Turmbau zu Babel

biblische Erzählung des Alten Testamentes des Buches Genesis
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Die Erzählung vom Turmbau zu Babel (Genesis 11,1-9) beschließt die biblisch-mythischen Erzählungen des Buchs Genesis. Sie will die Erklärung liefern, weshalb nicht nur die Menschheit, sondern der Mensch an und für sich gespalten ist, die "Sprache" des Anderen nicht mehr versteht und in die Welt zerstreut ist, und sieht den Grund dafür im Streben des Menschen zum Himmel, in seinem Machbarkeitswahn, sich ein Zeichen zu setzen, die Völker zu vereinen und letztlich darin, nicht den Willen Gottes zu suchen, sondern sich mit dem eigenen Werk zu erhöhen. Der Mensch wird zum Gotteslästerer im Namen der Ordnung (Albert Camus).

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Pieter Bruegel: Der Turmbau zu Babel

Der Jahwist als Schöpfer dieser Erzählung bringt damit zum Ausdruck, dass der Mensch als homo faber in theologischem Sinne schon gescheitert ist, bevor er sich zivilisatorisch zu eigener Größe erheben kann. In Fortführung des Themas der Genesis, dass der erste biblische Mörder, Kain der seinen Bruder Abel erschlägt, zum Gründer der ersten Stadt wird, der Engführung also von städtischer Zivilisation und Mord, wird hier wieder Zivilisationskritik geübt, die natürlich der nomadisch-hebräischen Lebensweise gegenübersteht. Ironisch wird sprachlich, in der hebräischen Bibel, zudem auf die Vorstellung des Menschen bezug genommen, sich in die Höhen des Gottes begeben zu können, Gott im Himmel zu suchen! Dem Motiv einer Ursprungsgeschichte entsprechend könnte man somit sagen, dass hier ein Thema behandelt wird, das "schon immer" aktuell war, und die hebräische Bibel durchzieht.

Der Turmbau zu Babel ist die Allegorie für das menschliche Trauma, mit einem anderen Menschen nicht reden zu können, weil er eine andere Sprache spricht. Die Auflösung dieses Traumas bietet im Christentum das Pfingstwunder der Apostelgeschichte (Apg 2). Nach einer modernen/wissenschaftlichen Umkehrung des Traumas sucht die automatische Übersetzung, die den Menschen mithilfe von Übersetzungsprogrammen die Sprachbarrieren überwinden lassen will, oder die Aufklärung, die durchaus eine Einheit der Menschen in der Vielgestaltigkeit sehen kann, diese Erforscht und bewahren hilft. Der jüdischen Kultur und Tradition zeigt die mythische Erzählung vom Turmbau zu Babel jedoch schlicht den Willen Gottes, der die Vielfalt und Uneinheit der Völker will und deshalb gezielt hervorruft, nicht als Strafe, sondern letztlich unerklärlich - die Welt ist wie sie ist, und sie ist sehr gut.

Die bekannteste künstlerische Darstellung des Turmbaus zu Babel stammt von Pieter Bruegel dem Älteren und hängt im Kunsthistorischen Museum in Wien.

Die Existenz eines Turms zu Babylon ist seit 1913 archäologisch nachgewiesen.

Literatur

  • Karl M. Woschitz: Der Mensch in der Revolte und unter dem Gottesgeist - Der Turmbau von Babel und das Pfingstwunder" (in Der Turmbau zu Babel - Ursprung und Vielfalt von Sprache und Schrift, 1. von 4 Bänden, Kunsthistorisches Museum, Wien, 2003)
  • Fred Hartmann: Der Turmbau zu Babel : Mythos oder Wirklichkeit? Turmbausagen im Vergleich mit der Bibel. Hänssler, Neuhausen-Stuttgart 1999 ISBN 3-7751-3432-8