faust, man hört wie Fausts Thema zunehmend in die Musik einfließt, bis schließlich sein und Gretchens Thema ein leidenschaftliches Liebesduett bilden.
Mephistopheles
Dieser Teil des Werkes, ein Scherzo, karikiert die Themen des ersten Satzes. Der Anfang, Allegro vivace ironico, erinnert an den Hexensabbat aus der Symphonie fantastique von Berlioz, vielleicht eine Hommage an diesen, da Liszt durch ihn das Werk Goethes kennen lernte. Mephistopheles, Teufel, Geist der Negation, unfähig, selbst Themen zu erzeugen, nimmt Fausts Themen aus dem ersten Satz auf und verstümmelt sie zu ironischen, diabolischen Verzerrungen. Hier zeigt sich Liszts Begabung zu thematischer Wandlung in voller Größe. Die Musik wird, durch den Gebrauch von Chromatik, rhythmischer Sprünge und scherzo-artigen Stellen, an den Rand der Atonalität gebracht. Eine veränderte Version von Fausts zweitem und drittem Thema erzeugt dann eine infernale Fuge. Mephistopheles ist allerdings machtlos gegenüber Gretchens Unschuld, so bleibt ihr Thema intakt. Es verdrängt sogar den Geist der Negation hin zum Ende des Werks. Schließlich erklingt am Ende friedlich und gutmütig der Chorus mysticus. Der Männerchor singt still die Zeilen aus Goethes Faust:
- Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis;
- das Unzulängliche, hier wird's Ereignis;
- das Unbeschreibliche, hier ist es getan;
- das Ewigweibliche zicht uns hinan.
Ein Tenor erklingt nun über das Murmeln des Chors und beginnt, die letzten zwei Zeilen zu singen, die Macht der Vergebung durch das Ewigweibliche aufzeigend. Die Sinfonie endet in einem glorreichen Feuerglanz von Chor und Orchester, unterstützt von gehaltenen Akkorden der Orgel.
Weblinks
- Faust-Sinfonie: Noten und Audiodateien im International Music Score Library Project