Holocaust (Begriff)

Begriff
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Der Begriff Holocaust wird heute fast ausschließlich auf die systematische, industrielle Ermordung der europäischen Juden in der Zeit des Nationalsozialismus bezogen. Im Laufe der Geschichte wurde er jedoch auf unterschiedliche Weise verwendet.

Herkunft

Das Wort Holocaust leitet sich vom griechischen holókauston her und bedeutet vollständiges Brandopfer. Erstmals Erwähnung in diesem Sinn fand es bei dem griechischen Historiker Xenophon. Der Begriff findet auch mehrfach Erwähnung in der Bibel, etwa im Buch Genesis (22, 2): „Gott sprach zu Abraham: 'Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du liebhast, und geh hin in das Land Morija und bringe ihn dort als Brandopfer (holókauston) dar auf einem Berge, den ich dir sagen werde.“ In der lateinischen Bibelübersetzung, der Vulgata, entstand daraus der Begriff holocaustum. Anders als im deutschen Sprachraum, wo Martin Luther die entsprechenden Bibelstellen mit Brandopfer übersetzte, hielt der Begriff im angelsächsischen Bereich als holocaust Einzug in die Sprache. Er wurde dort in größerem Umfang auch literarisch verwendet.

Verwendung des Begriffs

Genozid an den Juden

Im Zusammenhang mit der planmäßigen Vernichtung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland tauchte der Begriff Holocaust erstmals im Dezember 1942 auf, als die britische Tageszeitung News Chronicle, mit dem Schlagwort die Einschätzung verband, dass die Vernichtung der Juden durch Hitler geplant sei (the Jewish peoples are to be exterminated). Von diesem Zeitpunkt an wurde der Begriff Holocaust im politischen Diskurs auch in diesem Sinn verwendet. Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges setzte sich das Wort in der angelsächsischen Geschichtswissenschaft allmählich als Bezeichnung für den Genozid an den Juden durch. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde das Wort jedoch erst ein Begriff als der Roman-Autor Frederik Forsyths es 1972 in seinem Buch Akte Odessa gebrauchte.

In der Bundesrepublik Deutschland kam es erst ab 1979 allmählich in Gebrauch, nachdem die ARD die US-amerikanische Fernsehserie "Holocaust" ausgestrahlt hatte. Zwar gab es auch im Deutschen das Fremdwort Holokaust. Dieses wurde jedoch kaum gebraucht und in wichtigen Wörterbüchern auch nicht verzeichnet. Erst ab den 1980er Jahren wurde die angelsächsische Variante des Wortes in den deutschen Nachschlagewerken aufgeführt. Eine von den nationalsozialistischen Völkermorden losgelöste Verwendung des Begriffs ist im Deutschen semantisch und sprachethisch umstritten.

Da das Wort Holocaust nach Ansicht vieler Juden zu sehr die Opferrolle der Ermordeten betont, wird vor allem in Israel der säkulare hebräische Begriff Shoa (השואה) verwendet, der soviel bedeutet wie großes Unheil oder Katastrophe. Dieser fand dort sogar Eingang in die Unabhängigkeitserklärung von 1948. Außerhalb Israels bürgerte sich Shoa aufgrund des gleichnamigen, neunstündigen Dokumentarfilms von Claude Lanzmann von 1985 ein, der als narrative Chronik des Holocaust bezeichnet wird.

Doch gibt es auch Stimmen, die beide Begriffe als unpassend werten, da „Holocaust“ einen religiösen Sinn impliziert und Shoa der hebräischen Sprache entstammt, zu der viele der als Juden Ermordeten keinen Bezug hatten. Deshalb wird vielfach vom Mord an den europäischen Juden gesprochen. Vor 1979 waren die verhältnismäßig prägnanten Begriffe Judenverfolgung und Judenvernichtung üblich.

Bombenopfer des Zweiten Weltkrieges

Im angelsächsischen Sprachraum wurde der Begriff Holocaust lange Zeit nicht ausschließlich für den Mord an den europäischen Juden verwendet, sondern auch als Bezeichnung für Bombenopfer. So fand er durch amerikanische Offiziere in Japan Anwendung auf die Folgen der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, aber auch auf die Folgen durch "gewöhnliche" Brandbomben. Obwohl es durch die amerikanische Militärzensur verboten war, den Begriffs in diesem Sinn zu verwenden, wurde er vereinzelt noch bis in die 1960er Jahre entsprechend benutzt, so beispielsweise noch im Jahr 1965 durch den ehemaligen US-amerikanischen Brigadegeneral Powers in seiner Autobiografie.

Atomarer Holocaust

Der Ausdruck atomarer Holocaust oder auch nuklearer Holocaust war in den 1980er Jahren ein politisches Schlagwort der Friedensbewegung. Er bezeichnete die vollkommene oder zumindest weitestgehende Vernichtung menschlichen Lebens auf der Erde durch einen mit Atomwaffen geführten Krieg. Er wurde bereits im Jahr 1966 durch Erich Fromm verwendet. Noch heute taucht der Begriff vereinzelt auf. Eine Relativierung des Mordes an den Juden war durch die Verwendung des Begriffs nicht bewusst beabsichtigt.

Bomben-Holocaust

Die Begriffsschöpfung Bomben-Holocaust wird von deutschen Rechtsextremisten verwendet. Ziel ist die Gleichsetzung der jüdischen Opfer des Holocaust mit den Opfern des Bombenkrieges im Zweiten Weltkrieg. Allgemein bekannt wurde dieser Ausdruck anlässlich einer von der NPD beantragten Aktuellen Stunde zum 60. Jahrestag der Bombardierung Dresdens im Sächsischen Landtag im Januar 2005. Der NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel und sein Fraktionschef Holger Apfel gebrauchten ihn in einer Rede. Die gezielte Provokation erregte im In- und Ausland erhebliche Presseaufmerksamkeit.

Siehe auch: Holocaust, Holocaustleugnung