Klassifikation nach ICD-10 | |
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C79.3 | Sekundäre bösartige Neubildung des Gehirns und der Hirnhäute |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Als Hirnmetastase wird die Absiedlung von Krebszellen (Metastasierung) von primär außerhalb des Gehirns gelegenen bösartigen Tumoren in das Hirngewebe bezeichnet. Synonym sind die Begriffe Hirnfilia (von lat. filia „Tochter“) oder zerebrale Metastase (lat. cerebralis „zum Gehirn gehörig“).
Häufige Ausgangstumoren sind Lungenkrebs, Brustkrebs, Nierenzellkarzinom und bösartiges Melanom.[1] Hirnmetastasen sind die häufigsten bösartigen Tumoren des Gehirns und können sich unter anderem durch Kopfschmerzen, neurologische Ausfallerscheinungen, Krampfanfälle und Wesensänderungen bemerkbar machen. Behandlung und Heilungsaussichten sind von vielen Faktoren abhängig, das Auftreten von Hirnmetastasen ist jedoch meist ein prognostisch ungünstiges Zeichen.
Systematik
Findet sich lediglich eine einzige Metastase, so wird diese als singulär bezeichnet. Eine solitäre Metastase liegt dann vor, wenn eine singuläre Metastase die einzige erkennbare Manifestation eines Krebsleidens im gesamten Körper ist. Insgesamt häufiger sind multiple, also mehrfache, Hirnmetastasen. Von den hier behandelten soliden Hirnmetastasen abzugrenzen ist die Aussaat von Tumorzellen in die Flüssigkeitsräume des zentralen Nervensystems bei der Meningeosis neoplastica sowie die seltene diffuse Infiltration des Hirngewebes durch Tumorzellen eines nicht-hirneigenen Tumors (Karzinose).
Häufigkeit
Verlässliche epidemiologische Daten über die Häufigkeit von Hirnmetastasen im deutschsprachigen Raum liegen nicht vor. Für die Vereinigten Staaten wurde die jährliche Inzidenz auf etwa 8.3 pro 100.000 Einwohnern geschätzt. Dort machen Hirnmetastasen etwa die Hälfte aller klinisch diagnostizierten Hirntumoren aus.[2] Die Zahl der zu Lebzeiten unerkannt bleibenden Hirnmetastasen ist jedoch vermutlich höher: in einer in den 60er Jahren in der DDR durchgeführten Untersuchung konnten Hirnmetastasen autoptisch bei etwa 1,6 % aller Verstorbenen und etwa 8 % aller Verstorbenen mit bösartigen außerhalb des zentralen Nervensystems gelegenen Tumoren nachgewiesen werden.[3]
Herkunft
Die häufigsten Primärtumoren bei Hirnmetastasen sind Lungenkrebs (54–72 %), Brustkrebs (20–34 %), malignes Melanom und Nierenzellkarzinom. Grundsätzlich kann jedoch jeder bösartige Tumor in das Gehirn metastasieren. Bei Kindern überwiegen Absiedlungen von Rhabdomyosarkomen und Keimzelltumoren.[4] Hirnmetasten treten bei etwa 20% aller Patienten mit Lungenkrebs, 7% aller Patienten mit malignem Melanom, 7% aller Patienten mit Nierenzellkarzinom, 5% aller Patienten mit Brustkrebs und 2% aller Patienten mit Darmkrebs auf.[5]
Lokalisation
Hirnmetastasen sind häufig im Bereich des Großhirns gelegen, können jedoch auch in Kleinhirn und Hirnstamm auftreten. Überwiegend erreichen die Tumorzellen das Gehirn mit dem Blutstrom (hämatogene Metastasierung). Die Extravasation, also das Verlassen der Gefäße, geschieht auf der arteriolären oder kapillären Ebene, weswegen die Tumoransiedlung vorzugsweise an der Grenze zwischen Hirnrinde und Marklager erfolgt.
Symptome
Hirnmetastasen können sich bemerkbar machen, bevor der Primärtumor klinisch auffällig wird. So ist bei etwa einem Drittel der Patienten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung kein Tumorleiden bekannt. In Einzelfällen bleibt der Primärtumor trotz intensiver Suche verborgen (Cancer of Unknown Primary). Andererseits können Hirnmetastasen auch noch Jahre nach dem Auftreten und der Behandlung eines Krebsleidens zeitlich versetzt (metachron) auftreten.
Insgesamt entsprechen die Symptome von Hirnmetastasen denen von bösartigen hirneigenen Tumoren wie dem Glioblastom. Da die meisten Hirnmetastasen rasch wachsen und sich ein perifokales Ödem entwickelt, ist die Krankengeschichte mit einigen Wochen bis wenigen Monaten meist kurz.
Ein häufiges aber unspezifisches Symptom sind Kopfschmerzen. Ursache hierfür ist die raumfordernde Wirkung von Metastase und Ödem, die zu einer Dehnung der schmerzempfindlichen Hirnhäute führen kann.
Weitere neurologische Symptome treten in Abhängigkeit von der Lokalisation auf: befindet sich die Hirmetastase im Bereich des Großhirns, können Epileptische Anfälle, Paresen, Sensibilitätsstörungen, Gesichtsfeldausfälle oder Sprachstörungen auftreten. Änderungen der Persönlichkeit sind nicht selten auch für die Umstehenden erkennbar. Manchmal kommt es scheinbar schlagartig zur Ausbildung eines akuten organischen Psychosyndroms mit paranoiden oder aggressiven Zügen im Sinne eines Delirs. Bei einer Lokalisation im Bereich von Kleinhirn oder Hirnstamm können Schwindel, Ataxie oder Hirnstammsyndrome auftreten.
Durch Zunahme des Hirndrucks kann es zu Apathie, Müdigkeit und Bewusstseinstrübungen kommen. Unstillbares Erbrechen oder Koma sind Spätzeichen mit schlechter Prognose.
Diagnostik
Klinische Untersuchung
Bei neurologischen Symptomen oder Beschwerden, die angesichts einer bekannten Krebserkrankung an das mögliche Vorliegen von Hirnmetastasen denken lassen, kommt der gezielten neurologischen Untersuchung eine wichtige Rolle zu. Gesucht wird unter anderem nach Hirndruckzeichen (Stauungspapille), Hirnnervenausfällen und zentralen Lähmungen, die sich durch gesteigerten Muskeltonus und betonte Eigenreflexe, manchmal auch durch Pyramidenbahnzeichen bemerkbar machen. Psychische Veränderungen, Verlangsamung oder Störungen des Erlebens fallen oft schon im Anamnesegespräch auf.
Bildgebung
Kernstück der Diagnostik sind bildgebende Verfahren, wobei die Kernspintomographie (MRT) der Computertomographie (CT) überlegen ist.
Computertomographie
Als schnell durchführbarem und breit verfügbarem Verfahren kommt der Computertomographie vor allem eine Rolle in der Notfallmedizin zu. Größere Metastasen grenzen sich als hypodense oder selten (Malignes Melanom, Chorionkarzinom) hyperdense Struktur gegen das normale Hirnparenchym ab. Da Metastasen aber auch isodens sein können, ist womöglich nur die raumfordernde Wirkung als Massenverschiebung oder die hypodense Formation des Perifokalödems abgrenzbar. Zentrale Einblutungen, wie sie insbesondere bei Metastasen von malignen Melanomen oder Nierenzellkarzinomen vorkommen, sind in der CT gut nachweisbar. In Abhängigkeit von der gewählten Schichtdicke liegt die Nachweisgrenze bei etwa einem Zentimeter, so dass kleinere Metastasen der nativen Computertomographie entgehen können. Da die Computertomographie einen relativ geringen Weichteilkontrast aufweist, ist die Gabe von Kontrastmittel entscheidend: aufgrund der Störung der Blut-Hirn-Schranke im Bereich der Metastase kommt es zur Anreicherung von Kontrastmittel (Enhancement), das bei Vorliegen einer zentralen Nekrose häufig ring- oder girlandenförmig erscheint.
Kernspintomographie
Die bessere Differenzierung von Weichteilen und die Vielzahl der möglichen Sequenzen macht die Kernspintomographie, insbesondere mit Gadolinium als Kontrastmittel, geeigneter für die Suche nach Hirnmetastasen. Die Rate der nachgewiesenen zerebralen Metastasierung ist mehr als doppelt so hoch wie beim Einsatz der CT, was die deutlich höhere Sensitivität beweist.[6] Das gilt besonders für sehr kleine Befunde und Metastasen im Bereich der hinteren Schädelgrube. Die Kernspintomographie kann zur Abgrenzung gegen Hirnabszesse oder andere möglicherweise ähnlich imponierende Läsionen um eine Kernspinresonanzspektroskopie ergänzt werden.
Positronen-Emissions-Tomographie
Die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) als funktionelles bildgebendes Verfahren erlaubt die Beantwortung spezieller Fragen, zum Beispiel die Unterscheidung eines lokalen Rezidivs von einer Strahlennekrose unter der Behandlung, wenn diese Differenzierung nicht aus der Kernspintomographie allein abgeleitet werden kann.
Angiographie
Die Angiographie zum Nachweis pathologischer Gefäßformationen spielt bei der Metastasendiagnostik eine untergeordnete Rolle, im Einzelfall kann sie zur Operationsplanung sinnvoll sein.
Liquordiagnostik
Bei an der Hirnoberfläche gelegenen Metastasen kann es zu einer Aussaat von Tumorzellen in die Flüssigkeitsräume des zentralen Nervensystems kommen, was als Meningeosis neoplastica bezeichnet wird. Im durch Lumbalpunktion gewonnenen Nervenwasser (Liquor cerebrospinalis) können dann Tumorenzellen nachgewiesen werden, deren Zytologie und immunhistochemisches Expressionsprofil häufig auch Rückschlüsse auf den Primärtumor zulassen.
Diagnostik bei unbekanntem Primärtumor
Ist beim Nachweis von Hirnmetastasen kein zugrunde liegendes Krebsleiden bekannt, gilt es zunächst, den Primärtumor aufzufinden. Zum Untersuchungsprogramm gehört die gründliche Untersuchung der Haut, eine Röntgenaufnahme des Thorax, Sonographie und/oder Computertomographie von Thorax, Abdomen und Becken, bei Frauen eine gynäkologische Untersuchung und eine Mammographie sowie bei begründetem Verdacht eine Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage, gegebenenfalls auch die Positronen-Emissions-Tomographie oder die Skelettszintigraphie. Laboruntersuchungen auf erhöhte Tumormarker sind eher unspezifisch und helfen meistens nicht weiter.
Wird kein Primärtumor gefunden, kann zur Diagnosesicherung eine Gewebeprobe operativ entnommen werden, was meist durch eine stereotaktische Biopsie erfolgt. Bei einer Mortalität von 1 % können rund 90 % der Metastasen damit histologisch eingeordnet und spezifisch behandelt werden. Singuläre Metastasen werden, wenn technisch möglich, chirurgisch entfernt.
Differentialdiagnostik
Bei entsprechender Klinik und den beschriebenen Befunden der bildgebenden Diagnostik kann die Abgrenzung gegenüber anderen Erkrankungen des Gehirns Schwierigkeiten bereiten. Differentialdiagnostisch zu bedenken sind neben bösartigen hirneigenen Tumoren und Lymphomen auch entzündliche Erkrankungen des Gehirns. So werden nicht selten Entzündungsherde bei der Toxoplasmose oder solitäre entzündliche Entmarkungsherde[7] unter dem klinischen Verdacht einer Hirnmetastase operiert. Auch septisch-embolische Hirnabszesse, die bei hämatogener Aussaat aus einem entzündlichen Herd (zum Beispiel einer infizierten Herzklappe bei Endokarditis) auch multipel vorliegen können, sind manchmal schwer von Metastasen zu unterscheiden. Weiterhin abzugrenzen sind vorbestehende gutartige Hirntumoren wie zum Beispiel Meningeome, die im Verlauf des Tumor-Stagings erstmals auffällig werden können. Ein Sonderfall ist die Metastasierung bösartiger Tumoren in vorbestehende gutartige Hirntumoren.[8]
Wenn sich durch erweiterte Bildgebung (Kernspintomographie, Spektroskopie) und Zusatzuntersuchungen (Liquorentnahme) keine Klärung erreichen lässt, ist auch hier die Biopsie angezeigt.
Pathologie
Die neuropathologische Untersuchung des durch sterotaktische Biopsie oder Resektion gewonnenen Operationsmaterials dient der Sicherung der Diagnose und dem Auschluß anderer Erkrankungen, deren klinisches und radiologisches Bild dem einer Hirnmetastase ähnelt. Da Hirnmetastasen sich unter Umständen durch eine Hirnblutung bemerkbar machen können, wird auch bei der neurochirugischen Ausräumung von Hirnblutungen gewonnenes Material auf das etwaige Vorliegen von Tumorbestandteilen untersucht.
Histologie
Die Histologie von Hirnmetastasen ähnelt häufig dem des Primärtumors und kann so erste Hinweise auf deren Herkunft geben. Charakteristisch für Hirnmetastasen ist die relativ deutlliche Abgrenzung des Tumors gegenüber dem umgebenden Hirngewebe, das von Tumor zapfenförmig infiltriert wird.
Immunhistochemie
Insbesondere wenn eine Hirnmetastase die bisher einzige erkennbare Manifestation eines Krebsleidens ist, kann deren immunhistochemisches Expressionsprofil weitere Hinweise auf die Lokalisation des Primärtumors geben.
Bei Hirnmetastasen der häufigen Adenokarzinome wird eine Gruppe verschiedener immunhistochemischer Marker eingesetzt, die häufig die Zytokeratinsubtypen CK7 und CK20, den thyroidalen Transkriptionsfaktor 1 (TTF1) und das Gross-cystic-disease-fluid protein-15 (GCDFP-15) umfasst.[9][10][11] Bei Metastasen bösartiger Melanome die kein Melaninpigment aufweisen kann deren melanosomale Differenzierung durch eine Färbung für melanosomale Antigene (melanA und HMB45) nachgewiesen werden.
Primärtumor | Expressionsprofil |
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Lungenkrebs | CK7+, CK20–, TTF1+, GCDFP15–, melanosomale Antigene– |
Brustkrebs | CK7+, CK20–, TTF1-, GCDFP15+, melanosomale Antigene– |
Darmkrebs | CK7–, CK20+, TTF1–, GCDFP15–, melanosomale Antigene– |
Malignes Melanom | CK7–, CK20–, TTF1–, GCDFP15–, melanosomale Antigene+ |
Therapie und Prognose
Therapie und Prognose sind eng miteinander verknüpft, da einerseits von den Prognosefaktoren abhängig ist, welche Therapieoptionen infrage kommen, und andererseits die Auswahl des therapeutischen Verfahrens die Lebenserwartung maßgeblich beeinflusst.
Es gibt verschiedene therapeutische Verfahren, die bei Hirnmetastasen zum Einsatz kommen. Welches Verfahren angewendet wird, ist unter anderem von der Anzahl, Lage und Größe der Hirnmetastasen sowie vom Primärtumor abhängig. Einen wichtigen Stellenwert hat darüber hinaus der Allgemeinzustand des Patienten, der die Prognose und damit auch die Auswahl des Verfahrens maßgeblich beeinflusst. Patienten in schlechtem Allgemeinzustand tolerieren invasive Verfahren wie eine operative Entfernung der Hirnmetastasen weniger gut als Patienten in gutem Allgemeinzustand. Mit Hilfe des Karnofsky-Indexes wird der Allgemeinzustand objektivier- und vergleichbar. Nach Möglichkeit werden operative, radio- und chemotherapeutische Verfahren kombiniert.
Allgemeine und symptomatische Therapie
Neben der Rückbildung des Ödems tragen Glukokortikoide durch die Verringerung des Masseneffekts auch zu einer Linderung der Beschwerden bei und erhöhen die Lebenserwartung ohne weitere Maßnahmen auf durchschnittlich ein bis zwei Monate.[12] Die Behandlung erfolgt in der Regel mit Dexamethason und erfolgt initial mit relativ hohen Dosen von bis zu 24 Milligramm pro Tag. Sie wird sobald wie möglich reduziert, da eine längerfristige Gabe von Glukokortikoiden zu einem Cushing-Syndrom führen kann.[13][14] Bei der notfallmäßigen Behandlung mit Glukokortikoiden ist zu bedenken, dass, falls differentialdiagnostisch auch ein Lymphom in Frage kommt, dessen histologische Diagnose erschwert werden kann.
Epileptische Anfälle, die symptomatisch bei Hirnmetastasen auftreten, werden mit krampfhemmenden Medikamenten (Antikonvulsiva) behandelt. Im Gegensatz zu Gelegenheitsanfällen wird eine Dauerbehandlung hier bereits nach dem erstmaligen Anfallsereignis begonnen, da ein hohes Wiederholungsrisiko besteht.
Zur Allgemeinbehandlung gehört auch die Gabe von Analgetika bei Kopfschmerzen und Antiemetika, wenn Übelkeit und Erbrechen auftreten.
Ganzhirnbestrahlung
Die Ganzhirnbestrahlung ist die wichtigste Therapieoption für die Behandlung von Hirnmetastasen. Die Bestrahlung erfolgt in der Regel fraktioniert, das heißt in mehreren Einzeldosen bei einer Gesamtdosis von 30 bis 45 Gray und umfasst das gesamte Gehirn einschließlich des Schädelbasis und der ersten beiden Halswirbel. In Einzelfällen konnte ein völliges Verschwinden der Hirnmetastasen erreicht werden.[15] Die Bestrahlung wird sowohl als Primärtherapie als auch adjuvant nach Entfernung der Hirnmetastasen durchgeführt. Eine weitere Option ist die Kombination der Ganzhirnbestrahlung mit der stereotaktischen Radiochirurgie. In Folge einer Ganzhirnbestrahlung kann es zu verschiedenen Nebenwirkungen und Komplikationen wie einer Ödembildung kommen. Insbesondere bei größeren Metastasen besteht aufgrund des Druckes der Ödeme auf benachbarte Strukturen die Gefahr von schwerwiegenden neurologischen Ausfallerscheinungen. Die Gabe von Glukokortikoiden kann das Ausmaß der Ödeme und damit das der Nebenwirkungen reduzieren. Bei Patienten mit kleinzelligem Bronchialkarzinom kann eine prophylaktische Ganzhirnbestrahlung das Auftreten symptomatisch werdender Hirnmetasen verringern und die Überlebenszeit verlängern.[16]
Operation
Bei ausreichend gutem Allgemeinzsutand des Patienten werden singuläre Hirnmetastasen nach Möglichkeit operativ reseziert. Wesentlich für die Entscheidung zur Operation sind Allgemeinzustand des Patienten, das Stadium der Tumorerkrankung und die operative Zugänglichkeit der Hirnmetastase. Wenn die genannten Bedingungen zutreffen, kann in Einzelfällen auch bei zwei oder drei gut erreichbaren Metastasen operiert werden. Hirnmetastasen kleinzelliger Bronchialkarzinome werden im allgemeinen nicht operiert, da sie auf Strahlen- und Chemotherapie gut ansprechen.
Bei Verlegung der Liquorwege (Hydrocephalus) durch Massenverschiebung, kann unter Umständen die Ableitung des Liquors über eine innere oder äußere Drainage erwogen werden.[17]
Radiochirurgie
Unter der Radiochirurgie versteht man die Anwendung einer hohen Strahleneinzeldosis, die perkutan (durch die Haut) und stereotaktisch appliziert werden. Sie kann als Alternative zur konventionellen Operation bei Patienten, die aufgrund des schlechten allgemeinen Zustandes oder der Lokalisation der Metastase (Hirnstamm) nicht operabel sind, eingesetzt werden. Je nach Größe der behandelten Metastase werden Dosen zwischen 15 und 24 Gray toleriert.
Chemotherapie
Die meisten in das Gehirn metastasierenden Tumore sind wenig sensibel für eine Chemotherapie, deren Rolle bei der Behandlung von Hirnmetastasen daher gering bleibt. Wichtige Ausnahmen hiervon sind das kleinzellige Bronchialkarzinom, das Mammakarzinom, das Chorionkarzinom und Keimzelltumore. Es werden in der Regel diesselben Zytostatika verwendet, die bei Metastasen außerhalb des Gehirns Anwendung finden. Bei vielen Patienten führt die Chemotherapie zu einem vorübergehenden Ansprechen, die Lebensverlängerung ist aber insgesamt gering.
Prognose
Eine pauschale Aussage zur Prognose bei Hirnmetastasen ist nicht möglich, da sie von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Zu den wichtigsten Prognosefaktoren gehören
- die im Karnofsky-Index gemessene Einschränkung bei Aktivitäten des täglichen Lebens durch die Tumorerkrankung,
- das Alter des Patienten,
- die Kontrolle des Primärtumors,
- das Zeitintervall zwischen Auftreten des Primärtumors und der Hirnmetastase,
- die Histologie des Primärtumors,
- die Anzahl, Lage und Größe der Metastasen sowie
- das Vorhandensein und das Ausmaß von Metastasen außerhalb des Gehirns.[13]
Generell gelten metastasierte Krebsleiden als nicht endgültig heilbar, Ausnahmen hiervon sind einige Keimzelltumoren. Die Gesamtprognose bei Metastasen im Gehirn ist schlecht. Unbehandelt liegen die Überlebenszeiten im Rahmen von wenigen Wochen bis einigen Monaten. Eine rapide Verschlechterung mit plötzlichem Versterben kann durch massive Einblutung in eine Metastase oder durch akuten Liquoraufstau entstehen. Metastasen der hinteren Schädelgrube (Kleinhirn und Hirnstamm) führen schon bei geringer Größenzunahme zur Einklemmung und damit zum Tod. Die optimale Therapie erlaubt im Fall des Ansprechens eine Besserung der Lebensqualität und eine Verlängerung des Überlebens, im Einzelfall um mehrere Monate bis einige Jahre. Statistisch betrachtet ist die Lebensverlängerung jedoch nicht erheblich, da es auch viele Therapieversager gibt.
Tiermedizin
Hirnmetastasen kommen auch in der Tiermedizin vor. Speziell bei kleinen Haus- und Heimtieren (Hunde und Katzen) wird seit Mitte der 1980er Jahre eine Zunahme an Hirnmetastasen beobachtet, was vor allem auf verfeinerte Untersuchungsmethoden zurückgeführt wird. Eine neuere Untersuchung gelangt zu dem Schluss, dass mehr als 60 % aller im Hirn festgestellten Tumoren metastatischen Ursprungs sind. Prozentual scheinen Hunde etwas öfter als Katzen betroffen zu sein. Häufigste Primärtumoren sind Sarkome (Fibro-, Osteo-, Chondro- und Hämangiosarkome). Weiterhin kommen Hirnmetastasen von Karzinomen der Milchdrüse, der Lunge, der Nase und der Nieren sowie lymphatischer Tumoren vor.[18]
Literatur
- Wolfgang Wick und Michael Weller: Hirnmetastasen. In: Thomas Brandt, Johannes Dichgans und Hans Christoph Diener (Hrsg.): Therapie und Verlauf neurologischer Erkrankungen. 5. Auflage, Kohlhammer, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-17-019074-0.
Einzelnachweise
- ↑ Uwe Schlegel, Michael Weller, Manfred Westphal: Neuroonkologie. Thieme, Stuttgart 2003, ISBN 978-3131090621
- ↑ Walker et al.: Epidemiology of brain tumors: the national survey of intracranial neoplasms. Neurology. 1985;35(2):219-26. PMID 3969210
- ↑ Jänisch et al.: Über die Häufigkeit und Herkunft von Metastasen im Zentralnervensystem. Dtsch Z Nervenheilkd. 1966;189(1):79-86. PMID 5982815
- ↑ Paulus: Hirnmetastasen. In: Neuropathologie, herausgegeben von Pfeiffer, Schröder und Paulus. Springer Verlag. 2. Auflage. Berlin 2002 ISBN 3540413332
- ↑ Barnholtz-Sloan et al.: Incidence proportions of brain metastases in patients diagnosed (1973 to 2001) in the Metropolitan Detroit Cancer Surveillance System. J Clin Oncol. 2004 Jul 15;22(14):2865-72. PMID 15254054 Volltext
- ↑ T. Seute et al.: Detection of brain metastases from small cell lung cancer: consequences of changing imaging techniques (CT versus MRI). Cancer, 2008 (Epub ahead of print). PMID 18311784.
- ↑ Kepes: Large focal tumor-like demyelinating lesions of the brain: intermediate entity between multiple sclerosis and acute disseminated encephalomyelitis? A study of 31 patients. Ann Neurol. 1993;33(1):18-27. PMID 8494332
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- ↑ Drlicek et al.: Immunohistochemical panel of antibodies in the diagnosis of brain metastases of the unknown primary. Pathol Res Pract. 2004;200(10):727-34. PMID 15648611
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- ↑ Slotmann et al.:Prophylactic cranial irradiation in extensive small-cell lung cancer. N Engl J Med. 2007;357(7):664-72. PMID 17699816 Volltext
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