Grenzregime

Bezeichnung für die Gesamtheit aller institutionellen, administrativen, legislativen und technischen Maßnahmen und Einrichtungen der Grenzsicherung und -kontrolle
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Grenzregime ist die zusammenfassende Bezeichnung für die Gesamtheit aller institutionellen, administrativen, legislativen und technischen Maßnahmen und Einrichtungen der Grenzsicherung und -kontrolle.

In der Politikwissenschaft der internationalen Beziehungen werden mit "Regime" Regelwerke bezeichnet, die in bestimmten Politikfeldern Prinzipien, Verfahrensabläufe und Normen festlegen.

Das Konzept des Grenzregimes

Der Begriff Grenzregime bezeichnet das Ensemble der materiellen und diskursiven Elemente einer Grenze, die sie als eine solche erst wirkmächtig werden lassen. Das heißt, er umfasst die Gesamtheit der juristisch-politischen Regelungen, der repressiven Maßnahmen und der ideologischen Fundamente, die eine Grenze ausmachen.

Es ist dieses Grenzregime, das für viele Menschen eine formal legale Einreise unmöglich macht und sie so zur heimlichen Einreise und einem Leben unter den Bedingungen der Illegalisierung zwingt.

Kanak Attak: „Als Grenzregime bezeichnet man nicht einfach nur die formalen oder informellen Mechanismen, die Staaten insbesondere zur Abschottung der Grenzen gegen Migranten und Flüchtlingen entwickeln. Darüber hinaus versichern sich die grenzpolizeilichen und strafverfolgenden Behörden seit wenigen Jahren der aktiven Fahndungshilfe durch die Bevölkerung im Grenzraum.“ ( http://www.kanak-attak.de/ka/aktuell/border.html )

Forschungsgesellschaft Flucht und Migration: „Das deutsche Grenzregime ruht auf vier Säulen.“ ( http://www.so-36.de/taxista/brosch/taxiprozesse/grenze.html )

1. Außenpolitik: In zwischenstaatlichen Regelungen und Abmachungen vor allem mit seinen osteuropäischen Nachbarn, versucht Deutschland seit längerer Zeit Migration schon weit vor den deutschen Grenzen zu verhindern.

2. Bundesgrenzschutz: Die Bundespolizei wird mit immer weit reichenderen Befugnissen ausgestattet.

3. Zunehmende Einbindung der Grenzbevölkerung in die Grenzkontrolle.

4. Asylverwaltung und Ausländergesetzgebung: „mehr und mehr reine Flüchtlingsabwehr“

Zu 1. Außenpolitik:

Der EU-Beitritt einiger osteuropäischer Länder hat die EU-Außengrenze von Deutschland weg verschoben. In den Beitrittsverhandlungen hat die Übernahme des nach europäischen Vorstellungen gestalteten Grenzregimes durch die Beitrittsländer eine zentrale Rolle gespielt. Die Einführung einer rigorosen Politik der Migrationsunterbindung war Beitrittsbedingung.

Zentral für diese Politik Deutschlands ist die sogenannte „Sichere-Drittstaaten-Regelung“, die im Zuge der Änderung der Asylgesetzgebung 1993 (viele sprechen von faktischer Abschaffung des Grundrechts auf Asyl) eingeführt wurde. Deutschland ist von sogenannten sicheren Drittstaaten umgeben und kann somit Migrantinnen, die aus diesen Ländern eingereist sind, umgehend „zurückschieben“. (20 – 30.000 Menschen jährlich nach FFM) Auch wer aus einem sogenannten sicheren Herkunftsland kommt (z.B. Türkei) kann sofort wieder abgeschoben werden.

In zwischenstaatlichen Abkommen hat Deutschland z.B. Polen dazu bewegt, eine Grenzpolizei nach Vorbild des BGS und ein umfassendes Netz von Abschiebegefängnissen einzurichten. Auch wurde die Praxis der „Kettenabschiebungen“ in solchen Abkommen juristisch ermöglicht. Menschen, die aus Deutschland nach Polen „zurückgeschoben“ werden, können unverzüglich in weiter östlich gelegene Länder „weitergeschoben“ werden.

Zu 2. Bundesgrenzschutz:

1994 wurde das BGS-Gesetz geändert. Der BGS wurde dabei mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet. Z.B. „verdachtsunabhängige Kontrollen“ in einer „Grenzzone“ von 30km, Auslandseinsätze, Unterstützung von Abhörmaßnahmen von BfV und BND. Kritikerinnen bemängelten diese Aufweichung der verfassungsrechtlich gebotenen Trennung von polizeilichen und nachrichtendienstlichen Strukturen. 1998 wurde das neue BGS-Gesetz erweitert. Die Befugnisse des BGS erstrecken sich jetzt auch auf Transitstraßen, sowie Bahnhöfe und deren Umgebung.

Die FFM nennt außerdem die technologische Aufrüstung des BGS und das europaweite Datennetzwerk Schengen-Information-System (SIS), in dem die Daten von unerwünschten Menschen, die bereits von einem Schengen-Land abgewiesen wurden, auf kaum kontrollierbare Weise abgespeichert werden.

Zu 3. Grenzbevölkerung:

Für wichtiger aber hält die FFM die Einbindung der Grenzbevölkerung in die Grenzkontrolle. 50 - 80% der Verhaftungen von heimlichen Grenzgängerinnen gehen auf Denunziation durch die in Grenznähe lebende Bevölkerung zurück. Es bilden sich private Bürgerwehren, die in enger informeller Kooperation mit BGS und Zoll die Grenzen sichern. In Brandenburg wurde diese Zusammenarbeit von staatlichen und privaten Grenzschützern unter dem Namen „Sicherheitspartnerschaften“ institutionalisiert.

"In verschiedenen Regionen wurden Taxifahrer strafrechtlich verfolgt, wenn sie - bei Inlandfahrten - Personen beförderten, die möglicherweise heimlich über die Grenze gekommen sind, und diese nicht per Funk der Polizei anzeigten. In der Grenzstadt Zittau wurde über ein Drittel der Taxifahrer bereits mit Strafverfahren überzogen." Helmut Dietrich, Grenzgänger. Am Ende der alten Welt, in: Jungle World, 51/2000

Die Studie der FFM stammt von 1999, als die deutsche Ost-Grenze noch EU-Außengrenze war.

Zu 4. Asylverwaltung und Ausländergesetzgebung:

Im Kontext der Verschärfung von Asyl- und Ausländergesetzgebung wäre u.a. die Einführung des sogenannten „Flughafenverfahrens“ von Relevanz, auf die an dieser Stelle aber nicht weiter eingegangen werden kann.

Grenzregime in Deutschland

Das Grenzregime der Deutschen Demokratische Republik zeichnete sich neben seinem repressiven Charakter vor allem durch seine Ausrichtung nach innen aus, d.h. das Bestreben die so genannte Republikflucht, das illegale Verlassen der DDR durch BürgerInnen der DDR, zu verhindern.