Nullstelle

Argumente (x) von Funktionen die den Funktionswert (y) null ergeben
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Die Nullstelle ist ein Begriff aus dem Bereich der Mathematik, der sich mit Funktionen und ihren Verläufen und Eigenschaften befasst. Dabei versteht man unter Nullstellen jene -Werte, die eingesetzt in eine Funktion den Funktionswert Null liefern. Bei reellen Funktionen sind das genau die Stellen der -Achse, an denen der Graph einer Funktion die -Achse berührt oder schneidet.

Nullstellen graphisch

Nullstellen reeller Funktionen

Definition

Ein Element   der Definitionsmenge   einer Funktion   heißt Nullstelle von  , wenn   gilt. Man sagt dann auch:   hat eine Nullstelle bei  , oder   verschwindet an der Stelle  

Beispiel

 

Die  -Werte 3 und -3 sind Nullstellen der Funktion  , denn   und  .

Der  -Wert 0 ist keine Nullstelle, denn  .

Mehrfache Nullstellen

 
Polynom mit Nullstellen der Ordnung I., II. und III.

Ist   eine Polynomfunktion oder zumindest an der Nullstelle   stetig und differenzierbar, so kann man die Nullstelle   „herausteilen“. Genauer: Es gibt eine in   stetige Funktion  , so dass   für alle  .

Es gibt dann zwei Fälle:

  1.  . In diesem Fall nennt man   eine einfache Nullstelle.
  2.  , d. h. auch   hat in   eine Nullstelle. Oder anders ausgedrückt: Auch nachdem man die Nullstelle   aus   herausgeteilt hat, bleibt   immer noch eine Nullstelle. In diesem Fall nennt man   eine mehrfache Nullstelle von  .

Um zu bestimmen, ob   eine einfache oder eine mehrfache Nullstelle ist, benutzt man die Tatsache, dass der Wert   gleich der Ableitung von   an der Stelle   ist. Für eine differenzierbare Funktion   bekommt man also folgendes Kriterium:

Eine Nullstelle   von   ist genau dann eine mehrfache Nullstelle, wenn   ist.

Falls   öfter differenzierbar ist, dann kann man diesen Prozess wiederholen. Man definiert:

Es sei   eine natürliche Zahl. Eine  -mal differenzierbare Funktion   auf einer offenen Teilmenge   hat in   eine (mindestens)  -fache Nullstelle oder eine Nullstelle der Ordnung (mindestens)  , wenn   selbst und die ersten   Ableitungen von   an der Stelle   den Wert null annehmen:

 

Ist   eine  -fache Nullstelle aber keine  -fache, also

 ,

so nennt man   die Ordnung oder Vielfachheit der Nullstelle.


Beispiel

 

mit den Ableitungen

 .

Es gilt  , also ist   eine Nullstelle von  . Weiter gilt

  aber  .

Somit ist 1 eine dreifache aber keine vierfache Nullstelle von  , also eine Nullstelle der Vielfachheit 3.

Weitere Eigenschaften

  • Eine Funktion   hat genau dann eine  -fache Nullstelle bei  , wenn   eine Nullstelle und   eine  -fache Nullstelle bei   hat.
  • Eine  -mal stetig differenzierbare Funktion   hat genau dann eine mindestens  -fache Nullstelle bei  , wenn es eine stetige Funktion   gibt, so dass
  und  
gilt.
  • Eine  -mal stetig differenzierbare Funktion   hat genau dann bei   eine Nullstelle der Vielfachheit  , wenn es eine stetige Funktion   gibt, so dass
  und  
gilt.
  • Die Funktion
 

hat bei 0 eine Nullstelle der Ordnung unendlich, siehe auch Analytische Funktion.

Existenz und Berechnung von Nullstellen

Aus dem Zwischenwertsatz kann man oft indirekt die Existenz einer Nullstelle erschließen: Ist von zwei Funktionswerten  ,   einer stetigen Funktion einer positiv und einer negativ, so hat   mindestens eine Nullstelle zwischen   und  . (Anschaulich gesprochen muss der Funktionsgraph, der die beiden Punkte   und   verbindet, die  -Achse schneiden.)

Je nach Funktion kann es schwer oder unmöglich sein, die Nullstellen explizit zu bestimmen, d. h. die Gleichung

 

nach   aufzulösen. In diesem Fall kann man Näherungswerte für Nullstellen mithilfe verschiedener numerischer Verfahren, beispielsweise der Bisektion (Intervallhalbierungsverfahren), des Newton-Verfahrens, des Bairstow-Verfahrens oder der Fixpunktiteration bestimmen.

In der Liste numerischer Verfahren findet man die Nullstellensuche unter dem Kapitel Nichtlineare Gleichungssysteme.

Nullstellen von Polynomen

Ist   ein Ring und   ein Polynom über  , so heißt ein Element   Nullstelle von  , wenn die Einsetzung von   in   Null ergibt:

 

Ist   ein Ringhomomorphismus, so können analog Nullstellen von   in   definiert werden.

Mithilfe der Polynomdivision kann man zeigen, dass   genau dann eine Nullstelle von   ist, wenn   durch   teilbar ist, d. h. wenn es ein Polynom   gibt, so dass

 

gilt. Diese Aussage wird manchmal auch Nullstellensatz genannt; es besteht jedoch Verwechslungsgefahr mit dem hilbertschen Nullstellensatz.

Eine  -fache Nullstelle oder Nullstelle der Ordnung   ist ein Element  , so dass   durch   teilbar ist. Man nennt   auch die Vielfachheit oder Multiplizität der Nullstelle.

Bestimmung der Nullstellen von Polynomen kleinen Grades

Für Polynome über einem Körper, deren Grad höchstens vier ist, gibt es allgemeine Verfahren, die Nullstellen zu bestimmen:

Polynome mit ganzzahligen Koeffizienten

Ist   ein Polynom mit ganzzahligen Koeffizienten, so ist jede ganzzahlige Nullstelle ein Teiler von  .

Aus dem Lemma von Gauß folgt: Ist   ein normiertes Polynom mit ganzzahligen Koeffizienten, so ist jede rationale Nullstelle ganzzahlig und damit ein Teiler von  .

Beispiel:

Die Teiler   des Absolutglieds von   sind keine Nullstellen, also hat   keine rationalen Nullstellen. Da jede Faktorisierung von   einen Linearfaktor enthalten müsste, folgt daraus, dass   über   irreduzibel ist.

Polynome mit reellen Koeffizienten

Polynome ungeraden Grades über den reellen Zahlen haben stets mindestens eine reelle Nullstelle; das folgt aus dem Zwischenwertsatz. Eine andere Begründung (sofern man den Fundamentalsatz der Algebra bereits zur Verfügung hat) ist die folgende: Echt komplexe Nullstellen reeller Polynome treten stets als Paare komplex konjugierter Zahlen auf. Polynome geraden bzw. ungeraden Grades haben also stets gerade bzw. ungerade viele reelle Nullstellen, wenn man jede Nullstelle entsprechend ihrer Vielfachheit zählt. Eine Anwendung des letzteren Prinzips stellt das numerische Bairstow-Verfahren dar.

Beispiel:

Das Polynom   hat die Nullstelle  , die sich als Teiler des Absolutgliedes leicht erraten lässt. Damit erhält man durch Polynomdivision

 

woraus sich noch die beiden zueinander komplex konjugierten Nullstellen   und   ergeben.

Polynome mit ausschließlich reellen Nullstellen

Ist   ein Polynom, dessen Nullstellen alle reell sind, so liegen diese in dem Intervall mit den Endpunkten

 .

Beispiel:

Das Polynom   hat die vier reellen Nullstellen -3, -2, -1 und 1. Nutzung der Intervallsformel ergibt

 .

Gerundet ergibt sich das Intervall

I = [-3,812 ; 1,312].

Die Nullstellen befinden sich also im gefundenem Intervall.

Polynome mit komplexen Koeffizienten

Der Fundamentalsatz der Algebra besagt: Jedes nichtkonstante Polynom über den komplexen Zahlen hat mindestens eine Nullstelle. Indem man wiederholt Linearfaktoren zu Nullstellen abspaltet, erhält man die Aussage, dass sich jedes Polynom

 

über den komplexen Zahlen in der Form

 

schreiben lässt. Dabei sind   die verschiedenen Nullstellen von   und   ihre jeweiligen Vielfachheiten.

Polynome über vollständig bewerteten Körpern

Es sei   ein vollständig bewerteter Körper mit Bewertungsring   und Restklassenkörper  , und es sei   ein normiertes Polynom. Aus dem henselschen Lemma folgt: Hat die Reduktion   eine einfache Nullstelle in  , so hat   eine Nullstelle in  .

Beispiel:

Es sei   der Körper der p-adischen Zahlen für eine Primzahl  . Dann ist   und  . Das Polynom   zerfällt über   in verschiedene Linearfaktoren, also hat es auch über   genau   Nullstellen, d. h.   enthält  -te Einheitswurzeln.