Mario und der Zauberer

Novelle von Thomas Mann
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Mario und der Zauberer – Ein tragisches Reiseerlebnis ist eine Novelle von Thomas Mann, aus dem Jahre 1929.

Inhalt

Die Novelle „Mario und der Zauberer – Ein tragisches Reiseerlebnis“ handelt von einem Ferienaufenthalt im italienischen Ort Torre di Venere. Der Erzähler verbringt mit seiner Gattin und seinen zwei Kindern von August bis September den Urlaub im seit kurzem faschistischen Italien und schildert ihn rückschauend. Die Familie plante ursprünglich einen ruhigen Aufenthalt, doch der Ort hat sehr viele überwiegend der Mittelklasse angehörige Urlauber angezogen.

Die Familie bekommt zu spüren, dass sie nicht willkommen ist. Im Grand-Hotel wird ihr verwehrt auf der bunt beleuchteten Veranda zu speisen, da sie als Fremde angesehen werden. Der Hoteldirektor bittet den Erzähler zu allem Überfluss um einen Umzug, da sich eine Dame aus dem italienischen Hochadel über den bedeutungslosen Rest eines abklingenden Keuchhustens vom Sohn des Erzählers beschwert hat. Die Familie beschließt in die Pension Eleonora, die von Signora Angiolieri betrieben wird, zu ziehen. Es kommt keine richtige Ferienstimmung auf, trotz des Umstandes, dass alles in der neuen Pension zur Zufriedenheit ist.

Weitere Diskriminierungen der Familie folgen. Am Strand wäscht die achtjährige Tochter der Familie ihren Badeanzug, wobei sie zwangsläufig kurzzeitig nackt ist. Dies widerspricht der öffentlichen Moralvorstellung und verursacht einen Tumult am Stand. Der Familie wird ein polizeiamtliches Bußgeld auferlegt. Der Erzähler bereut im Nachhinein nicht sofort abgereist zu sein, aber die Nachsaison setzt nun ein, und viele Urlaubsgäste waren bereits abgereist.

Als sich der Zauberkünstler und Taschenspieler Cavaliere Cipolla im Ferienort ankündigt, ist der Sohn begeistert und möchte die Zaubervorstellung sehen. Die Zaubervorstellung findet spätabendlich statt, und obwohl es elterliche Bedenken hinsichtlich der Aufführungszeit gibt, werden vier Eintrittskarten in Erwartung eines Urlaubshöhepunktes erworben. Auf den Stehplätzen sind Fischer, der Bootsvermieter und auch Mario, der Kellner vom „Esquisto“. Cavaliere Cipolla betritt mit erheblicher Verspätung die Bühne.

Cipolla ist ein alter Mann. Er zeigt sich dem Publikum in klassischer Zaubererkluft mit weißem Schal und Zylinder. Der Zauberer hat eine Peitsche bei sich. Auf der Bühne steht ein kleiner runder Tisch, auf dem eine Kognakflasche und ein Glas stehen.

Sehr schnell wird dem Erzähler und seiner Gattin klar, dass Cipolla kein Zauberkünstler, sondern ein hervorragender Hypnotiseur ist. Einem vorlauten jungen Burschen befiehlt er „angestrengt überlang“ die Zunge herauszustrecken. Es folgen arithmetische Kunststücke und Kartentricks. Während eines Kartentricks kommt es zu einem kleinen Willensduell, das der Hypnotiseur souverän für sich entscheidet. Im Publikum wird eine deutlich spürbare Antipathie gegen ihn deutlich, doch die „Anerkennung einer Berufstüchtigkeit, die niemand leugnete“ erlaubt nicht den offenen Ausbruch des Unmuts. Es folgen Kunststücke wie Gedankenübertragung, das Ausführung bestimmter Handlungen auf Geheiß von Cipolla und das Auffinden bestimmter Gegenstände von ihm.

In der nachfolgenden Pause erwachen die Kinder aus ihrem Kurzschlaf. Die Eltern finden nicht die Kraft ihre Kinder zum Gehen aufzufordern. Der Erzähler gibt hier als Grund für das Bleiben den Reiz des Merkwürdigen an.

Im zweiten Teil der Veranstaltung wird ein junger Mensch zur Sitzbank, eine ältere Dame erzählt im Hypnoseschlaf von Reiseeindrücken aus Indien, ein militärisch wirkender Herr kann den Arm nicht mehr heben, Frau Angioliere folgt Cavaliere Cipolla im willenlosen Zustand. Junge Menschen aus dem Publikum beginnen auf seinen Befehl hin zu tanzen und das gesamte Publikum fällt in den Tanz ein. Die Kinder amüsieren sich in ihrer kindlichen Unschuld köstlich und der Erzähler drückt nochmaliges Bedauern darüber aus, dass er mit seiner Familie geblieben ist.

Im Höhepunkt der Veranstaltung befiehlt der Gaukler Mario zu ihm zu kommen. Mario äußert während des Gesprächs mit Cipolla Liebeskummer bezüglich Silvestra. In Trance wird ihm suggeriert, sie stünde vor ihm und er küsst daraufhin Cipolla auf die Wange. Als Mario mit entsetztem Ekel feststellt in welcher Lage er sich befindet, flüchtet er von der Bühne, dreht sich im Laufen um und erschießt den Gaukler mit seiner mitgeführten Kleinwaffe.

Die Familie verlässt die Vorstellung im losbrechenden Aufruhr.

Personen

Cavaliere Cipolla

Das äußerliche Erscheinungsbild des Gauklers erscheint grotesk und lächerlich. Er ist klein und bucklig mit einem scharf zerüttetem Gesicht, Schnurrbärtchen und stechenden Augen. Der Hypnotiseur hat das klassische Kostüm eines Zauberers mit Zylinder, weißem Schal, Fliege, Radmantel, weißen Handschuhen und einer Schärpe, die den Adel repräsentieren soll, an. Sein Buckel bewirkt den Eindruck, dass seine Kleidung falsch am Körper sitzt. Unabdingbares Instrument für seine Vorstellung sind die Peitsche, mit Klauengriff, der Kognak und die Zigaretten, die die Energie und Spannkraft der Vorstellung aufrecht erhalten. Es wird insgesamt deutlich, dass der Gaukler nur das einfache Volk demütigt, die gehobenen Schichten jedoch nur mit würdevollen Experimenten belästigt.

Das innere Erscheinungsbild des Cipolla ist gekennzeichnet von einer strengen Ernsthaftigkeit und einer absoluten Ablehnung allen Humoristischen, er ist von übellaunigem Stolz. Er geht offensiv mit seiner Behinderung um und drückt somit eine Gewisse Würde und Selbstgefälligkeit aus. Cavaliere Cipolla fasziniert als eleganter Rhetoriker und als begnadeter Hypnotiseur mit einer seltsam abstoßend-anziehenden Aura. Abschließend muss festgehalten werden, dass er ein Diktator ist, ein Führer, ein Mensch, der die Fäden in der Hand hält, der es versteht die Massen in seinen Bann zu ziehen.

Unbekannter Erzähler

Der Umstand, dass der Erzähler bis zum Ende unbekannt bleibt und das Fehlen von privaten Details suggeriert dem Leser ein Gefühl der Vertrautheit. Während der Vorstellung hat der Erzähler ein gemischtes Gefühl aus Angst, Bewunderung und Neugier.

Mario

Gehört zu einer Personengruppe, die sich erst in die Irre führen lässt aber dann einsieht, dass es falsch ist, was dort getan wird und schließlich mit aller Macht versucht, gegen die erkannten Missstände Vorzugehen.

Mögliche Intention des Endes

Thomas Mann gibt gegen Ende der Novelle den Menschen in einer Diktatur den Ratschlag, sich notfalls auch mit drastischen Mitteln ihrem Führer zu widersetzen und sich somit zu befreien.

Kernaussage

Die Freiheit und auch der Wille existiert, aber die Willensfreiheit existiert nicht, denn ein Wille, der sich auf seine Freiheit richtet, stößt ins Leere.