Phokas

Kaiser von Byzanz von 602 bis 610
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Phokas war von 602 bis 610 Kaiser des Byzantinischen Reiches. Er wurde nach 547 in Thrakien geboren. Der Usurpator übte eine auch für damalige Verhältnisse einmalige Terrorherrschaft aus.

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Münzbild von Phokas

Machtergreifung

Phokas war Centurio im kaiserlichen Heer, als der Feldherr Komentiolos eine Schlacht gegen die Awaren am Donauufer verlor und, seine Soldaten im Stich lassend, nach Konstantinopel floh. Zahlreiche Soldaten gerieten in Gefangenschaft, aus der sie loszukaufen Konstantinopel keine Anstalten machte, obwohl der Chagan der Awaren das Lösegeld eigens herabsetzte. Eine Abordnung der Soldaten führte beim Kaiser Maurikios gegen den Feldherrn Klage und forderte seine Abberufung. Der Kaiser aber stützte Komentiolos. Das Gerücht, man habe sie verraten, wurde dadurch unter den Soldaten noch virulenter.

Im Winter 602 wurden die Soldaten bestimmt, im Awarenland am Donauufer zu überwintern. Das Heer war der festen Meinung, daß es sich hierbei um Vorkehrungen handle, es erneut an die Barbaren auszuliefern, und verweigerte den Gehorsam. Die Soldaten ernannten Phokas, der sie durch aufpeitschende Reden unermüdlich gegen den Kaiser zur Rebellion gereizt hatte, zum "Exarchen". Die thrakische Armee wandte sich gegen Konstantinopel. In der Hauptstadt erhob sich die Stadionpartei der Grünen gegen den wenig populären Maurikios, und der Kaiser floh auf eine Insel vor Chalkedon, während Phokas, dem die Grünen die Tore öffneten, in Konstantinopel einrückte. Phokas ließ, nachdem er sich durch Akklamation zum Kaiser hatte krönen lassen, Maurikios und seine Söhne ergreifen und umbringen, um seine Macht zu festigen.

Herrschaft

Phokas, ein ungebildeter Prolet, der im Heiligen Palast sich Völlereien, Trinkgelagen und Schändlichkeiten jeder Art hingab, war der einzige römische Kaiser, der jeglicher Vorbereitung auf den Thron ermangeln ließ. Binnen kurzer Zeit hatte er, der keine Ahnung von den Pflichten eines Kaisers oder von staats- und kirchenrechtlichen Zusammenhängen hatte und sich auch nicht anstrengte, ihnen gerecht zu werden, jeglichen Realitätssinn verloren und glaubte sich von Gott auserwählt. Phokas hat in seinem pathologischen Mißtrauen große Teile der Elite von Byzanz ausrotten lassen und auf diese Weise dem byzantinischen Reich nicht wieder gutzumachenden Schaden zugefügt.

Selbst die Grünen, die Partei, die Phokas auf den Thron verholfen hatte, wurden Opfer des Terrors, als Phokas sie (nicht ohne Grund) verdächtigte, gegen ihn zu konspirieren, nachdem sie als Schergen des Kaisers die andere Stadionpartei, die Blauen, nach Kräften zu dezimieren geholfen hatten. Denn Phokas verbündete sich bald mit den Blauen, da selbst er einsah, daß er ohne die Sympathie der orthodoxen und konservativen Kreise nicht lange würde regieren können. Stadtpräfekt von Konstantinopel wurde der Demarchos der Blauen, womit die Grünen erbitterte Feinde des Kaisers wurden und das Reich in einen in zahlreichen Städten ausgetragenen Bürgerkrieg stürzten, über den Phokas bald jede Kontrolle verlor. Wenn Byzanz unter diesem Chaos nicht bereits in diesen Jahren zusammenbrach, so nur, weil der Staat noch immer durch römische Verwaltung getragen wurde. Eine Ausnahme bildeten nur die Exarchate Ravenna und Karthago.

Aufruhr im Reich, Einfall der Perser

Alsbald nach Maurikios' Tod nahmen die Awaren die Feindseligkeiten wieder auf und verwüsteten Thrakien, während im Osten Rebellen aufstanden. Ein Herd der Rebellion war Armenien, wo der Feldherr Narses sich an die Spitze des Aufruhrs gesetzt hatte und Edessa einnahm. Phokas entsandte gegen Syrien, das sich ebenfalls empört hatte, den Feldherrn Bonosos, der in Antiochia und Jerusalem die Rebellion niederschlug.

Als Chosrau II., der Großkönig von Persien, von dem Thronwechsel hörte, erklärte er Phokas den Krieg, um, wie er sagte, Byzanz von dem Usurpator zu befreien; zu diesem Zweck entsetzte er Edessa, das vom kaiserlichen Heer schon belagert wurde, und verbündete sich mit Narses. Sehr bald schlug der angeblich freundschaftliche Beistand Chosraus, der mit tatkräftiger Hilfe seines Adoptivvaters Maurikios auf den Thron gelangt war, in einen Eroberungskrieg gegen Byzanz um. Mesopotamien, Armenien und größere Teile Kleinasiens fielen in Chosraus Hände.

Unter Phokas' Herrschaft drangen die Slawen, vornehmlich über die von Truppen entblößte Donaugrenze, in den Balkan und nach Griechenland ein.

Papst und Kaiser

Phokas begann schon bald nach seiner Machtergreifung einzusehen, daß er angesichts seiner prekären Lage inmitten des Chaos wenig Auswahl an Bundesgenossen hatte und vor allem sich nicht auch noch den Papst zum Feind machen durfte. So schlug er - im Gegensatz zur Politik seines Vorgängers, der in Italien gegen die Langobarden Krieg geführt und hierbei wie auch in anderer, zumal politischer Beziehung auf den Papst wenig Rücksicht genommen hatte - einen vorbehaltlos papsttreuen Kurs ein. Dies bedeutete Waffenstillstand mit den Langobarden und damit für alle Zeiten den Verlust Italiens für das Reich mit Ausnahme des Exarchats Ravenna, das sich noch bis 751 halten konnte. Hatten unter Maurikios die Einwohner Italiens unter den ewigen Kämpfen nur grausam gelitten, gratulierte jetzt Papst Gregor I. dem Friedensstifter mit einem "Gloria in excelsis Deo" zu seinem "Sieg" über den verhaßten Maurikios, obwohl er darum gewußt haben mußte, auf welche Weise Phokas den Thron errungen hatte. Dem Papst, dessen Lage durch die ihn von allen Seiten bedrängenden Langobarden immer schwieriger geworden war, wog dies jedoch leicht gegen den bitter nötigen Frieden in Italien. Allerdings stellte sich heraus, daß der 603 geschlossene zweijährige Waffenstillstand nicht länger als eben für den Zeitraum hielt, für welchen er geschlossen war. Durch Maurikios nicht länger gehindert, bemächtigte Agilulf sich vom Jahr 605 an endgültig der italienischen Halbinsel. Phokas war froh, Ravenna zu halten, und setzte Agilulfs Vormarsch keinen besonderen Widerstand entgegen. Und im Jahr 610, als der Tyrann stürzte, war es schließlich zu spät, der langobardischen Macht noch Grenzen zu setzen.

Phokas schenkte Papst Bonifatius IV. im Jahre 608 das Pantheon in Rom, der es 609 zur Kirche weihte. Phokas wird von der Nachwelt gemeinhin das Verdienst angerechnet, dass der Bau nur dank dieser Schenkung erhalten geblieben sei. Nachdem Phokas im Jahr 607 ein Gesetz erließ, wonach er die Würde des Ökumenischen Patriarchen dem Patriarchen von Konstantinopel nahm, dem Papst übertrug und damit die Rechte Roms auf den Primat der gesamten Kirche anerkannte, wurde mit der Phokas-Säule 608 das letzte Bauwerk auf dem Forum Romanum errichtet "zur Erinnerung an die unzähligen Wohltaten des Kaisers, weil er Italien wieder den Frieden gegeben und die Freiheit verteidigt hat". Sie trug eine goldene Statue des Kaisers. Erst jetzt, durch das kaiserliche Gesetz, traten die Gegensätze zwischen dem Patriarchen von Konstantinopel und Rom auf kirchenrechtlicher Ebene in ernstzunehmender Weise auf, und das Verhältnis beider Kirchenfürsten bewegte sich durch die Jahrhunderte auf das Schisma des Jahres 1054 zu.

Revolution. Tod des Phokas

Die Opposition in Konstantinopel gelang es trotz des regelrechten Polizeistaats, den der Despot zu seinem Schutz aufgebaut hatte, sich mit Herakleios, dem Exarchen von Kathago und Vater des späteren gleichnamigen Kaisers, auf eine Verschwörung zu verständigen.

Herakleios der Ältere zog los und eroberte Alexandria. Als Afrika und Ägypten gesichert waren, zog sein Sohn, Herakleios der Jüngere, von Karthago mit der Flotte gegen Konstantinopel aus. Bereits als die Masten der Flotte auf dem Marmarameer sichtbar wurden, brach in Konstantinopel die Revolution aus. Die Empörer drangen in den Heiligen Palast ein und schleppten Phokas auf das Admiralsschiff vor Herakleios. Als dieser den um sein Leben zitternden Phokas vor sich sah, fragte er ihn erstaunt: "Du hast das Reich regiert?" Phokas antwortete ihm: "Wirst Du es besser machen?" Heraklios ließ dem Usurpator die Geschlechtsteile abschneiden, seine Haut durch des Tyrannen eigene Schinder bis zu den Beinen abreißen, seine Leiche auf dem Ochsenforum verbrennen und seine Asche samt der Asche zweier seiner Spießgesellen ins Meer streuen.

Historische Wirkung des Phokas

Phokas' Herrschaft ist eine deutliche Zäsur in der Geschichte des oströmischen Reichs. Der Gewaltherrscher hat in vieler Hinsicht in Byzanz die Spätantike (die sich hier länger gehalten hatte als irgendwo sonst) beendet und das Frühmittelalter beginnen lassen, und der Weltgeschichte eine andere Richtung gegeben, indem während seiner Herrschaft, die in eine Zeit des Umbruchs fiel, Byzanz als Ordnungsmacht vorübergehend ausfiel. So hat Phokas weniger durch Taten als vielmehr einerseits durch Unterlassen und Treibenlassen, andererseits durch Vernichtung und Zerstörung gewirkt.

Er überließ Italien den Langobarden, den Balkan den Slawen und schwächte unmittelbar vor der Zeit des Arabersturms das Reich durch den persischen Angriff, dem er keinen Einhalt gebot und der die schwerste Hypothek für seinen Überwinder und Nachfolger wurde. Er säte weitere Zwietracht zwischen dem Patriarchen von Konstantinopel und dem von Rom.

In Byzanz selbst hatte er fast die gesamte Elite auf dem Gewissen: die antike Gesellschaft von Konstantinopel war dahin, und Phokas' Nachfolger setzte den Staat mit der Themenverfassung auf neue Füße. Auch war Phokas der letzte Kaiser des Titels Augustus Imperator; sein Nachfolger änderte den Titel im Zuge der Reorganisierung des Reichs in Basileios, um dem griechischen Charakter des Reichs gerecht zu werden, wenngleich damit keine Aufgabe der Rechtsnachfolgerschaft der antiken römischen Kaiser verbunden war. Es erscheint daher nur folgerichtig, daß eigenartigerweise gerade ihm, Phokas, das letzte Bauwerk auf dem antiken Forum Romanum gewidmet wurde.

Auch für die heutigen Archäologen ist er in gewisser Weise eine Wendemarke: da er offenbar den Bart wieder in Mode brachte, werden seit seiner Zeit die Abbildungen, nicht zuletzt die von Christus, mit Bärten ausgeführt, was die Datierung erleichtert. Waren fast alle Kaiser vor ihm nach römischer Art glattrasiert (mit Ausnahme der Kaiser, welche wie Marc Aurel und Julian Apostata sich einen Philosophenbart stehen ließen), so trugen sie nach Phokas (der ihn angeblich wachsen ließ, um eine Narbe zu verbergen) fast alle einen Bart.

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Vorgänger:
Maurikios

Liste der byzantinischen Kaiser

Nachfolger:
Herakleios