Gagausien (Eigenbezeichnung Gagauz-Yeri, Gagaoğuzya, Gagauziya oder Gagauzistan) ist ein zu Moldawien gehörendes autonomes Gebiet mit eigener Regierung. Die offizielle Bezeichnung ist Autonome territoriale Einheit Gagausien (Moldauisch Unitate teritorială autonomă Găgăuzia, kurz UTA Găgăuzia).
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Amtssprachen | Gagausisch, Moldauisch (Rumänisch) und Russisch | |||||||
Hauptstadt | Comrat | |||||||
Regierungsform | Republik, Autonomieabkommen mit Moldawien | |||||||
Premierminister | Georgi Tabunşcik | |||||||
Fläche | 1.832 km² | |||||||
Einwohnerzahl | 155.700 (2005) ¹ | |||||||
Bevölkerungsdichte | 85 Einwohner pro km² | |||||||
Gründung | 23. April 1994 | |||||||
Nationalhymne | Gagauziya Milli Marşı | |||||||
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Geographie
Gagausien hat eine Fläche von 1.832 km² und liegt im Süden Moldawiens. Es besteht aus dem Kerngebiet um die Hauptstadt Comrat samt dem südöstlich angrenzenden Ceadîr Lunga, einer "Insel" um die Stadt Vulcăneşti im äußersten Süden sowie zwei weiteren Enklaven, den Dörfern Copceac und Carbolia.
Bevölkerung
Insgesamt leben 155.700 Menschen in Gagausien (Schätzung 2005 [1]) davon leben 23.500 in der Stadt Comrat. Mit 97.400 Menschen lebt jedoch die Mehrzahl der Einwohner auf dem Land. Der Verstädterungsgrad beträgt 40 %.
Ethnien
Die Bevölkerung setzt sich zusammen aus:
Heute bildet Gagausien das kulturelle, wirtschaftliche und politische Zentrum des Turkvolks der Gagausen.
Religionen
An Religionen sind am stärksten vertreten die Gagausisch-Orthodoxe, Moldauisch-Orthodoxe, die Ukrainisch-Orthodoxe und die Russisch-Orthodoxe Kirche (siehe Orthodoxe Kirchen).
Sprachen
Am weitesten verbreitet ist die Gagausische Sprache, eine mit dem Türkischen eng verwandte oghusisch-türkische Sprache. Sie wird sowohl als türkischer Dialekt als auch eine eigenständige Sprache klassifiziert. Gagausisch ist offizielle Amts- und Verkehrssprache; daneben zählen Moldauisch und Russisch als gleichberechtigte Amtssprachen.
Geschichte
Im 11. Jahrhundert kamen Teile der türkischen Stämme der Oghusen und Petschenegen sowie anderer alttürkischer Stämme vom Altai über das Schwarze Meer auf den Balkan. Im 12. Jahrhundert gründeten die Gagausen ein Land mit dem Herrscher Balik Bey. Nach seinem Tode übernahm 1386 Yanko (Ivanko) die Führung. 1417 kam der Balkan unter osmanische Herrschaft, 1484 auch der bessarabische Budschak einschließlich Gagausiens. Durch den Druck der Bulgaren zogen die Gagausen 1750 nach Russland ab. Später, in den Jahren 1769–1791, zog es sie vermehrt zur Donau. 1801–1820 wanderten sie schließlich nach Bessarabien aus. 1906 riefen sie im heutigen Siedlungsgebiet die Republik Komrat aus, welche nur 15 Tage alt wurde. Insgesamt lebten die Gagausen ca. 300 Jahre unter osmanischer und viele Jahre unter russischer, rumänischer und moldawischer Herrschaft. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Gründung der Moldauischen Sozialistischen Sowjetrepublik, lebten 80 Prozent der Gagausen in diesem Gebiet, 20 Prozent lebten in Bulgarien und in der Ukraine.
Nach dem Vorbild der Transnistrischen Moldauischen Republik riefen die Gagausen am 19. August 1990 eine eigenständige sozialistische Republik aus und führten gegen den Willen der moldauischen Führung Parlamentswahlen durch, um sich so gegen deren «Rumänisierungspolitik» zu wehren. Vorsitzender des Obersten Sowjets Gagausiens wurde Stepan Topal, welcher von 1991 bis 1994 Premierminister der nicht anerkannten 'Gagausischen Sozialistischen Republik' war. Ebenso wie bei den bewaffneten Zusammenstößen in Transnistrien mit etlichen Toten, kam es in Gagausien beinahe zu ähnlichen Ausschreitungen. Ein Umschlagen in Gewalt konnte aber noch rechtzeitig verhindert werden. Am 23. Dezember 1994 stimmte die Moldawische Regierung den friedlichen Bestrebungen einer Territorialautonomie der Gagausen zu und erkennt seitdem die Autonome territoriale Einheit Gagausien (Moldauisch Unitate teritorială autonomă Găgăuzia, kurz UTA Găgăuzia) als ein autonomes Gebiet innerhalb Moldawiens an. Im selben Jahr trat Gagausien der UNPO bei, einer Organisation der von der UNO nicht anerkannten Staaten.
Premierminister
- 1996–1999 Georgi Tabunscik
- 1999–2002 Dimitry Kroytor
- 2002–2003 Georgi Tabunscik
- seit 2003 Mihail Kendigelen
Politik und Verwaltung
Die Autonomie Gagausiens ist in der Moldauischen Verfassung fest verankert. Diese räumt ihnen unter anderem das Recht auf eine eigene Verwaltung und ein eigenständiges Bildungssystem ein sowie die Anerkennung ihrer Sprache als Amtssprache. Sollte Moldawien den Status eines unabhängigen Staats verlieren, wird Gagausien nach der Verfassung unabhängig.
Die Legislative ist das Parlament, "halk topluşu" (Volksversammlung) genannt. Seit 1998 existiert eine demokratische Verfassung. Regiert wird Gagausien von einem für vier Jahre direkt gewählten Premierminister. Bei den letzten Wahlen ging Mihail Formusal, Bürgermeister von Ciadîr Lunga, als Sieger hervor. Er erhielt in der Stichwahl gegen den Bürgermeister von Comrat, Nicolai Dudoglo, 57 % der Wählerstimmen.
Gagausien hat eine eigene Polizei, welche dem Innenministerium untersteht.
Administrativ ist Gagausien in 3 Städte (Comrat, Ciadîr Lunga und Vulcăneşti) und 29 Dörfer gegliedert:
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Wirtschaft
Wirtschaftliche Grundlage Gagausiens bildet die Landwirtschaft, wobei neben Ackerbau und Viehzucht vor allem der Weinbau und die Fischzucht eine wichtige Rolle spielen. In Gagausien werden überwiegend Konservendosen, Wein, Fruchtgetränke, Fleischprodukte, Getreideprodukte, tierische und pflanzliche Öle hergestellt. Exportiert werden alkoholische Getränke wie Wein, Fruchtsäfte, Sonnenblumenöl, Marmelade, Baumwolle, Leder, Nutz- und Zuchttiere sowie Textilien. Von insgesamt 1.832 km² Gesamtfläche werden 148 ha landwirtschaftlich genutzt. Für den Weinbau von großer Bedeutung sind die 12 Trauben-Fabriken. Sie verarbeiten jährlich 400.000 Tonnen Weintrauben. Neben den Trauben-Fabriken gibt es noch eine Fleisch-Fabrik, 2 Öl-Fabriken, eine Tabak-Fabrik, 2 Teppich-Fabriken und weitere Fruchtsaft-Produktionsstätten.
Infrastruktur
Das Straßennetz ist 451,5 km lang, davon sind 220 km Landstraßen und 86 % asphaltiert. 18 % der Stadtbevölkerung haben ein Telefon, während es in den Dörfern nur 8,5 % sind. Die Türkei hatte Moldawien 35 Millionen US-Dollar Kredit gewährt, um die Infrastruktur in Gagausien zu verbessern und umzustrukturieren. Lediglich 15 Millionen Dollar wurden von der Moldauischen Regierung dem Autonomiegebiet gewährt.
Bildung und Kultur
In Gagausien gibt es insgesamt 55 Schulen. Manche sind in Form von Schulzentren und Gesamtschulen organisiert. Die einzige Universität ist die Comrat-Universität, die finanziell von der Türkei unterstützt wird. Die von der Comrat-TIKA (Türk İşbirliği Ve Kalkınma İdaresi Başkanlığı) in Form eines Kulturzentrums gegründete 'Atatürk Bibliothek' (Atatürk Kütüphanesi) stellt das größte freie Informationszentrum von Gagausien dar. Im gagausischem Dorf Beşelma ("Fünf-Äpfel") befindet sich das Nationale Museum für Gagausische Geschichte und Ethnographie, welches von Dimitri Karacoban gegründet wurde. Neben den zahlreichen Schulbibliotheken existieren 45 andere Bibliotheken.
Medien
Die bekanntesten Magazine sind Sabaa Yıldızı und Üç aylık jurnal. In nahezu Dörfern Gagausiens kann man Radio auf gagausisch hören und manchmal auch TRT-FM-Programme, welche an bestimmten Zeiten im Wechsel mit dem gagausischen Radiosender ausgestrahlt werden. Eine der wichtigsten Zeitungen ist die Gagaoğuzya Haberleri ("Gagaoghusien-Nachrichten").
Die gagausische Nationalhymne
GAGAUZIYA MİLLİ MARŞI (gagausisch im türkischen Lateinalphabet) Geldi vakit, bayraa kaldır, |
DIE NATIONALHYMNE GAGAUSIENS (deutsch) Die Zeit ist gekommen, halte die Flagge hoch, |
Weblinks
- Gagauz Televizionu - das gagausische Fernsehen
- Nachrichten aus Gagausien im türkischen Latein-Alphabet
- Musik aus Gagausien
- Stefan Troebst: Vorbild zur Regelung ethnopolitischer Konflikte? Die Autonomieregelung für Gagausien in der Republik Moldova (Juni 2001)
- Jacques Leclerc: L'aménagement linguistique dans le monde: Gagaouzie (Nov. 2006, zur demographischen und sprachlichen Situation)
- European Centre for Minority Issues: Moldova
- TACIS Projekt zur Effektivierung der Abfallwirtschaft