Als Senioratsprinzip bezeichnet man die mittelalterliche Erbregelung zahlreicher osteuropäischer Fürsten- und Königshäuser. Anders als in Westeuropa wurde weder ein Alleinerbe eingesetzt noch das Land unter allen Erben in unabhängige Herrschaftsgebiete geteilt. Zwar fand ebenfalls eine grundsätzliche Aufteilung statt, die neuen Fürstentümer wurden den Söhnen des verstorbenen Herrschers jedoch nicht fest zugesprochen, sondern lediglich auf Zeit. Starb ein Inhaber eines Fürstentitels, rückten die übrigen Erbberechtigten auf. Im Regelfall existierte ein besonders hervorgehobenes und mächtiges Fürstentum, das meist an den ältesten Sohn fiel. Dieser hatte dann zumindest pro forma auch die Oberherrschaft über die Gebiete seiner Brüder inne, so dass der Reichsverband erhalten bleiben sollte.
Besonders ausgeprägt wurde das Senioratsprinzip in Russland angewendet. Obwohl es ähnliche Ansätze wohl schon zuvor gegeben hatte, wurde die Erbregelung nach dem Seniorat erstmals unter Jaroslaw dem Weisen in der Mitte des 11. Jahrhunderts detailliert festgelegt. Jaroslaw wollte damit Thronwirren, wie sie seine Thronbesteigung begleitet hatten, für die Zukunft ausschließen. Dies gelang jedoch nicht. Vielmehr war das Senioratsprinzip der wichtigste Grund für die Aufsplitterung Russlands im Mittelalter, die erst durch den im 14. Jahrhundert beginnenden Aufstieg Moskaus weitgehend beendet wurde. Auch in Polen, Böhmen und Ungarn wurde das Senioratsprinzip übernommen, allerdings in abgewandelten Formen, die dazu dienen sollten, die Anzahl der Teilnehmer zu begrenzen. Auch in Russland wurden später Anstrengungen unternommen, die Söhne jüngerer erbberechtigter Brüder auszuschließen. Insgesamt kam das Senioratsprinzip nur selten in seiner Reinform zur Anwendung, da sich einzelne Fürsten mit militärischer Macht und Unterstützung benachbarter Reiche immer wieder eine bessere Position in der Erbfolge erkämpfen konnten.
Siehe auch: Primogenitur