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Madeleine de Scudéry

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Madeleine de Scudéry

Madeleine de Scudéry (* 15. Oktober 1607 in Le Havre; † 2. Juni 1701 in Paris) war eine französische Schriftstellerin. Sie zählt zu den bedeutendsten französischen Autoren des 17. Jahrhunderts und war die erste französische Autorin, die auch außerhalb Frankreichs viel gelesen wurde. Sie ist die jüngere Schwester des heute kaum mehr bekannten Romanciers und Dramatikers Georges de Scudéry (1601–1667).

Leben und Schaffen

Mlle de Scudéry, wie sie in den Literaturgeschichten meistens schlicht heißt, wurde als Tochter eines kleinadeligen Kaperschiffkapitäns und späteren Hafendirektors in Le Havre geboren. Nach ihrer frühen Verwaisung nahm ein Onkel in Rouen sie und den 6 Jahre älteren Georges bei sich auf und ließ ihnen eine gute Bildung angedeihen.

Als Georges 1630 eine siebenjährige Zeit als Offizier beendete und mit der Absicht, Literat zu werden, nach Paris ging, folgte sie ihm dorthin und lebte dort auch, da sie offenbar nicht zu heiraten gedachte, in den nächsten 20 Jahren mit ihm zusammen.

Über Georges kam sie, zunächst als sein Juniorpartner, zum Schreiben: Gemeinsam, wenn wohl auch mit abnehmendem Anteil seinerseits, der sich mehr aufs Theater verlegte, verfassten sie den Roman Ibrahim, ou l'Illustre Bassa (4 Bde, 1641). Über Georges erhielt sie auch Zugang zur Pariser Salonkultur und ihrer zentralen Persönlichkeit, der Marquise de Rambouillet, sowie später zum Kreis um den großen Mäzen der 1650er Jahre, Finanzminister Nicolas Fouquet.

Carte de Tendre im Roman Clélie von Madeleine de Scudéry.

Madeleine de Scudérys Durchbruch – allerdings immer noch unter dem Namen des Bruders – wurden die pseudohistorischen Romane Artamène ou le Grand Cyrus (1649–53) und Clélie, histoire romaine (1654–60), die heute als Höhepunkte des barocken heroisch-galanten Romans gelten und sie zur prototypischen Autorin des sogenannten Preziosität machten, einer überwiegend von adeligen Damen, aber auch einigen Herren und kleinadeligen sowie bürgerlichen Intellektuellen praktizierten Lebens- und Sprechweise von äußerster, oft übersteigerter Kultiviertheit. Beide Romane sind jeweils zehnbändige Werke mit locker strukturierter Haupthandlung und vielen Einschüben, wobei es zentral um drei Dinge geht: die allen Schicksalsschlägen trotzende heroisch-tugendhafte Liebe hochstehender Damen, Kriegs- und Heldentaten der sie liebenden Herren und geistreich-galante Konversationen der Damen und Herren über das Thema Liebe. Sprichwörtlich geworden ist die Carte de Tendre aus Clélie, eine allegorische Landkarte des Reiches der Liebe, in dem die Leidenschaft gebändigt und in eine Sympathie der Seelen überführt ist.

Le Grand Cyrus und Clélie wurden in ganz Europa vor allem von einem adeligen Publikum gelesen, aber durchaus auch im Bürgertum. Für die Pariser Leser waren sie darüber hinaus als Schlüsselromane von Interesse: Viele der dargestellten Ereignisse und vor allem ein Großteil der auftretenden Figuren hatten in der Tat wiedererkennbare Vorbilder in der zeitgenössischen Realität Frankreichs. So trug die Figur des Cyrus Züge des Prince de Condé, andere Figuren ähnelten Personen aus dem Umfeld der Autorin, etwa Paul Pellisson oder Madame de Lafayette.

Nachdem Mlle de Scudéry sich aus dem Schatten ihres Bruders herausgearbeitet hatte, schuf sie sich ab 1652 ihren eigenen Salon. Hier ließ sie sich als „neue Sappho“ umschwärmen, empfing fast alle wichtigen Autoren der Zeit, aber auch Angehörige der besseren Gesellschaft und trat ein wenig die Nachfolge der Marquise de Rambouillet an, zu deren Programm es gehört hatte, die in 150 Jahren Krieg verrohten adeligen Männer zu gewählt parlierenden und diskret flirtenden Kavalieren zu erziehen.

Die weiteren Romane, die Mlle de Scudéry verfasste (z. B. 1661 Célinte oder 1667 Histoire de Mathilde d'Aguilar), waren der neuen Mode folgend deutlich kürzer und realistischer, blieben aber weniger erfolgreich. Um 1670 war sie einen Augenblick lang Anwärterin für einen Sitz in der Académie française (die so vielleicht schon damals ihren Charakter als bloßer Männerclub verloren hätte). Sie erhielt dann aber nur den ersten von der Académie vergebenen „Beredsamkeitspreis“ (prix d'éloquence, 1671).

In den 1670er Jahren verlor sie als Romanautorin an Geltung; der eine Generation jüngere Satiriker Nicolas Boileau z. B. meinte den Grand Cyrus und Clélie (die er aber als bekannt voraussetzte) bespötteln zu müssen. Ihre mehrbändigen Conversations morales (1680–92) verschafften Mlle de Scudéry jedoch noch einmal erfreulichen Ruhm.

Andere bedeutende Autoren der um 1650 florierenden Gattung des heroisch-galanten Romans (roman héroïco-galant) sind Marin Le Roy de Gomberville (1600–1674) mit Polexandre (5 Bde, 1629–37) und La Calprenède (1610–1660) mit Cassandre (10 Bde, 1642–45), Cléopâtre (12 Bde, 1647–56) und Faramond (12 Bde, postum 1661–70).

Madeleine de Scudéry ist Protagonistin in E.T.A. Hoffmanns Novelle Das Fräulein von Scuderi.

Werke

  • Ibrahim ou l'illustre Bassa (1641)
  • Artamène ou le Grand Cyrus (1649–53)
  • Clélie, histoire romaine (1654–60)
  • Célinte (1661)
  • Histoire de Mathilde d'Aguilar (1667)
  • Conversations morales (1680 ff.)

Literatur

  • René Godenne: Les romans de Mademoiselle de Scudéry. Droz, Genf 1983.
  • Alain Niderst: Madeleine de Scudéry, Paul Pellisson et leur monde. Presses universitaires de France, Paris 1976.
  • E.T.A. Hoffmann: Das Fräulein von Scuderi