Auslautverhärtung

stimmlose Aussprache von Geräuschkonsonanten am Ende einer Silbe
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Unter Auslautverhärtung versteht man das Stimmloswerden stimmhafter Obstruenten im Silbenauslaut. Synchron (heute) betrifft dies im Deutschen folgende Konsonanten-Phoneme: die Plosive/Verschlusslaute /b, d, g/, die Frikative/Reibelaute /v, z/ (gewöhnlich v bzw. w und s geschrieben) und in Fremdwörtern auch /ʒ/ und die Affrikaten /dʒ/. Auslautverhärtung kennen z.B. auch das Polnische, das Russische, das Türkische und das Niederländische.
Diachron (historisch) betraf Auslautverhärtung im Deutschen in der Regel nur die Plosive /b, d, g/. Auslautverhärtung als historischer Prozess gibt es z.B. auch im Türkischen und Französischen.

Deutsch

Beispiele:

  • reiben ['raɪ̯bən] . rieb [ri:p]
  • Süden ['zy:dən] vs. Süd(ost) [zy:t]
  • schweigen ['ʃvaɪ̯gən] vs. schwieg [ʃvi:k]
  • Lose ['lo:zə] vs. Los [lo:s]
  • brave ['bra:və] vs. brav [bra:f], Möwe ['mø:və] vs. Möwchen ['mø:fçən]
  • Orange [o'raŋʒə] vs. orange [o'raŋʃ], managen ['mɛnɪən] vs. sie managt ['mɛnɪt]

Dabei handelt es sich um eine kontextabhängige Neutralisation einer phonologischen Opposition, denn die Phoneme /b, d, .../ und /p, t, .../ stehen im Deutschen ansonsten in Opposition zueinander, wie sich an Minimalpaaren zeigen lässt:

  • Bulle : Pulle
  • Dorf : Torf
  • geil : Keil
  • weise : weiße
  • Wall : Fall
  • Marge : Marsche

Die Auslautverhärtung dürfte in der Zeit des Übergangs vom Alt- zum Mittelhochdeutschen eingesetzt haben.

Die heutige Orthographie des Deutschen spiegelt die Auslautverhärtung nicht wieder (vgl. die Beispiele oben), sie bevorzugt das sogenannte Stammprinzip (ein Wortstamm wird, soweit es geht, immer gleich geschrieben, vgl. auch Rechtschreibreform von 1996). Im Mittelhochdeutschen dagegen war es noch üblich, der Auslautverhärtung in der Schrift Rechnung zu tragen, so finden sich Schreibweisen wie <tac> vs. <tages> ("Tag"), <nît> vs. <nîdes> ("Neid") usw.

Ein vergleichbares Phänomen findet sich synchron im dem Deutschen verwandten Niederländischen, nicht aber im ebenfalls verwandten Englischen. Deutsche Muttersprachler werden deshalb beim Sprechen fremder Sprachen leicht durch ihren dadurch verursachten typisch deutschen Akzent identifiziert, wenn sie also die Auslautverhärtung auch in den Sprachen praktizieren, wo sie nicht vorkommt. Siehe: Muttersprachliche Interferenz.

Französisch

Türkisch

historisch:

synchron: orthografisch wird die Auslautverhärtung wiedergegeben (allerdings nur bei b/p, d/t, ğ/k), z.B.

  • kebap (gebratenes Fleisch) - Dativ: kebaba


Literatur

  • Bußmann, Hadumod: Lexikon der Sprachwissenschaft, Stuttgart ³2002.
  • Paul/Schröbler/Wiehl/Grosse: Mittelhochdeutsche Grammatik, 24. Aufl., Tübingen 1998.