Moor von Rappendam

archäologische Stätte in Dänemark
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Koordinaten: 55° 49′ 51,7″ N, 12° 11′ 5,3″ O Das Moor von Rappendam ist ein archäologischer Fundplatz in einem Tal bei Frederikssund auf Seeland, 1 km östlich der mittelalterlichen Jørlunde–Kirche. Er wurde von Torfarbeitern entdeckt und 1941 und 1942 vom Nationalmuseum untersucht. Ausgräber war Georg Kunwald.

Die Funde

Sieben Gruppen von Fundkomplexen lagen auf einer Fläche von 8 X 62 m im gleichen Horizont. Es wird vermutet, dass diese Depots am Ufer eines verlandenden Sees abgelegt worden sind. Gefunden wurden das Skelett einer 30–35–jährigen Frau, im übrigen überwiegend Räder und Radbruchstücke, manche davon waren gar nicht benutzbar gewesen.

Die Frau lag auf dem Rücken, der linke Arm an der Seite, der rechte schräg auf der Brust. Nach der Lage der Fußknochen waren die Knie wohl ursprünglich hochgezogen. Die Lage des Schädels lässt es als möglich erscheinen, dass der Frau die Kehle durchgeschnitten worden ist, wie dies bei anderen Mohrleichen bereits beobachtet worden ist. Die Leiche ist dort sorgfältig abgelegt worden.

Vom Pferd sind nur der Schädel und die Gliedmaßen deponiert worden. Diese Deponierung ist schon öfters beobachtet worden und wird auf eine rituelle Niederlegung der Pferdehaut nach Entfernung der Weichteile zurückgeführt. Des weiteren wurden Knochen eines Rindes ausgegraben.

Gefunden wurden auch 63 Wagenteile, davon 40 Scheibenräder oder Teile davon und 18 Radnaben oder Nabenteile, drei Fragmente von Wagen und drei Achsen oder Achsenteile. Es handelt sich um die mit Abstand größte Zahl von Wagenrädern im gleichen Fundhorizont in Nord–West–Europa. Alle Räder sind Scheibenräder, entweder aus einem Stück oder aus drei Stücken zusammengesetzt. Das Holz entstammt der Eiche, Linde, Erle oder Buche. Die Naben aller Räder waren lose. Der Durchmesser beträgt 45–80 cm und sind 5–10 cm dick. Die Räder gehörten zu schweren Arbeitswagen, die von Ochsen gezogen wurden. Allerdings gibt es keine vier Räder, die zu einem Wagen gehören, kaum gibt es zwei Räder, die ein Paar bilden könnten.

Aus den Fundstücken wurde versucht, die dazugehörigen Wagen zu rekonstruieren. Diese Wagen nennt man Wagen vom Rappendam–Typ oder R–Wagen, weil dort deren Teile am häufigsten vertreten sind. Allerdings lassen sich aus den Holzteilen kein Wagen zusammensetzen, denn es handelte sich nicht um Wagen– sondern um einen Opferfund. Die Rekonstruktion enthält eine Achse mit zwei Rädern, auf der eine gegabelte Stange aufliegt. Die Gabelenden sind auf der Achse befestigt, die Stange zieht der Ochse. In der Mitte zwischen den Gabelenden liegt wiederum ein gegabeltes Holzstück auf der Achse, das dort drehbar fixiert ist. Dessen Gabelenden weisen nach hinten und liegen auf der Hinterachse. Auf dieser zweiten Gabel befindet sich der Wagenkasten, der somit nur auf zwei Rädern fährt.

Es gibt auch Fundstücke, die nur als symbolische Wiedergabe gedeutet werden. Außerdem wurden 161 Holzstücke geborgen, davon viele auf verschiedene Weise bearbeitet, deren Funktion nicht ermittelt werden konnte.

Außerdem wurden drei Pflugschare und einige unbestimmbare Holzgeräte gefunden. Pollenanaysen ergaben, dass die Funde in die Eisenzeit gehören. 14C–Analysen ergaben, dass die Pflugscharen in die Bronzezeit und vorrömische Eisenzeit zu datieren sind. Drei Wagenräder wurden mit der 14C–Methode auf den Zeitraum zwischen dem 1. und 2. Jahrhundert datiert.

Die Deutung

Man interpretiert die Funde so, dass am Rappendamer Seeufer über längere Zeit vorwiegend Wagenteile, besonders Räder, landwirtschaftliche Geräte und Haustiere sowie eine Frau geopfert worden sind. Man nimmt eine jährlich wiederkehrende Opferung an, wobei das Pferd und die Frau zu einer Opferung gerechnet werden, die vielleicht in einer Krisensituation vorgenommen wurde.

Die Räder könnten auch als Sonnensymbole gegolten haben. Bei einem gegabelten Holzstück ist in der Mitte der Gabelung eine Kerbe festzustellen. Das Stück ähnelt anderen eisenzeitlichen Holzstücken, die, weil menschenähnlich, als weibliche Idole gedeutet werden. Die Bearbeitung zeigt andererseits, dass es sich um das Unterteil eines Langwagens gehandelt haben muss. Diese rätselhafte Doppelfunktion könnte auf eine Göttin hinweisen, der der Langwagen gewidmet war und die an diesem Ort verehrt wurde.

Literatur

  • Jan Bemmann, Güde Hahne: "Ältereisenzeitliche Heiligtümer im nördlichen Europa nach den archäologischen Quellen." In: Germanische Religionsgeschichte. Quellen und Quellenprobleme. Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Bd. 5. Berlin 1992. S. 29–69.
  • Georg Kunwald: "Rappendam". In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Bd.24. Berlin 2003. S. 132–136.