Nationalanarchismus

marginale ideologische Strömung, die Nationalismus und Anarchismus verbinden will
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Der Nationalanarchismus ist eine rechtsextremistische Querfrontstrategie, die Nationalismus und Anarchismus verbinden will.

Deutschland seit den 1990ern

In Deutschland propagiert der Berliner Rechtsextremist Peter Töpfer seit etwa 1998 eine „nationale Anarchie“ als politisches Ziel [1] und verfasste ein nationalanarchistisches Manifest dazu.[2] Im Internet erschien regelmäßig Töpfers Zeitschrift AUTO: -chthon & -nom, die sich als „ultralinken Flügel im nationalen Widerstand“ verstand.[3] Nationalanarchisten verstehen sich selbst als antidogmatisch. [4]

Töpfer gab seit 1995 mit Andreas Röhler das Magazin „Sleipnir“ im rechtsextremen Verlag der Freunde heraus, das u.a. Artikel von Holocaustleugnern wie Fred Leuchter, Gerd Honsik und Germar Rudolf veröffentlichte. Verschiedene Ausgaben der Zeitung wurden „aufgrund volksverhetzender und den Holocaust leugnender Ausführungen“ beschlagnahmt.[5] Nachdrucke von Artikeln linksliberaler und jüdischer Autoren – darunter Ralph Giordano und Hans Magnus Enzensberger - ohne deren Wissen und Einverständnis führten zu erfolgreichen Prozessen gegen die Blattmacher.

Im September 1998 tauchte Töpfer auf einer NPD-Demonstration in Rostock erstmals mit einer schwarzroten Fahne – der Farbensymbolik von linken Anarchisten – auf und propagierte einen anarchistischen Flügel des „nationalen Widerstands“. Dies stieß auf Ablehnung bei den Veranstaltern, vor allem bei Mitgliedern von „Freien Kameradschaften“. Seither versucht Töpfer seine politischen Ideen auch über eine eigene Homepage im Internet zu verbreiten. Ein dort abgedruckter Briefwechsel mit dem libertären Journalisten Egon Günther dokumentiert, dass auch Anarchisten Töpfers Begriffsverwendung ablehnen. Er wirbt weiterhin vor allem im Lager der Rechtsextremisten für ein strategisches Bündnis mit „deutschen Anarchisten“ und unterstützt dazu aktiv rechtskräftig verurteilte Holocaustleugner wie Horst Mahler und Neonazis wie Christian Worch.[6]

Peter Töpfer organisierte mehrere so genannte "Querfront-Treffen", für die er im Internet wirbt und an denen auch Karl Nagel, ehemaliger Kanzlerkandidat der Anarchistischen Pogo-Partei Deutschlands, beteiligt war.[7] Bei einem "Querfront-Treffen" im August 2001 wurde Töpfer verhaftet und das Treffen polizeilich aufgelöst. [8]

Töpfer und seine Anhänger bezeichnen ihre Ideologie als „anarchistischen Nationalismus“ und sich selbst als „Nationalanarchisten“, „anarchistische Nationalsozialisten“ oder „autonome Nazi-Anarchos“.

Töpfers Auffassungen erklärt er auf seiner Homepage unter der Rubrik „AAARGH International. Deutsche Selektion“ wie folgt:[9]

Was ist Revisionismus und warum eignet die nationale Anarchie sich ihn an? ... Revisionismus, wie wir ihn verstehen, heißt [...] Kampf um totale Gedanken- und Meinungsfreiheit, gleich, ob es um Schuld, Geschichte... was auch immer geht: Freiheit als Selbstzweck, Freiheit um der Freiheit willen, Freiheit als Genuss. ... Wenn der Revisionismus verteufelt wird, liegt es daran, dass er ins Herz der Ideologie der heute Herrschenden stößt, und Herrschaft heißt immer Freiheitsberaubung.

In dieser Haltung steckt Fremdenfeindlichkeit:

Ich als Anarchist brauche überhaupt keine Rechtfertigung. Ich nehme mir, was ich will, und frage niemanden danach. Und ich ... entscheide ganz einfach und souverän, u.a. dass ich unter meinesgleichen leben möchte. ... Ich habe keinen Bock auf ‘Asylanten’ aus aller Herren Länder: So einfach ist das.

Diese Haltung verbindet „Nationalanarchisten“ mit manchen Neonazis, die bei Demonstrationen nach dem Vorbild von Autonomen einen gemeinsamen „schwarzen Block“ bilden und sich meist „autonome Nationalisten“ nennen. Von Autonomen bekannte Symbole (Schwarz-rote Fahnen, entsprechende Kleidung, Palästinensertuch) und Jargon werden übernommen und oft mit neonazistischer Symbolik vermischt.[10]

Töpfer arbeitet auch eng mit Michael Koth vom „Kampfbund Deutscher Sozialisten (KDS)“ zusammen, einer Querfrontorganisation aus dem Umfeld der NPD und extremen Rechten. Gemeinsame Aktivitäten firmierten unter der Bezeichnung Bündnis nationale Linke im nationalen Widerstand und AG Antifaschismus im nationalen Widerstand.[11] Koth war Vorsitzender von 1995 bis 1998 bestehenden Partei der Arbeit Deutschlands (PdAD), einer sich positiv auf die nordkoreanischen PdAK beziehenden Splittergruppe. [12]

Andere Länder

In anderen Ländern vertreten Troy Southgate (Vereinigtes Königreich)[13], Hans Cany (Frankreich) und Tim Mudde (Niederlande) ähnliche Anschauungen.

Kritik

Anarchismus und Nationalismus sind im 19. Jahrhundert als einander ausschließende Weltanschauungen entstanden. Denn die anarchistischen Prinzipien Egalitarismus, Ablehnung von Herrschaft und Zwang setzen die prinzipielle Gleichheit der Individuen voraus und richteten sich daher gegen Ideologien, mit denen die ethnische Homogenisierung und der Ausschluss bestimmter Menschengruppen begründet werden. Ebenso wendet sich der Anarchismus gegen Nationalismus. [14] Dort, wo anarchistische Bewegungen politischen Einfluss gewannen, wandten sie sich entschieden gegen Faschismus und Rassismus, z. B. im Spanischen Bürgerkrieg 1936.

Deswegen kritisieren Beobachter wie Ralf Fischer, dass Nationalanarchisten ihre Ideologie als Unterströmung des Anarchismus ausgeben. Die nationale Anarchie deute die Anarchie zur Befreiung von Multikulturalität um. Der Nationalanarchismus sei in Wirklichkeit eine Spielart von Rassismus. Es handele sich dabei größtenteils um ein Internet-Phänomen. Vertreter der Strömung seien bereits vorher als Rechtsextreme aufgefallen.[15]


Einzelbelege

  1. Peter Töpfer: Negative Identifizierung. Warum Nationalisten nichts mit Nation, Anarchisten nichts mit Anarchie zu tun haben, Nationalanarchen aber Vertreter der rationalen Kerne beider Lehren sind
  2. Peter Töpfer: Manifest der Nationalen Anarchie
  3. http://www.nationalanarchismus.org/Nationalanarchismus/nationalanarchismus.html
  4. http://www.freewebs.com/naholstein/ Nationale Anarchisten Holstein
  5. Innenministerium NRW: Sleipnir - Zeitschrift für Kultur, Geschichte und Politik
  6. Peter Nowak: „Schwarzrote Fahne“, in: Blick nach Rechts 25/1999
  7. Peter Töpfer "Letzter Hort des Liberalismus oder Morgenleuchten? – Die Zeitschrift eigentümlich frei" in: AUTO. Nr. 24, 4. April 2006, Peter Töpfer rezensiert hier ausführlich die Zeitschrift und begründet die ideologische Nähe und die gemeinsamen Querfront-Aktivitäten
  8. Amtsgericht Rotenburg a. d. Fulda. Aktenzeichen: 53a GS 36/01, Angaben nach Peter Töper. Auto Nr. 8 10/2001 "Querfront-Treffen von Polizei zerschlagen!
  9. Peter Töpfer auf nationalanarchismus.org, Rubrik AAARGH International
  10. Embleme und Logos extrem rechter Organisationen, in: Agentur für soziale Perspektiven e.V. (Hrsg.): Versteckspiel. Lifestyl, Symbole und Codes von neonazistischen und extrem rechten Gruppen, Berlin 2002, S. 10f
  11. Stressfaktor, Februar 2005
  12. Jungle World v. 10. März 1999
  13. Troy Southgate
  14. Are anarchists opposed to National Liberation struggles? in An Anarchist FAQ
  15. Ralf Fischer: Nationaler Anarchismus? Anarchismus von Rechts! (pdf)

Literatur