Kaffeekrise in der DDR
Kaffee war in der DDR ein sehr wichtiger Konsumartikel. Um 1977 kam es zu einer schweren Krise in der Versorgung dieses nur gegen Devisen auf dem Weltmarkt zu erhaltenden Ware die zu Bürgerprotesten und erheblichem Unmut führten, der in einer für eine Diktatur [1] sonst sehr ungewöhnlichen Offenheit zum Vorschein kam.
Ähnlich wie im gesamten Nachkriegseuropa war Kaffee nach 1945 Mangelware. Die ersten Kaffeeimporte der DDR erfolgten über die Sowjetunion. Die Einstellung dieser Lieferungen 1954 führte zu einer der ersten DDR Versorgungskrisen und intensivierte die Bemühungen, notwendige Devisen zum Ankauf des begehrten Rohstoffs zu erwirtschaften. 1957 wurde auch Röstkaffee in der DDR unter der Marke Röstfein hergestellt.
Die eigentliche DDR-Kaffeekrise begann 1976. Damals waren die Weltmarktpreise für Kaffee aufgrund einer mißernte in Brasilien dramatisch angestiegen und zwangen die DDR statt etwa 150 fast 700 Millionen Mark für Kaffeeimporte auszugeben. Die SED-Führung drosselte die Importe von Nahrungs- und Genußmitteln insgesamt um dringend benötigte Devisen[2] für die Einfuhr von industriellen Rohstoffen zu sparen. Die bis dahin angebotenen Kaffeesorten wurden eingestellt und nur noch die erheblich verteuerte Sorte „Rondo“ angeboten. Außerdem kam mit dem Kaffeemix eine neue Mischkaffeesorte mit hohem Ersatzkaffeeanteil auf den Markt. Von einer Kontingentierung wurde abgesehen. Man ging davon aus, die DDR Bevölkerung sei in der Lage, sich auch über den Warenaustausch mit Westdeutschland mit Kaffee zu versorgen.
Zuvor war allerdings Kaffee zu einem der wichtigsten Posten im Haushaltsbudget der DDR-Haushalte herangewachsen[3], wobei Westimporte etwa 20% des Bedarfs deckten. Dies war nicht allein der historischen sächsischen Vorliebe unter dem bereits im 18. Jahrhundert kolportiertem Motto "Ohne Gaffee gönn mer nich gämpfn!" geschuldet. Ab den 1960iger Jahren war in der DDR zwar die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln gesichert gewesen, Luxus und Konsumgüter und Delikatessen waren aber kaum verfügbar[4] . Dies führte indirekt neben einem deutlich erhöhten Verbrauch von Süßwaren, Tabak und alkoholischen Getränken auch zu einem erhöhten und nahezu gesundheitsschädigenden Verbrauch an Bohnenkaffee (3,6 kg pro Kopf und Jahr)in den siebziger Jahren. 3,3 Milliarden Mark gaben DDR-Bürger pro Jahr für Kaffee aus, fast ebensoviel wie für Möbel und nahezu doppelt soviel wie für Schuhe[5].
Die Bürger lehnten "Erichs Krönung", wie das Gemisch bald darauf genannt wurde, entschieden ab und namen diesen Angriff auf einen zentralen Bestandteil der Tischkultur nicht unwidersprochen hin. Es hagelte Eingaben[6] es kam zu erheblichen Protesten. Die Situation führte indirekt zur Ausweitung der Kaffeeproduktion im klassischen Teeland Vietnam. Auch wenn der Kaffeepreis sich nach 1978 mit der Entspannung auf dem Kafffeemarkt[7] sich wieder normalisierte, wurden notwendigen Devisen auch gerade für diesen Konsumartikel angesichts der in den 80ern zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der DDR ein immer größeres Problem.
Einzelnachweise
- ↑ Rittersporn, Gábor T.; Rolf, Malte; Behrends, Jan C. (Hgg.), Sphären von Öffentlichkeit in Gesellschaften sowjetischen Typs. Zwischen partei-staatlicher Selbstinszenierung und kirchlichen Gegenwelten, Frankfurt am Main 2003
- ↑ André Steiner Bundesrepublik und DDR in der Doppelkrise europäischer Industriegesellschaften Zum sozialökonomischen Wandel in den 1970er-Jahren in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 3 (2006) H. 3,
- ↑ Stefan Wolle: Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971-1989; Econ&List, München 1999, S. 328ff.
- ↑ Volker Wünderich, Die „Kaffeekrise“ von 1977. Genußmittel und Verbraucherprotest in der DDR, in: Historische Anthropologie 11 (2003), S. 240-261.
- ↑ Illustrierte Konsumgeschichte der DDR Von: Annette Kaminsky Erfurt: Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, 1999
- ↑ Bürger, Bitten und Behörden. Geschichte der Eingabe in der DDR Felix Mühlberg, Texte 11 der Rosa-Luxemburg-Stiftung. ISBN 3-320-02947-9, 978-3-320-02947-0
- ↑ [1] Kosta, Rondo, Kaffeemix - Honeckers Kaffeekrise MDR.DE Sendung vom 16.01.2007