Spitzels Knabenkraut

Art der Gattung der Knabenkräuter (Orchis) in der Familie der Orchideen (Orchidaceae)
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Spitzels Knabenkraut (Orchis spitzelii) gehört zu den sehr seltenen Orchideenarten Mitteleuropas. In Deutschland ist es lange ausgestorben, in Österreich und in der Schweiz ist nur je ein Fundort aktuell bestätigt. Spitzels Knabenkraut wurde 1835 vom Forstrat Anton von Spitzel (1807-1853) aus München im Land Salzburg (Österreich) entdeckt und 1837 ihm zu Ehren als Orchis spitzelii von Anton Eleutherius Sauter nach einem Herbarexemplar von Wilhelm Daniel Joseph Koch beschrieben. Der wissenschaftliche Name leitet sich also von griechisch όρχις orchis (Hoden) und spitzelii, der latinisierten Benennung nach dem Entdecker, ab.

Spitzels Knabenkraut
Spitzels Knabenkraut
Spitzels Knabenkraut
Spitzels Knabenkraut(Orchis spitzelii) Foto: Mg-K
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Blüten
Blüten (Mg-K)

Spitzels Knabenkraut ist eine zierliche Pflanze, die Wuchshöhen von etwa 12 bis 40 cm erreicht. Sie hat verhältnismäßig viele (etwa 2 bis 7) grundständige, glänzende und ungefleckte Laubblätter, deren oberstes den Stängel scheidig umfaßt. Die Knollen der Pflanze sind relativ klein, rundlich bis eiförmig. Der Blütenstand ist meist lockerblütig, bei starken Exemplaren auch dichtblütig. Die Tragblätter sind dünn, grünlich und rotviolett überlaufen, meist kürzer als der Fruchtknoten. Die etwa 8 bis 30 Blüten sind mittelgroß (im Vergleich zu anderen Arten der Gattung). Sepalen und Petalen sind grünlich, innen mit braunpurpurnen Punkten und Flecken, eiförmig stumpf und einen Helm bildend. Die seitlichen Sepalen sind oft etwas abstehend. Die Lippe wird 8 bis 16 mm lang und ist dreilappig mit nochmals gespaltenem Mittellappen. Die Lappen sind seitlich zurückgebogen. Die Färbung der Lippe ist rosa bis purpurn mit dunkleren Flecken. Der Sporn ist kegelförmig, dick, abwärts gebogen, und etwa so lang wie der Fruchtknoten. Die Bestäubung dieser Art erfolgt in der Regel durch Hummeln und Wildbienen. Die Blütezeit der Art erstreckt sich von Mai bis Juli, je nach Region und Standort. Nach Untersuchungen der österreichischen Population seien Schnee und die Winterkälte sowie eine frühkonstante Bodenfeuchtigkeit ausschlaggebend für die Blühfähigkeit einer Pflanze. Sommerliche Trockenheit ist weniger relevant, da sie ohnehin in die Ruhephase der Pflanze fallen würde.

Genetik, Entwicklung

Spitzels Knabenkraut hat einen Karyotyp von zwei Chromosomensätzen und jeweils 21 Chromosomen (Zytologie: 2n = 42). Der Same dieser Orchidee enthält keinerlei Nährgewebe für den Keimling. Die Keimung erfolgt daher nur bei Infektion durch einen Wurzelpilz (Mykorrhiza). Über die Dauer von der Keimung bis zur Entwicklung der blühfähigen Pflanze liegt keine Angabe vor.

Ökologie

Die Standorte dieser Art sind regional sehr unterschiedlich. Sie tritt in montanen Kiefern-, Buchen- und Mischwälder auf oder wächst auf Almwiesen sowie steinigen bis felsigen und vegetationsarmen Berghängen. Spitzels Knabenkraut gilt als kalkstet. Die Höhenverbreitung ist in den Alpen von etwa 800 bis 1800 m. ü. NN, auf Gotland (Schweden) kommt sie jedoch auf Meereshöhe vor. An seinen Standorten ist Orchis spitzelii oftmals die einzige Orchideenart.

Orchis spitzelii kommt in Europa und Nordafrika vor und ist eine Art mit hauptsächlich mediterran-montaner Verbreitung. Jedoch hat sie kein geschlossenes Verbreitungsgebiet, sondern ein disjunktes Areal mit z.T. sehr weit auseinander liegenden Fundorten. Im mediterranen Raum gibt es auch noch einige ähnliche und nah verwandte Arten. Im Norden ihres Areals zeigt sich die Art eher wärmeliebend, nach Süden hin weicht sie auf kühlere Standorte aus (höher gelegene Orte, Nordhänge). Gewisse Verbreitungsschwerpunkte der Art liegen in den französischen Südwestalpen (Vercors, Haute-Provence), und am italienischen Südalpenrand (Trentino) sowie in den iberischen Hochgebirgen und auf dem Balkan. Desweiteren kommt Orchis spitzelii isoliert weitab vom Hauptareal auf der schwedischen Ostseeinsel Gotland vor. Man vermutet, dass diese inselartigen Vorkommen Reliktstandorte eines ehemals größeren Verbreitungsareals dieser entwicklungsgeschichtlich relativ alten Orchideenart sind.

In Deutschland ist die Art ausgestorben, in der Schweiz und in Österreich gibt es jeweils nur (noch) einen Fundort. Das einzige bekannte Vorkommen in Deutschland lag in Baden-Württemberg. Das historische Vorkommen am Nagolder Schloßberg gilt als belegt. Laut der Botanischen Zeitung 1845 wurde die Art vom Apotheker Peffinger dort gefunden. Als Ursache des Verschwindens liest man, dass sie "wegbotanisiert" worden sei oder aber dass der Standort durch "Wegebau" zerstört worden sei.

Auf der Insel Gotland wurde Orchis spitzelii bei seiner Entdeckung 1914 zunächst nicht erkannt, sondern vom Entdecker Thore Fries als "Orchis mascula in anderer Form, die an Orchis morio erinnert" bezeichnet. Erst B. Petterson erkannte sie in 1940 korrekt und beschrieb die gotländische Sippe als Orchis spitzelii var. gotlandica.

Wie alle in Europa vorkommenden Orchideenarten steht auch das Brandknabenkraut unter strengem Schutz europäischer und nationaler Gesetze.

  • Rote Liste Deutschland: 0
  • Rote Liste Bundesländer: Baden-Württemberg: 0
  • Rote Liste Schweiz: CR (Critically Endangered – vom Aussterben bedroht)
  • Rote Liste Österreich: keine Angabe verfügbar.


Die Gotland Sippe wird entweder als Varietät (Orchis spitzelii var. gotlandica) oder als Unterart (Orchis spitzelii subsp. gotlandica) bezeichnet. Da die Unterschiede zur Nominatform nicht besonders ausgeprägt sind, neigt man eher zu Einstufung als Varietät.

Die Hybridisierung mit anderen Orchideenarten ist möglich, als Hybriden sind beschrieben (nach G. Blaich):


Innerhalb der Knabenkräuter gehört Spitzels Knabenkraut in den Verwandtschaftskreis der "Patentes". Außer Orchis spitzelii gehören dazu einige mediterrane Arten Orchis anatolica (, Orchis bungii, Orchis canariensis, Orchis cazorlensis, Orchis collina, Orchis patens, Orchis prisca, Orchis troodi mit kleineren Verbreitungsgebieten.

Der heute noch gültige Erstbeschreibungsname Basionym ist Orchis spitzelii Saut. ex W.D.J.Koch (1837).

Ein Synonym ist Orchis patens subsp. spitzelii (Saut. ex W.Koch) Á.Löve & Kjellq 1973

Weitere Synonyme beziehen sich auf Unterarten und Varianten:

  • Orchis spitzelii subsp. gotlandica (B.Pett.) Á.Löve & D.Löve 1948
  • Orchis spitzelii subsp. nitidifolia (W.P.Teschner) Soó 1978
  • Orchis spitzelii var. gotlandica B.Pett. 1940

Siehe auch: Liste aller Orchideengattungen, Liste der Orchideen Europas

Literatur

Standardliteratur über Orchideen

  • Karl-Peter Buttler: Orchideen, die wildwachsenden Arten Europas. Mosaik Verlag 1986, ISBN 3-570-04403-3
  • H. Baumann, S. Künkele:Die wildwachsenden Orchideen Europas. Frankh, 1982, ISBN 3-440-05068-8
  • Robert L. Dressler: Die Orchideen - Biologie und Systematik der Orchidaceae. (1996) - gutes Werk zum Thema Systematik [deutsch]
  • Hans Sundermann: Europäische und mediterrane Orchideen. Brücke-Verlag, 2. Auflage: 1975, ISBN 3-871-05010-5
  • J. G. Williams: Orchideen Europas mit Nordafrika und Kleinasien. BLV Verlag, ISBN 3-405-11901-4

spezielle Literatur zu Spitzels Knabenkraut:

  • Pierre Delforge (1981): Une station de l' Orchis spitzelii Sauter en France. Orchidophile 46: 1829-1833
  • D. Hertel (1988): Über das Vorkommen von Orchis spitzelii Koch im Wallis. Bull. Murith., Soc. Valais Sci. Nat. 106: 75-78
  • A. Kessler (1993): Orchis spitzelii Sauter ex Koch (1837), Cephalanthera damasonium (Mill.) Druce und Orchis palustris Jacq. auf Gotland. - Mitt. Bl. Arbeitskr. Heim. Orch. Baden-Württemberg 25 (4): 448-452
  • J.-M. Lewin (1997) Orchis spitzelii Saut. dans les Pyrénées-Orientales: ça fait un sacré bout de temps que j'y suis !!! - Monde Pl. - 459 : pp. 27 à 28 -> 66
  • A. Ch. Mrkvicka (1992): Orchis spitzelii Sauter ex Koch (1837) im Ostalpenraum. - Mitt. Bl. Arbeitskr. Heim. Orch. Baden-Württemberg 24 (4): 669-678
  • G. Perazza (1996) Orchis spitzelii Sauter ex W.D.J.Koch in Trentino e nelle zone limitrofe (Nord-Italia). - Ann. Mus. civ. Rovereto, Sc. nat. Vol. 12 (1996) 147-176
  • J. van der Straaten / K. Laarhoven / W. van Kruijsbergen (2002) Het Voorkomen van Orchis spitzelii in de zuidoostelijke Vercors. - Eurorchis no. 14, 2002
  • Ch. Wegenke (1997): Orchis spitzelii und Limodorum trabutianum auf Mallorca. - Ber. Arbeitskrs. Heim. Orchid. 14 (1): 81-82

Verbreitungskarten

Regionale / Spezielle Links