Die Bioökonomie ist die Ökonomie des Lebendigen, eine Fachbezeichnung für die Darstellung des ökonomischen Gehalts lebender Systeme. Die Bioökonomie ist zum technischen Ansatz der Bionik komplementär, indem sie ökonomische Muster des Lebendigen daraufhin untersucht, ob sie als Vorlage für sozioökonomische Entscheidungen dienen könnten.
Thematik
Lebende Systeme beruhen auf dem evolutionären Zusammenhang zwischen biologischen Informationsträgern und deren Umwelt. Die Bioökonomie setzt sich mit der selektiven Wirkung der Lebensbedingungen (Umwelten) auseinander. Die Ökonomie des Menschen wird als Sonderfall der Ökonomie des Lebendigen begriffen. Die bioökonomische Hypothese ist: Die „künstliche Auswahl“ (Ökonomie) ist nicht das Gegenstück zur „natürlichen Auswahl“ (Selektion), sondern ein nicht entrinnbarer Teilbereich des Lebendigen, zumal die Evolution der Menschheit selbst ein Teil der Biosphäre ist.
Der Mensch hat sich Kraft seiner geistigen Fähigkeiten, „Artefakte“ geschaffen, die sein Weiterleben sichern sollen. Diese werden in sozialer Bestimmung getauscht. Die Bioökonomie befasst sich nicht primär mit den Tauschvorgängen selbst, sondern mit den ihnen zugrunde liegenden Gebrauchswerten und Randbedingungen im Hinblick auf die Lebensfähigkeit (Viabilität). Darin konvergiert die Bioökonomie mit der Wissenschaft und Lehre von der Ware. Die Bioökonomie ist transdisziplinär angelegt, indem sie die Thermodynamik mit der Evolutionsbiologie und Wirtschaftswissenschaft verbindet. Sie wendet sich gegen mechanistische Konzepte ökonomischer Theoriebildungen.
ideengeschichtliche Einordnung
Als Wegbereiter der Bioökomie gilt Nicholas Georgescu-Roegen (1906–1994). Er hat das Verdienst, erkannt zu haben, dass die Wirtschaftsprozesse insbesondere von der Thermodynamik beherrscht werden. Der Vierte Hauptsatz von Georgescu-Roegen betrifft die Entropie der Materie. Die Ungleichgewichts-Thermodynamik lebender Systeme kann mit energetischen Konzepten, ohne die Entität Information, nicht hinlänglich beschrieben werden. Das bioökonomische Interesse gilt dem Rückfluss der Information in die Produkte der Evolution als "Kausalität von oben" (Rupert Riedl, 1925–2005). Information ist der Gegenbegriff zur Entropie. Wegen der existenziellen Bedeutung des Entropie-Gesetzes (Zweiter und Vierter Hauptsatz der Thermodynamik) ist die Bioökonomie für die Theorie der Warenlehre grundlegend.
interdisziplinäre Einordnung
Die Ökologische Ökonomie bemüht sich um eine Synthese von Bioökonomie und Sozioökonomie. Als "wissensbasierte Bioökonomie" werden als Wirtschaftszweig die Anwendungen der Biotechnologieindustrie bezeichnet. Für das Management ist das kybernetische Modell lebensfähiger Systeme (Viable System Model) von Stafford Beer (1926–2002) von Bedeutung.
Literatur
- Nicholas Georgescu-Roegen: The Entropy Law and the Economic Process. Cambridge, Massachusetts (Harvard University Press) 1971. ISBN 0-674-25781-2 (paper)
- Joseph C. Dragan / Mihai C. Demetrescu: Entropy and Bioeconomics. The New Paradigm of Nicholas Georgescu-Roegen. First Edition 1986, Second Edition 1991 - Nagard Publisher (Roma, Foro Trajano 1/A)
- Entropy and Bioeconomics. Proceedings of the First International Conference of the European Association for Bioeconomic Studies - E.A.B.S. / Rome 28-30 Nov.1991. Editrice Nagard (20122 Milano, Via Larga 11) ISSN 88-85010-11-3
- Implications and Applications of Bioeconomics. Proceedings of the Second International Conference of the European Association for Bioeconomic Studies - E.A.B.S / Palma de Mallorca, March 11-13, 1994.- Editrice Nagard (20122 Milano, Via Larga 11) ISSN 88-85010-48-2
- Cybernetics, Ecology and Bioeconomics. Proceedings of the International Joint Conference E.A.B.S, Dragan European Foundation, Cybernetic Academy "Stefan Odobleja". Palma de Mallorca 7-10 Nov. 1998 - Edizioni Nagard ISBN 88-8510-59-8
- Journal of Bioeconomics. (Eds.: Janet T. Landa & Michael T. Ghiselin) erscheint seit 1999, verlegt bei Springer.- ISSN 1387-6996
Übersetzungen ins Deutsche:
- Nicholas Georgescu-Roegen: Nachwort.- In: Jeremy Rifkin: Entropie. Ein neues Weltbild (übersetzt von Christa Falk u. Walter Fliss).- Frankfurt/Main, Berlin (Ulstein Sachbuch Nr.34289) 1985, S.299-309.- ISBN 3-548-34289-2
- Nicholas Georgescu-Roegen: Das Wechselspiel von institutionellen und materiellen Faktoren: das Problem und sein Status (übersetzt von Patricia Blaas).- In: Egon Matzner et al. (Hrsg.): Arbeit ist für alle möglich. Berlin (Ed. Sigma) 1987, S. 313-340.- ISBN 3-924859-21-3
- Nicholas Georgescu-Roegen: Die Thermodynamik und wir, die Menschen (übersetzt von Richard Kiridus-Göller).- In: Forum Ware 28 (2000) Nr.1-4, S.129-143 .- ISSN 0340-7705
- Eberhard K. Seifert: Das Bioökonomische Minimalprogramm. (Auszug aus der deutschen Erstübersetzung durch das IÖW mit Geleitworten von Eberhard K. Seifert und Anhängen, Berlin, ).- In: Forum Ware 28 (2000) Nr.1-4, S.126-128
Fachartikel:
- Eberhard K. Seifert: Entropie und Bioökonomie.- In: The Entropy Law and the Economic Process in Retrospect, Schriftenreihe des IÖW 5 / 1987, S. 32-56 ISBN 3-926930-01-2
- Richard Kiridus-Göller: Die Bedeutung der Bioökonomie für die Theorie der Warenlehre.- In: Forum Ware 28 (2000) Nr.1-4, S.128-129
- Richard Kiridus-Göller: Die Ware aus der Sicht der Biologie.- In: Forum Ware 28 (2000) Nr.1-4, S.4-13
Weblinks
- EABS European Association for Bio-economic Studies : http://www.fondazionedragan.org/en/2.10.htm -
- Journal of Bioeconomics : http://www.springerlink.com/content/103315/
- Viable System Model : http://www.managementkybernetik.com/fs_methmod3.html