Staatstheorie
interdisziplinäre Ansätze von Philosophie und Politischen Wissenschaften
Im Gebiet der Politischen Philosophie behandelt die Staatstheorie die Definition, Aufgabe und Kritik des Staates.
Die ganze Philosophiegeschichte hat ihren Beitrag zu Staatstherorien geleistet:
- Hellenistische Staatstheorien (Aristoteles, Platon, Cicero)
- Humanistische Staatstheorien
- Absolutistische Staatstheorien (Thomas Hobbes)
- Liberale Staatstheorien (John Locke, Immanuel Kant, Thomas Jefferson, John Jay, James Madison, Alexander Hamilton, John Rawls)
- Demokratische Staatstheorien (Jean-Jacques Rousseau, Abraham Lincoln, Nicos Poulantzas, Joachim Hirsch)
- Konservative Staatstheorien (Hegel)
- Sozialistische Staatstheorien (Nicos Poulantzas, Joachim Hirsch)
- Marxistische Staatstheorien (Marx, Engels, Rosa Luxemburg, Gramsci, Althusser)
- Anarchistische Staatstheorien
- solidarischer Anarchismus (Pierre Joseph Proudhon)
- kollektiver Anarchismus (Michail Alexandrowitsch Bakunin)
- kommunistischer Anarchismus (Peter Kropotkin)
Einzelne Theorien
Theorien zur Entstehung des Staates und zur Legitimation der Herrschaft
- Rechtstheorie
Der Staat beruht hiernach auf (der Fiktion) einer ursprünglichen Gründung durch Vertrag. Ausgangspunkt ist jeweils die Fiktion eines Naturzustandes.
Die bedeutendsten Gesellschaftsvertragstheorien stammen von Thomas Hobbes, John Locke, Jean-Jacques Rousseau und John Rawls.- Thomas Hobbes' Gesellschaftsvertragstheorie ist absolutistisch geprägt. Der Naturzustand war bei ihm der Krieg eines jeden gegen jeden (bellum omnium contra omnes), der Zweck des Vertrags die Beendigung dieses Zustandes. Die Zustimmung der Individuen legitimiert bei ihm die Herrschaft eines Souveräns. Dieser ist jedoch nicht selbst an seine Gesetze gebunden, da er ausserhalb des Vertrages steht. Der Vertrag ist ein herrschaftsbegründender Unterwerfungsvertrag; er enthält keinerlei herrschaftsbegrenzende Elemente. Die einzige Situation, in der der Vertrag aufgekündigt werden kann ist diejenige, in der der Herrscher die Sicherheit des Volkes nicht mehr gewährleisten kann.
- John Locke's Gesellschaftsvertragstheorie dagegen ist aufklärerisch liberal geprägt. Der Naturzustand ist durch Freiheit und Gleichheit gekennzeichnet. Grund des Vertrags ist hier die geringe Sicherheit des Lebens, der Freiheit und des Eigentums im Naturzustand, der durch die Gewalten der Legislative, Exekutive und Judikative überwunden werden kann. Lockes Gewaltenteilungslehre ist gegenüber der von Montesquieu noch nicht sehr ausdifferenziert. Er prägte jedoch in diesem Zusammenhang den Begriff der checks and balances, der von den Autoren der Federalist Papers aufgegriffen wurde.
- Jean-Jacques Rousseau gab seiner Gesellschaftsvertragstheorie eine demokratische Ausprägung.
- John Rawls schließlich hat in seiner Gesellschaftsvertragstheorie des egalitären Liberalismus den Schleier des Nichtwissens eingeführt.
- Zur Umsetung von Naturrecht und Gesellschaftsvertrag in positives Recht siehe auch Menschenrechte.
- Machttheorie
Im 19. Jh. verliert der Gesellschaftsvertrag als Legitimationstheorie an Überzeugungskraft. In den Mittelpunkt rücken Max Webers soziologische Definitionen von Macht, Herrschaft und Autorität.
Der Staat wird als logische Folge der Ausübung von Macht / Herrschaft gesehen.- Max Weber unterscheidet drei Idealtypen von Herrschaft nach der Art ihrer Legitimation: rationale Herrschaft (z. B. Bürokratie), traditionelle Herrschaft (z. B. Patriarchat, Feudalismus) und charismatische Herrschaft (z. B. Propheten). Näheres hierzu im Artikel Herrschaft.
- Die Machttheorie von Foucault geht von einer "strategisch-produktiven" Machtvorstellung aus.
Ein anschauliches Beispiel ist auf http://www.demokratische-plattform.de/index.php?p=10 zu finden.
Theorien über die Aufgaben des Staates
- Ethische Theorie
Der Staat hat die Aufgabe das gemeinschaftliche Zusammenleben der Menschen so gut wie nur möglich zu organisieren. Jeder soll die Tätigkeit ausüben, die er am besten kann.
- Christlicher Staat / Islamischer Staat
Der Staat hat die Aufgabe die Herrschaft Gottes auf der Erde zu errichten.
- Sozialistischer Staat
Der Staat dient dem kollektiven Wohl, also dem Wohl der Allgemeinheit bis zum Erreichen des Kommunismus als staaten- und klassenlose Gesellschaft.
- Wohlfahrtsstaattheorie / Nationalökonomische Theorie
Der Staat hat die Aufgabe für die Wohlfahrt seiner Bürger zu sorgen. Er ist aus Sicht der Volkswirtschaftslehre dazu geeignet, da er zur Minderung von Marktversagen, z. B. zur Lösung sozialer Dilemmata und zur Beseitigung von Monopolen, fähig ist.
Mit der Theorie von Staat befassen sich auch die Staatsrechtslehre, die Politikwissenschaft, die Ökonomie (z.B. die Volkswirtschaftslehre, die Österreichische Schule), die Soziologie (z.B. Franz Oppenheimer, Stefan Blankertz) und die Ideologiekritik.
Literatur
- Karl Held (Hrsg.): Der bürgerliche Staat. Die Staatsableitung. München, 1999. 138 Seiten ISBN 3-929211-03-3 (Marxistische Staatstheorie)
- Wilhelm Schmid, Denken und Existenz bei Michel Foucault. ISBN 3518116576
- Petra Neuenhaus, Max Weber und Michel Foucault. Über Macht und Herrschaft in der Moderne. ISBN 3890858201
- Peter Massing/Gotthard Breit (Hrsg.): Demokratie-Theorien. Von der Antike bis zur Gegenwart. ISBN 3-89331-518-7 (bpb)