Ammianus Marcellinus

römischer Historiker
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Ammianus Marcellinus (* um 330 in Antiochia/Syrien; † um 395, wahrscheinlich in Rom) war ein römischer Historiker. Er gilt allgemein neben Prokopios von Caesarea als der beste spätantike Geschichtsschreiber.

Leben

Ammianus stammte aus wohlhabender griechischer Familie aus Antiochia in Syrien. Er diente in jungen Jahren als Offizier in der Garde (protectores domestici) und unter dem Magister militum Ursicinus unter anderem in Gallien und in Mesopotamien. Ammianus nahm auch an dem Feldzug des Kaisers Julian gegen die Sassaniden teil. Später bereiste er Griechenland und Ägypten und ging wohl um 380 nach Rom, wo er um 390 sein Geschichtswerk (Res Gestae) verfasste; der genaue Titel seines Werkes ist uns allerdings nicht bekannt. Allerdings wissen wir aus einem Brief des Libanios, dass sich das Werk großer Beliebtheit erfreute, wenn es auch in jüngster Zeit Zweifel gab, dass unser Ammianus gemeint war, wofür aber vieles spricht.

Werk

Die Kaisergeschichte des Ammianus

Das Werk des Ammianus behandelte in 31 Büchern (Kapiteln) die Zeit des römischen Kaisers Nerva bis zur Schlacht von Adrianopel 378 n.Chr. Von diesen sind nur die Bücher 14-31 erhalten geblieben, die den Zeitraum von 353-378 n.Chr. abdecken, den Marcellinus als Offizier der Garde und Augenzeuge mitverfolgt hat. Den davor liegenden Zeitraum hatte Ammianus aus anderen Quellen rekonstruiert, so dass dieser Verlust nicht allzu tragisch ist. Das erhaltene Material jedenfalls gleicht dies bei weitem aus.

Ammianus schrieb vor allem eine Kaisergeschichte, wobei er bemüht war, stets objektiv zu urteilen. Sein Werk ist das letzte große in Latein verfasste Geschichtswerk der Antike, obwohl seine Muttersprache das Griechische war. Er orientierte sich offenbar an Tacitus und war bemüht, sich an seinen Lehrsatz zu halten, der sine ira et studio (ohne Zorn und ohne Eifer; folglich unparteiisch) lautete.

Tatsächlich ist das Werk des Ammianus (neben den Werken Prokops) die beste historiographische Quelle für die Zeit der Spätantike und kann sich durchaus mit den anderen großen Geschichtswerken der Antike messen, wobei das Werk auch stilistisch gut gelungen ist.

Ammianus und das Christentum

Ammianus selbst war zwar Heide, begegnete dem Christentum aber mit einer großen Toleranz, da er beispielsweise die Armenversorgung und die moralischen Werte neidlos anerkannte. Sein Held allerdings ist der letzte heidnische Kaiser Julian II., mit dessen Tod das Werk eigentlich enden sollte (neue Einleitung Buch 26).

Dennoch beurteilt er auch die anderen Kaiser möglichst objektiv. So wird beispielsweise Valentinian I. - den Ammianus kaum bewunderte - doch relativ günstig beurteilt, eben weil er auf militärischem Gebiet einige Erfolge verbuchte, die auch Ammianus anerkannte.

Beurteilung und Kritik

Allerdings wird in der neueren Forschung durchaus mit Recht darauf hingewiesen, dass Ammianus, trotz all seiner Verdienste und seiner nie wirklich angezweifelten Fairness, bisweilen auch sehr subjektiv urteilte, so etwa in Bezug auf Constantius II., den Gegenspieler seines "Helden" Julians, der bei Ammianus zu Unrecht so schlecht beurteilt wird (wohl auch, um den Kontrast zum angeblich so vorbildlichen Julian zu verstärken). Dennoch bleibt Ammianus unsere beste (und manchmal sogar unsere einzige) Quelle für diese so bewegte Zeit. Dort, wo die Darstellung des Ammianus abbricht, wird es im wahrsten Sinne des Wortes dunkler in der Geschichte, deren weiterer Verlauf für die nächsten Jahrzehnte durch Quellen rekonstruiert werden muss, die sich kaum mit Ammianus Darstellung messen lassen können (siehe beispielsweise Zosimos).

Ammianus selbst war ganz Römer, doch sah er die Grenzen des römischen Reichs überall vor dem Ansturm der Barbaren kollabieren. Folglich ist das Werk von einer stark pessimistischen Zukunftshaltung geprägt, ohne allerdings die Hoffnung auf bessere Zeiten aufzugeben.

Interessant ist sein Werk nicht nur als eine der wichtigsten Quellen der Völkerwanderung (über die wir sonst nur wenig wissen würden), sondern auch wegen den zahlreichen Exkursen ins militärische und geographische (Militär; Geographie). So erfährt der Leser einiges über das Persien der Sassaniden und über Germanen und Hunnen. Interessant sind auch die Romexkurse, in denen er das Leben (und den Verfall der Sitten) in Rom beobachtete. Das Werk genoss bereits zu seiner Zeit großes Ansehen, ging aber in der Folgezeit wie so viele Werke unter und wurde erst in der Renaissance wieder neu aufgelegt.

Ausgaben

  • Ammianus Marcellinus: Das römische Weltreich vor dem Untergang (Bibliothek der alten Welt), übersetzt von Otto Veh, München-Zürich 1974 (dort auch weitere Literaturangaben und Hinweise auf andere Werkausgaben).
  • Ammianus Marcellinus: Römische Geschichte, Lateinisch und Deutsch und mit einem Kommentar versehen von W. Seyfarth, 4 Bde., Berlin 1968 ff.

Sekundärliteratur

  • Barnes, Timothy D.: Ammianus Marcellinus and the representation of historical reality, Ithaca 1998
  • Cognitio Gestorum. The historiographic art of Ammianus Marcellinus, hrsg. v. J. den Boeft, D. den Hengst u. H. C. Teitler, Amsterdam/New York 1992
  • Fornara, Charles W.: Studies in Ammianus Marcellinus I: The Letter of Libanius and Ammianus' Connection with Antioch, in: Historia 41 (1992), S. 328-344
  • The late Roman world and its historian. Interpreting Ammianus Marcellinus, hrsg. v. Jan Willem Drijvers u. David Hunt, London 1999
  • Matthews, John: The Roman Empire of Ammianus, London 1989 Standardwerk und gleichzeitig beste Darstellung zum Thema.
  • Matthews, John F.: The Origin of Ammianus, in: Classical Quarterly 44 (1994), S. 252-269
  • Philological and historical commentary on Ammianus Marcellinus, hrsg. v. Jan den Boeft, Daniel den Hengst, Hans C. Teitler u. Jan Willem Drijvers, Bd. 21-23, Groningen 1991-1998 Kommentar
  • Rosen, Klaus: Ammianus Marcellinus, (Erträge der Forschung 183), Darmstadt 1982 Informativ
  • Sabbah, Guy: Ammien Marcellin, Libanius, Antioche et la date des derniers livres des Res gestae, in: Cassiodorus 3 (1997), S. 89-116
  • Wittchow, Frank: Exemplarisches Erzählen bei Ammanius Marcellinus. Episode, Exemplum, Anekdote, München/Leipzig 2000