Die Rohrpost ist eine Form des schnellen Transports von Schriftstücken (z.B. Briefen und Dokumenten) sowie von kleineren Gegenständen (z.B. Geld).
Funktionsweise
Man unterscheidet zwischen Innenrohrpostanlagen innerhalb von einzelnen Gebäuden sowie den Fernrohrpostanlagen zwischen verschiedenen Gebäuden einer Stadt. Fernrohrpostanlagen dienen überwiegend der schnellen Brief- und Telegrammbeförderung zwischen wichtigen Postämtern.
Die Rohrpostanlagen bestehen aus einem (weit) verzweigten Netz von Rohrleitungen. Als Transportmittel werden zylindrische Behälter benutzt, deren Durchmesser nur geringfügig kleiner ist als der Innendurchmesser der Rohre. Die Behälter werden innerhalb der Rohrpostanlage durch Druckluft oder Saugluft bewegt und erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 30 km/h. Je Linie kann immer nur eine Büchse befördert werden. Der Druckunterschied zwischen Behälter und Luftverdichter beträgt dabei auch bei längeren Linien oder größeren Rohrdurchmessern nur zwischen 0,3 bis 0,5 bar, d.h. nicht der Druck sondern die ins System gepumpte (oder abgesaugte) Luftmenge variiert.
Geschichte und Entwicklung
Um 1810 bemühte sich der dänische Ingenieur George Medhurst erstmals ernsthaft um den Einsatz atmosphärischer Luft für industrielle und verkehrstechnische Zwecke. In entsprechenden Veröffentlichungen schlug er vor, die Luft aus einer eisernen Röhre abzupumpen, um so durch den erreichten Druckunterschied eine entsprechende Triebkraft zu erzielen; Medhurst gilt daher als Erfinder der pneumatischen Rohrpost.
Diesen Gedanken hat 1818 der englische Ingenieur Vallance aufgegriffen mit der Idee, Personen und Güter von London nach Brighton in einer tunnelartigen, gußeisernen und entsprechend großen Röhre zu befördern. Diese Bemühungen verliefen allerdings ergebnislos, jedoch brachten Versuche zum Transport von Postgut mittels Luftdruck in kleinkalibrigen Röhren erste Erfolge.
Der Franzose Abbé Moigno richtete dazu 1852 eine Versuchsstrecke ein, die letztlich dazu führte, dass der Franzose Galy Cazalar und der Engländer Latimer Clark unabhängig voneinander 1854 entsprechende Landespatente einreichten. Sie beschrieben eine technische Einrichtung, mit der in Blechbüchsen eingeschlossene kleine Pakete und Briefe bei hoher Luftverdünnung oder -verdichtung durch Röhren zu einem nicht sehr weit entfernten Ort befördert werden konnten.
Die erste Rohrpostanlage wurde schließlich 1859 in London in Betrieb genommen (Pneumatic Despatch Railway). Die Technik verbreitete sich danach weltweit. Die Blütezeit dieses Beförderungsmittels zur Postbeförderung reichte bis 1945.
Eine der größten Anlagen dieser Art existierte in Berlin mit einer maximalen Streckenlänge von fast 400 km im Jahr 1940. 79 Post- und Telegraphenämter waren angeschlossen und bearbeiteten zu dieser Zeit rund 8 Mio. Sendungen jährlich. Diese Anlage wurde am 1. Dezember 1876 in Betrieb genommen. Es konnten Postkarten und Briefe bis zu einem Gewicht von 20 Gramm (Maximalmaß: 14x9 cm) verschickt werden. Der Betrieb der Berliner Rohrpost wurde 1976 endgültig eingestellt, dagegen rauschten in Paris noch bis 1984 Botschaften durch die Rohre.
Am 1. August 1922 wurde das Rohrpostnetz in München für den allgemeinen Betrieb eröffnet, dessen Fertigstellung durch den Ersten Weltkrieg verzögert wurde. In München waren Briefe bis zu einem Höchstgewicht von 100 g und einem Maximalmaß von 20x14 cm zugelassen. Die Briefe mußten auf einen Durchmesser von 4 cm rollbar sein.
In Europa gab es Rohrpostnetze auch in: Wien und Prag sowie in Paris und Marseille und außerdem in Italien in den Städten Rom, Genua, Neapel und Mailand.
Die Gebühr für die Rohrpostbeförderung beinhaltete bis ungefähr Mitte 1927 neben dem Porto für die Postkarte/den Brief die Gebühr für die Rohrpostbenutzung und die anschließende Eilzustellung per Boten.
Aus dem Ausland eintreffende und für die Rohrpost geeignetete Sendungen wurden in den Rohrpostbezirken per Rohrpost zum Zustellpostamt befördert. Umgekehrt wurden für das Ausland bestimmte Sendungen gegen einen Zuschlag von 10 Pfennig zur Bahnhofspostanstalt befördert.
Sendungen von Berlin nach München bzw. von München nach Berlin konnten durch den Vermerk „In Berlin (bzw. München) durch Rohrpost“ auch am Zielort durch die Rohrpost befördert werden. Die Rohrpostgebühr war dann zweimal zu entrichten.
1935 wurde die obligatorische Eilzustellung aufgehoben. Die Rohrpost wurde dann mit der nächsten regulären Zustellung zugestellt. Bemerkenswert ist dabei, dass seinerzeit zwei oder mehr Zustellungen täglich üblich waren.
In den Rohrpostbezirken Berlin und Wien wurden bei den angeschlossenen Postämtern ein Tages- oder Sonderstempel mit Stunden- und Minutenangaben verwendet.
Die moderne Rohrpost
Heutzutage werden Rohrpostanlagen überwiegend innerhalb von Gebäuden eingesetzt, beispielsweise im Handel zur Geld- oder Buchbeförderung, in Krankenhäusern zum internen Versand von Blutproben, Krankenakten, Befunden und Formularen. So werden z.B. in der Berliner Charité täglich rund 3.500 Patientenproben, Röntgenbilder oder Analysematerialien zwischen den Stationen und den Labors schonend und schnell hin und her befördert. Eine der modernsten und jüngsten Anlagen dieser Art wurde im Heidelberger Universitätsklinikum instaliert. Dort verbindet ein rund 14 km langes Röhrensystem mit 54 Linien über vielfältige Verzweigungen 104 Stationen. Mittels Transpondertechnologie finden täglich etwa 2.000 Proben ihren Weg von den Stationen ins Labor.
Rohrpostanlagen in Warenhäusern dienen dazu, die einzelnen Kassen mit der Haupkasse zu verbinden, um eingenommenes Bargeld abzuliefern oder Geld zu wechseln. Die zunehmende Akzeptanz der bargeldlosen Zahlung mittels EC-Karte und Kreditkarte lassen die durch die Rohrpostanlagen gewonne Sicherheit vor Überfällen aber immer mehr an Bedeutung verlieren.
Weitere Anwender für moderne Rohrpostanlagen finden sich in der Chemieindustrie, in Stahlwerken, in Papierfabriken und in der Automobilindustrie. So ließ der französchische Automobilhersteller Peugeot 1998 im Werk Sochaux eine Rohrpostanlage installieren, um die Produktionslinien mit den passenden Schließgarnituren für Tür- und Kofferraumschlösser zu versorgen.
Moderne Systeme für "Kommunikation und Transportautomation", wie solche Anlagen von den Herstellern auch genannt werden, sind in der Lage bis zu 28 kg schwere Dokumente, Waren oder Werkstücke mit einer Länge von 50 cm und einem Durchmesser von bis zu 30 cm zu befördern. Hierbei können heute Röhrensysteme mit 64 Linien und bis zu 512 Stationen realisiert werden.
Weblinks
- The Museum of RetroTechnology: Pneumatic Networks - sehr informative englischsprachige Seite mit vielen historischen Bildern
- Aerocoms "Around the tube" - enthält auch deutschsprachige pdf`s
Siehe auch: Post