Schmalspurbahn Reichenbach–Oberheinsdorf
Reichenbach–Oberheinsdorf | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Streckennummer: | sä. RH | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Streckenlänge: | 5,41 km | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Spurweite: | 1000 mm (Meterspur) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Streckengeschwindigkeit: | 30 km/h | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Rollbockbahn (im Volksmund: de Rollbock) wurde die einst von Reichenbach unt. Bf nach Oberheinsdorf verkehrende meterspurige sächsische Schmalspurbahn bezeichnet.
Geschichte
Erstmals in den Jahren 1896/97 ersuchten die Industriellen im Heinsdorfer Grund um eine verbesserte Bahnanbindung. Zu dieser Zeit war die Fortführung der schon bestehenden Bahnstrecke von Reichenbach ob. Bf. nach Mylau durch den Heinsdorfer Grund vorgesehen, was letztlich so nicht realisiert wurde. Stattdessen wurde vom sächsischen Staat nunmehr eine schmalspurige Industriebahn bis Oberheinsdorf geplant, welche vor allem die schon vorhandenen Straßen mitbenutzen sollte. Die Stadt Reichenbach unterstützte dieses Vorhaben und stellte den notwendigen Grund unentgeltlich zur Verfügung.
Im Jahre 1901 begannen die Arbeiten mit der Verbreiterung der Straßen und dem Abriss von Häusern an der vorgesehenen Trasse. Da die Strecke nur als Anschlussbahn für die Industrie vorgesehen war und vor allem Rollbockverkehr stattfinden sollte, wurde als Spurweite die Meterspur gewählt. Am 15. Dezember 1902 wurde die neue schmalspurige Industriebahn offiziell eröffnet.
Vom Bahnhof Reichenbach unt Bf führte ein Dreischienengleis bis zum Posten 3. Bis dorthin benutzte die Strecke Reichenbach unt Bf–Oberheinsdorf einen Schienenstrang der Bahnstrecke Reichenbach ob Bf–Göltzschtalbrücke mit. Der Posten 3 war bereits am 1. Mai 1895 mit der Betriebseröffnung der Lengenfelder Strecke eröffnet worden, er diente der Absicherung der Straßenübergänge Innere Reichsstraße (heute: Am Graben), Äußere Reichsstraße sowie des Sperlingsberges. Am Posten 3 befand sich das Einfahrtssignal der Strecke von Oberheinsdorf. Der Schrankenwärter des Postens hatte dem Fahrdienstleiter des Unteren Bahnhofs das Eintreffen des Zuges zu melden, damit dieser bei freiem Gleis 1 das Signal auf Fahrt stellen konnte.
Mehrfach forderten die an der Strecke wohnenden Bürger auch die Einführung des Personenverkehrs, was dann auch am 1. Oktober 1909 geschah. Zu diesem Zeitpunkt wurde am Posten 3 der Haltepunkt Reichenbach-Altstadt eingerichtet. Die Hauptaufgabe der Bahn lag aber immer in der Bedienung der zahlreichen Fabrikanschlüsse entlang der Linie. Der Transport von Normalspur-Güterwagen auf Rollböcken verlieh dieser Strecke schließlich den Namen Rollbockbahn.
Die begrenzte Linienführung in der Reichenbacher Altstadt und der zunehmende Straßenverkehr ab den 30er Jahren ließen die Bahn zu einem Verkehrsproblem werden. Am 4. September 1957 wurde deshalb zunächst der Personenverkehr eingestellt, am 22. September 1962 wurde die Strecke schließlich komplett stillgelegt. Vom 19. August 1963 bis 04. Dezember 1964 wurde sie abgebaut.
Fahrzeuge
Überregional bekannt geworden ist die Bahn vor allem durch ihre wie Dampfstraßenbahnlokomotiven verkleideten Drehgestelllokomotiven der Bauart Fairlie. Die insgesamt nur drei Maschinen der sächsische Gattung I M wurden 1902 von der Sächsischen Maschinenfabrik in Chemnitz gebaut. Über lange Jahre musste die Bahn jedoch nur mit zwei Lokomotiven auskommen:
- Vom 14. August 1914 bis Mai 1917 wurde Lok 253 (die spätere 99 163) an die Schmalspurbahn Klingenthal–Sachsenberg-Georgenthal ausgeliehen, wo sie zunächst nur Probefahrten durchführen sollte, dann jedoch auch für den planmäßigen Güterverkehr verwendet wurde
- Vom 1. April 1939 bis zum 4. April 1941 wurde die Lok 99 162 an die badische Schmalspurbahn Mosbach-Mudau ausgeliehen
- 1942 sollte die Maschine 99 163 mit einem Schiff über Griechenland auf die Halbinsel Krim gelangen. Das Schiff wurde allerdings durch einen Torpedotreffer versenkt, die 99 163 liegt noch heute auf dem Meeresboden
Die ehemalige Nr. 252 (99 162) blieb als Museumslokomotive des Verkehrsmuseums Dresden erhalten, sie wurde 1970/71 wurde im Raw Görlitz-Schlauroth in den Originalzustand zurückversetzt. Auf dem MOROP-Kongress 1971 in Dresden wurde die Lok erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Mangels entsprechender Ausstellungsflächen wurde die Lokomotive im Lokschuppen von Ilfeld (Harzquerbahn) hinterstellt, bis sie 1999 wieder in ihre alte Heimat zurückkehrte.
Für den Personenverkehr wurden 1909 sechs vierachsige Personenwagen beschafft, die nach der Betriebseinstellung noch einige Jahre auf den Schmalspurbahnen bei Barth zum Einsatz kamen. Der Wagen 10.103 blieb erhalten und befindet sich heute restauriert ebenfalls in Oberheinsdorf.
Der Güterverkehr wurde ausnahmslos mit Rollböcken abgewickelt.
Museum
1997 gründete sich in Heinsdorfergrund ein Verein, um die letzten Sachzeugen der einstigen Rollbockbahn für die Nachwelt zu erhalten und ein kleines Museum am ehemaligen Bahnhof Oberheinsdorf einzurichten. Diesem gelang es 1999, die im Eigentum des Verkehrsmuseums Dresden befindliche letzte erhaltene Lokomotive der Rollbockbahn als Dauerleihgabe in ihre Heimat zu holen. Die Lokomotive kann in einem neu errichteten Lokschuppen in Oberheinsdorf besichtigt werden. In Güsen (Sachsen-Anhalt) fand sich Ende der 90er Jahre der letzte originale Personenwagen als Geräteschuppen der dortigen Feuerwehr. Das Fahrzeug konnte nach Sachsen zurückgeholt werden, wurde restauriert und komplettiert seit 2006 die Schauanlage.
Sonstiges
Die als einzige von insgesamt nur drei Maschinen ihres Typs bis heute vorhandene Dampflokomotive Nr. 252 (99 162) sollte nach der 1962 erfolgten Betriebseinstellung der Rollbockbahn eigentlich in Klingenthal als Denkmallokomotive aufgestellt werden. Dort sollte sie an den in den Jahren 1914 bis 1917 erfolgten Leiheinsatz ihrer baugleichen Schwestermaschine Nr. 253 zu erinnern, diese Pläne konnten jedoch nicht verwirklicht werden. Bemerkenswerterweise wird sie heute der Öffentlichkeit auf Schienen präsentiert, die 1997 in Klingenthal abgebaut (letzte Gleisreste der Schmalspurbahn Klingenthal–Sachsenberg-Georgenthal) und nach Oberheinsdorf gebracht wurden. Paradoxerweise kamen also die Schienen zur Lok statt wie ursprünglich geplant die Lok zu den Schienen. Nicht zuletzt dadurch ergeben sich im Laufe der Jahrzehnte zahlreiche Beziehungen zwischen der Rollbockbahn und der Schmalspurbahn Klingenthal–Sachsenberg-Georgenthal, diese Verknüpfungen dauern dabei bis in die Gegenwart an:
- die für sächsische Schmalspurbahnen exotische Spurweite von 1.000 mm welche nur bei diesen beiden Bahnen zu finden war
- die für Eisenbahnen ungewöhnliche straßenbündige Trassierung vergleichbar einer Straßenbahn respektive einer Dampfstraßenbahn
- der im Ersten Weltkrieg erfolgte Leiheinsatz der Rollbockbahn-Lokomotive I M 253 auf der Bahnstrecke Klingenthal–Sachsenberg-Georgenthal
- beide Bahnstrecken wurden kurz hintereinander stillgelegt (1962 bzw. 1964), beide fielen somit aufgrund ihrer überwiegend straßenbündigen Trassierung schon vergleichsweise früh dem motorisierten Individualverkehr zum Opfer (während sich andere DDR-Schmalspurbahnen noch deutlich länger halten konten)
- die zwischenzeitlich geplante Aufstellung der Rollbockbahn-Lokomotive I M 252 als Denkmal in Klingenthal
- der Wiederaufbau der 1997 in Klingenthal abgebauten Gleisreste in Oberheinsdorf
- die museale Erhaltung des ehemaligen Klingenthaler Salzstreuwagens 99-40-91 durch den Traditionsverein Rollbockbahn e.V.
Bilder
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Reichenbach unt Bf - März 2007
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Reichenbach unt Bf - Bahnhofsschild
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Reichenbach unt Bf mit Güterschuppen
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Lokschuppen Oberheinsdorf
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Innenansicht Lokschuppen Oberheinsdorf
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Personenwagen 10.103
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Innenansicht des Personenwagens
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Rollbockumsetzanlage
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Detail Rollbock
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Nachgebauter Posten 3 (ehemals in Reichenbach)
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99 162 hinter 99 6101 noch bei den HSB
Siehe auch
Literatur
- Die Rollbockbahn, Rainer Heinrich und Werner Nitzschke, EK-Verlag, Freiburg 2001, (ISBN 3-88255-416-9)
- De Rollbock, Gero Fehlhauer, Foto & Verlag Jacobi, Reichenbach 2006, (ISBN 3-937228-19-5)