Die Evangelische Stadtkirche St. Marien liegt mitten in der Altstadt und ist das weithin sichtbare Wahrzeichen der Kreisstadt Homberg (Efze), erhöht am Marktplatz gelegen.

Die Kirche aus dem 13. Jahrhundert gehört neben der Elisabethkirche in Marburg zu den wichtigsten gotischen Baudenkmälern im nördlichen Hessen. Ihr kommt eine besondere Bedeutung innerhalb des hessischen Protestantismus zu: Im Jahre 1526 berief Landgraf Philipp der Großmütige eine Synode nach Homberg ein, die in dieser Kirche tagte und den Zeitpunkt markiert, an dem die Landgrafschaft Hessen evangelisch wurde. Deshalb nennt man sie die „Reformationskirche Hessens“.
Baugeschichte
Nach Vorgängerbauten einer fränkischen Kapelle, vermutlich vor 900, und einer romanischen Kirche um etwa 1000 wurde im 12. Jahrhundert die romanische Basilika, oder frühe Hallenkirche, errichtet. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde ein spätgotischer Um- bzw. Neubau als Hallenkirche hessisch-westfälischer Prägung vorgenommen. 1374 wurde der Turmbau begonnen. Während des Dreißigjährigen Krieges kam es nach der Besetzung durch die kaiserlicher Truppen unter Piccolomini 1640 zu Sprengung, Einsturz und Brand von Turm und Langhaus. 1645 bis 1746 wurde laut einer steinerner Tafel am Kirchturm oberhalb der Galerie die Kirche wiederhergestellt. 1709 wurde Türmerwohnung errichtet. 1893 wurden Chorfenster mit Darstellung der Homberger Synode gestiftet und eingebaut. 1965 wurde nach Entfernung von Einbauten aus dem 17. bis 19. Jahrhundert (Gestühl, Kanzel, Emporen) der heutige Zustand hergestellt, weiter wurde in diesem Jahr der Sieben-Stationen-Kreuzweg eingebaut.
Westportal
Bemerkenswert ist das gotische Westportal mit Figurenschmuck wie Löwen, Blattmasken, Engeln und vermutlich Evangelisten. Ursprünglich war das stattliche Westportal mit einem Fenstertympanon wohl als Figurenportal geplant, die Baldachine blieben jedoch leer. Die Steinmetzarbeiten werden Tyle von Frankenberg zugeschrieben. Das Kirchenportal ist in früheren Vorstellungen der Übergang von der durch Teufel und Dämonen verunsicherten Welt in das Haus Gottes. In dieser Funktion sollte es zum einen böse Geister abschrecken, zum anderen den eintretenden Gläubigen daran gemahnen, das der Weg ins Himmelreich nur über die Befolgung der 10 Gebote und ein gottesfürchtiges Leben möglich war. Auf Grund dieser Bedeutung des Portals war es meist reich geschmückt. Das Homberger Portal weist trotz fehlender Plastiken auf den Konsolen ein Bildprogramm auf.
Der Wimperg zeigt an seiner Basis Reste einer apotropäischen (der Abwehr von Bösem dienenden) Figur: An der Basis des Wimpergs kriecht ein Wesen mit schlängelndem Schwanz in die Kirche, auf der Gegenseite schaut die Figur wieder heraus. Zur Zeit des Bildersturmes scheint die Figur zerstört worden zu sein. Sie könnte einen Drachen dargestellt haben. Eine andere Theorie interpretiert die Figuren als geflügeltes Wesen (Löwe) auf der rechten Portalseite sowie als Hundefigur auf der linken Portalseite.
Glocken
Im Turm der Kirche befindet sich an leicht gekröpften Stahljochen, im Stahlglockenstuhl, ein fünfstimmiges Bronzegeläut in der Komposition c’-es’-f’-as’-b’.
Nr. | Name | Schlagton | Gewicht | Durchmesser | Gussjahr/-ort |
1 | Reformationsglocke | c' | 1.790 kg | 1,47 m | 1926 in Apolda |
2 | Gedächtnisglocke | es' | 1.120 kg | 1,26 m | 1949 in Sinn/Hessen (Rincker) |
3 | Gebetsglocke | f' | 780 kg | 1,11 m | 1949 in Sinn/Hessen (Rincker) |
4 | Feierglocke | as' | 470 kg | 0,94 m | 1949 in Sinn/Hessen (Rincker) |
5 | Toten-/Geschichtsglocke | b' | 250 kg | 0,77 m | 1640 im Eisenwerk zu Holzhausen bei Homberg (läutete erst 1654) |
Die Reformationsglocke von 1926 war ein Geschenk hessischer Kirchengemeinden zum 400. Jahrestag der Homberger Synode.
Die Viertelstunden werden von Glocke 5 und die Stunden von Glocke 3 mittels Magnethammer geschlagen.
Zum täglichen Läuten um 7:01, 12:01 und 18:01 Uhr erklingt Glocke 3 für drei Minuten.
Samstags um 18:05 Uhr erklingen für fünf Minuten die Glocken 1-2-3-4 zum Einläuten des Sonntags.
Baugeschichtliche Besonderheiten
Schleif- oder Kratzspuren
Zwischen Westportal und Brautportal findet man an einigen Stellen Schleifspuren. Man geht davon aus, daß die Kratz- oder Schleifspuren dadurch entstanden, daß Gläubige mit einem Gerät an dem Sandstein kratzten, um etwas von den "heiligen" oder "heilsbringenden" Energien mitnehmen und einnehmen zu können. Es wird auch berichtet,dass die Menschen aus Angst vor der Pest Steinstaub von den Mauern der Kirchen kratzten. Mit Wasser vermischt tranken sie diesen Staub. Die Kratzspuren an den alten Kirchen zum Beispiel in Norddeutschland nennt man daher "Pestschaben" oder "Pestrillen".