Der Begriff Sohn Gottes oder Gottessohn ist hergeleitet aus der Bibel. Im jüdischen Tanach bzw. der Tora, das im Christentum als Altes Testament bekannt ist, wird an unterschiedlichen Stellen von einem Sohn Gottes gesprochen. Auch im christlichen Neuen Testament erscheint die Bezeichnung eines Sohnes von Gott. Das Alte Testament spricht in poetischer, übertragener Form von einem Sohn Gottes. Die Bezeichnung wird als besonderer Ausdruck jedoch in Übereinstimmung mit einem strengen jüdischen Monotheismus benutzt, der die Ein-Einzigkeit Gottes als transzendentem unteilbarem Schöpfer gegenüber der von ihm geschaffenen Vielheit der Welt (Kosmos), nicht tangiert (= berührt). Das Neue Testament bezeichnet mit dem Sohn Gottes den Gottessohn, der in den meisten christlichen Konfessionen Teil des Dreieinigkeitsdogmas ist, als Teil des dreigeteilt-einig-einzigen Gottes, der durch übernatürliche Zeugung mit Hilfe einer Frau, Maria, Mensch wurde und von den antiken Römern, der damaligen Besatzungsmacht Palästinas, auf Wunsch der Juden hingerichtet wurde.
Judentum
Im Judentum kann der Sohn Gottes einerseits jeden frommen Gerechten, andererseits das ganze erwählte Volk Israel bezeichnen (Hos 11,6 EU). Außerdem kennt die Bibel sogenannte Gottessöhne (Gen 6,2 EU; Hi 1,6 EU; Dan 3,25 EU), die aber nicht mit dem Begriff Sohn Gottes zu verwechseln sind. Über die Gottessöhne macht die Bibel nur wenige Angaben. Man kann sie daher als engelähnliche Wesen verstehen, die jedoch keinesfalls die Stellung des Sohnes Gottes haben.
Der Spruch des Ps 2,7 EU: "Mein Sohn bist du, ich (Gott) habe dich heute gezeugt" des Alten Testaments (Tanach) nimmt bildlich auf den "Gottessohn" bezug, wenn psalm-dichterisch die Einsetzung des Königs in Psalm 2 gefeiert wird. Am Tag der Einsetzung zum Herrscher hat Gott den "Gottessohn" erwählt, dichterisch wird die Preisung dieser Gnade mit dem obigen Satz gesetzt. Im Judentum wird die Annahme, dass Gott einen wirklichen Sohn zeugt – im Sinne des Dreifaltigkeitsdogmas oder im Sinne eines griechischen menschlichen Halbgottes (etwa wie eine sagenhafte Gestalt, Herkules etc.) – als besonderer Widerspruch zum Monotheismus aufgefasst.
"Stumpfsinnig sind die, welche die Unwahrheit sprechen, indem sie sagen, Gott habe einen Sohn und lasse ihn töten. Wenn Gott es nicht mit ansehen konnte, dass Abraham seinen Sohn opferte ... hätte er seinen eigenen Sohn töten lassen, ohne die ganze Welt zu zerstören und sie zum Chaos zu machen? Darauf bezieht sich das Wort Salomos von dem "Einen ohne Zweiten, der keinen Sohn und keinen Bruder hat" (Koh 4,8 EU). - (Agadat Bereschit c. 31 )
Israel als Sohn Gottes
Zur oben genannten Überzeugung besteht eine gegensätzliche Auffassung vieler Christen. Sie sind der Meinung, auch im Alten Testament sei Sohn Gottes nie eine allgemeine Bezeichnung für gerechte Menschen gewesen. Ausschliesslich Israel wird als Sohn Gottes bezeichnet. Dies wird als eine ausserordentliche und einmalige Auszeichnung Israels gesehen. Menschen werden auch im Alten Testament nur dann als Sohn Gottes bezeichnet, wenn sie Israel (Ex 4,22 EU) oder einen Teil davon (Jer 32,9 EU) repräsentieren. Ausserhalb dieses Kontextes gibt es auch im Alten Testament keinen Menschen, der als Sohn Gottes bezeichnet wird. In Psalm 2 wird der König (wie auch bei den Ägyptern üblich) poetisch als Sohn Gottes bezeichnet. Dies wird in dieser Auffassung als ein Bild gesehen, das für David nur poetisch ist, Christus aber eigentlich zukommt.
Als Beleg für ihre Auffassung verwenden die Vertreter dieser Meinung Zeugnisse aus dem Neuen Testament. Die obersten Repräsentanten der Juden bezeichnen Jesus als blasphemisch, weil er sich Sohn Gottes nennt ((Mt 26,65 EU),(Mk 14,63 EU),(Lk 22,71 EU)).
Israel wird als Bild für den wahren Sohn Gottes gesehen.
Christentum
Im Christentum wird unter dem Sohn Gottes die Person Jesus von Nazaret verstanden, den Gott bei der Taufe wie sein Volk Israel erwählt (Mk 1,11 EU). Dies bekräftigt für das Neue Testament die Erwählung Israels zum Volk Gottes endgültig.
Als Sohn Gottes ist Jesus der Messias (Christus), Heiland und Erlöser der Welt, der für alle Menschen stellvertretend am Kreuz auf Golgota in Jerusalem starb und nach drei Tagen wieder auferstand. Es wird nach christlicher Dogmatik angenommen, dass alle Menschen von Geburt an mit der Erbsünde der Stammeltern Adam und Eva belastet - und deshalb sterblich – seien nicht in der Lage, diese Erblast abzulegen (siehe Garten Eden). Jesus Christus habe aber stellvertretend diese Schuld auf sich genommen und so den Zugang zur Ewigkeit bei Gott, zum "Paradies" für jeden Menschen wieder frei gemacht (s. Kirchenvater Augustinus).
Befund
Das Ziel aller vier Evangelien ist es die Gottessohnschaft Jesu nachzuweisen. "Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes" (Mk 1,1 EU). "Sohn Gottes" ist der wichtigste Titel Jesu in den Evangelien. Er wird von den meisten Christen als Bestätigung für die Gottheit aufgefasst. ("Zeugen bedeutet: Ursprung eines Lebendigem in einem verbundenen Lebendigen, gleicher Art." Thomas von Aquin: ST I, 27 a 2). Im Sohn Gottes besteht nach christlicher Lehre nicht nur das gleiche Wesen, sondern das identische.
(Die Menschheit Christi hingegen wird im Neuen Testament (NT) durch Begriffe wie Menschensohn wiedergegeben. Er wird vom Teufel (im Markusevangelium: Satan) versucht (Mk 1,13 EU; Lk 4,2-13 EU; Mt 4,1-11 EU), und erzählen davon, dass der jüdische Mensch Jesus mit einem Juden ein Gespräch hat: "Was fragst Du mich nach dem Guten? Einer ist der Gute" (Mk 2,10 EU; Lk 18,18-19 EU). Hier unterscheidet sich Jesus als Mensch vom Gott, der Eine, der der Gute ist. In den Evangelien des Markus, des Lukas und des Matthäus wird Jesus als der dem einen Gott allernächste Mensch beschrieben, dem die Sündenvergebung als einzigem Menschen übertragen wurde (Mk 2,10 EU; Lk 5,24 EU; Mt 9,6 EU).)
Da die Christen von Anfang an das Evangelium als eine Einheit auffassten kann das Markusevangelium nicht im Sinne einer Aufwertung, einer Adoption zum Sohn, eines "Adoptivsohnes" aufgefasst werden. Der Satz "Du bist mein Sohn, an Dir habe ich Wohlgefallen gefunden." (Mk 1,11 EU) stellt eine Bekundung der Gottessohnschaft Christi dar((Joh 1,14 EU),(Hebr 2,9 EU),Philipperbrief,2 7).
Der Sohn Gottes wirkt aus eigener Autorität Wunder, treibt Teufel aus, vergibt Sünden, interpretiert das Gesetz nach eigener Autorität und hat im Tempel seinen Vater. Der Sohn Gottes hat das Recht Kaufleute aus dem Haus seines Vaters zu vertreiben.
Besondere Kernpunkte der Evangelien sind die Taufe (Mt 3,17 EU), die Verklärung (Lk 9,35 EU) und das Zeugnis Petri (Mt 16,16 EU) (bei Matthäus), wo jeweils der Vater bezeugt, dass Jesus sein eingeborener Sohn ist.
Häufig findet sich bei den Briefen des NT die Eingangsformel "Gepriesen sei der Gott UND VATER Jesu Christi" 2. Korinterbrief,1 3.
Ausser durch den Begriff "Sohn Gottes", wird die Gottheit Jesu auch durch andere Wendungen bestätigt. "Das Wort war Gott" (Joh 1,1 EU), "ehe Abraham ward bin ich" (Joh 8,58 EU), "Ich und der Vater sind eins", "Er wurde nur kurze Zeit unter die Engel erniedrigt", "Er war Gott gleich und hielt nicht daran Gott zu sein"... u.v.m. Dazu kommen Taten, die ihn als Gott ausweisen (Wunder, Teufelsaustreibungen, Sündenvergebung aus eigener Autorität, ...).
Das Neue Testament spricht im christlichen Sinne vom "Sohn Gottes", vom besonderen Sohn in Bezug auf Gott.
Matthäus beginnt die Geburtsgeschichte Jesu, indem er ihn als Sohn seines Vaters Josef darstellt und dann weiter erzählt, dass Jesus vom Heiligen Geist gezeugt wurde (Mt 1,18-25 EU und ähnlich bei Lk 1,26-38 EU, besonders Lk 1,35 EU: "Darum wird auch das Entstehende heilig heißen, Sohn Gottes.").
Von den Aposteln Paulus und Johannes wurde Jesus Christus bereits als Gott bezeichnet:
"Denn die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend für alle Menschen, und unterweist uns, auf daß wir, die Gottlosigkeit und die weltlichen Lüste verleugnend, besonnen und gerecht und gottselig leben in dem jetzigen Zeitlauf, indem wir erwarten die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus, der sich selbst für uns gegeben hat, auf daß er uns loskaufte von aller Gesetzlosigkeit und reinigte sich selbst ein Eigentumsvolk, eifrig in guten Werken." (Tit 2,11-14 EU)
"Wir wissen aber, daß der Sohn Gottes gekommen ist und uns ein Verständnis gegeben hat, auf daß wir den Wahrhaftigen kennen; und wir sind in dem Wahrhaftigen, in seinem Sohne Jesus Christus. Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben." (1 Joh 5,20 EU)
Unzweideutig wird es im Johannesevangelium, in dem der Logos, ein Begriff des jüdischen Schriftgelehrten und Philosophen Philo von Alexandrien (1. Jahrhundert v. d. Z.), mit der Vorstellung des Gottessohnes zusammen gebracht wird und Jesus als der eingeborene (oder einziggeborene, einzigerzeugte) Sohn Gottes bezeichnet wird und dieser "Gott" ist (Joh 1,1-18 EU). Der Logos (= das Wort, das Denkende, das weltdurchdringende und welterschaffende Prinzip) ist ein Begriff des jüdischen Philosophen Philo, der ihn als Vermittler zwischen Gott und der Vielheit der Dinge einsetzt, wird christlich umgebildet und mit Jesus in Verbindung gebracht (1 Kor 8,6 EU).
Für die Kirchenväter Clemens von Alexandrien im 2. Jahrhundert und Origenes im 3. Jahrhundert lehren, dass der Logos, der in Jesus verkörpert sei, notwendig sei für Gott, sich der physischen und der geistigen Welt zu offenbaren. Der Logos-Jesus sei ebenso ewig wie der Gott. Arius im 4. Jahrhundert meinte, dass der Logos-Jesus sei, wie Origenes lehrt, dem Vater (= Gott) untergeordnet, aber nicht vom Vater ewig gezeugt, sondern kein richtiger Gottessohn, sondern nur ein Ehrenname, ein Adoptiv-Sohn Gottes.
Athanasius ist ebenfalls im 4. Jahrhundert ein entschiedener Gegner des Arius. Er lehrte, dass der Logos-Jesus als ewige Zeugung Gottes, des Vaters, nur aus dem Vater, dem Urprinzip emaniert sei. Der Sohn sei also ebenso Gottheit wie der Vater, in Homousie (=Wesensgleichheit) und nicht Homoiusie (= Wesensähnlichkeit). Letztere Vorstellung wurde im Konzil zu Nicäa 325 Kirchengrundlehre. Das NT erhebt damit u. a. Jesus zum zentralen Thema.
"Christus ... mit dem Zusatznamen Jesus, ist der menschgewordenen Logos oder Sohn Gottes, die 2. Person der Dreifaltigkeit mit einer menschlichen Natur." - (Joseph Pohle, in: Kirchliches Handlexikon, von Michael Buchberger, I, Sp. 927)
Siehe auch
Literatur
- Joseph Ratzinger/Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth. Herder, Freiburg 2007 ISBN 978-3-451-29861-5