Spießturm

Turm in Deutschland
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Der Spießturm, auch kurz Spieß genannt, ist ein mittelalterlicher Wartturm, der in Nordhessen nahe dem Frielendorfer Ortsteils Spieskappel liegt. Er wurde im 15. Jahrhundert erbaut und diente als Grenzturm und als Versammlungsort für Landtage und Gerichte.

Der Spießturm ist Teil des Frielendorfer Wappens.

Anlage

Der Spießturm liegt an der Nordseite des so genannten Kornberges südlich des Frielendorfer Ortsteils Spieskappel an der K157 zwischen Spieskappel und Obergrenzebach. Der Name „Spieß“ bezeichnete früher einige zusammenhängende Anhöhen namens Loh, Kornberg und Kämpferholz zwischen Spieskappel, Gebersdorf, Leimsfeld, Schönborn, Obergrenzebach, Großropperhausen und Ebersdorf. Der Rundturm ist etwa 17 Meter hoch und hat einen Durchmesser von fast fünf Metern. Die Mauerstärke beträgt über einen Meter. Der Zugang liegt fünf Meter über dem Boden, um möglichen Feinden das Eindringen zu erschweren. Zudem gab es wahrscheinlich einen Wehrgang, worauf ausgesparte Löcher für die notwendige Balkenlage hindeuten.[1]

Geschichte

Die Anhöhe „Spieß“ galt bereits zwischen dem 6. und 10. Jahrhundert als Grenze im fränkischen Reich und trennte den Oberlahngau vom Hessengau. Im 15. Jahrhundert grenzte die Landgrafschaft Niederhessen an die Grafschaft Ziegenhain und Oberhessen. 1430 ließ der hessische Landgraf Ludwig I. den Spießturm als Wartturm errichten, um die Grenze zu sichern. Zusätzlich gab es entlang der Grenze Landwehre, Verhaue, Grenzzeichen und weitere Befestigungsanlagen. An Grenzübergängen waren Verschläge aufgebaut, die ein Schlagmann bewachte. Einen solchen Schlag gab es auch nahe des Spießturms; der Schlagmann lebte im Turm und trieb Zölle für das Amt Homberg ein.[2] Als 1450 Johann II. von Ziegenhain starb, hinterließ er keinen Erben, so dass die Grafschaft Ziegenhain der Landgrafschaft Hessen zufiel und die Grenzanlage am Spieß somit überflüssig wurde.[3]

Im 15. und 16. Jahrhundert war der Spieß Versammlungsort einiger Landtage. Er wurde als Austragungsort gewählt, weil am Spießturm verschiedene bedeutende Straßen, wie die langen Hessen entlangliefen. Die ersten Ständeversammlungen dieser Art, von denen Überlieferungen existieren, fanden 1456 und 1457 statt. 1470 wurde auf einem Landtag am Spießturm der Hessische Bruderkrieg zwischen Ludwig II. und Heinrich III. beigelegt.1509 fand ein Landtag statt, auf dem die Stände das Testament des verstorbenen Landgrafen Wilhelms II. und somit die Regentschaft seiner Witwe anfechteten.[4] Landgraf Philipp berief 1534 und 1542 zwei Landtage am Spieß ein. Der letzte Landtag am Spieß wurde 1567 veranstaltet; Philipps Sohn Wilhelm IV. und dessen Stiefbrüder verlasen die „Ziegenhainer Einigung“, die die Teilung der Landgrafschaft regelte.[5]

Der Spieß war neben seiner Funktion als Austragungsort hessischer Landtage auch Standort eines von sechs dem Amt Homberg zugeordneten Gerichten. Dem Gericht am Spieß gehörten die Dörfer Frielendorf, Todenhausen, Obergrenzebach, Seigertshausen, Leimsfeld, Ebersdorf, Oberkappel, Gebersdorf und Linsingen an. Ein Gericht war zur damaligen Zeit als Gerichts- und Verwaltungsbezirk zu verstehen, dem ein Schultheiß vorstand. Diese Gerichte waren zu Diensten und Abgaben verpflichtet und hatten das Recht, Recht zu sprechen, wovon die „Blutgerichtsbarkeit“ ausgeschlossen war. 1542 wurde das Gericht am Spieß, das manchmal auch als Gericht Frielendorf bezeichnet wurde, dem Amt Ziegenhain zugeordnet. Dadurch war es möglich, die Orte zu Diensten beim Ausbau der Ziegenhainer Festung heranzuziehen. [6] Bambey sieht in dieser Abtrennung einen ersten Schritt zur Einbeziehung des Gebiets in das Gebiet der Schwalm.[7]

Nach der Gebietsreform in Hessen in den 1970er Jahren wollten Gemeindevorstand und Gemeindevertretung der Großgemeinde Frielendorf 1975 ein neues Wappen geben. Nach drei Jahren, in denen es mehrfach zu Auseinandersetzungen mit dem Staatsarchiv Marburg kam, weil die Entwürfe gegen heraldische Grundsätze wie Farbregeln verstießen, wurde schließlich im Februar 1978 das heutige Wappen vorgestellt.[8] Im Zentrum des Gemeindewappens ist der Spießturm dargestellt. Heute dient der Spießturm als Ausflugsziel und die Außenbesichtigung ist jederzeit möglich. Begehbar ist der Turm hingegen nicht.

Sagen und Legenden

Zum Spießturm und der Anhöhe, auf der er liegt, gibt es eine oft erzählte Sage von einem Leichenzug, der am Spießturm vorbeizieht.[9]

„Oft hatten die Zigeuner im Mittelalter ihr Lager auf den Spießhöhen aufgeschlagen. Genau auf der Grenze zwischen der Grafschaft Ziegenhain und der Landgrafschaft Hessen, denn dort fühlten sie sich sicher. Wurden sie von der Grafschaft Ziegenhain verfolgt, wechselten sie zur Landgrafschaft Hessen, oder umgekehrt. Eines Nachts klopfte es unter ihrem Lager. Beim dritten Klopfen gegen Mitternacht zog ein Leichenzug, der aus der Erde kam, an ihnen vorbei in Richtung Hermannsdorf. Seit dieser Zeit wurden die Zigeuner am Spieß nicht mehr gesehen.“

In weiteren Erzählungen werden einige Details abgewandelt. So werden die Teilnehmer des Leichenzuges als kopflose Reiter beschrieben oder das Ereignis vom Mittelalter in die Zeit des Ersten Weltkrieges oder das Jahr 1930 verlegt.

Literatur

  • Hartwig Bambey: Der Spieß – Grenzscheide, Gerichtsstätte, Straßenknoten und Wartturm. In: ders. (Hg.): Frielendorf: Bilder-Lese-Buch. Frielendorf 1990, S. 42-47.
  • Eduard Brauns: Wanderführer durch Nordhessen und Waldeck. A. Bernecker Verlag, Melsungen, 1971
  • Karl Schmidt: Das Dorf Spieskappel. Frielendorf 1995, S. 94-98.

Einzelnachweise

  1. Schmidt, 1995, S. 94.
  2. Schmidt, 1995, S. 95.
  3. Bambey, 1990, S. 43.
  4. Bambey, 1990, S. 45.
  5. Bambey, 1990, S. 46.
  6. Schmidt, 1995, S. 98.
  7. Bambey, 1990, S. 47.
  8. Bambey, 1990, S. 337f.
  9. Schmidt, 1995, S. 221f.

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