Lehnswesen

politisch-ökonomisches System der Beziehungen zwischen Lehnsherren und belehnten Vasallen
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Das Lehnswesen war im Heiligen Römischen Reich (Deutscher Nation) in Gebrauch. Das Lehns- oder Leiheverhältnis höherer Ordnung war aus der germanischen Gefolgschaft entstanden. Der Lehnsherr stand dem Lehenempfänger Grund und Boden oder Rechte auf Lebenszeit zu. Dafür musste der Lehenempfänger dem Lehnsherrn persönliche Dienste leisten.
Darauf baute das gesamte Gesellschafts und Regierungswesen jener Zeit auf. Oberster Lehensherr war der Kaiser, der Lehen an die Fürsten vergab. Diese konnte wiederum kleinere Lehen an Verwalter vergeben, so dass das ganze wie eine Pyramide strukturiert war.


Es folgt der Artikel aus Meyers Konversationslexikon 1888. Er wird gerade eingearbeitet.


Lehnswesen (Feudal-, Benefizialwesen).

Begriffe

Man versteht unter Lehen (Lehnrecht, lat. Feudum, Feodum, Beneficium) das ausgedehnteste erbliche Nutzungsrecht an einer fremden Sache, welches sich auf eine Verleihung seitens des Eigentümers gründet, die zugleich zwischen diesem und dem Berechtigten das Verhältnis wechselseitiger Treue hervorruft;

Lehen (Lehnsgut) wird auch diese Sache selbst, zumeist ein Grundstück oder ein Komplex von Grundstücken, genannt. Der betreffende Eigentümer ist der Lehnsherr (Lehnsgeber, dominus feudi, senior), der Berechtigte der Vasall (Lehnsmann, vassus, vasallus).

Sprachlich hängt der Ausdruck "Lehen" mit "leihen" zusammen, bedeutet also wo viel wie geliehenes Gut, während das Wort "Feudum" nach einigen vom lat. fides (Treue), richtiger aber wohl vom altdeutschen feo (d. h. Vieh, dann überhaupt "Gut") abzuleiten ist.

Den Gegensatz zum Lehen bildet das freie Eigentum, Allodium (s. d.).

Die dem Vasallen zustehende Berechtigung nähert sich tatsächlich dem Eigentum so sehr, daß man dieselbe geradezu als nutzbares Eigentum (dominium utile) und das Recht des eigentlichen Eigentümers als Obereigentum (dominium directum) zu bezeichnen pflegt.

Die Rechtsgrundsätze über das Lehnswesen bilden das Lehnrecht im objektiven Sinn.

Geschichte des Lehnswesens

Das Lehnswesen entwickelte sich zuerst in der fränkischen Monarchie und bildete jahrhunderte lang die Grundlage der mittelalterlichen Heerverfassung und des deutschen Staats. Die Karolinger pflegten nämlich an freie Leute Güter zu verleihen, wogegen sich diese zur Leistung von Kriegsdiensten verpflichteten, indem sie als Fideles (Getreue) in das königliche Gefolge eintraten, und dies Verfahren wurde bald von weltlichen und geistlichen Großen nachgeahmt. Nach und nach bildete sich dann der Grundsatz der Erblichkeit der Lehen und der Zulässigkeit des Weitervergebens in Afterlehen aus, welch letztere 1037 von Konrad II. ebenfalls für erblich erklärt wurden. So kam es, dass im 12. Jahrhundert bereits alle Herzogtümer und Grafschaften als Lehen vergeben waren.

Innerhalb dieser einzelnen Territorien aber bestand wiederum ein vielgliederiges Lehnswesen, und ebendasselbe war in den geistlichen Territorien der Fall.

Mit dem Sinken der kaiserlichen Macht entwickelte sich dann aus dem Lehnswesens die Landeshoheit der Reichsfürsten, so dass die schließliche Auflösung des Deutschen Reichs zumeist durch das mittelalterliche Lehnswesen herbeigeführt worden ist.

Übrigens blieb das Lehnswesens keineswegs auf das Gebiet des öffentlichen Rechts beschränkt; dasselbe überwucherte vielmehr in Deutschland auch die Privatrechtsverhältnisse, indem die verschiedenartigsten Gegenstände "ins Lehen gereicht" und die verschiedenartigsten Berechtigungen als lehnrechtliche konstituiert wurden. Mit der politischen Bedeutung des Lehnswesens sank jedoch auch diese privatrechtliche, und heutzutage hat dasselbe seine Lebensfähigkeit vollständig verloren.

Schon durch die Revolution von 1649 und dann durch eine ausdrückliche Verordnung Karls II. von 1660 wurde in England der Lehnsverband beseitigt, ebenso in Frankreich durch die Beschlüsse der Nationalversammlung vom 4. und 5. Aug. 1789.

In Deutschland wurden mit der Auflösung des Deutschen Reichs 1806 die vorhandenen Reichslehen teilweise allodifiziert, indem deren Inhaber souveräne Fürsten wurden. Bei andern Reichslehen dagegen trat an die Stelle von Kaiser und Reich derjenige Landesherr als Lehnsherr, in dessen Gebiet das Lehnsgut gelegen war, indem die Lehnsträger mediatisiert wurden. Zudem entsagten in der Rheinbundsakte, Art. 34 (sogen. Verzichtsartikel), die verbündeten Fürsten gegenseitig allen Lehnrechten, welche dem einen rücksichtlich des Gebiets des andern zustehen möchten. Innerhalb der einzelnen Territorien aber wurde in der Folge der Lehnsverband vielfach für ablösbar erklärt und so die Möglichkeit der Umwandlung des Lehens in volles Eigentum gegeben, so zuerst 1836 in Hannover; auch wurde die Errichtung neuer Lehen gesetzlich untersagt, z. B. in Preußen durch das Gesetz von 1852, wie denn auch die deutschen Grundrechte von 1848 bestimmt hatten: "Aller Lehnsverband ist aufzuheben".

So kommt es denn, dass dermalen nur noch wenige Überreste des einst so bedeutungsvollen Lehnswesens in die Gegenwart hineinragen, deren Tage ebenfalls gezählt sind (s. Ablösung).

Quellen des deutschen Lehnsrechts

Quellen des deutschen Lehnrechts sind außer den Verordnungen der fränkischen und deutschen Könige (constitutiones feudales) die mittelalterlichen Rechtsbücher, wie der Sachsenspiegel und der Schwabenspiegel, das Görlitzer Lehnrecht und der Richtsteig Lehnrechts, welcher vom lehnrechtlichen Gerichtsverfahren handelt. Außerdem aber fand mit dem römischen Recht auch eine langobardische Lehnrechtssammlung in Deutschland Eingang, die sogen. Libri feudorum, ursprünglich eine Privatarbeit des Mailänder Konsuls Obertus ab Orto, welche, mit Schöffensprüchen und kaiserlichen Verordnungen vermehrt, dem Corpus juris civils (s. d.) als Anhang beigefügt, von den italienischen Rechtslehrern glossiert wurde und in dieser Gestalt in Deutschland Gesetzesautorität erhielt. Dazu kamen dann zahlreiche Partikulargesetze in den einzelnen deutschen Territorien, wie z. B. das kursächsische Lehnsmandat von 1764, das altenburgische Lehnsedikt von 1795, das badische Edikt vom 12. Aug. 1807, das bayrische Lehnsedikt von 1808 und die Ablösungsgesetze der Neuzeit.

Wesentliche Grundsätze des Lehnrechts.

Voraussetzungen

Zu jedem wahren Lehen gehören als notwendige Voraussetzungen (essentialla feudi) ein lehnbarer Gegenstand, ein fähiger Lehnsherr, ein fähiger Vasall und das zwischen beiden bestehende Verhältnis der Lehnstreue. Außerdem werden als natürliche oder regelmäßige Eigenschaften des Lehens (naturalia feudi), welche im Zweifel bei jedem Lehen vorhanden sind, bezeichnet: die Investitur, d. h. die feierliche Verleihung des Lehens, die Erblichkeit und die besondere Erbfolge in Ansehung der Lehen mit Bevorzugung des Mannesstamms, endlich die. Leistung von Diensten und zwar ursprünglich und eigentlich von Kriegsdiensten. Der Mangel einer solchen Eigenschaft macht ein Lehen zu einem unregelmäßigen oder uneigentlichen (feudum irregulare, improprium). Ursprünglich galten nur Liegenschaften für lehnbar, namentlich die sogen. Rittergüter (Ritterlehen, adlige Lehen, feuda nobilia, im Gegensatz zu unadligen Lehen, feuda ignobilia) oder eine Burg oder ein sonstiges Gebäude (feudum c stri, keminatae, aedificil). Aber auch an unkörperlichen Sachen wurden Lehen errichtet, indem die verschiedenartigsten Rechte nach Lehnrecht verliehen wurden, so z. B. gewisse Hoheitsrechte über ein bestimmtes Territorium (feuda regalla), die sogen. Fürstenlehen oder Fahnenlehen, so genannt, weil bei der Beleihung eine Fahne als Symbol diente. Dahin gehören ferner die Beleihungen mit gewissen Ämtern (Ämterlehen, Ambachtslehen, feudum officii), namentlich Hofämtern, und das einst dem Haus Thurn und Taxis verliehene Postlehen sowie die lehnsweise erteilte Gerichtsbarkeit (feudum jurlsdictionis). Dazu kommen dann zahlreiche Lehen an Kirchensachen und kirchlichen Rechten, Kirchenlehen (Stiftslehen, feuda ecclesiastica), Beleihungen mit den mit einem Altar verbundenen Stiftungen (feudum altaragli). Außerdem wurden zahlreiche Realberechtigungen, Renten, Gülten und Zehnten (feudum decimarum), verliehen; auch so genannte Geldlehen kamen vor, bei welchen der Vasall die Zinsen eines gewissen Kapitals bezog. Keine Lehen, sondern Allodialgüter waren dagegen die so genannten Sonnenlehen, bei welchen die Sonne oder die Gottheit gewissermaßen als Lehnsherrin fingiert wurde. Zur persönlichen Lehnsfähigkeit des Lehnsherrn (aktive Lehnsfähigkeit) wird erfordert: Dispositionsbefugnis in Ansehung des Gegenstandes, der verliehen werden soll, und Wehrfähigkeit. Da der Vasall nämlich ursprünglich stets zu Kriegsdiensten verpachtet war, so konnten nur solche Personen, die den Heerschild hatten, also Ritterbürtige, die sich eben solche Dienste versprechen lassen konnten, Lehnsherren sein, bis dann in spätern Zeiten an die Stelle der Kriegsleistungen vielfach bestimmte Abgaben, namentlich die sogen. Ritterpferdsgelder, traten (sogen. Zins- und Beutellehen). Da nun aber in einem geordneten Staatswesen nur dem Staatsoberhaupt die Militärhoheit zusteht, so konnte eigentlich nach modernem Staatsrecht auch nur der Souverän selbst als fähiger Lehnsherr erscheinen, wie dies in einzelnen Staaten, z. B. in Bayern und Mecklenburg, ausdrücklich durch Gesetz verordnet worden ist; daher die Einteilung in Staatslehen und Privatlehen, bei welch letztern eben ein Untertan Lehnsherr war. Zur passiven Lehnsfähigkeit des Vasallen wurde Unbescholtenheit und Waffenfähigkeit erfordert, weshalb namentlich Frauen lehnsunfähig waren und nur ausnahmsweise so genannte Weiberlehen ("Kunkellehen", im Gegensatz zu "Helmlehen") vorkamen. Aus demselben Grund erschienen Bauern als lehnsunfähig und ebendarum die zahlreichen bäuerlichen Leihen (sogen. Feudaster) als uneigentliche Lehen (s. Kolonat).

Begründung des Lehens

Die Begründung eines Lehens geschieht der Regel nach durch Investitur (constltutlo feudi, lnfeudatio). Diese ist aber nichts andres als die deutschrechtliche Auflassung (s. d.). Es sind dabei zwei wesentliche Handlungen zu unterscheiden: die Belehnung (actus traditionis) und die Huldigung (actus inaugurationis); erstere erfolgte früher regelmäßig unter Anwendung gewisser Symbole, z. B. einer Fahne, eines Schwertes; letztere bestand in der. eidlichen Versicherung, dem Lehnsherrn treu, hold und gewärtig sein zu wollen (Lehnseid, homagium, vassallagium); nur ausnahmsweise genügte der bloße Handschlag des Vasallen (sogen. Handlehen). Das über die Investitur von der zuständigen Behörde (Lehnsgericht, Lehnshof, Lehnskurie) aufzunehmende Protokoll heißt Lehnsprotokoll. Der Vasall kann die Ausstellung eines Lehnsbriefs verlangen, d. h. einer Urkunde, worin die Investitur samt ihren Bedingungen bezeugt wird. Die Urkunde, durch welche dem Vasallen die stattgehabte Beleihung vorläufig bescheinigt wird, heißt Lehns- oder Rekognitionsschein und diejenige, durch welche der Vasall dem Lehnsherrn die Beleihung und die Lehnspslicht bescheinigt, Lehnsrevers (Gegenbrief). Ein Lehnsinventar, d. h. eine Beschreibung des Lehnsguts mit seinen Pertinenzen, unterschrieben von dem Lehnsherrn, resp. von dem Vasallen (Lehnsdinumerament), kann jeder von beiden von dem andern verlangen. Lehnskontrakt (contractus feudalls) heißt der Vertrag, durch welchen eine Beleihung vereinbart und vorbereitet wird. Im Mittelalter kam auch häufig die sogen. Lehnsauftragung (oblatio feudi) vor, darin bestehend, daß jemand, um sich unter den Schutz eines mächtigern Lehnsherrn zu begeben, diesem sein Allod zum Eigentum übertrug, um es dann von jenem als Lehen zurück zu empfangen. Besondere Arten der Investitur sind die Koinvestitur und die Eventualbelehnung. Erstere (investitura simultanea) ist diejenige Investitur, welche gleichzeitig an dem nämlichen Gegenstand mehreren Personen erteilt wird. Hier werden die mehreren Beliehenen nach ideellen Teilen an dem Lehnsgut berechtigt, ohne dass zwischen ihnen etwa ein wechselseitiges Erbrecht in Ansehung des letztern begründet würde (Mitbelehnung, colnvestitura juris communis oder juris langobardici). Verschieden davon ist die Coinvestitura juris germanici, die sogen. Gesamtbelehnung oder Belehnung zur gesamten Hand, so genannt, weil hierbei die Mitbelehnten das bei der Investitur gebrauchte Symbol gemeinschaftlich anzufassen pflegten. Hier erhält nämlich nur einer der Mitbelehnten ("Gesamthänder") den Besitz des Lehnsobjekts, während für die übrigen nur eventuelle Successionsrechte begründet werden. Letztere kommen jedoch in Wegfall, wenn die Gesamthänder eine Auseinandersetzung bezüglich des Lehnsobjekts, eine sogen. Grund- oder Tatteilung, vornehmen. Teilen sich dieselben dagegen bloß in die Nutznießung (sogen. Mutschierung des Lehens), so bleibt jenes eventuelle Successionsrecht in Kraft. Die Eventualbelehnung ist eine Investitur für die Eventualität des Heimfalls eines Lehens, d. h. eine an einer bereits verliehenen Sache für den Fall vorgenommene Investitur, dass die Rechte des dermaligen Vasallen und seiner Nachkommenschaft erlöschen sollten. Die Eventualbelehnung charakterisiert sich also als eine wirkliche, wenn auch unter einer Suspensivbedingung, vorgenommene Investitur, und ebendarum vererben sich auch die Rechte aus derselben nach Lehnrecht. Verschieden davon ist die sogen. Lehnsexspektanz (Lehnsanwartschaft, exspectatlva feudalls), welche darin besteht, daß jemand einem andern für den Fall, dass ihm ein gewisses Lehen heimfallen werde, die Belehnung damit verspricht. Es ist dies nur ein Vorvertrag zu einem eventuell abzuschließenden Lehnskontrakt, aus welchem dem "Lehnsanwärter" ein Forderungsrecht auf Erfüllung dieses Versprechens zusteht.

Rechte des Lehnsherren

Die Summe der Rechte des Lehnsherrn ist die Lehnsherrlichkeit. Nicht zu verwechseln damit ist die Lehnshoheit, d. h. das dem Staat zustehende Hoheits- und Aufsichtsrecht über alle. Lehen innerhalb des Staatsgebiets. Die Lehnsherrlichkeit umfasst die persönlichen Rechte des Lehnsherrn dem Vasallen gegenüber, und insofern entspricht ihr die Lehnspflicht des letztern, dann aber auch die dinglichen Rechte des erster an dem Lehnsobjekt. Der Person des Vasallen gegenüber hat der Lehnsherr das Recht auf Lehnstreue, deren Bruch Felouie (s. d.) genannt wird, auf Ehrerbietung (Lehnsreverenz) und Lehnsgehorsam, d. h. auf Leistung von Kriegsund Hofdiensten. Mit der Zeit sind diese Kriegsleistungen in Geldleistungen verwandelt ("adäriert") worden. Der Lehnsherr kann ferner von dem Vasallen bei Verlust des Lehens die Lehnserneuerung (renovatlo investiturae) sordern und zwar sowohl bei Veränderungen in der Person des Lehnsherrn (Veränderungen in der herrschenden Hand, Herrenfall, Hauptfall, Thronfall) als auch bei Veränderungen in der Person des Vasallen (Veränderung in der dienenden Hand, Lehnsfall, Vasallenfall, Nebenfall). Letzterer muss alsdann binnen Jahr und Tag (1 Jahr 6 Wochen 3 Tage) ein schriftliches Gesuch (Lehnsmutung) einreichen und um Erneuerung der Investitur bitten; doch kann diese Frist auf Nachsuchen durch Verfügung des Lehnsherrn (Lehnsindult) verlängert werden. Partikularrechtlich ist der Vasall dabei, abgesehen von den Gebühren für die Wiederbelebung (Schreibschilling, Lehnstaxe), zuweilen auch zur Zahlung einer besondern Abgabe (Laudemium, Lehnsgeld, Lehnsware, Handlohn) verpflichtet. Endlich kann der Lehnsherr bei einer Felonie des Vasallen das Lehen durch die so genannte Privationsklage einziehen, Verschlechterungen des Gutes nötigen Falls durch gerichtliche Maßregelnverhüten und dritten unberechtigten Besitzern gegenüber das Eigentumsrecht jederzeit geltend machen.

Rechte des Vasallen

Der Vasall hat dem Lehnsherrn gegenüber ebenfalls den Anspruch auf Treue (Lehnsprotektion), und ein Bruch derselben zieht für den Lehnsherrn den Verlust seines Obereigentums nach sich. Am Lehnsobjekt hat der Vasall das nutzbare Eigentum. Veräußerungen des Lehnsguts sind jedoch nur mit Zustimmung des Lehnsherrn gültig, der bei Veräußerungen ohne seine Zustimmung das Lehen im Wege gerichtlicher Klage (actio revocator afeudi) einziehen kann. Außerdem ist aber noch zu einer Veräußerung des Lehens die Zustimmung sämtlicher "Agnaten" erforderlich, d. h. der lehnsfolgefähigen Seitenverwandten des Vasallen, welche mit ihm zusammen von dem ersten Empfänger des Lehens (primus acquirens) abstammen. Nicht als Lehnsveräußerung wird es aufgefasst, wenn der Vasall das Lehen einem andern zum Afterlehen gibt (subinfeudatio); denn der Lehnsherr tritt zu dem Aftervasallen in keine Beziehung. Ebensowenig aber, wieder Vasall das Lehen unter Lebenden veräußern darf, kann derselbe letztwillig darüber verfügen. Diese vasallitischen Rechte und Pflichten können durch Stellvertreter (Lehnssubstituten, Lehnsbevollmächtigte) ausgeübt werden. Haben diese Vertreter ein Recht ansderartige Stellvertretung, so wird das Verhältnis als pro-Vassallagium und der Vertreter als Lehnsträger (pro Vasallus) bezeichnet. Solche Lehnsträger kamen namentlich dann vor, wenn juristische Personen, wie z. B. Gemeinden, oder wenn Frauen beliehen worden waren, oder wenn für minderjährige Vasallen außer dem Allodialvormund ein besonderer Lehnsvormund bestellt wurde, welcher die aus der persönlichen Seite des Lehnsverhältnisses hervorgehenden Rechte und Verbindlichkeiten des minderjährigen Vasallen wahrzunehmen hatte. Der Eintritt eines. neuen Vasallen in ein bereits bestehendes Lehen heißt Lehnsfolge (Lehnssuccession). Solange ein Lehen sich in der Hand des ersten Empfängers befindet, wird es Neulehen (feudum novum) genannt, während das in dem Besitz eines Deszendenten befindliche Lehen als Alt- oder Stammlehen (feudum antiquum, paternum) bezeichnet wird. Das Lehnsfolgerecht kommt nur den leiblichen, ehelichen Nachkommen des ersten Belehnten, also nicht den Adoptivkindern oder unehelichen, auch nicht den in morganatischer Ehe erzeugten Kindern zu. Bedingt ist das Lehnsfolgerecht zudem durch die Lehnsfolgetätigkeit, daher Weiber nicht in ein Lehen succedieren können, es sei denn, dass dasselbe als Weiberlehen (Kunkellehen, feudum femininum) errichtet worden sei. Anlangend die Lehnsfolgeordnung, so werden zunächst die unmittelbaren Nachkommen des verstorbenen Vasallen, die Deszendenten, also die Söhne und Enkel des letztere, zur Erbfolge gerufen. Die Söhne vorverstorbener Söhne treten an die Stelle ihrer Väter (sogen. Repräsentationsrecht), indem sie nach Stämmen succedieren. Sind keine Deszendenten vorhanden, so kommen die agnatischen Seitenverwandten des Erblassers an die Reihe, aber immer nur diejenigen, welche mit dem Erblasser zusammen von dem ersten Empfänger des Lehens abstammen. Nach der herrschenden Lehre entscheidet dabei zunächst die Nähe der Linie oder der Parentel. Unter dieser sind alle diejenigen verstanden, welche durch den nächsten gemeinsamen Stammvater verbunden sind. Innerhalb der Linie aber entscheidet dann die Gradesnähe (sogen. Lineal- und Gradualerbfolge), jedoch mit der römischrechtlichen Modifikation, dass die Söhne von vollbürtigen vorverstorbenen Brüdern des letzten Vasallen mit ihren Oheimen, den noch lebenden Brüdern des Erblassers, zusammen vermöge des Repräsentationsrechts zur Erbschaft gerufen werden. Werden bei dem Tod eines Vasallen verschiedene Personen zur Lehns- und zur Allodialerbfolge berufen, so muss eine sogen. Lehnssonderung, d. h. eine Ausscheidung des Lehnsguts von dem Allodialvermögen, vorgenommen werden. Schulden des Vasallen ergreifen das Lehen nur dann, wenn sie Lehnsschulden. sind. Als solche gelten die Ansprüche der an und für sich zur Lehnssolge berufenen, aber wegen Gebrechlichkeit davon ausgeschlossenen Personen auf die Verabreichung von Alimenten. Partikularrechtlich gehören auch die Verpflichtung zur Alimentation und Ausstattung von Töchtern früherer Vasallen, die Pflicht zur Auszahlung des Leibgedinges oder Wittums an die Witwe des verstorbenen Vasallen und die Verbindlichkeit zur Zahlung der Begräbniskosten und der Kosten der letzten Krankheit desselben zu den Lehnsschulden. Auch die durch eine sogen. Lehnsverbesserung, d. h. durch einen von dritten, hierzu nicht verpflichteten Personen in das Lehen gemachten Aufwand, begründete Schuld gilt als Lehnsschuld. Auch pflegt man hier gewöhnlich noch die sogen. konsentierten Lehnsschulden mit aufzuführen, d. h. diejenigen, welche mit Zustimmung sämtlicher Lehnsinteressenten auf das. Lehnsaut gelegt werden. Die Abfindung eines an sich Lehnssolgeberechtigten und die Verpachtung zur Zahlung einer Absindungssumme begründen ebenfalls eine Lehnsschuld, welche allerdings nur diejenigen belastet, die durch jene Abfindung gewonnen haben (sogen. respektive Lehnsschuld). Die Abfindungssumme selbst ist aber an und für sich durchaus allodialer Natur; doch wird nicht selten verabredet, dass dieselbe als sogen. Lehnsstamm (constitutum feudale) auf dem Gut haften und in Ansehung der erbrechtlichen Verhältnisse nach Lehnrecht behandelt werden soll.

Beendigung des Lehensverhältnisses

Eine Beendigung des Lehnsverhältnisses wird durch den Untergang der Sache, durch gültige Veräußerung derselben zum Allod und durch Ersitzung des Eigentums an dieser Sache durch einen Dritten herbeigeführt. Außerdem wird der Lehnsnexus zwischen zwei Personen durch den Heimfall (Inkorporation, Inkameration, Konsolidation) des Lehens ausgehoben, d. h. dadurch, dass das nutzbare Eigentum des Vasallen wieder mit dem Obereigentum des Lehnsherrn vereinigt wird, dieser also wieder volles Eigentumsrecht erhält. Die Veranlassung dazu kann eine Felonie des Vasallen oder eine sogen. Quasi-Felonie, d. h. ein schweres Verbrechen desselben, sein. Auch wird eine solche Konsolidation durch das Absterben aller Deszendenten des ersten Vasallen und der etwaigen Mitbelehnten, durch die Auflösung einer beliehenen juristischen Person, durch Ersitzung des nutzbaren Eigentums durch den Lehnsherrn, durch Verzicht (Refutation) des Vasallen auf das Lehen und durch Veräußerung des Lehens seitens des Vasallen an den Lehnsherrn bewirkt. Geht dagegen das Obereigentum des Lehnsherrn auf den Vasallen über, so dass dieser nunmehr das volle Eigentum erwirbt, so spricht man von einer Appropriation des Lehens, welch letztere bei einer Felonie des Lehnsherrn und infolge einer Ersitzung des Eigentums durch den Vasallen, hauptsächlich aber durch Allodifikation, d. h. durch Übertragung des vollen Eigentums auf den Vasallen, eintritt.