Die Lorentztransformation, nach ihrem Entdecker Hendrik Antoon Lorentz (1853-1928) benannt, ist die grundlegende Gleichung der speziellen Relativitätstheorie (SR). Mit der Loretztransformation (LT) werden Koordinaten zwischen gegeneinander bewegten Systemen umgerechnet (transformiert). Kerngröße der Lorentztransformation ist die Lichtgeschwindigkeit c, und eine wesentliche Eigenschaft der LT ist, dass nur Transformationen erlaubt sind, die zwischen Systemen stattfinden, deren Relativgeschwindigkeit die Lichtgeschwindigkeit nicht überschreitet. Da diese letzte Eigenschaft genau diejenige ist, welche der speziellen Relativitätstheorie zugrunde liegt, kann man auch sagen, dass die LT die mathematischen Regeln der SR bestimmt.
Entstehung der Gleichungen
Lorentz formulierte die Transformationsgleichungen, bevor die SR bekannt war.
Elektromagnetische Wellen breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit aus, und die Maxwellgleichungen sind (obwohl das zur Zeit ihrer Aufstellung unbekannt war), nur als Gleichungen einer Welt sinnvoll, in der (lokal) die spezielle Relativitätstheorie gilt. Als die Maxwellgleichungen formuliert wurden, kannte man allerdings nur den absoluten Raum und die absolute Zeit der klassischen Mechanik, in der die Galileitransformation für Koordinatentransformationen anzuwenden ist. Unter der Galileitransformation lassen sich die Maxwellgleichungen jedoch nicht transformieren.
Es war der Erfolg Hendrik Lorentzs, die 1900 nach ihm benannte Lorentztransformation als die Transformationsgleichung zu erkennen, die die Gleichungen der Elektrodynamik erhalten. Zu diesem Zeitpunkt war Ätherhypothese Grundlage elektromagnetischer Phänomene. Es war allerdings unbekannt, woraus dieser Äther bestehen sollte. Verschiedene Experimente deuteten auf eine Mitführung des Äthers z. B. durch die Erde hin, andere wiederum nicht. Lorentz erkannte, dass sich verschiedene Phänomene erklären lassen, wenn man für elektromagnetische Erscheinungen eine Verkleinerung des Längenabstandes in Bewegungsrichtung des Bezugssystems und eine etwas vergrößerte Zeit, die er Ortszeit nannte, annimmt. Ihm gelang die Formulierung einer geschlossenen mathematischen Theorie. Er hielt aber an der Vorstellung des Äthers, der in einem Koordinatensystem ruhen sollte (und dieses Bezugssystem auszeichnet) fest.
Mit Albert Einsteins Formulierung der speziellen Relativitätstheorie wurde die klassische Mechanik und die Ätherhypothese abgelöst. Er leitete die Gleichungen aus dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit in jedem Bezugssystem und des Nichtvorhandenseins eines ausgezeichneten Bezugssystems ab und wendete sie auch auf Phänomene aus der Mechanik an. Die Lorentztransformation ersetzte die alte Galileitransformation. Die Galileitransformation wiederum bleibt im Falle kleiner Geschwindigkeiten (in sehr guter Näherung) gültig.
(Un)anschauliche Folgerungen
Eine Folge der Gesetze der speziellen Relativitätstheorie ist, dass "bewegte Uhren langsamer gehen" und "bewegte Maßstäbe verkürzt erscheinen". Dies ergibt sich mathematisch aus der Lorentztransformation.
Populär bekannte und der Intuition widersprechende Folgerungen aus der Lorentztransformation sind die Zeitdilatation, mit dem daraus folgenden Zwillingsparadoxon.
Daneben ist die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit dem Alltagsleben fremd: Wenn von der Erde ein Lichtstrahl ausgesandt wird, so nimmt beispielsweise ein Raumschiff, das sich auf die Erde mit 50% der Lichtgeschwindigkeit zubewegt, die Geschwindigkeit nicht, wie man naiv erwarten würde, als 150% der Lichtgeschwindigkeit wahr. Unabhängig von der relativen Geschwindigkeit der Lichtquelle und des Empfängers ist die gemessene Geschwindigkeit immer gleich.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden viele Experimente zur Messung der Lichtgeschwindigkeit angestellt. Diese Experimente ergaben die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit unabhängig vom Bewegungszustand der Erde, des Beobachters usw. Die Galileitransformation konnte also für Licht nicht richtig sein. Hilfsannahmen wie die Mitführung des Äthers als Medium für die Ausbreitung von Licht konnten nicht alle Phänomene erklären. Diese Beobachtung stellte Albert Einsteins Ausgangspunkt dar, von dem aus er die spezielle Relativitätstheorie entwarf.
Mathematische Formulierung
Die Lorentztransformationen bilden eine mathematische Gruppe, deren Elemente ein Koordinatensystem in ein anderes transformieren. Diese Koordinatensysteme werden in der Regel als Intertialsysteme bezeichnet. Die drei Raumkoordinaten x, y, und z und die Zeitkoordinate t, die ein so genanntes Ereignis in unserer Welt beschreiben, werden zu einem Vierervektor zusammengefasst, der Element des Minkowskiraumes ist (siehe auch Lorentz-Transformation und Minkowski-Raum).
Die Sprache der Lorentztransformation ist folgendermaßen: Das Ausgangskoordinatensystem wird als S, der Vierervektor darin als bezeichnet; das transformierte System, S' hat dann die Koordinaten . Von eigentlichem Interesse sind Transformationen zwischen zwei Systemen S und S', die sich relativ zueinander bewegen. (Transformationen zwischen Systemen, die zueinander unbewegt sind, wie etwa zueinander gedreht, lassen sich nach den einfacheren Regeln der Galileitransformation berechnen. Wenn man die Lotentztransformation um Verschiebungen erweitert, erhält man die Poincarégruppe, welche die Geometrie der Minkowskiraumes definiert.)
Wenn die relative Bewegung der Koordinatensysteme entlang der x-Achse mit der Geschwindigkeit v erfolgt, und der Ursprung beider Koordinatensysteme übereinstimmt, dann nimmt die Lorentztransformation folgende Gestalt an:
wobei
und c die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum ist.
Es gilt . Für Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit wird sehr groß. Für kleine Geschwindigkeiten (im Alltagsleben beobachtete Geschwindigkeiten sind in diesem Sinne immer klein) ist . Die Lorentztransformation wird für zur Galileitransformation.
Beliebige Lorentztransformationen werden erreicht, indem zuerst die Ursprünge der Koordinatensysteme mittels eine Translation aufeinander verschoben werden, und dann mittels einer Rotation die -Achsen übereinandergelegt werden. Diese allgemeinen Transformationen sind Poincarétransformationen.
Es gibt verschiedene mathematische Schreibweisen, um die Lorentztransformation auszudrücken. Teilweise ist die Zeitkoordinate die erste Koordinate des Vierervektors; teilweise wird in Einheiten der Lichtgeschwindigkeit gerechnet, d. h. c wird gleich 1 gesetzt, und die Geschwindigkeit v ist dann eine Zahl zwischen 0 und 1; teilweise wird die Zeitkoordinate im Minkowskiraum als imaginäre Zahl behandelt.)
Ganz allgemein kann man jede Lorentztransformation als eine Abbildung definieren, die einen Vierervektor V transformiert:
derart, dass
ist. Hier bezeichnet die orthogonale (oder in Matrix-Sprechweise transponierte) Abbildung. ist die Metrik des Minkowskiraumes, und stellt sich als -Matrix als
dar. Als -Matrizen dargestellt, bilden die -Abbildungen eine Repräsentation der -Gruppe.
Lorentz Invarianz
Größen oder Gleichungen, die sich unter der Lorentztransformation nicht verändern, werden als Lorentzinvarianten bezeichnet.
Die einfachste lorentzinvariante Größe ist der Relativistische Abstand (hier vom Koordinatenursprung)
- ,
der im transformierten System zu
- ,
wird. Unter einer Lorentztransformation ist dieser Abstand erhalten, d. h.
- .
Die Maxwellgleichungen sind ebenfalls lorentzinvariant. Sie behalten in allen Inertialsystemen die gleiche Form.
Weitere Folgerungen
Relativität der Gleichzeitigkeit
Gleichzeitige Erscheinungen in einem Bezugssystem finden in einem anderen nicht unbedingt gleichzeitig statt (Relativität der Gleichzeitigkeit). Grund hierfür ist, dass man die Information für das Stattfinden eines Ereignisses frühestmöglich durch Übertragung der Information mittels Licht erhalten kann, dessen Geschwindigkeit immer konstant ist. Der Lichtabstand ct zweier in einem Ruhesystem gleichzeitig wahrgenommener Ereignisse im selben Abstand zum Beobachter verändert sich aber in bewegten Systemen (der relativistische Abstand ist ja konstant). Um die wahren Zeitpunkten zu ermitteln, muss ein Beobachter die Zeit, die das Licht bis zur Wahrnehmung benötigt, abziehen (Rückdatierung). Der unbewegte Beobachter datiert die Ereignisse auf die gleichen Zeitpunkte zurück. Für ihn sind sie gleichzeitig. Ein bewegter Beobachter datiert die Ereignisse auf unterschiedliche Zeitpunkten zurück. Für ihn sind die Ereignisse nicht gleichzeitig.
Addition von Geschwindigkeiten
Hat ein Körper die Geschwindigkeit v1 in einem mit der Geschwindigkeit v2 bewegten Bezugssystem, so ist die beobachtete Geschwindigkeit nicht die Summe v1+v2, sondern kleiner. Nur im Grenzfall kleiner Geschwindigkeiten gilt das Additionsgesetz. Der Unterschied ist umso größer, je näher man an der Lichtgeschwindigkeit ist (mathematisch addieren sich die Rapiditäten mit ).
Lichtgeschwindigkeit als Grenzfall
Die Addition von Geschwindigkeiten von Körpern und Bezugssystemen, die unterhalb der Lichtgeschwindigkeiten liegen, ist immer kleiner als die Lichtgeschwindigkeit. Dies bedeutet, dass man auch durch große und lange Beschleunigung immer unterhalb der Lichtgeschwindigkeit bleiben muss. Die Lichtgeschwindigkeit stellt also eine obere Grenze dar.
Informationsübertragung
Informationen werden immer über Licht oder Materie übertragen. Da Materie immer langsamer als Licht bewegt wird, stellt die Übertragung mit Licht und damit mit Lichtgeschwindigkeit die obere Grenze für die Übertragung von Informationen dar. Im Minkowski-Diagramm wird dies anschaulich dargestellt.
Massenzunahme
Lässt man auf eine Körper der Masse m die konstante Kraft F wirken, so ergibt sich nach Newton eine konstante Beschleunigung a=F/m, die Geschwindigkeit nimmt also mit konstanter Rate immer weiter zu. Bei der Lorentztransformation ist dies nicht mehr der Fall, da die Lichtgeschwindigkeit nicht überschritten werden kann. Die Beschleunigung ist immer kleiner, je weiter man sich der Lichtgeschwindigkeit nähert. Der Körper widersetzt sich also quasi immer mehr der Beschleunigung, er erscheint umso schwerer, je schneller er ist. Die Masse ist dann geschwindigkeitsabhängig (Massenzunahme). Ist die Masse des ruhenden Körpers m0 (Ruhemasse), so erhält man:
Energie und Ruheenergie
Die kinetische Energie ergibt sich mit der geschwindigkeitsabhängigen Masse zu
Einstein deutete den Term als Ruheenergie.
Für kleine Geschwindigkeiten erhält man hier die klassische Formel als Näherung.
Äquivalenz von Masse und Energie
Mit der Ruheenergie kann die Gesamtenergie in einfacher Form geschrieben werden, nämlich
- ,
die als Gleichwertigkeit von Masse und Energie gedeutet werden kann.
Experimentelle Nachweise
Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ist inzwischen mit großer Genauigkeit nachgewiesen worden. Schon Michelson und Morley erreichten 1888 in ihrem berühmten Experiment eine Genauigkeit über 10-5. Später ließen sich z. B. mit Hilfe des Mößbauer-Effekts noch wesentlich höhere Genauigkeiten erzielen.
Im Bereich der Elementarteilchen lässt sich die Zeitdilatation als Verlängerung der Lebensdauer direkt nachweisen.
Die Ruheenergie wird in der Physik der Elementarteilchen glänzend bestätigt. Sie zeigt sich zum Beispiel bei der Zerstrahlung eines Elektrons mit einem Positron. Die Energie des resultierenden Lichtes entspricht der Summe der beiden Ruhemassen.
Der direkte Nachweis innerhalb der Mechanik ist schwierig. Die Geschwindigkeit der Erde bei ihrer Bewegung um die Sonne beträgt etwa 30 km/s, also etwa 1/10000 der Lichtgeschwindigkeit. Der Faktor ist dann aber nur um etwa größer als eins, so dass der Unterschied zur klassischen Mechanik minimal ist.