Geschichte Serbiens
Zur Zeit des römischen Reiches gehörte das Gebiet des heutigen Serbien zur Provinz Moesia superior. Seit dem Zerfall des Reiches 395 gehörte es zum oströmischen (byzantinischen) Reich.
Etwa im 6. Jahrhundert siedelten sich Slawen auf dem Gebiet des heutigen Serbien an.
Bis ins 9. Jahrhundert lebten die Serben unter nominaler Oberherrschaft des byzantinischen Reiches und in relativ friedlicher Nachbarschft mit den Bulgaren. Der oberste Mann im Staat war der sogenannte Groß-Župan, der von den anderen Župans als Anführer anerkannt wurde.
830 schlossen sich die in loser Nachbarschaft lebenden Stämme unter Župan Vlastimir zu einem staatenähnlichen Gebilde zusammen, um sich gegen die nun unter Khan Presiam gegen Byzanz vordrängenden Bulgaren wehren zu können. Dieser Staat hieß nach seiner Hauptstadt Ras (nahe dem heutigen Novi Pazar Raszien (Raška).
Unter Vlastimir und seinen Nachfolgern wurde Serbien (Raszien) in der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts wahrscheinlich unter direktem Einfluss der "Slawenapostel" Kyrill und Method von Byzanz aus orthodox christianisiert.
Im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Bulgarien und Byzanz im 10. Jahrhundert war Serbien eher Byzanz zugeneigt. Um diese Gefahr auszuschalten, gab der bulgarische Zar Simeon I. vor, Časlav, einen am bulgarischen Hof aufgewachsenen Urenkel Vlastimirs als Groß-Župan einsetzen zu wollen. Dies war aber nur ein Vorwand, um Serbien als Provinz zu annektieren. Časlav wurde zusammen mit anderen Župans gefangen genommen. Viele, die nicht schon vorher geflohen waren, flohen nach Griechenland oder Kroatien.
Nach Simeons Tod 927 kehrte Časlav als Befreier nach Serbien zurück. Er erkannte Byzanz als oberste Autorität an und bekam dafür Hilfe beim Wiederaufbau des Landes. Unter Časlav bekam der Staat, der etwas größer war als unter Vlastimir, wieder inneren Zusammenhalt. Nach seinem Tod bei einem Angriff der Ungarn zerfiel er aber wieder.
Im 11. Jahrhundert gab es das erste in größerem internationalen Rahmen anerkannte serbische Königtum unter Mihaljo von Zeta. Dieser hatte zuerst - u.a. durch seine Heirat - eine engere Verbindung zu Byzanz gesucht. Als aber Byzanz im Kampf gegen die Normannen geschwächt war, brach er seine Neutralität und unterstützte einen Aufstand der südslawischen Völker gegen die byzantinische Oberherrschaft. Nachdem dieser gescheitert war, suchte er Unterstützung im Westen, beim Papst. Mitverantwortlich für diese Wende war auch, dass Mihaljo ein eigenes Erzbistum und den Königstitel wollte. Der Papst, der nach dem Schisma von 1054 Interesse daran hatte, die Herrscher an den Rändern seines Einflussgebietes für sich zu gewinnen, ernannte Mihaljo zum König und machte somit sein Land Duklja zum ersten anerkannten serbischen Königtum.
Das Großserbische Reich
Im 12. Jahrhundert beginnt unter Stefan Nemanja eine der wichtigsten Perioden für das serbische Nationalbewusstsein. Stefan, der wahrscheinlich irgendwie mit der herrschenden Familie von Raszien verwandt war, besiegt in der Schlacht bei Pantino seine Brüder im Kampf um die Herrschaft und schließt mit den beiden überlebenden Brüdern eine Union, in der sie ihn als Groß-Župan anerkennen. Diese Union und sein "Mitschwimmen" bei einem Angriff der Venetianer und der Ungarn auf Byzanz bringen ihn in Konflikt mit dem byzantinischen Kaiser Manuel. In einer erniedrigenden Prozedur unterwirft er sich aber und sichert so dem Land für einige Jahre Stabilität.
Doch nach dem Tod Manuels im Jahr 1180 macht er sich die verworrene Situation in Byzanz zunutze, um dem Reich die Unabhängigkeit und große Gebiete abzuringen - darunter das Kosovo und die Gegend um Niš, das zur neuen Hauptstadt wird. In einem Friedensvertrag mit den byzantinischen Kaiser Isaac II. Angelos wurde seinen Expansionsbestrebungen Einhalt geboten, aber gleichzeitig blieben die neuen Grenzen des Landes weitgehend unangetastet.
1196 dankt Stefan Nemanja zugunsten seines mittleren Sohnes Stefan ab und entsagt als Mönch Simeon allem Weltlichen. Er wirkt aber auch noch als Mönch prägend für die weitere Geschichte Serbiens: Er gründet zahlreiche Kirchen und Klöster (darunter die berühmtem Klöster Studenica und Hilandar) und wird nach seinem Tod 1299 ein wichtiger serbischer Nationalheiliger.
Stefan Nemanjic, der Sohn, brauchte einige Jahre, bis er die Herrschaft 1207 endgültig gegen seinen älteren Bruder Vukan behauptet hatte. Eine viel wichtigere Rolle für Stefans über 30jährige Regierungszeit - und darüber hinaus bis heute - spielte aber sein jüngerer Bruder Rastko, der als der Heilige Sava bekannt wurde.
Als sich die serbische Politik nach anfänglich guten Beziehungen zu Byzanz infolge der Einnahme Byzanz' durch den 4. Kreuzzug eher dem Westen zuwandte, erwirkte Sava bei Papst Honorius III., dass dieser seinen Bruder Stefan 1217 zum König krönte. Damit bekam Stefan den Beinamen "Prvovenčani", der Erstgekrönte und die von seinem Vater begründete Dynastie der Nemanjiden war bestätigt und gestärkt.
Die wichtigste und folgenreichste Tat Savas aber war, dass er bei einem Besuch beim byzantinischen Patriarchen im Nizäanischen Exil das Recht erwirkte, eine autocephale (autonome) serbisch-orthodoxe Kirche zu gründen. Diese Kirche mit ihren ersten aus Serbien stammenden Heiligen Simeon und Sava sollte - besonders in der langen Zeit der osmanischen Herrschaft - das Fundament für das serbische Selbstbewusstsein bilden. Mit der Schaffung eines Rechtskodex - des sogenannten Nomocanon - schuf Sava zudem die Grundlage für eine enge Verbindung zwischen Kirche und Staat, die ebenfalls sein Geschlecht überdauern sollte.
Während des Nemanjiden-Reichs im 13. Jahrhundert kam es auch zu wichtigen Veränderungen in der sozialen Struktur des Staates. Aus den Župans, den Stammesfürsten, wurden Adelige. Die einst freien Bauern gerieten zunehmend in deren Abhängigkeit. Die Städte erhielten Sonderrechte. So wurde aus dem losen Stammesverband ein feudaler Staat mit einem etablierten Herrschergeschlecht, das angeblich von Gottes Gnaden legitimiert war, sowie einer starken Nationalkirche.
Eine weitere Konsolidierung erfuhr das Reich unter der langen Herrschaft von Stefan Uroš I. (1243-1276), der als dritter Sohn des Stefan Prvovenčani nach seinen Brüdern Radoslav und Vladislav die Herrschaft antrat. Die außenpolitischen Konflikte hielten sich in Grenzen und so konnte der wirtschaftliche Ausbau voranschreiten. Dieser beruhte vor allem auf dem Bergbau: Bergwerke zum Abbau von Gold und Silber, aber auch Eisen, Kupfer und Blei wurden gegründet. Um diese herum entstanden Siedlungen, der Handel kam in Schwung. Durch Privilegien für deutsche Bergarbeiter aus Transsylvanien und Handelsleute aus Ragusa, das als Hafen für Serbien eine wichtige Rolle spielte, kamen Angehörige anderer Völker nach Serbien.
Der nächste wichtige Herrscher nach der kurzen Regierungsperiode von Urošs Sohn Dragutin (1276-1282) war dessen jüngerer Bruder Stefan Uroš II. Milutin (1282-1321), auch "Uroš der Mächtige" oder "Uroš der Heilige" genannt. Er setzte den wirtschaftlichen Ausbau seines Vaters und die Tradition der Kirchen- und Klöstergründungen seiner Vorfahren fort. Unter ihm stieg Serbien zur dominierenden Macht am Balkan auf, u.a. durch Gebietsgewinne in Makedonien. In Skopje gründete er denn auch jenen Hof, der für ihn und seine Nachfolger zum wichtigsten werden sollte.
Nach anfänglichen Reibereien mit Byzanz schloss Uroš II. 1299 einen Friedensvertrag mit dem byzantinischen Kaiser Andronikos und heiratete seine Tochter. Er übernahm das byzantinische Hofzeremoniell und sah sich angesichts des geschwächten byzantinischen Reichs als der legitime Fortführer der byzantinischen Tradition.
Urošs Sohn Stefan Uroš III. Dečanski konnte sich in der kurzen Zeit, die er zwischen seinem Vater und seinem Sohn Dušan zum Zug kam, außenpolitisch bewähren. In der Schlacht bei Velbuzd (heute Kjustendil) besiegte er die Bulgaren, die ab nun für längere Zeit treue Verbündete bleiben sollten.
Von seinem Vater war Stefan Dečanski in seiner Kindheit als Geisel zu den Tataren geschickt und später - als er sich vom Adel dazu aufgestachelt 1314 gegen ihn erhob - geblendet und ins Exil geschickt worden. Von seinem Sohn wurde er 1331 eingesperrt und kurze Zeit später auf mysteriöse Weise ermordet. Das alles war mehr als genug, um ihn heiligzusprechen und als Märtyrer zu verehren.