Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) ist die rechtliche und politische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und damit die Verfassung des deutschen Staates. Ursprünglich 1949 nur für die westlichen Besatzungszonen und daher nicht als dauerhafte und endgültige Verfassung gedacht (und deshalb auch nicht so bezeichnet), ist das "Grundgesetz" durch die deutsche Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 de facto die Verfassung des Deutschen Volkes geworden (vgl. die Präambel). Bis heute erfolgte keine Volksabstimmung über die Geltung des Grundgesetzes (vgl. Art. 146 GG).
Basisdaten | |
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Kurztitel: | Grundgesetz |
Voller Titel: | Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland |
Typ: | Grundgesetz |
Rechtsmaterie: | Verfassungsrecht |
Gültigkeitsbereich: | Bundesrepublik Deutschland |
Abkürzung: | GG |
FNA: | 100-1 |
Verkündungstag: | 23. Mai 1949 (BGBl. I 1949, S. 1) |
Aktuelle Fassung: | 1. August 2002 (BGBl. I 2002, S. 2863) |
Entstehungsgeschichte
Die Initiative zur Verfassungsgebung geht auf die Beschlüsse der Westalliierten auf der Londoner Sechs-Mächte-Konferenz zurück, die im Februar/ März 1948 stattfand. Wegen des beginnenden Kalten Krieges tagten die Siegermächte erstmals ohne die Sowjetunion und berieten über ihr weiteres Vorgehen in der Deutschlandpolitik. Im Juli 1948 übergaben die westlichen Militärgouverneure den deutschen Ministerpräsidenten die so genannten Frankfurter Dokumente. Das erste Dokument enthielt die Aufforderung, eine verfassunggebende Versammlung einzuberufen.
Die Ministerpräsidenten und die breite Öffentlichkeit sahen das Dokument als Zementierung der deutschen Teilung an.
Doch schon im August 1948 trat auf Druck der Alliierten ein Verfassungskonvent in Herrenchiemsee zusammen, der die Grundzüge der neuen Verfassung ausarbeiten sollte. Als Beratungsorgan wurde der aus 65 Mitgliedern, davon vier Frauen, bestehende Parlamentarische Rat eingerichtet, der erstmals am 1. September 1948 im Zoologischen Museum Koenig in Bonn tagte.
Auf der Grundlage der binnen zwei Wochen durch den Verfassungskonvent entwickelten Grundsätze eines föderalen und demokratischen Rechtsstaats arbeitete der Parlamentarische Rat die neue Verfassung aus. Grundsätze der Mitglieder des Parlamentarischen Rates war die so genannte "Verfassung in Kurzform", nämlich, dass Bonn nicht Weimar sein (siehe Weimarer Republik und die Verfassung einen provisorischen Charakter erhalten sollte (daher auch der Übergangsname "Grundgesetz"). Als Verfassung sollte erst eine für ganz Deutschland geltende Konstitution bezeichnet werden. Die Wiedervereinigung wurde in der Präambel als Verfassungsziel festgeschrieben und in Art. 23 GG geregelt (heute enthält der obsolet gewordene Artikel Normen über das Verhältnis zu EG/EU). Die eigentlich für den Fall der Wiedervereinigung vorgesehene Abstimmung über eine neue Verfassung fand jedoch bisher nicht statt.
Die Mitglieder dieses Gremiums wurden häufig auch als "Väter des Grundgesetzes" bezeichnet; erst später erinnerte man sich an die Beteiligung der vier "Mütter" Elisabeth Selbert, Friederike Nadig, Helene Wessel und Helene Weber. Elisabeth Selbert hatte dabei gegen heftige Widerstände die Gleichberechtigung von Männern und Frauen (Art. 3 Abs. 2 GG) durchgesetzt.
Nach zum Teil heftigen Debatten über die Lehren, die aus dem Scheitern der Weimarer Republik und dem Zweiten Weltkrieg zu ziehen sind, wurde das Grundgesetz am 8. Mai 1949 vom Parlamentarischen Rat angenommen. Am 12. Mai 1949 wurde es von den Militärgouverneuren der britischen, französischen und amerikanischen Besatzungszone genehmigt, allerdings mit einigen Vorbehalten.
Der Bayerische Landtag stimmte in einer Sitzung in der Nacht vom 19. auf den 20. Mai 1949 mit 101 zu 63 Stimmen gegen das Grundgesetz, da eine stärkere föderale Prägung, beispielsweise eine Gleichberechtigung des Bundesrates bei der Gesetzgebung gefordert wurde. Die Verbindlichkeit des Grundgesetzes für Bayern, falls bundesweit zwei Drittel der Länder das Grundgesetz ratifizieren würden, wurde aber mit nur einer Gegenstimme akzeptiert. Somit war Bayern das einzige Bundesland, das das Grundgesetz abgelehnt hatte.
Nach der Ratifizierung durch alle anderen Bundesländer wurde das Grundgesetz am 23. Mai 1949 in einer feierlichen Sitzung des Parlamentarischen Rates verkündet. Es trat am 24. Mai 1949 in Kraft, damit war die Bundesrepublik Deutschland gegründet. Dieses Ereignis findet sich in der Eingangsformel des GG wieder.
Nach der Wiedervereinigung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik entschied man sich, das Grundgesetz, das sich in Westdeutschland bewährt hatte, mit einigen wenigen Änderungen beizubehalten. Die Zustimmung zur Verfassung wurde dadurch übergangen, dass die DDR nicht dem Staat, sondern nach Art. 23 GG (alter Fassung bis 1990) dem Grundgesetz beitrat.
Inhalt
Das Grundgesetz besteht aus der Präambel, den Grundrechten (Art. 1-19, Art 38 (Wahlrecht)), dem staatsorganisatorischen Teil und den Justizgrundsätzen (Art. 103). Die Unterteilung erfolgt in Artikeln.
Das Grundgesetz legt im Abschnitt "Grundrechte" (Art. 1 - 19 GG) fest, welche Rechte jeder Bürger (Bürgerrechte, auch: "Deutschengrundrechte") und jeder Mensch (Menschenrechte) gegenüber den Trägern der Staatsgewalt hat. Das Grundgesetz legt darüber hinaus die Staatsorganisation fest und markiert grundlegende Staatsaufgaben und staatliche Handlungsformen. Die wichtigsten im Grundgesetz definierten Staatsprinzipien sind Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Sozialstaatlichkeit und Bundesstaatlichkeit.
Das Grundgesetz legt die wesentlichen staatlichen System- und Wertentscheidungen der Bundesrepublik Deutschland fest. Dabei besteht die Maßgabe, dass der Sinngehalt der Artikel 1 (Menschenwürde) und Artikel 20 GG (Staatliche Grundordnung ( Bundesstaatlichkeit, Rechtsstaatlichkeit und die freiheitlich-demokratische Grundordnung) sowie einige fundamentale Staatsstrukturprinzipien nicht geändert werden dürfen (Art. 79 Abs. 3 GG; sog. "Ewigkeitsklausel"). Jedoch widerspricht sich in Artikel 79 das Grundgesetz selbst: In Absatz (1) werden die Änderungsgrundlagen, also die Zweidrittelmehrheit beider legislativen Kammern, aufgeführt. Obwohl dies nicht ausdrücklich benannt wird, kann man damit davon ausgehen, dass auch Art. 79 Abs. 3 nicht geändert werden darf.
Das Grundgesetz steht im Rang über allen anderen Rechtsnormen der deutschen Gesetzgebung. Über seine Einhaltung und Auslegung wacht das Bundesverfassungsgericht.
Das Grundgesetz wurde vor allem durch die Erfahrungen der labilen Demokratie der Weimarer Republik und den Erfahrungen im Dritten Reich geprägt.
Bedeutung und Kritik
Das Grundgesetz gilt als erfolgreiches Beispiel der Redemokratisierung eines Landes und als Glücksfall der deutschen Geschichte. Dies trifft insbesondere auf die Einrichtung des Bundesverfassungsgerichts zu, das mit seiner Rechtsprechung die Verfassungsinterpretation und -wirklichkeit entscheidend geprägt hat. Das Bundesverfassungsgericht mit seinen weitreichenden Befugnissen war 1949 ohne Beispiel, ebenso die zentrale Bedeutung des Grundsatzes der Menschenwürde. Beide Elemente wurde mittlerweile vielfach in andere Verfassungen exportiert.
Häufig wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Entwicklung einer stabilen Demokratie weniger auf die konkrete Konzeption des Grundgesetzes, als vielmehr auf die wirtschaftliche Prosperität der Nachkriegszeit zurückgeht. Dem wird aber wieder entgegengehalten, dass sich die Wirtschaftskraft (West-)Deutschlands ohne stabile rechtliche und politische Bedingungen nicht hätte entwickeln können. Hierzu zählt insbesondere der soziale Friede, der durch das Sozialstaatsgebot und die verfassungsrechtliche Verankerung von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden (Art. 9 Abs. 3 GG) erreicht wurde.
Kaum bestritten wird jedenfalls, dass sich die auf Gewaltenverschränkung und -kontrolle angelegte staatsorganisationsrechtliche Struktur des Grundgesetzes bisher bewährt hat. Heute wird allerdings im Föderalismus, insbesondere in den Blockademöglichkeiten des Bundesrates, als auch in der Abhängigkeit der Bundesregierung von den sie tragenden Parteien und ihren Koalitionen, ein Hindernis für wirtschaftliche und soziale Reformen gesehen. Das Grundgesetz führe de facto zu einer Konsensdemokratie, die den verschärften globalen Wettbewerbsbedingungen nicht gewachsen sei. Hinter den Forderungen nach einer Reform des Grundgesetzes werden jedoch zumeist kurzfristige ökonomische Interessen vermutet und es wird deshalb zur Vorsicht geraten, die föderale Struktur oder das Verhältniswahlrecht in Frage zu stellen. Die Gefahr des Verlustes demokratischer Kontrolle und Legitimation dürfe nicht unterschätzt werden.
Reformbestrebungen fanden nach der Wiedervereinigung mit marginalen Änderungen im Grundgesetz 1994 einen - zum Teil als enttäuschend empfundenen - Abschluss. Soweit sich jedoch die Parteien einig wurden, sollte an dem bewährten Grundgesetz soweit wie möglich festgehalten werden. Eine Volksabstimmung über das für ganz Deutschland geltende (und nicht mehr nur provisorische) Grundgesetz wurde abgelehnt, obwohl dies mit dem Argument einer stärkeren Verankerung des Grundgesetzes vor allem in Ostdeutschland gefordert wurde. Auch erfolgte nicht die immer wieder geforderte Aufnahme von plebiszitären Elementen wie der Volksgesetzgebung, die in nahezu allen Länderverfassungen vorgesehen ist.
Eine Föderalismuskommission des Bundes und der Länder, die 2004 v.a. über einen neuen Zuschnitt der Gesetzgebungszuständigkeiten und der Zustimmungsbefugnisse des Bundesrates verhandelte, scheiterte.
Aufbau des Grundgesetzes mit weiterführenden Wikipedia-Artikeln
I. Die Grundrechte
- 1. Menschenwürde
- 2. Freie Entfaltung der Persönlichkeit
- 3. Gleichheit und Gleichberechtigung
- 4. Glaubensfreiheit, Gewissensfreiheit, Kriegsdienstverweigerung
- 5. Freie Meinungsäußerung, Informationsfreiheit, Forschungsfreiheit
- 6. Ehe und Familie
- 7. Schulwesen
- 8. Versammlungsfreiheit
- 9. Vereinigungsfreiheit
- 10. Postgeheimnis, Fernmeldegeheimnis
- 11. Freizügigkeit
- 12 Berufsfreiheit
- 12 a. Wehrpflicht, Wehrersatzdienst
- 13. Unverletzlichkeit der Wohnung
- 14 Eigentum, Erbrecht, Enteignung
- 15 Sozialisierung
- 16 Staatsangehörigkeit, Auslieferungsverbot
- 16 a. Asylrecht
- 17 Petitionsrecht
- 18. Grundrechtsverwirkung
- 19. Einschränkung von Grundrechten, Rechtsweggarantie
- Bundesstaat, Bundesland, Sozialstaat, Demokratie, Widerstandsrecht, politische Parteien in Deutschland
III. Der Bundestag
IV. Der Bundesrat
IV a. Gemeinsamer Ausschuss
V. Der Bundespräsident
VI. Die Bundesregierung
VII. Die Gesetzgebung des Bundes
- Gesetzgebungsverfahren, konkurrierende Gesetzgebung, ausschließende Gesetzgebung, Rahmengesetzgebung, Rechtsverordnung, Gesetzgebungsnotstand
VIII. Die Ausführung der Bundesgesetze und der Bundesverwaltung
VIII a. Gemeinschaftsaufgaben
IX. Die Rechtsprechung
X. Das Finanzwesen
X a. Verteidigungsfall
XI. Übergangs- und Schlussbestimmungen
Siehe auch
Artikel 1- 19:
Art. 79: Ewigkeitsklausel