Neutronenstern

astronomisches Objekt
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Ein Neutronenstern ist ein Stern mit einem Durchmesser von typischerweise 20 km, der jedoch die Masse eines üblichen Sternes besitzt. Er stellt das Endstadium eines Sterns einer bestimmten Gewichtsklasse dar und besteht aus einer besonderen Materieform von Neutronen mit einer extremen Dichte von etwa 1012 kg/cm3 im Zentrum und mehr. Eine Portion dieser Materie von der Größe eines Stecknadelkopfes wiegt damit über 1.000.000 Tonnen, soviel wie ein Wasserwürfel mit 100 m Kantenlänge. Man kann einen Neutronenstern als gigantischen Atomkern interpretieren, der durch einen enorm großen Gravitationsdruck stabilisiert wird. Neben dieser Neutronenmaterie könnte im Zentrum auch ein Kern aus einem Quark-Gluon-Plasma vorliegen. Ein solches hypothetisches Gebilde nennt man Quarkstern. Neutronensterne sind nicht nur hinsichtlich ihrer Dichte sondern auch hinsichtlich ihres Magnetfeldes, ihrer Temperatur und weiterer physikalischer Größen die extremsten Objekte im Kosmos, die man überhaupt kennt.

Entstehung eines Neutronensterns

Neutronensterne entstehen im Rahmen einer Supernova, wie sie beispielsweise beim Kollaps des Zentralbereiches eines Sterns mit einer Masse zwischen 1,4 und etwa 3 Sonnenmassen stattfindet (siehe Chandrasekhar-Grenze). Liegt die Masse darüber, entsteht ein Schwarzes Loch, liegt sie darunter, erfolgt keine Supernova-Explosion, sondern es entwickelt sich ein Weißer Zwerg.

Der Kollaps erfolgt, wenn am Ende seiner Entwicklung die Fusionsprozesse im Inneren des Sterns zum Erliegen kommen. Im Kernbereich massereicher Sterne wird nach der Fusion von Wasserstoff- zu Heliumkernen eine Reihe weiterer schwerer Elemente erzeugt. Sobald sich im Kern Eisen angereichert hat, ist keine weitere Fusion mehr möglich. Eisen ist das stabilste Element in der Natur. Die Fusion von Eisen stellt einen endothermen Prozess dar, d. h. der Stern kann aus dieser Fusion keine weitere Energie mehr beziehen. Somit nimmt der Strahlungsdruck, welcher der Gravitation entgegenwirkt und den Stern stabilisiert, ab.

Der Stern kollabiert, wobei der Kern stark zusammen gepresst wird. Dabei treten extrem starke Kräfte auf, die bewirken, dass die Elektronen in die Atomkerne gepresst werden und sich Protonen und Elektronen zu Neutronen verbinden. Auch nach diesem Prozess schrumpft der Kern noch weiter, bis die Neutronen einen "Entartungsdruck" aufbauen, der die weitere Kontraktion stoppt. Dabei wird ein großer Teil der beim Kollaps freigesetzten Gravitationsenergie ( also potentielle Energie) durch die Emission von Neutrinos frei. Diese verlassen den Stern ohne nennensewerte Wechselwirkung mit den äusseren Schichten des Sterns.

Zusätzlich emittiert der Kern einen starken Neutronenschauer. Diese heizt die umgebenden Schichten so stark auf, dass ein "Hüllenbrand" entsteht, der weitere Energie liefert und die noch verbliebenen äußeren Schichten des Sterns in einer Explosion davon schleudert. Der Neutronenschauer sorgt außerdem für die Bildung schwerer Elemente bis über die höchste Bindungsenergie hinaus. Alle Elemente unseres Universums, welche schwerer als Eisen sind, wurden in Supernovä erzeugt.

Faszinierend ist dabei, dass der Vorgang der Bildung des Neutronensterns zunächst im Kern des Sternes vollständig abläuft, während der Stern äußerlich unauffällig bleibt. Erst nach einigen Tagen wird die Supernova nach außen sichtbar. So können Neutrinodetektoren eine Supernova früher nachweisen als optische Teleskope.

Eigenschaften eines Neutronensterns

Das Gravitationsfeld an der Oberfläche eines Neutronensterns ist etwa 2 1012 mal stärker als das der Erde. Die Fluchtgeschwindigkeit, die man einem Objekt erteilen muss, damit es den Neutronenstern verlassen kann, ist von der Größenordnung 100.000 km/s, was etwa 1/3 der Lichtgeschwindigkeit entspricht. Das ist auch die Geschwindigkeit, mit der ein externes Objekt auf die Oberfläche stürzt.

Die gravitative Bindungsenergie eines Neutronensterns der doppelten Sonnenmasse ist über E=mc2 äquivalent zu einer Sonnenmasse. Das ist die Energie, die bei der Supernovaexplosion freigesetzt wird.

Die Temperatur im Inneren eines Neutronenstern beträgt anfangs 100 Milliarden Kelvin. Die Abstrahlung von Neutrinos entzieht jedoch soviel Energie, dass sie innerhalb eines Jahres auf 1 Milliarde Kelvin sinkt.

Beim Kollaps des Kerns bleibt dessen Drehimpuls erhalten. Aufgrund des Pirouetteneffekts in Kombination mit dem geringen Durchmesser des Neutronensterns rotiert dieser in der Regel mit mehreren Umdrehungen pro Sekunde. Die höchste gemessene Rotationsfrequenz beträgt 640 Hz (Pulsar PSR B1937+21). Sie liegt nicht allzu fern unterhalb der durch die Zentrifugalkraft bedingten Stabilitätsgrenze eines reinen Neutronensterns von etwa 1 kHz.

Verschiedene Effekte können die Rotationsfrequenz eines Neutronensternes im Laufe der Zeit verändern. Liegt ein Doppelsternsystem vor, bei dem ein Materialfluss von einem Hauptreihenstern zum Neutronenstern stattfindet, so wird Drehimpuls übertragen, der die Rotation des Neutronensterns beschleunigt. Dabei können sich Werte im Bereich von 1 kHz einstellen. Bremsende Effekte können die Rotationsperiode auf mehrere Sekunden oder gar Minuten ansteigen lassen. Ursache ist das Magnetfeld des Neutronensterns.

Das Magnetfeld von Neutronensternen

Neutronensterne besitzen ein extrem starkes Magnetfeld, das sowohl für ihre weitere Entwicklung als auch für die astronomische Beobachtung von Bedeutung ist. Als Folge der Gesetze der Elektrodynamik bleibt das Produkt aus Sternquerschnitt und Magnetfeld beim Kollaps des Vorläufersterns konstant. Für einen typischen Neutronenstern ergibt sich daraus eine Zunahme des Magnetfeldes um den Faktor 1010 auf Werte im Bereich von 1012 Gauß (108 Tesla). Die Massendichte, die einem derartigen Magnetfeld über seine Energiedichte in Kombination mit der Äquivalenz von Masse und Energie gemäß E=mc2 zugeordnet werden kann, liegt im Bereich einiger Dutzend g/cm3. Diese Magnetfelder sind so stark, dass Atome in ihrem Einflussbereich eine längliche Zigarrenform annehmen würden, da die Wechselwirkung der Elektronen mit dem Magnetfeld über die mit dem Kern dominiert. Aufgrund der Rotation des Neutronensterns stellt sich zwischen Zentrum und Äquator eine Hall-Spannung der Größenordnung 1018 V ein. Das entspricht einer elektrischen Feldstärke von einigen 1.000 V pro Atomdurchmesser.

Pulsare

 
Schema Pulsar (NASA)
Datei:ExNSframe1.jpg
Neutronenstern mit rotem Riesen (NASA)

Ist die Achse des Magnetfeldes gegen die Rotationsachse geneigt, so wird eine periodische Radiowelle mit einer typischen Leistung im Bereich des 105fachen der gesamten Strahlungsleistung der Sonne abgestrahlt. Derartige Strahlungsquellen sind in der Astronomie als Pulsare oder Radiopulsare bekannt. Die dazu erforderliche Energie wird der Rotationsenergie entnommen, die dadurch innerhalb weniger Millionen Jahre weitgehend aufgezehrt wird. Ein ähnlicher Zeitverlauf ist auch hinsichtlich des Magnetfeldes und der Temperatur zu erwarten.

Befindet sich in der Umgebung des Pulsars ionisierte Gase, so werden die Elektronen vom Magnetfeld an den Polen mitgerissen und bewegen sich dabei gleichzeitig entlang der Achse des Magnetfeldes nach außen. Spätestens an der Stelle, an der die Achse mit Lichtgeschwindigkeit rotiert, können sie ihr jedoch nicht mehr folgen und bleiben zurück. Dabei strahlen sie einen Teil ihrer kinetischen Energie als Röntgen- und Gammastrahlung in Richtung dieser Achse ab. Solche Objekte nennt man Röntgen-Pulsare.

Typische Systeme dieser Art sind Röntgendoppelsterne aus einem Stern, der gerade zu einem roten Riesen expandiert, und einem Neutronenstern, wobei Material zum Neutronenstern strömt, eine Akkretionsscheibe um ihn herum bildet und schließlich auf seine Oberfläche stürzt. Dabei werden Röntgenleistungen abgestrahlt, die im Bereich des 10.000fachen der Sonnenleistung liegen.

Magnetare

Eine besondere Klasse bilden Neutronensterne, die mit einer anfänglichen Rotationsperiode unter 10 ms entstehen. In diesem Fall sorgt zusätzlich ein spezieller Dynamoeffekt für eine Konversion der Energie von Konvektionsströmungen im Sterninneren in magnetische Energie. Dabei kann das Magnetfeld innerhalb von wenigen Sekunden nach dem Kollaps auf Werte über 1015 Gauß steigen. Die zugehörige Energiedichte entspräche einer Massendichte im Bereich von vielen kg/cm3. Derartige Objekte werden als Magnetare bezeichnet. Aufgrund des größeren Magnetfeldes werden sie deutlich stärker abgebremst, so dass Ihre Rotationsfrequenz bereits nach etwa 1.000 Jahren unter 1 Hz sinkt. In dieser Anfangsphase erleiden sie gelegentlich gigantische Röntgenausbrüche. In der Milchstrasse sind rund ein Dutzend Kandidaten für solche röntgenaktive Magnetare bekannt.

Stabilität und Pauli-Prinzip

Ein reiner Neutronenstern wird durch Kräfte stabilisiert, die eine Folge des Pauli-Prinzips sind. Danach können sich maximal zwei Neutronen des Sterns im selben energetischen Zustand befinden (siehe Entartung). Als Folge der Quantenmechanik bilden die möglichen Energiezustände eine Leiter, deren Sprossenabstand bei Verringerung des Sternvolumens wächst. Da die Zustände ab dem unteren Ende der Leiter alle besetzt sind, muss bei einer Kompression den Neutronen am oberen Ende der Leiter Energie zugeführt werden. Dieses Phänomen führt zu einem Gegendruck, der dem Gravitationsdruck stand halten kann. Ist die Masse des Vorläufersterns größer als etwa drei Sonnenmassen, so ist kein Gleichgewicht möglich, und der Stern kollabiert weiter zum Schwarzen Loch.

Bemerkenswert ist, dass der typische Durchmesser eines Neutronensterns damit unmittelbar mit der Neutronenmasse zusammenhängt, eine astronomische Größe also eine direkte Funktion einer mikrokosmischen Naturkonstante ist. Die Stabilität eines Weißen Zwerges beruht übrigens in identischer Weise auf dem Pauli-Prinzip, das in diesem Fall bezüglich der Elektronen anstelle der Neutronen zum tragen kommt.

Die innere Struktur eines Neutronensterns

 
Aufbau eines Neutronensterns (NASA)

Aus den bekannten Eigenschaften der beteiligten Teilchen ergibt sich für einen typischen Neutronenstern von 20 km Durchmesser folgende Schalenstruktur:

An der Oberfläche herrscht der Druck null. Da freie Neutronen in dieser Umgebung instabil sind, gibt es dort nur Eisenatomkerne und Elektronen. Diese Atomkerne bilden ein Kristallgitter. Aufgrund der enormen Schwerkraft sind jedoch die höchsten Erhebungen auf der Oberfläche maximal einige Millimeter hoch. Eine mögliche Atmosphäre aus heißem Plasma hätte eine maximale Dicke von einige Zentimetern.

Die Zone aus kristallinen Eisenatomkernen setzt sich bis in eine Tiefe von etwa 10 Metern fort. Dabei steigt die mittlere Dichte etwa auf ein Tausendstel der Dichte gewöhnlicher Atomkerne an. Ferner nimmt der Neutronenanteil der Atomkerne zu. Es bilden sich Eisenisotope, die nur unter den dortigen extremen Drücken stabil sind.

Ab einer Tiefe von 10 Metern ist der Druck so hoch, dass auch freie Neutronen Bestand haben. Dort beginnt die so genannte innere Kruste, eine Übergangsschicht, die eine Dicke von 1 bis 2 km hat. In ihr existieren Bereiche aus kristallinen Eisenatomkernen neben solchen aus Neutronenflüssigkeit, wobei mit zunehmender Tiefe der Eisenanteil von 100 % auf 0 % abnimmt, während der der Neutronen entsprechend ansteigt. Ferner steigt die mittlere Dichte auf die von Atomkernen an.

Im Anschluss an die innere Kruste besteht der Stern überwiegend aus Neutronen, die mit einem geringen Anteil von Protonen und Elektronen im dynamischen Gleichgewicht stehen. Sofern die Temperaturen hinreichend niedrig sind, verhalten sich die Neutronen dort superflüssig und die Protonen supraleitfähig.

Welche Materieformen ab einer Tiefe vorliegen, bei der die Dichte auf das dreifache der von Atomkernen steigt, ist unbekannt, da sich derartige Dichten auch bei Kollisionen von Atomkernen in irdischen Beschleunigern nicht erzeugen und damit auch nicht studieren lassen.

Möglicherweise beginnt dort eine Kernzone aus Pionen oder Kaonen. Da diese Teilchen Bosonen sind und nicht dem Pauli-Prinzip unterliegen, könnten sie alle den gleichen energetischen Grundzustand einnehmen und damit ein so genanntes Bose-Einstein-Kondensat bilden. Dabei könnten sie dem enormen Außendruck wenig entgegensetzen, so dass ein zweiter Kollaps zu einem Schwarzen Loch möglich wäre.

Eine weitere Möglichkeit wäre das Vorliegen freier Quarks. Da neben Up- und Down-Quarks auch Strange-Quarks vorkämen, bezeichnet man ein solches Objekt als seltsamen Stern oder Quark-Stern. Eine derartige Materieform würde durch die starke Wechselwirkung stabilisiert und könnte daher auch ohne den gravitativen Außendruck existieren. Da Quark-Sterne eine höhere Dichte aufweisen und damit kleiner sind, sollten sie rascher rotieren können als reine Neutronensterne. Ein Pulsar mit einer Rotationsperiode unter 0,5 ms wäre bereits ein Hinweis auf die Existenz dieser Materieform.

Bei vier Pulsaren wurde mehrfach ein plötzlicher winziger Anstieg der Rotationsfrequenz beobachtet gefolgt von einer mehrtägigen Relaxationsphase. Dabei könnte es sich um eine Art Beben handeln, bei denen ein Austausch von Drehimpuls zwischen der kristallinen Eisenkruste und weiter innen reibungsfrei rotierenden Wirbeln aus superflüssiger Neutronenflüssigkeit stattfindet.

Literatur

  • J. Novak: Neutronensterne: Ultradichte Exoten, Spektrum der Wissenschaft, März 2004, S. 34-39
  • C. Kouvelotou, R. C. Duncan, C. Thompson: Magnetare, Spektrum der Wissenschaft, Mai 2003, S. 56-63
  • Robert L. Forward: Das Drachenei, Bastei Lübbe Mai 1990 (SF-Roman)

Siehe auch: Astronomische Objekte, Astronomie