Gerd von Rundstedt
Karl Rudolf Gerd von Rundstedt (* 12. Dezember 1875 in Aschersleben, † 24. Februar 1953 in Hannover) deutscher Generalfeldmarschall im Zweiten Weltkrieg, Befehlshaber von militärischen Großverbänden in Hitlers Angriffskriegen gegen Polen, Belgien, Luxemburg, Frankreich und die Sowjetunion, zuletzt Oberbefehlshaber West.
Rundstedt entstammte einer alten preußischen Offiziersfamilie, sein Vater, Gerd von Rundstedt, war ebenfalls General. Er trat in das preußische Heer ein.
Militärische Karriere vor 1938
Als Sohn eines Generalmajors in preußischer Militärtradition stehend, trat v. Rundstedt noch vor seinem 18. Lebensjahr in das preußische Kadettenkorps ein. 1894 besuchte er als Leutnant die Kriegsakademie, 1902 heiratete er die Tochter eines Majors.
Nach mehrjähriger Tätigkeit im Generalstab erhielt er 1912 als Kompaniechef erstmals ein Truppenkommando. Den gesamten Ersten Weltkrieg erlebte v. Rundstedt als Generalstabsoffizier in der Türkei und Frankreich, 1919 gehörte er zu dem streng limitierten Personalkontingent der neuorganisierten Reichswehr. Die Ernennung zum General erfolgte 1927.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 avancierte v. Rundstedt zum Wehrkreisbefehlshaber Berlin und ist damit für den militärischen Widerstand gegen Hitler und das NS-Regime von großem Interesse. Aus militärischen Überlegungen heraus oppositionell gegen Hitlers neoimperialistische Eroberungsvorhaben eingestellt, war er im Oktober 1938 dennoch an der Besetzung des Sudetenlandes beteiligt. Die von Hitler mehrfach gegenüber der deutschen Militärführung geäußerte Absicht zur territorialen Osterweiterung auf Kosten Polen und Russlands lehnte v. Rundstedt ab, da er ebenso wie Heeresgeneralstabschef Beck die deutsche Armee für ein solches Programm militärisch noch nicht ausreichend gewappnet betrachtete.
Rolle im Zweiten Weltkrieg
Blitzkriege gegen Polen und Frankreich
Der im November 1938 wegen seiner – die noch defizitäre Truppenstärke des deutschen Militärapparats betreffende – Kritik an Hitlers Befehl zur Zerschlagung der Tschechoslowakei aus der Wehrmacht entlassene Generaloberst wurde aufgrund seiner anerkannten Führungsqualitäten und dem Engagement verschiedener Fürsprecher aus dem Generalstab für den Angriff auf Polen („Fall Weiß“) im Sommer 1939 reaktiviert.
Als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd unterstanden ihm dabei fast 890.000 Soldaten, mit denen er am 1. September 1939 aus Schlesien und der Slowakei aus in Polen einmarschierte. Als Kommandeur einer der beiden im Polenfeldzug eingesetzten Mammutverbände besaß v. Rundstedt maßgeblichen Anteil an dem militärischen Blitzsieg gegen den deutschen Anrainerstaat.
Bei dem von ihm geführten Angriff auf Warschau verzichtete der Heeresgruppenchef aus militär-pragmatischem Kalkül auf einen Sturmangriff mit seinen Heeresverbänden und ließ die polnische Metropole stattdessen von der Luftwaffe „sturmreif“ bomben.
Kurzzeitig als Oberbefehlshaber Ost im besiegten Polen residierend, wurde Rundstedts Heeresgruppe für den geplanten Großangriff auf Frankreich an die deutsche Westgrenze verlegt. Der hierfür von Hitler aufgrund seiner strategischen Raffinesse ausgewählte „Sichelschnitt“-Angriffsplan basierte im Wesentlichen auf den Konzeptionen von Rundstedts damals engstem Mitarbeiter General v. Manstein.
Mit seinen nunmehr als Heeresgruppe A bezeichneten Truppen griff v. Rundstedt im Rahmen der am Morgen des 10. Mai 1940 begonnenen Westoffensive („Fall Gelb“) Belgien und Luxemburg an, schuf mit diesem Manöver die operativ-strategischen Voraussetzungen für die Realisierung der Kernphase des „Sichelschnitt“-Plans, deren Hauptstoß seine Panzer ausführen sollten.
Rundstedts mobile Kampfverbände stießen ohne großen Feindwiderstand durch die von französischen Militärs für unpassierbar gehaltene Ardennenregion und umgingen auf diese Weise die Festungsbollwerke der als Frankreichs Hauptverteidigungsstellung fungierenden Maginot-Linie. Für seine Verdienste bei der Eroberung Frankreichs wurde v. Rundstedt zusammen mit elf weiteren Offizieren am 19. Juli 1940 in den traditionell-elitären Rang eines Generalfeldmarschalls erhoben.
Seine Rolle als designierter Oberbefehlshaber für die als Invasionstruppen gegen England vorgesehenen Heeresverbände untermauerte seinen Rang innerhalb der deutschen Militärelite. Da das ambitionierte Unternehmen zur Besetzung der britischen Insel nach der fehlgeschlagenen Luftschlacht um England nicht realisiert werden konnte, war der 64-jährige Feldmarschall für anderweitige Großoperationen vakant, weshalb er auch zum Führungsaufgebot für die im Sommer 1940 befohlene Zerschlagung der Sowjetunion gehörte.
Die Jahre 1941 bis 1945
In Hitlers am 22. Juni 1941 gestarteten Angriffskrieg gegen die UdSSR stand v. Rundstedt an der Spitze der Heeresgruppe Süd, die Ukraine und Kaukasus erobern sollte. Für seine Streitkräfte erwies sich der vorgesehene Vorstoß an die Wolga und das Kaspische Meer jedoch aufgrund der personellen und materiellen Unterlegenheit als illusorisch, auf Höhe der Krimhalbinsel stagnierte die Offensive des Südostflügels des deutschen Ostheeres. Entgegen Hitlers Anti-Rückzug-Parole erwog v. Rundstedt eine taktische Rücknahme seiner logistisch und physisch überstrapazierten Verbände.
Rundstedt gehörte deshalb zu den Generälen, die während der 1941er Winterkrise an der Ostfront aufgrund strategisch-taktischer Differenzen mit Hitler von ihren Posten abgelöst wurden. Bereits nur wenige Monate später erhielt der versierte Militär als Oberbefehlshaber West mit Hauptquartier in Paris im Gegensatz zu einigen seiner Kollegen jedoch ein neues Spitzenkommando, dem gleichzeitig auch in Personalunion der Oberbefehl über die Heeresgruppe D angekoppelt war.
Als Kopf des schwerpunktmäßig in Nord- und Südwestfrankreich stationierten Westheeres oblag ihm nach der Führung von Hitlers Blitzkriegen nun eine streng defensive Aufgabe. Zusammen mit der NS-Bautruppe „Organisation Todt“ (OT) sollte er zur Abwehr der von der Wehrmachtsführung bereits erwarteten Invasion der Alliierten den Auf- und Ausbau der „Atlantikwall“-Befestigungen organisieren. Der routinierte Militär v. Rundstedt machte sich über die Erfolgschancen der deutschen Defensivmaßnahmen keine Illusionen, rechnete schon Monate vor der eigentlichen Invasion mit einem Erfolg der alliierten Streitkräfte im Falle eines erneuten Konflikts auf französischem Boden.
Als am 6. Juni 1944 die alliierten Truppen im Rahmen der amphibischen Großoperation „Overlord“ in der Normandie landeten, waren Rundstedts Reaktionsmöglichkeiten stark begrenzt, da die mobilen Hauptreserven im Raum Paris nur mit Hitlers ausdrücklicher Genehmigung eingesetzt werden durften.
Nachdem die Liquidierung des alliierten Brückenkopfs aufgrund der massiven materiellen und personellen Unterlegenheit der Wehrmacht und der fehlenden Luftraumkontrolle misslang, sah v. Rundstedt keine Chancen mehr zur militärischen Wende. Nach offener Kritik an der obersten Führung ließ ihn Hitler am 2. Juli 1944 von Generalfeldmarschall Günther von Kluge als Oberbefehlshaber West ablösen.
Auch um sich karrieristisch zu rehabilitieren übernahm v. Rundstedt anschließend den Vorsitz des Ehrenhofs der Wehrmacht. In dieser Funktion stieß er im Auftrag des NS-Regimes zahlreiche mit dem Attentat des 20. Juli 1944 kompromittierte Wehrmachtsangehörige aus der Armee aus, sodass sie von zivilen Justizinstanzen abgeurteilt werden konnten.
Bereits Anfang September 1944 setzte ihn die oberste Führung wieder als Oberbefehlshaber West ein; in dieser Funktion leitete v. Rundstedt von Koblenz aus die rasante Absetzbewegung der deutschen Weststreitkräfte nach Belgien und Elsass-Lothringen.
Nachdem sich aufgrund des verlangsamten alliierten Vorstoßes die prekäre Lage der deutschen Truppen an der Westfront kurzzeitig teilstabilisieren konnte, führte v. Rundstedt auf Direktive Hitlers Mitte Dezember 1944 die letzte deutsche Großoffensive im Zweiten Weltkrieg. Der von 250.000 Soldaten und 600 Panzern geführte Angriff auf die Ardennen scheiterte jedoch bereits in der Anfangsphase, führte zum Verschleiß der letzten deutschen Truppenreserven und substanziellen Dezimierung des Westheeres. Den daraufhin wieder aufgenommenen Vormarsch der Alliierten und die sukzessive Vernichtung seiner von Nachschubproblemen penetrierten Resttruppen konnte der OB West nicht mehr verhindern.
Nach der erfolgreichen Rheinüberquerung von US-Truppen bei Remagen setzte Hitler Feldmarschall v. Rundstedt Anfang März 1945 endgültig ab und ersetzte ihn durch Albert Kesselring.
Seit Mai 1945 in britischer Kriegsgefangenschaft, wurde er wegen Kriegsverbrechen angeklagt. Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands kam es jedoch zu keiner Verurteilung. Sein Leiden an einer Herzerkrankung veranlasste die Briten ihn im Mai 1949 aus der Gefangenschaft zu entlassen.
Literatur
- Rudolf Günter Huber: Gerd von Rundstedt. Sein Leben und Wirken im Spannungsfeld gesellschaftlicher Einflüsse und persönlicher Standortbestimmung, Peter Lang Verlag : Frankfurt am Main 2004, 465 S., ISBN 3-631-51933
Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Rundstedt, Karl Rudolf Gerd von |
KURZBESCHREIBUNG | Deutscher Generalfeldmarschall im Zweiten Weltkrieg, |
GEBURTSDATUM | 12. Dezember 1875 |
GEBURTSORT | Aschersleben |
STERBEDATUM | 24. Februar 1953 |
STERBEORT | Hannover |