Der Turmbau zu Babel (Vorlage:Bibel2) ist im Zusammenhang mit der babylonischen Sprachverwirrung (lateinisch confusio linguarum) eine bekannte biblische Erzählung des Alten Testaments. Im 18. bis 16. Jahrhundert v. Chr. wird das Turmbau-Vorhaben als Versuch gewertet, JHWH gleichzukommen. Ob solcher Selbstüberhebung folgte die Strafe in der Art, dass nun jeder seine eigene Sprache besaß, damit keiner mehr den anderen verstand. Zuvor habe die ganze Welt eine gemeinsame Sprache gesprochen. Der Bau blieb aufgrund der Sprachprobleme unvollendet. Die Sprachenvielfalt hat daher den Charakter als Gottesstrafe an der gesamten Menschheit.

Die Bibel nimmt das Thema der Sprachverwirrung nochmals in der Pfingstgeschichte des Neuen Testamtents in Vorlage:Bibel2 auf. Der Heilige Geist der durch Jesus Christus ermöglichten Gottverbundenheit bewirkt, dieser Erzählung zufolge, ein neues Reden und Verstehen über alle Sprachgrenzen hinweg. Das Ereignis von der Sprachenverwirrung halten allerdings die meisten nicht für historisch, sondern für mythisch.
Der Turmbau zu Babel bezieht sich auf das Land Schinar, der seit 1913 durch archäologische Funde belegt ist. Die Stadtbezeichnung „Babel“ ist in der hebräischen Fassung ein Wortspiel, das „Geplapper“ oder „Gebrabbel“ bedeutet. Einige Historiker halten dieses Wortspiel für Volksetymologie, denn die griechische Form des Namens, Babylon, leitet sich vom Akkadischen bāb-ilim ab, was „Tor Gottes“ bedeutet.
Turmbau zu Babel
Die biblische Erzählung
Die Bibel erzählt von einem Volk aus dem Osten, das eine Sprache spricht und sich in der Ebene in einem Land namens Schinar ansiedelt. Dort will es eine Stadt und einen Turm „mit einer Spitze bis zum Himmel“ bauen. Gott steigt vom Himmel herab und besieht sich die Sache.
Da stieg der Herr herab, um sich Stadt und Turm anzusehen, die die Menschenkinder bauten.(Gen 11,5)
Nun befürchtet er, dass ihnen „nichts mehr unerreichbar“ erscheint, was sie sich auch vornehmen mögen, oder wie man es heute vielleicht umschreiben würde, dass das Volk größenwahnsinnig werden könnte. Gott „verwirrt“ ihre Sprache – Babylonische Sprachverwirrung – und vertreibt sie „über die ganze Erde“. Die Weiterarbeit am Turm endet gezwungenermaßen. Die "Sprachverwirrung" verhindert eine weitere erfolgreiche Zusammenarbeit und schützt den Herrn im Himmel vor einer ungewollten Invasion.
Die Erzählung vom Turmbau zu Babel (Genesis 11,1–9) beschließt die sogenannte „Urgeschichte“ des Buchs Genesis. Sie will die Erklärung liefern, weshalb nicht nur die Menschheit, sondern der Mensch an und für sich gespalten ist, die „Sprache“ des Anderen nicht mehr versteht und in die Welt zerstreut ist, und sieht den Grund dafür im Streben des Menschen zum Himmel, in seinem Machbarkeitswahn, sich ein Zeichen zu setzen, die Völker zu vereinen, und letztlich darin, nicht den Willen Gottes zu suchen, sondern sich mit dem eigenen Werk zu erhöhen. Der Mensch wird zum Gotteslästerer im Namen der Ordnung (Albert Camus). Der sekundäre Ansatz besteht darin, die Sprachen - respektive Völkervielfalt zu erklären.
Der Urheber möchte vermutlich zum Ausdruck bringen, dass der Mensch als homo faber in theologischem Sinne schon gescheitert ist, bevor er sich zivilisatorisch zu eigener Größe erheben kann. In Fortführung des Themas der Genesis, dass der erste biblische Mörder Kain, der seinen Bruder Abel erschlägt, zum Gründer der ersten Stadt wird, der Engführung also von städtischer Zivilisation und Mord, wird hier wieder Zivilisationskritik geübt, die der nomadisch-hebräischen (mosaischen) Lebensweise gegenübersteht. Ironisch wird zudem auf die Vorstellung des Menschen Bezug genommen, sich in die Höhen des Gottes begeben zu können, und damit Gott im Himmel zu suchen. Dem Motiv einer Ursprungsgeschichte entsprechend könnte man somit sagen, dass hier ein Thema behandelt wird, das „schon immer“ aktuell war und die hebräische Bibel durchzieht.
In der jüdischen Kultur und Tradition zeigt die mythische Erzählung vom Turmbau zu Babel jedoch schlicht den Willen Gottes, der die Vielfalt und Uneinheit der Völker will und deshalb gezielt hervorruft.
1679 stellte der Jesuit Athanasius Kircher eine Theorie auf, die gegen die Existenz des Turmes sprach. Seiner Meinung nach beträgt die Entfernung Erde und Himmel 265.380 km. Hierfür hätten ca. 4.500.000 Arbeiter etwa 3400 Jahre ununterbrochen arbeiten müssen. Das Gewicht des Turmes hätte das Gewicht der Erde übertroffen und so die Erde aus dem Mittelpunkt des Universums herausgeschoben.
Die christliche Auslegung
Für die meisten christlichen Ausleger ist der Turmbau zu Babel eine Ätiologie der Entstehung der Sprachenvielfalt. Zum wiederholten Mal (nach Sündenfall, Kains Brudermord und Sintflut) lehnen sich Menschen mit dem Bauwerk hochmütig gegen Gott auf. Die Konzentration der Menschen in Babylon ist auch als eine Missachtung des Gebots an die Menschheit, sich zu vermehren und auf der Erde auszubreiten. Mit der Bestrafung des menschlichen Bestrebens, sich „einen Namen zu machen“ (Vers 4), erzwingt Gott durch die Sprachenverwirrung das Ausbreiten der Völker. Der Bau dieses hohen Turmes stellte damit einen Akt der Gotteslästerung dar, der vielleicht von Nimrod initiiert wurde, von dem es ein Kapitel zuvor heißt, er sei ein gewaltiger Kämpfer vor dem Herrn gewesen und habe unter anderem die Stadt Babel gegründet.
Historische Bezüge
Die Geschichte vom Turmbau wird für die Erklärung der Sprachenvielfalt der Menschen benutzt. Sie erfolgt im Alten Testament zeitlich nach der Sintflut und vor der Reise Abrams (dem späteren Abraham) nach Haran. In der heutigen Sprachforschung ist allerdings stark umstritten, ob es je eine gemeinsame Ursprache, die so genannte Proto-Welt-Sprache, gegeben hat oder nicht.
Die Existenz eines Turms zu Babylon ist seit 1913 archäologisch nachgewiesen. Es handelt sich um eine Tempelanlage (Zikkurat) in Babylon, deren Fundamente der deutsche Architekt und Archäologe Robert Koldewey freigelegt hat. Die Zikkurat entstand zu einer Zeit, als es die Sprachenvielfalt bereits gab. Kreise, die dem Biblizismus nahe stehen und die Erzählung für historisch halten, müssen also einen archäologisch nicht nachweisbaren älterene Bau annehmen, der in eine Zeit zurück reicht, in der die Menschen eine gemeinsame Ursprache gesprochen hätten.
Die Bibel spricht vom Turmbau zu Babel, der griechischen Form des hebräischen Wortes bavel für Babylon, das auf das akkadische Wort babilum, Gottes Tor, zurückgeht. Das Wort Zikkurat könnte man auch mit Hochhaus übersetzen, abgeleitet aus dem akkadischen Wort zaqaru für aufrichten, hochheben.
Sargon von Akkad ließ Babylon um 2300 v. Chr. zerstören, Hammurapi machte es etwa 600 Jahre später zur Hauptstadt des Babylonischen Reiches. Er erhob den Stadtgott Marduk (Altes Testament: Merodach) zur höchsten Gottheit des babylonischen Reichs.
Urkundlich erwähnt wird der Turm als Zikkurat von Etemenanki (sumerisch: Haus des Himmelsfundaments auf der Erde) in der Tempelanlage Esagila (sumerisch: Tempel des erhobenen Hauptes) erstmals in den Annalen des assyrischen Königs Sanherib (Sennacherib), der 689 v. Chr. den Tempel zerstörte, aber die Stadt verschonte.
Seine Nachfolger Assurhaddon (680-669 v. Chr.) und Assurbanipal (668-631 v. Chr.) begannen mit dem Wiederaufbau, wie Inschriften im Fundament belegen. Nach der Befreiung von der assyrischen Herrschaft setzte der neubabylonische Herrscher Nabopolassar den Ausbau der Anlage fort, sein Sohn Nebukadnezar II. (604–562 v. Chr.) vollendete ihn.
In der Folgezeit verfiel das Bauwerk, möglicherweise auch durch Zerstörungen durch den Perserkönig Xerxes I. (486–465 v. Chr.). Bei seinem Einzug in Babylon im Frühjahr 323 v. Chr. ließ Alexander der Große die Reste bis auf das Fundament abreißen, um den Turm neu zu errichten. Dabei blieb es bis heute, da Alexander wenige Monate später verstarb.
Der Turm hatte eine Grundfläche von 91,48 m × 91,66 m und eine Höhe von etwa 91 m, wahrscheinlich abgestuft in sieben, nach dem Geschichtsschreiber Herodot[1] in acht Plateaus. Den Abschluss bildete ein Tempel, dessen Räume nur von Priesterinnen betreten werden durften. Wahrscheinlich nutzten Priester das Dach des Gebäudes, um dort astronomische Beobachtungen durchzuführen.
Als Baumaterial verwandten die Babylonier gebrannte Lehmziegel, wobei sie die Außenziegel farbig (blau?) emaillierten. Dies wird auch im Bibeltext erwähnt.
Turmbau-Sagen in anderen Kulturen
Der Buchautor Fred Hartmann hat 60 Turmbausagen aus verschiedenen Kulturen zusammengetragen und analysiert. Die Sagen entstammen teilweise vorderasiatischen Kulturen, sind aber auch überliefert aus Indien, China, Afrika, Amerika und dem pazifischen Raum.
Babylonische Sprachverwirrung
Theologische Deutung
In der Komposition des Buches Genesis endet mit der Turmbauerzählung die Reihe der Unheilsgeschichten (Vorlage:Bibel2). Unter Verwendung vor- und außerisraelitischen Materials stellt der Endredaktor die Menschheitsgeschichte seit dem Sündenfall als eine Abfolge von Katastrophen dar: Verlust des paradiesischen Urzustandes, Brudermord (Kain und Abel), Sintflut, Entzweiung und Zerstreuung. Als Ursache dieses Unheils erscheint das Streben der Menschen nach gottgleicher Allmacht (Vorlage:Bibel2), das die schöpfungsmäßigen Grenzen überschreitet. Chaos und Zerstörung sind im Sinne eines Tun-Ergehens-Zusammenhangs Strafe insofern, als die Folgen seiner eigenen Grenzverletzungen den Menschen treffen. In diesem Kontext wird die Turmbaugeschichte aus einer mythischen Erklärung der vielen Sprachen zu einer Deutung der existenziellen Erfahrung von Missverstehen, Kooperationsunfähigkeit und zerfallender Gemeinschaft. Kapitel 12 erzählt dann mit dem Ruf an Abraham von einem Neuanfang, den Gott setzt, um Israel und durch Israel alle Völker in ein Bundesverhältnis mit sich zu rufen.
Versuche, die Babylonische Sprachverwirrung zu überwinden
Schon in alttestamentlicher Zeit versuchte man, die (später so genannte) „Adamitische Sprache“ zu rekonstruieren, die vor der Sprachverwirrung gesprochen worden sein soll. Später folgten konstruierte bzw. künstliche Sprachen wie z.B. Esperanto.
Rezeption
Der Turmbau zu Babel in der Bildenden Kunst
Der Turmbau zu Babel ist in der Bildenden Kunst ein Symbol menschlicher Hybris. Im Laufe der Kunstgeschichte ist er mehrfach dargestellt worden. Oft stellte man den Turm von Babel als spiralförmigen Turm, wie die Minarett von Samarra, oder als Stufenturm dar. Meist betonen die Darstellungen die Ausmaße des Bauwerkes. Daneben zeigen sie häufig die daran arbeitenden Menschen und die zeitgenössischen Fortschritte der Bautechnik.
Bekannte Darstellungen stammen unter anderem von:
- Pieter Bruegel dem Älteren, 1563, Kunsthistorisches Museum Wien, Wien, vgl. hier
- Pieter Bruegel dem Älteren, 1563, Museum Boijmans van Beuningen, Rotterdam, vgl. hier
- Hendrick van Cleve, 1563, vier Darstellungen
- Hans Bol, 1590er Jahre, Museum voor Oudheidkunde en Sierkunst en Schone Kunsten, Kortrijk.
- Lucas van Valckenborch, 1594, Louvre, Paris
- Lucas van Valckenborch, 1595, Mittelrhein-Museum, Koblenz
- Maerten I van Valckenborch, 1595, Gemäldegalerie Alte Meister Dresden
- Paul Bril, ca. 1600, Museum zu Berlin
- Gustave Doré, 1865, Bibelillustration; zeigt die Menschen vor dem Turm zu Babel nach der Sprachverwirrung.
„Babylonische Verwirrung“ als „Geflügeltes Wort“
Die „Babylonische Sprachverwirrung“ hat als Redewendung - als Sinnbild für das Aufeinandertreffen mehrerer Sprachen - Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden, so hat beispielsweise Georg Büchmann sie in seine Zitatensammlung Geflügelte Worte aufgenommen.
Auf die „Babylonische Sprachverwirrung“ wird z. B. häufig bei der Berichterstattung über die Verwaltung der Europäischen Gemeinschaft in Brüssel Bezug genommen, wo sich auf Grund der sprachlichen Vielfalt Mehrarbeiten und Kosten ergeben [2].
Die Redewendung wird auch im positiven Sinn verwendet, so gibt es beispielsweise eine Science-Fiction-Serie, in der die (titelgebende) Raumstation Babylon 5 Treffpunkt für unterschiedliche Völker ist, eine literarische Figur namens Babelfisch und Übersetzungsprogramme mit dem Namensbezug, wie „Babel Fish“ oder „Babylon Translator“.
Die babylonische Sprachverwirrung findet auch in anderen Zusammenhängen und Abwandlungen Anwendung. So betitelte das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ eine sprachkritische Geschichte über den „Mischmasch namens Denglisch“ mit: „Welcome in Blabylon“.[3]
Siehe auch
Literatur
- Die fünf Bücher der Weisung. Thoraübersetzung von Martin Buber und Franz Rosenzweig, ISBN 3-438-01491-2.
Sekundärliteratur
- Der babylonische Turm in der historischen Überlieferung, der Archäologie und der Kunst. Milano 2003 (Der Turmbau zu Babel, 1).
- Joachim Ganzert (Hrsg.), Stephan Albrecht: Der Turmbau zu Babel. Maßstab oder Anmaßung?. Biberacher Verlagsdruckerei, Biberach 1997, ISBN 3-924489-86-6 (Ausstellungskatalog).
- Fred Hartmann: Der Turmbau zu Babel: Mythos oder Wirklichkeit? Turmbausagen im Vergleich mit der Bibel. Hänssler, Holzgerlingen 1999, ISBN 3-7751-3432-8.
- Roger Liebi: Herkunft und Entwicklung der Sprachen. Hänssler, Holzgerlingen 2003, ISBN 3-7751-4030-1.
- Helmut Minkowski: Vermutungen über den Turm zu Babel. Luca, Freren 1991, ISBN 3-923641-36-2.
- Christoph Uehlinger: Weltreich und „eine Rede“. Eine neue Deutung der sogenannten Turmbauerzählung (Gen 11, 1–9). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1990, ISBN 3-525-53733-6 (teilweise zugleich Dissertation, Freiburg (Schweiz) 1989).
- Ulrike B. Wegener: Die Faszination des Masslosen. Der Turmbau zu Babel von Pieter Bruegel bis Athanasius Kircher. Olms, Hildesheim u. a. 1995, ISBN 3-487-09965-9 (Studien zur Kunstgeschichte, Band 93; zugleich Dissertation, Hamburg 1990/91).
Babylonische Sprachverwirrung
- Friedrich Braun: Die Urbevölkerung Europas und die Herkunft der Germanen; Berlin, Stuttgart, Leipzig: W. Kohlhammer, 1922; Japhetitische Studien, Bd. 1
- Nikolaj Jakovlevic Marrn: Der japhetitische Kaukasus und das dritte ethnische Element im Bildungsprozess der mittelländischen Kultur; Berlin, Stuttgart, Leipzig: W. Kohlhammer, 1923; Japhetitische Studien zur Sprache und Kultur Eurasiens, Bd. 2
- Tasso Borbé (Hg.): Kritik der marxistischen Sprachtheorie N. Ja. Marr’s; Kronberg (Ts.): Scriptor-Verlag, 1974; ISBN 3-589-20021-9; (Enthält u. a.: Nikolaj Ja. Marr. Die japhetitische Theorie)
- Arno Borst: Der Turmbau von Babel. Geschichte der Meinungen über Ursprung und Vielfalt der Sprachen und Völker; 4 Bände; Stuttgart: Hiersemann, 1957-1963 ; München: dtv, 1995; ISBN 3-423-59028-9
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. Hans Heinrich Schmid, Die Steine und das Wort, Zürich 1975, S. 97.
- ↑ Dieter E. Zimmer: Warum Deutsch als Wissenschaftssprache ausstirbt. DIE ZEIT Nr. 30, 1996
- ↑ Nicole Alexander, Nikolaus von Festenberg: Welcome in Blabylon. Alberne Anglizismen überspülen das Deutsche und erzeugen einen Mischmasch namens Denglisch, in: Der Spiegel, 16. Juli 2001