Akustische Oberflächenwelle
Eine akustische Oberflächenwelle, kurz AOW, (engl. surface acoustic wave (SAW)) ist eine Körperschall-Welle, die sich planar auf einer Oberfläche, also nur in zwei Dimensionen, ausbreitet. Sie wird auch Rayleigh-Welle genannt.
Grundlagen und Einordnung
Schallwellen treten in festen Medien als Longitudinal- und Transversalwellen auf, in Flüssigkeiten und Gasen können nur Longitudinalwellen existieren, weil dort der zur Weiterleitung von Transversalwellen erforderliche Schubmodul fehlt.
Auf der Oberfläche von Flüssigkeiten und Festkörpern können sich jedoch dennoch Wellen ausbreiten, die sowohl eine transversale als auch eine longitudinale Komponente haben; ein Oberflächenpunkt beschreibt beim Wellendurchgang einer solchen Welle eine elliptische Bewegung. Solche Wellen sind z. B. die allbekannten Wasserwellen. Sie lassen sich auch auf der Oberfläche von Festkörpern erzeugen, haben hier jedoch aufgrund des vorhandenen Schubmodules wesentlich höhere Ausbreitungsgeschwindigkeiten. Die Schallwelle breitet sich dabei planar aus, ohne tief in das Material einzudringen. Die Eindringtiefe ist praktisch auf eine Wellenlänge begrenzt.
Anwendungen
Akustische Oberflächenwellen werden insbesondere bei AOW-Filtern verwendet, die aus Piezokristallen und darauf aufgebrachten Elektrodenstrukturen bestehen.
Elektrische Signale lassen sich mit Hilfe dieser Elektroden in Schallwellen umwandeln, die sich auf der Substratoberfläche ausbreiten. Durch die Gestalt der Elektroden oder anderen Formparametern können beispielsweise Frequenzen selektiert werden.
Am Filterausgang wird die akustische Oberflächenwelle in elektrische Signale zurückgewandelt, die dazu erforderlichen Elektrodenstrukturen gleichen denjenigen, die zur Erzeugung verwendet werden.
Anwendung finden diese Filter zur Frequenzselektion und zur Realisierung definierter Durchlasskurven in Sendern, Funkempfängern und Fernsehgeräten, aber auch in Oszillatoren.
Mittels Oberflächenwellen (OFW) lassen sich auch digitale 'Identifikationsmarken' (vgl. RFID) herstellen [1]. Dazu wird auf einem geeigneten Substrat ein Schallwandler aufgebracht, der über eine Antenne elektromagnetische Signale empfangen und in OFW umwandeln kann. Diese werden dann von mehreren auf dem Substrat angebrachten Reflektoren zurückgeworfen und über den Wandler und die Antenne nach außen abgegeben. Die so erzeugte Impulsfolge kann nun mit einem geeigneten Lesegerät ausgelesen werden.
Identifikation in der Motorentwicklung
SAW Sensoren können in der Motorentwicklung unterschiedlichste Testsensoren eindeutig identifizieren. Sie überstehen hohe Temperaturen (bis zu 400°C) und Vibrationen. Mit der sicheren Identifizierung und der anschließenden eindeutigen Zuordnung der Kalibrationsdaten zum jeweiligen Sensor ist eine falsche Parametrisierung ausgeschlossen.[2]
Temperaturüberwachung an Stromseilen
Ein SAW Sensor kann die Temperatur am Leiterseil messen und die Belastungsüberwachung von Hochspannungsleitungen verbessern. Durch die Nutzung dieser Information kann man, abhängig von den vorhandenen Umgebungsbedingungen, weniger oder mehr Energie über die überwachten Leitungen transportieren. Erste Installationen laufen bereits.[3]
Motoren, Rotoren & Stahl
Überall dort, wo aus bestimmten Gründen die zu messenden Stellen nur schwer zugänglich sind oder eine Verkabelung unmöglich ist, kann sich die Anwendung von SAW Sensoren eignen. Rotoren, Kupplungen oder Wellen können in unterschiedlichen Betriebszuständen kabellos auf ihre Temperatur oder Position überwacht werden.
Medizin/Pharmazie
Durch die hohe Gammastrahlenresistenz - sie überstehen 500kGy (Kilo Gray) ohne Leistungsverlust; die obere Belastungsgrenze ist zur Zeit noch unbekannt - eignen sich die SAW Sensoren in der medizinischen oder pharmazeutischen Industrie beispielsweise zur kontaktlosen Identifizierung medizinischer Implantate, Nahtmaterialien, Operationsgeräte , Operationsbestecke oder Blutkonserven während und nach des Sterilisationsprozesses. Gegenüber der vielfach verwendeten Barcode-Technologie haben die SAW Sensoren den Vorteil, dass sie unempfindlich hinsichtlich Verschmutzungen sind.
Die Carinthian Tech Research (CTR) hat zum Einsatz von SAW Sensoren folgende Machbarkeitsstudien durchgeführt bzw. in Arbeit: fernabfragbare Temperaturmessung in Öfen. Abstandsmessung und Positionierung von Maschinen im unter- und übertäglichen Bergbau, berührungslose Temperaturmessung in Mikrowellen Durchlauföfen.
Forschungsaktivitäten
U. a. die Hochschule Coburg arbeitet auch an Sensoren auf der Basis akustischer Oberflächenwellen. Daraus ging z. B. ein Sensor zu Messung von Flüssigkeitseigenschaften hervor.
An der Einsetzbarkeit von Oberflächenwellen zum Pumpen von flüssigen Medien (Acoustic Streaming) wird zur Zeit geforscht.
Auch die Verwendung zur linearen Bewegung bzw. Positionierung von aufliegenden flachen Körpern wird untersucht[1].
Siehe auch
Veröffentlichungen
R. Hauser, R. Fachberger, G. Bruckner (CTR), L. Reindl (Uni Freiburg): „Tagging of metallic objects in harsh environments“, ITG/VDE/VDI (EDS): Sensoren und Messsysteme 2006: 619–624; VDE Verlag
R. Fachberger, G. Bruckner (CTR), R. Hauser (FH Kärnten), L. Reindl (Uni Freiburg): „Wireless SAW based high temperature measurement systems“, invited lecture, Intern. Frequency Control Symposium, Miami/USA, June 5-7 2006
R. Hauser, R. Fachberger, G. Bruckner, W. Smetana, R. Reicher, A. Stelzer, S. Scheiblhofer, S. Schuster: „A low-cost wireless SAW-based temperature sensor system”, at: IEEE Sensors 2004, Wien, 2004
- ↑ Prof. Dr. Leonhard Michael Reindl
- ↑ Messsystem zur Zylinderdruckmessung an Brennkraftmaschinen", AT 7781 U2 (2005) Referenzfehler: Ungültiger Parameter in
<ref>
. - ↑ CTR times Nr. 1/2007 Seite 3: http://www.ctr.at/carinthian_tech_research_deutsch/dokumente/ctr_times/2007/ctr_times_1_07.pdf