Die Pflegeversicherung wurde 1995 als so genannte "fünfte Säule" der Sozialversicherung in Deutschland eingeführt (Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit, Pflegeversicherungsgesetz – PflegeVG). Die Träger der Pflegeversicherung sind nach SGB XI § 46 die Pflegekassen, die in der Regel den Krankenkassen angegliedert sind. Alle gesetzlich krankenversicherten Personen wurden in die soziale Pflegeversicherung (SPV) aufgenommen. Alle Vollversicherten einer privaten Krankenversicherung wurden Mitglieder der privaten Pflegepflichtversicherung (PPV). Damit wurde erstmals ein Versicherungsschutz für nahezu die gesamte Bevölkerung eingeführt.
Leistungen
Seit 1. April 1995 werden Leistungen für die häusliche Pflege übernommen, seit 1. Juli 1996 auch für die stationäre Pflege. Sie sind nach dem Grad der Pflegebedürftigkeit gestaffelt. Als pflegerische Leistungen gelten Hilfe bei der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung. Andere wichtige Bedürfnisse wie die Unterstützung in sozialen Bereichen des Lebens, die Bewältigung von Krisen und Vereinsamung, der Umgang mit Sterben und Tod oder nahezu die gesamte Betreuung von Menschen, die an Demenz (Altersverwirrtheit) leiden, sind ausgeklammert. Leistungen der sog. Behandlungspflege fallen in den Finanzierungsbereich der Krankenkassen.
Pflegebedürftige wenden sich an die Krankenversicherung, die zuständig für die Pflegeversicherung ist. Von dort wird ein Arzt (Medizinischer Dienst) beauftragt, der die Pflegebedürftigkeit feststellt und die Pflegestufe bestimmt. Sie richtet sich ausschließlich an den zeitlichen Anforderungen für die Pflege aus.
Die Pflegestufen sind:
- I - erhebliche Pflegebedürftigkeit, d.h. mindestens 90 min. pro Tag,
- II - schwere Pflegebedürftigkeit, d.h. mindestens 180 min pro Tag, und
- III - schwerste Pflegebedürftigkeit, d.h. mindestens 270 min pro Tag.
Hieraus lässt sich ersehen, dass geringe oder mittlere Pflegebedürftigkeit zu keinem Leistungsanspruch führt.
In Stufe I zahlt die Pflegekasse 384 € für ambulante, 1023 € für stationäre Pflege. In Stufe II sind es 921 beziehungsweise 1279 €. In der höchsten Pflegestufe III zahlt die Versicherung 1432 € im Monat (in Härtefällen bis 1917 €), gleichgültig, ob die Patienten zu Hause oder im Heim betreut werden.
Die genannten Höchstbeträge gelten für die Inanspruchnahme von Sachleistungen. Alternativ werden für die ambulante Pflege auch Geldleistungen gewährt: in Stufe I bis zu 204 € "Pflegegeld", in Stufe II bis zu 408 €, in Stufe III bis zu 664 €. Am beliebtesten ist die Kombinationsleistung, bei der Kosten für Pflegedienstleistungen abgerechnet werden und der nicht verbrauchte Anteil an der Höchstleistung als Geldleistung geltend gemacht wird.
Zur Zeit entscheiden sich etwa zwei Drittel der mehr als zwei Millionen Pflegebedürftigen für die häusliche Pflege. Dabei werden im Bedarfsfall auch die Kosten für eine Ersatzpflegekraft bis zu 4 Wochen im Wert bis 1.400,- € pro Jahr und für Pflegehilfsmittel bis 30,- € monatlich übernommen. Technische Hilfsmittel können leihweise zur Verfügung gestellt oder zu 100% erstattet werden. Für die Verbesserung des Wohnumfeldes (z.B. Hebegeräte) können bis zu 2.500,- € je Maßnahme bewilligt werden. Schließlich werden für die Pflegeperson Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur gesetzlichen Unfallversicherung übernommen.
Beiträge
Für die gesetzlich Versicherten beträgt der Beitragssatz derzeit 1,7 Prozent des Bruttoarbeitsentgelts. Familienangehörige sind beitragsfrei mitversichert, wenn ein Anspruch auf Familienversicherung besteht. Die Beiträge werden (außer in Sachsen) je zur Hälfte von den Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen (in den übrigen Bundesländern wurde als Ausgleich für die Belastung der Arbeitgeber der Buß- und Bettag als gesetzlicher Feiertag abgeschafft). Seit dem 1. April 2004 müssen Bezieher einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung die Beiträge aus der Rente alleine tragen.
Personengruppe | Beitragssatz | |
---|---|---|
Person | Arbeitgeber | |
Arbeitnehmer im Freistaat Sachsen | 1.35 % | 0.35 % |
Arbeitnehmer im restlichen Bundesgebiet | 0.85 % | 0.85 % |
Familienversicherter | 0.00 % | 0.00 % |
Rentner | 1.70 % | 0.00 % |
- Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist es, den Beitragssatz bis 2015 stabil zu halten. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht verlangt, dass bis spätestens 2004 die Kindererziehung berücksichtigt wird. Am 26. November 2004 beschloss der Bundestag mit der Kanzlermehrheit, dass ab Januar 2005 der Pflegebeitrag für Kinderlose steigt. Für sie erhöht sich der Beitrag um 0,25 % auf 1,1 %. Die Regelung gilt für Versicherte ab 23 Jahre. Geburtsjahrgänge vor 1940, Wehr- und Zivildienstleistende sowie Bezieher von Arbeitslosengeld II sind von der höheren Zahlung ausgenommen.
Wegen der demografischen Veränderungen einerseits und der vor allem durch Massenarbeitslosigkeit bedingten Einnahmeausfälle andererseits ist aber schon die Finanzierung der jetzigen Leistungen langfristig nicht gesichert. 2003 trat ein Defizit von rund 700 Millionen Euro auf, so dass die Rücklagen bis spätestens 2006/2007 aufgezehrt sein werden. Darüber hinaus erfordern die Verlagerung hin zu mehr professioneller Pflege im ambulanten Bereich, zu mehr stationärer Pflege und die absehbar notwendige Ausweitung der Leistungen (z.B. für Demenzkranke) weitere finanzielle Mittel.
Für die Mitglieder der privaten Pflegepflichtversicherung gelten altersabhängige Beiträge. Die Beitragsregelungen für Familienangehörige, für privatversicherte Rentner, für Selbständige, etc. sind komplex (siehe Weblinks). Die privaten Pflegeversicherungen arbeiten auf der Basis des Anwartschaftsdeckungsverfahrens, d.h. es müssen Altersrückstellungen gebildet werden. Die Leistungen sind denen der sozialen Pflegeversicherung gleichwertig. An die Stelle der Sachleistungen tritt jedoch die Kostenerstattung.
Aktuelle Veränderungen / Diskussionsstand
Stand 01-2005:
Zur Entlastung von Eltern bei der Einzahlung in die Pflegeversicherung zur Honorierung ihrer mit der Erziehung der Kinder aufgenommenen gesellschaftlichen Verantwortung wird ein Kinderbonus diskutiert.
Danach müssen kinderlose Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung ab 2005 einen um 0,25 % höheren Beitragssatz zahlen als bisher, wenn sie über 23 Jahre alt, aber nicht vor dem 1. Januar 1940 geboren sind. Damit zahlen sie statt der bisherigen 0,85 % künftig einen Beitrag in Höhe von 1,1 % ihres Bruttoeinkommens. Der Arbeitgeberanteil in Höhe von 0,85 % bleibt unverändert.
Stand 01-2005 Ende
Siehe auch:
Hilfsmittelverzeichnis der GKV zu Pflegehilfsmitteln.
Weblinks
- SGB 11 § 46
- Merkblatt zu Pflegeversicherungen und privaten Pflegezusatzversicherungen
- Beiträge und Leistungen in der Pflegepflichtversicherung (SPV und PPV)
- Details zur Privaten Pflegepflichtversicherung (PPV)
- Regierung dementiert Milliardenminus in der Pflegeversicherung (5. Juli 2004)
- Karlheinz Bayer: Pflegeversicherung: Rezepte zur Genesung. Erfahrungen zehn Jahre nach dem Start.
- Dr. Ralph Skuban: Bücher zur Pflegesicherung in Deutschland und Europa
- Beiträge und Geschichte