Schlager

Genre der Popmusik
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Als Schlager werden ganz allgemein leicht eingängige instrumentalbegleitete Gesangsstücke mit wenig anspruchsvollen, oftmals humoristischen oder sentimentalen Texten bezeichnet. Seit den 1940er Jahren macht sich bei den Schlagern auch immer mehr der Einfluss von jazzigen Rhythmen und Harmonien bemerkbar. Somit ist der Schlager ein Ohrwurm, ein industriell gemachtes volksnahes Liedchen, eine harmonische Melodie mit einfachem Text, die beim Publikum ein"schlägt" und sei es auch als so genannte Schnulze.

Der Gassenhauer oder der Versuch einer Definition des Schlagers

 
Der Phonograph ermöglichte das Schlagerhören auch zu Hause

Entstanden ist der Begriff gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die Erfindung des Grammophons, sowie die aufkommende Filmindustrie trugen schnell zu seiner Verbreitung bei. Er ist ein Produkt der Industriegesellschaft. Allein seine Schnelllebigkeit zeigt, dass er eher eine Ware darstellt, als ein auf Dauer setzendes Kunstwerk. Der Schlager sucht das Massenpublikum indem er in den Texten Wunschträume anspricht, indem er in Kehrreimen seine Botschaften immer wieder wiederholt. Musikalisch richtet sich der Schlager meist nach der jeweils herrschenden Tanzform. Einfache Rhythmen und Melodiefolgen, die auf schnelle Wiedererkennung angelegt sind, bestimmen seinen Charakter.

In Frankreich sowie im Französisch sprechenden Teil Belgiens werden sowohl die literarisch anspruchsvollen Lieder eines Georges Brassens oder Jacques Brel als auch die anspruchlosen "Eintagsfliegen", die Entsprechung zum Deutschen Schlager, umgangssprachlich Chanson genannt. Der eigentlich zutreffende Begriff chanson à la mode (modisches Chanson) wird eher von Fachleuten und Enzyklopädien gebraucht.

Theodor W. Adorno, der berühmte Frankfurter Musikwissenschaftler, Philosoph und Soziologe sagte einmal über die Wirkung des Schlagers und seine gesellschaftliche Funktion: "Schlager beliefern die zwischen Betrieb und Reproduktion der Arbeitskraft Eingespannten mit Ersatz für Gefühle überhaupt, von denen ihr zeitgemäß revidiertes Ich-Ideal sagt, sie müßten sie haben."

Wie immer man auch zur Kritischen Theorie stehen mag, die Definition von Schlager, wie sie ursprünglich einmal bestand, ist heute äußerst schwer geworden. Der Schlager, der als Musikstück eingeschlagen hat und der von einer breiten Bevölkerungsschicht auch als solcher Akzeptanz findet, existiert nicht mehr. Der Musikgeschmack ist differenzierter geworden. Man sollte deshalb von einer gültigen Definition absehen und heutzutage eher von Schlager für Popliebhaber, Schlager für Volksmusikfans oder auch Schlager für Ethno-Rock-Fetischisten und was es alles noch an Stilrichtungen gibt, sprechen. Die Entwicklung dorthin jedoch war nur eine einzige.

Geschichte

"Ich lade gern mir Gäste ein" oder: Wie alles begann (1900 – 1919)

Die ersten deutschsprachigen Schlager finden sich in den zahlreichen Operetten, die um 1900 in Wien "einschlugen". Johann Strauß, Sohn und Vater, belieferten die unterhaltungssüchtigen besseren Stände mit Operettenmelodien. Allein "Die Fledermaus", der Gipfel der klassischen Wiener Operette sprudelt nur so über von Ohrwürmern: Alfreds Lied Täubchen, das entflattert ist, Graf Orlowskys Couplet 's ist mal bei uns so Sitte, Rosalindes Csárdás und Adeles Ariette Spiel ich die Unschuld vom Lande, Alfreds Trinklied Trinke, Liebchen, trinke schnell und der Abgesang Glücklich ist, wer vergisst. Fast 500 Werke umfasst sein Lebenswerk.

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..ich lade gern mir Gäste ein (1907)

Doch auch Berlin, das deutsche Operettenzentrum hatte seine Gassenhauerkomponisten. Der bekannteste war Paul Lincke (1866-1946), der mit 'Frau Luna' 1899 seinen größten Erfolg hatte. Einzelne Lieder von Lincke waren jahrzehntelang "Hits": Das macht die Berliner Luft, Luft, Luft, das Glühwürmchen-Idyll Glühwürmchen, Glühwürmchen glimmre, Glühwürmchen, Glühwürmchen schimmre aus 'Lysistrata' und Schlösser, die im Monde liegen. Eduard Künnekes (1885-1953) Der Vetter aus Dingsda, 1921 in Berlin uraufgeführt mit dem Lied des Fremden Ich bin nur ein armer Wandersgesell und dem Tango Kindchen, du musst nicht so schrecklich viel denken.

"Eine Miezekatze hat 'se" oder: Aus dem Ballsaal in das Filmtheater (1920 – 1933)

Die 20er - und der Beginn der 30er Jahre waren von der Erfindung und raschen Verbreitung des Tonfilms geprägt. Dadurch wurden die verschiedensten Schlager und Melodien nun auch einem breiteren Publikum zugänglich. Die Texte der Lieder sind oftmals von eher fragwürdiger Qualität und erinnern in Ansätzen sogar an den Dadaismus. Dazu gehören z. B. Reime wie Was macht der Mayer am Himalaya und Unter den Pinien von Argentinien, sowie Mein Onkel Bumba aus Kalumba und Mein Papagei frisst keine harten Eier.

Auch eine gewisse zweideutige Frivolität (siehe Überschrift: Eine Miezekatze hat se) kann man den Texten nicht absprechen. Wenn es in einem Stück heißt: Veronika der Spargel wächst oder Ich hab das Fräulein Helen baden sehn und gar Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben, dann bezeugt das zum einen die so genannten Wilden Zwanziger, zum anderen aber auch eine aufkommende Aufgeklärtheit und Emanzipation. Sehr populär und auch heute noch oft zu hören ist der bekannte Schlager Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt. In den Ballsälen wurde Swing und Charleston getanzt.

Bekannte Vertreter dieser Art Musik waren vor allem die Comedian Harmonists, Marlene Dietrich, Fritzi Massary (Josef, ach Josef, was bist du so keusch), Max Pallenberg, Zarah Leander, Liane Haid und Lilian Harvey.

 
...von Kopf bis Fuß...

Es war auch kein Wunder, dass gerade die Kirchen gegen diese Art der Vergnügung scharf zu Felde zogen, wenn Texte wie der folgende auf der Straße oder bei Veranstaltungen gesungen wurden:

"Lieber Schatz", sprach er, "Du bist mein Süßchen.
Werd doch mein, und zwar im Gänsefüßchen.
Lieber Schatz, was soll ich dir erzählen.
Schau, ich könnt' für dich vom Hund das Futter stehlen.
Glaube mir, ich sag das nicht zu jeder.",
sprach er leis' und küsste eine Feder.
"Sei doch lieb und werd' nicht immer spröder.
Es ist Mai, komm leg' mit mir ein Ei."

Doch bald sollte es vorbei sein mit Textpassagen wie Dein Wesen war einst treudeutsch germanisch. Auf einmal ist es ausgesprochen spanisch aus dem Schlager der Comedian Harmonists Mein lieber Schatz bist du aus Spanien. Viele jüdische Künstler verließen Deutschland, zum Teil weil sie ahnten was geschehen würde oder auch weil sie bereits von Auftrittsverboten betroffen waren. Bis zur Olympiade in Berlin 1936 gab sich das Naziregime nach außen hin noch liberal. Danach begann eine gnadenlose Verfolgung.

"Lili Marleen" oder: Die Nazis und der Schlager (1933 – 1945)

 
Schlager und Propaganda aus dem Volksempfänger

Im Dritten Reich fiel auch der Schlager dem "Wohle" des Regimes zum Opfer und musste für Propagandazwecke herhalten. Die leicht frivolen Texte der zurückliegenden Jahre verschwanden, die Film- und Schallplattenindustrie fielen unter staatliche Aufsicht, wie sie im Spielfilm Comedian Harmonists von Joseph Vilsmaier anschaulich geschildert wird. Vor allem jüdische Musiker wie die Comedian Harmonists erhielten Auftrittsverbot. Fritz Löhner-Beda, der Autor von Operetten wie Das Land des Lächelns und der Blume von Hawaii, der die Texte für zahlreiche Schlager, darunter Ausgerechnet Bananen, Was machst du mit dem Knie lieber Hans? Wo sind deine Haare, August? und In Nischni-Nowgorod schrieb, wurde 1942 in Auschwitz ermordet. Fritz Grünbaum, der Autor des berühmten Titels Ich habe das Frl. Helen baden sehn wurde in Dachau ermordet. Die Juden Alfred Grünwald, Fritz Rotter (Maier am Himalaya) und Walter Jurmann (Veronika, der Lenz ist da und Olga, Tochter der Wolga), Robert Gilbert, Komponist und Texter des auch noch nach dem Kriege viel gesungenen Hits Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehn sowie Robert Stolz (Was kann der Sigismund dafür dass er so schön ist?) emigrierten und mit ihnen emigrierte auch das Anzügliche, Frivole und Witzige. Zurück blieb lediglich ein schallender arischer Humor. Andere Interpreten und Schauspieler, wie Marika Rökk oder Johannes Heesters wurden oft unwissentlich für Propagandazwecke eingespannt.

Gerade gegen Ende des Krieges, als die Alliierten bereits mit der Bombardierung begonnen hatten, wurden explizit Texte gesucht, die der deutschen Bevölkerung wieder Mut machen sollten. Goebbels ließ sogar einen regelrechten Wettbewerb stattfinden. Daraus resultierten dann Texte wie Davon geht die Welt nicht unter. Auch das Lied Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn ebenfalls gesungen von Zarah Leander oder auch der eigentlich harmlos klingende Song von Heinz Rühmann: Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern wurden, obwohl bereits 1941 bzw. 1939 erstmals aufgenommen, wieder ausgepackt und vermehrt im Rundfunk dargeboten. Auch der weltberühmt gewordene Schlager Lili Marleen, zuerst gesungen von Lale Andersen fiel in diese Zeit. Das bereits 1915 getextete und 22 Jahre später vertonte Lied sollte laut Goebbels zuerst als Marsch gespielt werden. Frau Andersen weigerte sich, und als es dann zufällig im Rundfunk 1941 gespielt wurde, war der Siegeszug der Melodie nicht mehr aufzuhalten. Wegen seines unheilvollen Charakters wurde das Abspielen von Lili Marleen im Großdeutschen Reich schon bald verboten. Allerdings hinderte das den Sender Belgrad nicht, es weiter zu verbreiten und alsbald entstanden auch nichtdeutsche Fassungen.

"Ich fahr' mit meiner Lisa" oder: Otto Normalverbraucher und seine Musik (1945 – etwa 1955)

Als nach dem Kriege die ersten Rundfunkstationen wieder genehmigt wurden, begann auch die Plattenindustrie wieder zu produzieren. Manchmal waren es einfach als Faschingslieder komponierte Songs, die sich über die närrische Zeit hinaus behaupteten. Dazu zählt auch das in der Überschrift angesprochene Lied das zuerst von Jupp Schmitz 1949 gesungen wurde: Ich fahr mit meiner Lisa, zum schiefen Turm von Pisa oder später auch Wer soll das bezahlen und Am 30. Mai ist Weltuntergang.

In der so genannten Nachkriegszeit war der musikalische Geschmack des Otto Normalverbrauchers bunt gemischt. Dabei erstreckten sich die Lieder über so unterschiedliche Themenbereiche wie das Mariandl (1947), das eher österreichisch daherkam, über den Theodor im Fußballtor (1948 zuerst gesungen von Margot Hielscher, später wurde Theo Lingen damit sehr bekannt), bis zum eher kabarettwürdigen Couplet: Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien. Mit Trizonesien war das damals noch dreigeteilte Westdeutschland gemeint.

 
Plattenspieler nach "Dauereinsatz bei Teenagerparties" (ca.1955)

Interpreten dieser Zeit waren Ivo Robic (Morgen 1959), Bruce Low (Das alte Haus von Rocky Docky, Pferdehalfter), Margot Eskens (Tiritomba 1956 und Cindy, oh Cindy 1957), sowie der gerade mit seiner Karriere startende Peter Alexander zusammen mit Leila Negra und ihrem viel gespielten Titel: Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere (die deutsche Fassung des italienischen Papaveri e papere von Nilla Pizzi).

Auch Caterina Valente und Lys Assia versuchten mit Liedern wie Ganz Paris träumt von der Liebe (1955) oder Oh mein Papa (1954) nach dem verlorenen Krieg die Stimmung einer heilen Welt zu verbreiten. "Gehn sie mit der Konjunktur" hieß die Aufforderung im Konjunktur-Cha-Cha von Hazy Osterwald Sextett und die Menschen hielten sich daran. Der Plattenspieler wurde bald ein begehrtes Gerät.

"Heimatlos" oder: Im Goggomobil nach Rimini (ca. 1955 – etwa 1962)

Was bewog die Bundesdeutschen gegen Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre ihre Urlaube im Süden, bevorzugt in Italien zu verbringen?

Nun, zum einen war es sicherlich das so genannte Wirtschaftswunder, das den Arbeitern und Angestellten mehr Geld ins Portemonnaie spülte, zum anderen war es aber auch die Sehnsucht nach Bella Italia, nach dem Land, wo die Zitronen blühn. Friedel Hensch & die Cyprys hatten es 1953 in ihrem Schlager Ja, für eine Fahrt ans Mittelmeer bereits prognostiziert.

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...eine Reise in den Süden...

So fuhren im Jahre 1956 etwa 4,5 Millionen Deutsche mit Heinkel-Rollern, VW-Käfer und Goggomobil in den Süden auf der Suche nach einer heileren Welt. Auch in der Schlagerwelt findet dies seinen Niederschlag.

Möglicherweise hatte Rudi Schuricke mit dem bereits 1943 aufgenommenen, aber erst 1950 zum Hit avancierten Schlager: Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt (auch bekannt geworden unter dem Titel: Caprifischer) bereits den Grundstock für die Suche nach Harmonie, Süden, Meer und Glück gelegt. Arrivederci Roma und O mia bella Napoli gesungen von Lys Assia, Rocco Granata mit seinem Hit Marina oder auch die in Deutschland überaus populäre Caterina Valente mit Ciao, ciao Bambina sind nur wenige Beispiele. René Carol erhielt mit Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein gar die erste Goldene Schallplatte der Nachkriegszeit. Selbst in der DDR gab es Italien-Schlager, so z. B. A-mi-amore von Günter Hapke.

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Sehnsucht nach Sonne und Strand

Seemannslieder und Meeresballaden hatten Hochkonjunktur. Zu nennen ist hier insbesondere Freddy Quinn, der wochenlang die Hitparaden mit seinen Schlagern: Die Gitarre und das Meer, Junge komm bald wieder und Unter fremden Sternen besetzt hielt. Aber auch die Österreicherin Lolita mit ihrem Hit, der sogar in japanische und in die US-Charts gelangte: Seemann, deine Heimat ist das Meer und Lale Andersen mit: Unter der roten Laterne von St. Pauli, Blaue Nacht am Hafen oder Ein Schiff wird kommen. In Ostdeutschland war zu dieser Zeit beispielsweise Jenny Petra mit Weiße Wolken, blaues Meer und Du populär.

Ein Schlager, der 1962 aus jeder Musicbox schallte sei hier noch einmal stellvertretend für das Genre des Schlagers gesondert erwähnt: Heißer Sand gesungen von Mina. Der Text ist so undurchsichtig wie vieldeutig und trifft dennoch die Teenager dieser Zeit mitten ins Herz:

Schwarzer Tino, deine Nina / War beim Rocco schon im Wort
Weil den Rocco sie nun fanden / Schwarzer Tino mußte fort",
Heißer Sand und ein verlorenes Land und ein Leben in Gefahr
Heißer Sand und die Erinnerung daran, dass es einmal schöner war.
Schwarzer Tino, deine Nina / tanzt im Hafen mit den boys
Nur die Wellen singen leise / was von Tino jeder weiß.
Heißer Sand ... usw.
 
Die Musikbox "schluckt" (die Groschen) und "spuckt" (die Songs).

Dies lediglich als ein Beispiel, das, wie ein Schlagerfan einmal bemerkte, deutlich zeige, dass Schlager in drei Minuten etwas erzählen können, wozu ein Romanautor oftmals 300 Seiten benötigt.

Andere große Schlager dieser Zeit, die nicht unbedingt in das "Süden, Sonne, Meer" - Schema passen waren unter anderen:

Ebenfalls zu erwähnen sind hier die damaligen Vorbilder der Teenager Conny (Zwei kleine Italiener) und Peter Kraus (Sugar Sugar Baby), die sowohl im Duett als auch solo mit mehreren Filmen und Schlagertiteln erfolgreich waren. Nicht minder erfolgreich war Ted Herold mit Titeln wie Ich bin ein Mann oder Moonlight.

Beendet wurde diese Ära mit den ersten Erfolgen der Beatles in Deutschland mit Komm gib mir deine Hand und Sie liebt dich, yeah yeah yeah. Während zuvor lediglich Elvis Presley öfter mal die Phalanx der deutschen Nummer 1 - Hits durchbrechen konnte, geschah dies jetzt immer öfter mit englischsprachigen Titeln. Die Schlagerindustrie reagierte darauf.

"Memories of Heidelberg" oder: Deutsch, aber bitte mit "Accent" (ca. 1962 – etwa 1968)

Die Flut der ausländischen Interpreten und Schlagertexte war nicht mehr aufzuhalten. Die "Globalisierung" der Musikindustrie begann also bereits Anfang bis Mitte der 1960er Jahre. Jetzt wurden, um dem Publikumsgeschmack Genüge zu tun, englische, französische, skandinavische und italienische Interpreten, die in ihrem Land bereits erfolgreich waren, mit deutschen Texten auf den Markt geschickt. Von den zahlreichen Sängerinnen und Sängern seien hier einige genannt (die Aufzählung enthält keine Wertung und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):

  • Alma Cogan, Tennessee Waltz
  • Peggy March, Mit 17 hat man noch Träume; Memories of Heidelberg (1967)
  • Gus Backus, Da sprach der alte Häuptling und viele andere. Der Künstler sprach zu diesem Zeitpunkt kein Wort Deutsch.
  • Bill Ramsey, Pigalle; Zuckerpuppe - Bill Ramsey war zuvor Jazzsänger und trat in Nachtclubs auf.
  • Rita Pavone, Wenn ich ein Junge wär
  • Siw Malmkvist, Liebeskummer lohnt sich nicht und viele andere.
  • Petula Clark, Casanova kiss kiss
  • Billy Mo, Ich kauf mir lieber einen Tirolerhut
  • Nana Mouskouri, Weiße Rosen aus Athen
  • France Gall, sprach kein Deutsch und sang die deutsche Version ihres Grand-Prix-Erfolges Poupèe de cire, poupèe de son: Rosaroter Luftballon
  • Francoise Hardy, Frag den Abendwind
  • Adamo, Es geht eine Träne auf Reisen
  • Esther Ofarim, Cinderella Rockefella
  • Wencke Myhre, Beiß nicht gleich in jeden Apfel; Knallrotes Gummiboot; Er steht im Tor

Gleichzeitig versuchten sich viele Sportler als Schlagerkünstler. Während der Hürdenläufer Martin Lauer bereits in den Jahren zuvor mit einer gewissen Musikalität und Liedern wie Taxi nach Texas und Ich sitz so gern am Lagerfeuer erfolgreich war, waren die Erfolge der Eiskunstläufer Marika Kilius Wenn die Cowboys träumen, Hans-Jürgen Bäumler Honeymoon in St. Tropez und Manfred Schnelldorfer Wenn du mal allein bist sowie der Fußballspieler Franz Beckenbauer Gute Freunde und des Torwarts Petar Radenkovic Bin i Radi, bin i König wohl lediglich ihrer sportlichen Laufbahn zu verdanken.

"Aber bitte mit Sahne" oder: mit den 60er ist noch lang noch nicht Schluss (1968 – 1980)

Der Deutsche Schlager hatte seine Hoch-Zeit in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren. Mitte der 1960er begann die Bedeutung des Schlagers zurückzugehen. Betrachtet man sowohl die Verkaufszahlen als auch die Hitparaden der einzelnen Sender, stellt man fest, dass der Anteil der deutschen Schlager gegen Ende der 1960er Jahre sich der unteren Grenze näherte. Waren 1962 noch fast alle Nummer 1 Hits im einheimischen Idiom gesungen, sank der Anteil 1966 bereits auf 50 % und Ende des Jahrzehnts lag er gerade mal bei fünf bis zehn Prozent. Die Beatmusik der Rock und der Pop eroberten den deutschen Schlagermarkt und die zuvor gefeierten Interpreten fristeten ein Nischendasein. Was nicht heißen soll, dass nicht auch mal der eine oder andere Titel einen Platz in die Top Ten schaffte.

Doch in den 1970er blühte der Schlager nochmals auf, was auch auf die zunehmende Verbreitung von Fernsehgeräten (Olympiade München 1972; Fußball Weltmeisterschaft 1974) und damit einhergehenden, einschlägigen Musiksendungen zurückzuführen war. Die ZDF-Hitparade, in den 70er quasi die erste Instanz in Sachen Schlagermusik im Fernsehen, präsentierte wöchentlich alte und neue Interpreten und Lieder. Mit dabei waren oft Udo Jürgens (Aber bitte mit Sahne und Mit 66 Jahren) mit seinen zahlreichen Hits oder seine Namensvetterin Andrea Jürgens (Und dabei liebe ich euch beide), eine aus Sicht der Musikindustrie "hoffnungsvolle Vertreterin" der ganz jungen Nachwuchsschlagersängerinnen. Aber auch Chris Roberts (Du kannst nicht immer 17 sein), Cindy & Bert (Immer wieder sonntags), Bernd Clüver (Der Junge mit der Mundharmonika) oder Katja Ebstein (Theater und Dann heirat' doch dein Büro) gehörten zu den "Dauerbrennern" der deutschen Schlagerszene. Gerade in den 70er war die Anzahl der Schlager-One-Hit-Wonders enorm hoch. Auch wenn die von Media-Control wöchentlich ermittelte Top-10 der meistverkauften Titel in Deutschland immer häufiger englischsprachige Songs auf den vorderen Plätzen ermittelte, schien der Schlager doch eine sichere Position im Musikgeschmack der Deutschen einzunehmen. Die ab 1971 von Ilja Richter im ZDF moderierte Sendung "Disco" griff daher anfänglich auf einen Mix aus nationalen und internationalen Sängern zurück. Doch die aufkommende Disco-Welle sorgte auch in Deutschland für einen veränderten Musikgeschmack. Die Schlagersänger nahmen sich teilweise der neuen und vor allem schnelleren Rhythmen an und versuchten diese auf das Konzept der Schlagermusik zu übertragen.

Neue Entwicklungen oder: "Alles hat ein Ende......."? (1980 – jetzt)

Ab Anfang der 80er setzte die so genannte "Neue Deutsche Welle" (NDW) ein, die mit dem Begriff Schlager nur sehr wenig gemeinsam hatte. Immer mehr Schlager wurden aus der Media-Control-Hitparade zu Gunsten der NDW-Songs verdrängt. Und so teilten sich bald englische Songs und NDW-Lieder die Hitparaden. Der Schlager rutschte in den Hitparaden ab und auch im Radio wurden immer weniger Schlager gespielt, so dass er bald ein Randdasein fristete. Um ihn zu "retten" versuchten sowohl die betroffenen Interpreten als auch die Musikindustrie ihn in den zahlreichen Sendungen der Volksmusik neu zu positionieren. In den 90er Jahren gab es in Deutschland, ausgelöst durch die neue "alte Modetrends", Kleidung und Accessoires der 70er Jahre, ein Schlager-Revival, z. B. durch Guildo Horn, Dieter Thomas Kuhn oder Petra Perle. Ferner hatten dann - die umpositionierten - eher volkstümlichen Schlager große Erfolge zu verzeichnen. Die Hits des Deutschen Schlagers wurden bzw. werden z. T. im Zuge des Retro-Trends immer noch verstärkt im Radio oder Fernsehen gespielt. Die ZDF-Hitparade wurde jedoch im Dezember 2000 eingestellt.

Ein internationaler Wettbewerb für das einfache Lied schlechthin ist der Grand Prix d'Eurovision de la chanson, auch "Eurovision Song Contest" genannt, der 1956 erstmals stattfand und seither jährlich veranstaltet wird. In den letzten Jahren nahmen vermehrt Pop-Titel daran teil. Mit dem herkömmlichen Begriff "Schlager" hatte dieser Wettbewerb somit fast nichts mehr zu tun.

Schlager können sich aus fast allen Musikrichtungen entwickeln. Deshalb kann man auch unter folgenden Stichworten fündig werden: Marschmusik, Tanzmusik, Unterhaltungsmusik, Blasmusik, Beat, Blues, Country, elektronische Musik, Folk, Soul, Jazz, Popmusik, Drum&Bass, Hip Hop (Musik), populäre Klassik, Reggae, Rock, Operette, Musical, Revue, Vaudeville, Varieté, Kabarett, Couplet, Chanson, Gassenhauer, Moritaten, Filmmusik, Jazz.

Triviales

  • Schlager nennt man ab Mitte des 19. Jahrhunderts beliebte Melodien aus Oper und Operette, dann auch Neuanfertigungen. (dtv-Atlas zur Musik)
  • Ey, wie schmeckt der Caffe süsse, Lieblicher als tausend Küsse, Milder als Muscaten-Wein. Caffe, Caffe, muß ich haben; Und wenn niemand mich will laben, Ach so schenk mir Caffe ein. ... Die Katze läßt das Mausen nicht, die Jungfern bleiben Coffeeschwestern. Die Mutter liebt den Coffeebrauch, die Großmama trank solchen auch, wer will nun auf die Töchter lästern! (aus: Johann Sebastian Bach, Kantate BWV 211, "Schweigt stille, plaudert nicht" )
  • Bona nox! Bist a rechter Ochs, Bona notte, Liebe Lotte, Bonne nuit, Pfui, pfui, .. (aus Canon Bona nox; Text und Musik: W. A. Mozart)

Literatur

  • Theodor W. Adorno: Einleitung in die Musiksoziologie. Zwölf theoretische Vorlesungen. II. Leichte Musik, in Gesammete Schriften Band 14 Suhrkamp,1973
  • Mathias Bardong (Hrsg.): Das Lexikon des deutschen Schlagers, 1993, Serie Musik, Schott, Mainz, ISBN 3-7957-8208-2
  • Moritz, Rainer: Schlager, 2000, dtv, München, ISBN 3-423-20362-5
  • Näther, Stephan; Regauer, Ernst: Grand Prix d'Eurovision und deutsche Schlagerwettbewerbe seit 1956, 2001, Berlin
  • Peters, Christian; Langer, Barbara: Lili Marleen. Ein Schlager macht Geschichte, 2001, Bonn
  • Port le Roi, André: Schlager lügen nicht: deutscher Schlager und Politik in ihrer Zeit, 1998, Essen, ISBN 3-88474-657-X
  • Seiler, Christian (Hrsg.); Becker, Reinhilde [Ill.]: Die beliebtesten Schlager der 20er Jahre, 1998, Wien, München; ISBN 3-85223-412-3

Schlagerfilme (Auswahl)

Siehe auch