Irrgarten

Gestaltungselement der Gartenkunst
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Ein Irrgarten ist eine Gartenanlage mit einem verzweigten, kunstvoll-kompliziertem Wegesystem, das idealerweise von überkopfhohen Hecken gebildet wird. Der Reiz des Hecken-Irrgartens besteht in dem Gefühl des zeitweisen Gefangenseins durch Hindernisse aus blickdichten und undurchdringlichen Hecken. Gelungene Anlagen sind Meisterwerke der Gartenkunst, deren Pflanzung und Unterhalt kostspielig sind.

Irrgarten im Park Schönbusch
Irrgarten im Großen Garten von Hannover-Herrenhausen
VanDusen Botanical Garden, Vancouver
St. Louis botanical gardens, Missouri, USA

Im Unterschied zum Labyrinth, in dem nur ein Weg ohne Verzweigungen vom Eingang bis zur Mitte führt, bekommt ein Irrgarten durch sein Netz von Wegen, das außer einfachen Abzweigungen auch Kreuzungen, Sackgassen und Wegeschleifen aufweisen kann, eine vollständig andere Funktion. Die Bezeichnung „Labyrinth“ wird manchmal gleichermaßen für „Irrgarten“ verwendet, zumal im nichtdeutschen Sprachraum.

Die allermeisten Irrgartenanlagen weisen einen Zielplatz auf, der eine Aussichtsmöglichkeit bieten oder von einem Baum, einer Statue oder einem Brunnen geschmückt sein kann. Dieses Ziel gilt es zu finden; daran schließt sich der möglicherweise ebenso schwierige Rückweg zum Ausgang an.

Bei einem Irrgarten handelt es sich immer um eine künstlich erstellte Anlage. Das Wort hat im Laufe der Zeit eine Begriffserweiterung erfahren: So werden vergleichbare Bauwerke aus Stein, Holz, Glas oder Spiegelwänden ebenso als Irrgärten bezeichnet wie gedruckte Irrgartenspiele und Computerspiele mit labyrinthischer Thematik.

Typisierung

Gestalterisch handelt es sich beim Hecken-Irrgarten oft um ein Konzept des „Garten-im-Gartens“. Der Irrgarten ist daher sowohl in einer größeren Garten- oder Parkanlage integriert zu finden wie auch als eigenständiges Element anzutreffen.

Am einfachsten lassen sich die Hecken-Irrgärten nach ihrer Form in drei große Gruppen unterscheiden. Es sind dies: 1. Geometrische oder formale Irrgärten, 2. Irrgärten mit unregelmäßigem Wegenetz, 3. Symbolische Irrgärten mit Superzeichen-Charakter. Am verbreitetsten und bekanntesten sind die formalen Anlagen. Meist sind sie aus geschnittenen Hecken geformt, haben quadratische, rechteckige oder runde Gestalt und weisen ein Netz aus linearen oder (teil)kreisförmigen Wegen auf; Hecken und Wege haben immer konstante Breite. Die unregelmäßigen Formen sind durch in Schwüngen und beliebigen Kurven geführte Wege gekennzeichnet, auch kann die Wegbreite variieren und die Anlage durch kleine Plätze aufgelockert sein. Die symbolischen Irrgärten stellen in ihrer Ganzheit übergroße, stilisierte Bilder dar; sie treten erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf, in einer Zeit, in der die Sicht aus der Höhe durch Flugzeuge alltäglich geworden ist.

Eine Sonderform des formalen Irrgartens ist das Wirbellabyrinth, eine Erfindung von Antoine-Joseph Dézallier d'Argenville. Es ist durch die umgekehrte Aufgabenstellung gekennzeichnet: Der Weg vom Eingang führt rasch zu einem zentralen Platz, von dem wirbelartig meist acht Arme in Schwüngen wegführen, den Besucher in die Irre leiten und das Verlassen der Anlage zum Geduldspiel werden lassen.

Unter den symbolischen Anlagen existiert eine Gruppe von Irrgärten, die einem literarischen oder historischen Thema gewidmet sind. Diese Schöpfungen sind aus diskreten Heckengrundrissen zusammengefügt, die erkennbare Einzelfiguren bilden, die inhaltlich aufeinander bezogen sind. Diese Anlage haben meist eine regelmäßige Außenform, etwa ein Rechteck oder ein Achteck.

Geschichte

Der Hecken-Irrgarten ist eine europäische Schöpfung, seine historische Entwicklung weitgehend eigenständig und von den vielfältigen Formen ornamentaler Labyrinthdarstellung und christlicher Umdeutung des Labyrinthsymbols in den Fußbodenmosaiken der Kirchen losgelöst zu betrachten. Die häufigen Assoziationen früher Hecken-Irrgärten mit England basieren auf wenig stichhaltigen Quellen und führen zu Fehlschlüssen. In der Entwicklung des Hecken-Irrgartens lassen sich vier Phasen erkennen:

1. Die späte Renaissance

In den Gärten der Renaissance existierten, lediglich durch Abbildungen überliefert, florale Labyrinthe. Sie befanden sich meist in der Nähe der Terrasse einer Villa, so dass die Muster aus Blumen oder niedrigen Hecken vom Betrachter gut überblickt werden konnten. Der labyrinthische Weg wurde mit den Augen verfolgt, die Begehbarkeit der Pflanzung war wahrscheinlich nicht vorgesehen. Verzweigungen im Netz der meist schmalen Wege kamen nicht oder nur vereinzelt vor. Erst mit der späten Renaissance in Italien tritt ein grundlegender Wandel ein; aus der rein visuellen wird eine kinästhetische Funktion. Nicht mehr die reine Augenbewegung sondern die Begehbarkeit und damit die Bewegung des eigenen Körpers wird zum Erlebnis. Die Wege werden durch höhere Hecken begrenzt, die nicht mehr überstiegen werden können. Der italienische Manierismus, zeitlich zwischen Renaissance und Barock, dürfte den Hecken-Irrgarten heutiger Art hervorgebracht haben. Dazu zählt vor allem ein Wegesystem, das die zum Verirren notwendige Komplexität aufweist. In der Abkehr vom Labyrinth des Spätmittelalters ohne Wegeverzweigungen und der Zuwendung zum Irrgarten mit Abzweigungen und Sackgassen spiegelt sich auch ein geistiger Wandel, der die selbstverantwortliche Entscheidung des einzelnen Menschen, der sich nicht mehr bedingungslos durch göttliche Fügung geleitet sieht, wiedergibt.

Ein früher Plan eines „echten“ Irrgartens ist für den Palazzo del Te um 1530 in Mantua belegt. Der Entwurf, der nie verwirklicht wurde, stammt möglicherweise von Giulio Romano, der ihn für Federico II. Gonzaga anfertigte. Die frühen Irrgärten bestanden häufig noch nicht aus Hecken in Formschnitt, sondern aus Spalierhecken. Dabei wurden Holzspaliere mit kletternden Pflanzen versehen, so dass sich in recht kurzer Zeit blickdichte Wände bildeten. Der erste ausgeführte Irrgarten befand sich wahrscheinlich im Giardino Giusti in Verona um 1570. In Thüringen war es der protestantische Pfarrer Johann Peschel, der für verschiedene Auftraggeber Irrgärten anlegte, den ersten vermutlich 1576 in Grüningen für Caspar von Kutzleben. Von diesen Anlagen ist, auch bedingt durch den Dreißigjährigen Krieg, keine mehr erhalten. Die Idee des Irrgartens verbreitete sich in den Folgejahren erstaunlich schnell über weite Teile Europas.

2. Die Barockzeit

In den großen prachtvollen Gartenanlagen des Barock steht der Wunsch sowohl nach Repräsentation als auch Zerstreuung und Amusement der höfischen Gesellschaft im Vordergrund. Der Irrgarten, nun mit überkopfhohen massiven Heckenwänden, ist eines der beliebten Gestaltungselemente des Fürstengartens – und verschwiegener Treffpunkt. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gelangt der Irrgarten-Gedanke auch nach England, wo sich, wahrscheinlich von Henry Wise geschaffen, der heute noch existierende, immer wieder nachgepflanzte, berühmte Irrgarten von Hampton Court befindet. Auch im übrigen Europa entstehen in den Gärten von Fürsten und Adeligen zahlreiche Irrgärten; die meisten sind nicht mehr vorhanden. Als Beispiele im deutschen Raum können die Anlagen im Hofgarten der Münchner Residenz, in Nordkirchen und in Altjeßnitz angeführt werden; in Österreich der große, mehrteilige Irrgarten in Schönbrunn und in Italien die Gärten der Villa Barbarigo und der Villa Altieri. In den Niederlanden werden Irrgärten als Attraktion für jedermann erstmals bei Gasthäusern angelegt, so der Oude Doolhof in Amsterdam, eine quadratische Anlage aus Spalierhecken und einer Laube im Ziel.

Eine weitere Form des Irrgartens, die im Barock entsteht, ist der Boskett-Irrgarten. Es handelt sich dabei um eine Anlage, bei der zwischen den durch Hecken begrenzten Wegen nicht begehbare Bereiche in Form von Freiflächen oder mit Büschen oder Bäumen bepflanzte Partien liegen. Diese Anlagen, häufig Wirbellabyrinthe, nehmen eine erhebliche größere Fläche ein (ein bis zwei Hektar) und zeichnen sich durch breitere Wege aus, manchmal sind auch freie Plätze mit Lauben eingeschlossen.

3. Die Zeit des Landschaftsgartens

 
Glendurgan bei Falmouth (Cornwall)

Mit den aufkommenden Landschaftsgärten im englischen Stil im 18. Jahrhundert wurden, zuerst in England, später in anderen Regionen Europas, die überwiegende Zahl der Barockgärten zerstört oder überformt. Mit diesem Wandel gingen fast alle alten Irrgärten verloren; es dürfte sich um vermutlich mindestens einhundert Anlagen gehandelt haben. Allerdings wollte man vielerorts auf labyrinthische Schlängelwege, die einem Garten einen geheimnisvollen Charakter geben, nicht verzichten. So entstanden in die Landschaftsgärten integrierte Bereiche mit irrgarten-ähnlichen Funktionen, mit frei wachsenden Hecken und Bäumen, auch mit künstlichen Felsen oder Wegen, die in unterirdische Grotten führten. Sie waren so angelegt, dass sie den Eindruck erwecken sollten, als habe die Natur selbst diese Irrgänge zufällig geschaffen ( La Bagatelle, Wörlitz). Die Künstlichkeit derartiger Pflanzungen war jedoch meistens nicht zu überdecken, so dass sie an vielen Orten bald verwilderten oder entfernt wurden.

Im 19. Jahrhundert kam, in Reaktion auf den mittlerweile überall anzutreffenden Landschaftsgartenstil, der Wunsch nach Irrgärten in ancient manner (nach alt-hergebrachter Art) auf. So entstanden, zuerst in England, zahlreiche neue Irrgärten des formalen Stils mit exakt geschnittenen Hecken und geometrischen Wegesystemen. Es war unter anderem der englische Landschaftsarchitekt William Andrews Nesfield, der eine Reihe kunstvoller Anlagen schuf (Somerleyton Hall, Royal Horticultural Society in Kensington). Diese Entwicklung fand ihre Fortsetzung auch auf dem Kontinent ( Schönbusch bei Aschaffenburg).

4. Die moderne Entwicklung

Mit den beiden Weltkriegen findet das Interesse an feinsinnigen Garten-Gestaltungselementen wie Irrgärten ein Ende. In den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts gilt der Irrgarten als Relikt früherer Zeiten. Dahinter steht unausgesprochen auch der hohe Investitionsbedarf für Neupflanzungen und die erheblichen Unterhaltskosten, insbesondere für den Heckenschnitt. Nur wenige Anlagen waren noch in der Zwischenkriegszeit entstanden (Probsteierhagen, Menkemaborg).

Die Wiederbelebung der Idee des Irrgartens als Gestaltungselement der Gartenkunst beginnt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nach der spektakulären Auftragsarbeit des britischen Künstlers Michael Ayrton (1921-1974), der 1969 eine in Rasen eingesenkte, mit skulpturalem Schmuck versehene Irrgarten-Anlage aus hohen Ziegelmauern für einen amerikanischen Multimillionär anlegte, entstanden auch in Europa wieder klassische Hecken-Irrgärten und ebenso ganz neue Formen in symbolischer Art, als erstes der Umriß eines menschlichen Fußes in Lechlade (Großbritannien) von Randoll Coate (1909-2005). Vom Flugzeug aus als land art wahrzunehmen, entstehen bis heute weitere Großformen, meist mit kommerziellen Interessen. Der britische Irrgarten-Designer Adrian Fisher hat eine große Zahl von Anlagen in aller Welt geschaffen und damit eine inflationäre Entwicklung eingeleitet, die sich mancherorts in Kitsch und Beliebigkeit ausdrückt. Eine der letzten Entwicklungen ist in der Einführung des quick exit und der victory bridge zu sehen; sie gestatten dem Besucher nach Erreichen des Ziels das schnelle Verlassen des Irrgartens, kombiniert mit einem Überblick von einer Brücke. Diese neuen Ausgestaltungen haben keine historischen Wurzeln. Hervorzuheben sind dagegen gartenhistorisch sorgfältige Rekonstruktionen alter Anlagen und sorgfältige Restaurationsarbeiten, wie im denkmalgeschützen Irrgarten in Altjeßnitz.

Bedeutende Irrgärten

Zerstörte Anlagen

  • Arley Hall (Cheshire): sechseckige Anlage, Vorläufer eines modern-formalen Stils (1870 bis um 1940)
  • Belton House (Grantham): runde Anlage (um 1850 bis 1939)
  • Royal Horticultural Society's Gardens (South Kensington): rechteckig-halbrunde Anlage (um 1862 bis 1888)
  • Doolhof van der Burcht (Leiden): runde Anlage auf dem Burgplatz (1651 bis nach 1782)
  • Schönbrunn (Wien): große rechteckige, vierteilige Anlage, partienweise verkleinert (um 1740 bis 1892)
  • Tivoli (Kopenhagen): Wirbellabyrinth (1877 bis 1908)
  • Villa Altieri (Rom): runde Anlage, elf Umgänge (1670 bis 1860)
  • Zámecka zahrada ( Krumau an der Moldau): rechteckige Anlage (1752 bis 1843), Aussichtspavillon erhalten

Existierende Anlagen

Deutschland

Österreich

  • Florarium Hirschstetten (Wien): Anlage in Form eines stilisierten Schmetterlings (2001/02)
  • Schloss Schönbrunn (Wien): unhistorische Neuschöpfung an der Stelle des zerstörten Irrgartens (1998/99)

Großbritannien

 
Longleat House, Blick von der Aussichtsplattform

Italien

 
Irrgarten im Park der Villa Pisani, Blick vom Turm
  • Strà (Véneto): trapezförmige Anlage mit einbeschriebenem Kreis im Garten der Villa Pisani (1720/21)
  • Valsanzíbio (Véneto): große quadratische Anlage im Garten der Villa Barbarigo (um 1688)

Niederlande

  • Amstelpark (Amsterdam, Noord-Holland): kleine, trapezförmige Anlage auf einer Insel (1972)
  • Het Oude Loo (bei Apeldoorn, Gelderland): rechteckige Anlage mit kleinteiligem Wegenetz (1925)
  • Kasteel Weldam (Markeloo, Overijssel): rechteckige Anlage (1885/90)
  • Menkemaborg (Uithuizen, Groningen): rechteckige Anlage (1925)
  • Ruurlo (Berkelland, Gelderland): trapezförmige Anlage, stark vergrößertes Wegemuster des Irrgartens von Hampton Court (1889/90)

Spanien

 
Villa de Horta (Barcelona), Blick vom nordöstlichen Tempietto auf den von acht Heckenbögen umstandenen Zielplatz

Vermeintliche Irrgärten

Die als Trojaburgen bezeichneten Steinsetzungen, Rasenlabyrinthe und Wunderkreise sind keine Irrgärten, auch wenn sie gelegentlich Wegeverzweigungen aufweisen. Ebenso handelt es sich bei dem häufig als „labyrinthischen Wald“ bezeichneten Garten Sacro Bosco nicht um einen Irrgarten. Als Zwischenform kann der Irrhain bei Nürnberg zu seiner Entstehungszeit angesehen werden, heute existieren dort keine Irrwege. Ebenso handelte es sich beim ehemaligen Labyrinthe de Versailles nicht um einen Irrgarten, sondern vielmehr um ein Boskett mit einer Fläche von etwa einem Hektar, dessen Wege an 39 Springbrunnen, die mit Skulpturen und Sinnsprüchen zu den Fabeln des Äsop geschmückt waren, vorbeiführten: Die Aufgabe bestand darin, jeden Brunnen genau einmal zu erreichen.

Planung und Bau

Wegesystem

 
Wegesystem des Irrgartens von Hampton Court

Das System der Wege in einem Irrgarten kann aus einem Zielweg mit vielen abzweigenden Sackgassen, die ihrerseits weiter verzweigt sein können, oder aus einem Netz, das eine Vielzahl von Zielwegen ermöglicht, bestehen. Die meisten Anlagen weisen eine Kombination der beiden Prinzipien auf. Es können einfache Abzweigungen oder Kreuzungen eingeplant werden, je höher die Zahl, um schwieriger scheint die Lösung. In Wirklichkeit spielen aber geschickte Täuschungen eine mindestens ebenso wichtige Rolle.

Verwendete Pflanzen

Die für die Heckenwände geeigneten Pflanzen bilden eine sehr begrenzte Liste. Sie müssen sowohl dichte Grünmassen bilden, robust und langlebig sein und regelmäßigen Schnitt vertragen können. Immergrüne Pflanzen haben den Vorteil, einen Irrgarten auch im Winter für Besucher attraktiv zu halten. Ideale Pflanze ist die Eibe, ebenso der Buchsbaum. Sehr häufig wird die Hainbuche verwendet, auch Feldahorn und Liguster sind möglich. In südlichen Ländern ohne Frostgefahr kommen auch Myrte und Lorbeerbaum zum Einsatz. Für einen mittelgroßen Hecken-Irrgarten werden zwischen 1500 und 3000 Pflanzen benötigt, eine große Anlage wie Longleat besteht aus über 15000 Eiben.

Schmuck und Ausgestaltung

Viele historische Irrgärten weisen skulpturalen Schmuck auf, so ist etwa das Türmchen im Irrgarten der Villa Pisani mit einer Statue der Minerva versehen, ein Symbol der Weisheit. Der Eingang des zerstörten Irrgartens im Kopenhagener Tivoli wurde von zwei Sphingen flankiert.

Irrgärten anderer Art

Auf Jahrmärkten und in Vergnügungsparks finden sich gelegentlich Irrgärten mit Glas- oder Spiegelwänden (Spiegellabyrinth). Sie sind überdacht, zerleg- und transportierbar, oder in einem festen Gebäude untergebracht. Die Aufgabe des Besuchers besteht meist darin, den richtigen Weg vom Eingang zu Ausgang zu finden (Passage). Von der Irrgarten-Idee abgeleitet sind Labyrinthspiele. Es handelt sich dabei um kleine Geschicklichkeitsspiele, bei denen eine oder mehrere Kugeln in Ziele jongliert werden müssen. Ferner gibt es eine große Zahl von labyrinthischen Computerspielen, bei denen der Spieler aufgefordert ist, auf seinem virtuellen Weg Aufgaben zu lösen (etwa Monster besiegen oder Gegenstände suchen und sammeln). Die Herausforderung, den Zielweg des Irrgartens zu finden, tritt zugunsten der „Action“elemente meist in den Hintergrund.

Lösung komplexer Irrwegesysteme

Historische Entwicklung

Die Frage nach einer allgemeinen Regel, die angewendet werden kann, um nach dem Vergnügen der erfolgreichen Zielsuche dem Irrgarten wieder zu entkommen, bewegt alle Besucher einer solchen Anlage. Eine derartige Regel könnte auch zur Zielsuche und in anderen labyrinthischen Gangsystemen (Höhlen, Bergwerken) angewendet werden. Dreihundert Jahre nach Pflanzung der ersten Hecken-Irrgärten wurde mit der Trémaux-Methode ein immer funktionierendes Verfahren gefunden.

Die Fragestellung wurde von Leonhard Euler 1736 mit der Formulierung des Königsberger Brückenproblems aufgegriffen. Eulers Gedanken lassen sich auf beliebige Irrgärten übertragen, wenn deren Wegesysteme als ebene, zweidimensionale und endliche Graphen aufgefasst werden. Da das Brückenproblem nur dann eine Lösung hat, wenn eine Brücke abgebrochen und somit das Wegesystem verändert würde, scheint eine allgemeine Lösung nur in bestimmten Fällen möglich. Durch Eulers Kunstgriff, alle Wege zu verdoppeln, das bedeutet, zweimal abzugehen, können jedoch alle Wegenetze, auch solche mit Sackgassen, gelöst werden, da die strenge Bedingung des Eulerkreises für eine Lösungsregel eines labyrinthischen Systems nicht erfüllt werden muss.

Rechte-Hand-Regel

Die Bezeichnung hat ihre kulturhistorische Erklärung in der Bevorzugung der rechten Hand. Darüber hinaus scheinen in Irrgärten Zielwege mit Abzweigungen rechterhand zu überwiegen; bei den meisten Entwürfen von Johann Peschel führt das fortwährende Verzweigen nach rechts ohne Umwege zum Ziel. Selbstverständlich kann auch unter konsequenter Benutzung der linken Hand vorgegangen werden. Die beiden Zielwege können sich in ihrer Länge erheblich unterscheiden.

Beim Betreten des Irrgartens berührt der Besucher mit dem ausgestreckten rechten Arm die Heckenwand und folgt, ohne zu überlegen, allen Abzweigungen. Wird das Ende einer Sackgasse erreicht, wendet sich der Wanderer und geht, weiterhin mit nach rechts ausgestreckter Hand, den selben Weg bis zu seiner Einmündung zurück und zweigt dort wiederum nach rechts ab.

Die Regel ist zwar einfach zu merken und kann auch vom Zielplatz aus zur Suche des Ausgangs angewendet werden, sie funktioniert jedoch nur in Anlagen, deren Ziel mit der Außenhecke verbunden ist. Liegt das Ziel in einer Insellage (Wegeschlaufe), versagt die Methode immer. Vom Eingang aus erreicht der Wanderer das Ziel niemals, er kehrt vielmehr zum Ausgangspunkt zurück; vom Zielplatz aus geht er ebenfalls „im Kreis“ und bleibt ewig gefangen.

Methode nach Trémaux und Tarry

In Wegesystemen, deren Ziel sich in einer Insellage (Wegeschlaufe) befindet, versagt die Rechte-Hand-Regel. Der Wanderer würde „im Kreis laufen“, bei der Suche nach dem Ziel immer vorzeitig zum Eingang zurückgelangen und bei dem Versuch, dem Ziel zu entkommen, immer wieder zu diesem zurückgelangen und dort gefangen bleiben.

Die Idee zu einer allgemeingültigen Methode knüpft an Eulers graphentheoretische Überlegungen an. Sie stammt von Charles Pierre Trémaux (1859-1882), einem jungen Ingenieur, der sich mit der Entwicklung von Telegraphennetzen beschäftigte. Der Mathematiker Gaston Tarry (1843-1913) beschrieb sie 1886 und formulierte sie mathematisch verbessert.

Tarry gelang es, die Lösung in eine einzige Fundamentalregel zu fassen. Sie lautet: En arrivant à un carrefour, prendre à volonté une allée qui n'a pas de marque ou bien une allée qui a une seule marque, et s'il n'en existe pas prendre l'allée qui a trois marques. (wörtlich: „Beim Erreichen einer Verzweigung nimm nach Belieben einen Weg, der kein Zeichen aufweist, oder einen Weg, der ein einziges Zeichen aufweist, und, wenn ein solcher nicht vorhanden ist, nimm den Weg, der drei Zeichen aufweist“). Diese mathematisch elegante Regel darf wohl als praxisuntauglich bezeichnet werden, zumal sie nichts darüber aussagt, unter welchen Bedingungen die Wege zu kennzeichnen sind. Dies dürfte auch der Grund sein, weshalb Tarrys Regel häufig in Varianten zitiert wird. Im folgenden soll versucht werden, sie in praktische Handlungsanweisungen umzusetzen.

Voraussetzung

Die Abzweigungen, auch Kreuzungen und Wegesterne, werden als Plätze aufgefasst, in die von verschiedenen Seiten Gänge münden. Die Zeichen werden an den Eingängen oder Ausgängen der Gänge angebracht, etwa in Form eines deutlichen Strichs im Kies eines Irrgartenwegs.

1. Regel

Jeder Gang der betreten wird, ist an seinem Beginn mit genau einem Strich (oder geeignetem Zeichen) zu versehen. Befindet sich dort bereits eine Markierung, wird das neue Zeichen hinzugefügt.

2. Regel

Beim Verlassen eines Platzes wird als nächster Gang derjenige gewählt, der die geringste Zahl von Markierungen trägt, somit in der Reihenfolge: ohne Zeichen, ein Zeichen oder drei Zeichen. Ein Gang mit zwei (oder einer geraden Anzahl) Zeichen darf niemals betreten werden. Gibt es keinen Weg, der die Bedingungen erfüllt, muss umgekehrt und zurückgegangen werden.

3. Regel

Beim Verlassen eines Ganges wird sein Ausgang mit drei Strichen markiert, falls der erreichte Platz vorher noch nicht passiert wurde, was durch das Fehlen von Zeichen vor allen anderen Einmündungen erkannt werden kann. Ist der Platz schon bekannt, werden nur zwei Striche angebracht oder hinzugefügt.

Zusatz

Wurde eine Sackgasse entdeckt, wird sie an ihrem Eingang durch zwei Striche gesperrt.

Zufallsverfahren und untaugliche Methoden

Das labyrinthische Wegesystem kann auch durch Ausprobieren gelöst werden. Eine solche Zufallsmethode ist für Computerprogramme durchaus geeignet, da meist durch pure Rechengeschwindigkeit eine Lösung erzwungen werden kann. Auch ein Verfahren, bei dem zuerst alle Sackgassen erkundet und gesperrt werden, ist zwar unsystematisch, führt aber, abhängig von der Wegestruktur, zu einer Reduzierung der Verzweigungen und möglicherweise in der Praxis zum Erfolg.

Weitere Verfahren basieren auf dem Einsatz eines Kompass oder machen die Orientierung an einem außenstehenden Gegenstand, etwa einem Baum oder Turm, zur Bedingung. Völlig untauglich in einem Wegenetz ist das Ausrollen einer Schnur (Ariadnefaden), allenfalls in einem System, das weitgehend aus Sackgassen besteht, könnte es zur erfolgreichen Anwendung kommen. Ebenso zum Scheitern verurteilt wäre der Versuch, durch Abzählen der Schritte die Wegestrecken zu ermitteln, um eine provisorische Karte anzufertigen.

Das Paradoxon vom entrinnbaren Irrgarten

Die Formulierung der Fundamentalregel durch Gaston Tarry schließt den mathematischen Beweis der Lösbarkeit eines jeden labyrinthischen Wegesystems ein. Damit ist sichergestellt, daß es niemals ein Wegesituation geben kann, in der es, trotz richtiger Anwendung der Regel, unvorhersehbar zu einem endlosen Im-Kreis-Laufen kommen kann, der Wanderer somit aussichtslos gefangen bliebe. Im schlechtesten Fall muss jedes Wegestück genau zweimal abgegangen werden, damit es, den Euler'schen Erkenntnissen gemäß, vollständig erforscht werden kann.

Das labyrinthische Paradoxon gründet sich auf der komplexen Struktur eines großen Wegenetzes. Ein Hecken-Irrgarten wird zum Zweck des Vergnügens, des Spiels und des Nervenkitzels angelegt: Sein Wegenetz hat eine begrenzte Ausdehnung. Der Irrgarten von Altjeßnitz weist eine Gesamtwegelänge von 1350 Metern auf, es gibt 204 Zielwege, von denen der kürzeste 430 Meter misst. Im ungünstigsten Fall wäre eine Strecke von wenig mehr als fünf Kilometer zurückzulegen, wenn sowohl für die Zielsuche als auch für die anschließende Suche des Ausgangs die Methode von Trémaux und Tarry angewendet würde. Auch die größten Irrgärten (San Ildefonso: 2504 m, Longleat: 2950 m) stellen keine wirklichen Gefahren dar.

In einer quadratischen Anlage mit einer Kantenlänge von 250 Metern, bestehend aus hohen Steinmauern, müssten, eine Wegbreite von etwa 1,5 Metern vorausgesetzt, möglicherweise siebzig Kilometer zurückgelegt werden, um mit Sicherheit zum Ausgang zu gelangen. Ein Fußgänger wäre damit überfordert, er könnte der Anlage nur durch einen glücklichen Zufall entrinnen, ähnlich einem labyrinthischen Höhlensystem, das zur todbringenden Falle werden kann.

Literatur

  • Robert Field: Mazes. Ancient and Modern. Tarquin Publications, Stradbroke 1999, ISBN 1899618295
  • Adrian Fisher, Georg Gerster: The Art of the Maze. Weidenfeld and Nicolson, London 1990, ISBN 0297830279
  • Josef Hempelmann: Labyrinthe und Irrgänge im Wandel der Jahrhunderte. In: Die Gartenkunst. Bd. 39, 1926, Heft 4, S. 54-58
  • Hermann Kern: Labyrinthe. Erscheinungsformen und Deutungen. Prestel, München 1982 (3. Auflage, München 1995) - Darin: Kapitel 15, Garten-Labyrinthe und Irrgärten, S. 359-389
  • William Henry Matthews: Mazes and labyrinths. A General Account of Their History and Developments. London 1922 (englisch: [1])
  • Philosophie der Sackgasse. Labyrinthe [...] erleben eine weltweite Renaissance. In: Der Spiegel. Jahrgang 45, 1991, Heft 13, S. 266-269.
  • Maria Luisa Reviglio della Veneria: Il laberinto. La paura del Minotauro e il piacere del giardino. Ed. Polistampa, Florenz 1998, ISBN 88-85977-59-6
  • Jeff Saward: Das große Buch der Labyrinthe und Irrgärten. Geschichte, Verbreitung, Bedeutung. AT, Aarau und München 2003, ISBN 3-85502-921-0
  • Fons Schaefers, Anne Mieke Backer: Doolhoven en labyrinten in Nederland. De Hef, [Rotterdam] 2007. ISBN 978-90-6906-039-2
  • G. Tarry: Le problème des labyrinthes. In: Nouvelles annales de mathématiques, Band 14, 1895, S. 187-190.
  • Jacques Vergely: Labyrinthes et jardins. In: Labyrinthes, du mythe au virtuel. Paris 2003, ISBN 2-87900-776-3 (Ausstellung in La Bagatelle vom 4. Juni bis 14. September 2003)

Siehe auch