Pikten

römischer Name für Völker in Schottland
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Pikten (lat. Pecti, Pectia; die Bemalten) ist der römische Name für keltische Stämme in Schottland (die Bemalten). Der Name wird auf die Sitte, sich mit blauer Farbe zu tätowieren, zurückgeführt.

Die Ursprünge der Pikten sind nach wie vor unklar, es scheint sich jedoch um die Ureinwohner Schottlands nördlich der Forth-Clyde-Linie zu handeln. Sie scheinen bereits in der Bronzezeit in dieser Gegend anwesend gewesen zu sein. Einige Historiker vermuten, die Pikten seien die Nachfahren jener Megalithkulturen, die Callanish und andere Steinformationen erbaut und die Inseln wegen der klimatischen Veränderungen verlassen haben.

Bei den von den Römern als Pikten bezeichneten Stämmen hat es sich ursprünglich nicht um ein Volk (Ethnie) gehandelt, sondern um verschiedene Stämme mit sich unterscheidenden kulturellen Traditionen, die jedoch in Angesicht des gemeinsamen Feindes (Römer, später Schotten) politische und militärische Allianzen eingingen.

Von der Kultur der Pikten ist wenig bekannt, es sind fast nur Bildsteine und Stelen erhalten, die jedoch mit Schriftzeite und reich verzierter Ornamentik versehen sind. Ortsnamen sowie die Muster auf ihren kunsthandwerklichen Gegenstände und gravierten Steinen deuten darauf hin, dass es sich bei den piktischen Stämmen kulturell gesehen um bretonische Kelten handelte. Ihre Feine, die Skoten hingegen waren gälische (irische) Kelten.

Die Pikten in der Geschichte

Die einzigen zeitgenössischen schriftlichen Dokumente über die Pikten stammen von den Römern, weshalb darin vor allem die Beziehungen zwischen Römern und Pikten beschrieben werden.

Begegnungen zwischen Römern und Pikten

Die ersten dokumentierten Zwischenfälle mit den Pikten ereigneten sich im 1. Jahrhundert, als die Römer die britischen Inseln bis hoch zum Forth und Clyde eroberten. Gegen die ständigen Überfälle durch "Caledonier und andere Pikten" liess der römische Kaiser Hadrian im Jahr 112 eine Schutzmauer, den so genannten Hadrianswall errichten. 142 baute sein Nachfolger Antonius den Antoniuswall (auf der Höhe von Forth und Clyde). Die Römer konnten den Antoniuswall nur bis ins Jahr 161 halten und mussten sich dann Richtung Süden zurückziehen. Fortan bildete der Hadrianswall die offizielle Grenze.

Im Jahr 180 überrannten die nördlichen Stämme den Antoniuswall und fügten den im Norden zurückgebliebenen römischen Forts grossen Schaden zu. Die ständigen Aufstände der nördlichen Stämme führten dazu, das die Römer versuchten, diese mit einer "grossen Summe Silber" (Cassius Dio) zu kaufen. Im Jahr 208 rief der römische Gouverneur von Britannien den Kaiser zu hilfe. Dieser schickte Septimius Severus mit einer grossen Armee. Severus schlug die aufständischen Stämme nieder, diese revoltierten jedoch bereits 210 wiederum. Nach dem Tod von Severus überliess sein Sohn Caracalla den britannischen Norden sich selbst und kehrte nach Rom zurück.

Während des restlichen 3. Jahrhunderts bildete der Hadrianswall die Grenze Britanniens. Erst im 4. Jahrhundert wurden wieder Vorfälle im Norden dokumentiert.

Die Piktischen Kriege

Von 305 an führte der Römische General Constantius Chlorus eine erfolgreiche Kampagne gegen die "Caledonier und andere Pikten" und wurde 315 von Kaiser Konstantin mit dem Titel Britannicus Maximus dafür geehrt. Sein Sohn Constans führte 343 erneut Krieg gegen die Pikten. Es scheint eine Art Waffenstillstand oder Friedensabkommen daraus resultiert zu haben, denn 360 wird davon geschrieben, dass ein solches von den Pikten (vereint mit den Skoten von Irland) gebrochen wurde.

Immer vermehrt traten Scharmützel und aggressiven Auseinandersetzungen mit nördlichen Stämmen in Britannien auf. Im Jahr 364 identifiziert der römische Historiker Ammianus Marcellinus Dicalydones, Verturiones, Skoten, Attacotti und Sachsen als Stämme, die dem römischen Reich in Britannien Probleme bereiteten. Bis heute ist unklar, welche Beziehungen diese erwähnten Stämme untereinander hatten und woher sie kamen.

367-369 verbündeten sich die Pikten mit den Skoten und den Attacotti zu einer "Conspiratio Barbarica" (barbarische Verschwörung) gegen die Römer. Theodosius wurde nach Britannien gesandt, um diese niederzuschlagen. Der darauffolgende Frieden dauerte jedoch nur knappe 10 Jahre. 382 überfielen Pikten und Skoten erneut die Provinz Britannia und wurden von Magnus Maximus zurückgeschlagen.

Was kann die Pikten bewegt haben, dass sie im 4. Jahrhundert immer wieder gegen das militärisch überlegene römische Reich anrannten? Zu Beginn ihrer Beziehungen im 1. und 2. Jahrhundert scheinen die Pikten Rom als Quelle für gewisse wünschenswerte Annehmlichkeiten betrachtet zu haben. Nachdem sie im 2. Jahrhundert Silber dafür bekamen, dass sie ihre Überfälle einstellten, könnte es sein, dass sie - nachdem von Rom nichts mehr kam - nach Süden ausrückten, um sich römisches Silber und Güter auf militärische Weise zu beschaffen. Gefundene Silberschätze und Kunsthandwerk aus Silber stützen die These, dass die Pikten römische Münzen und Gegenstände eingeschmolzen haben.
Eine zweite - eben so spekulative - These für die Überfälle besagt, dass ein erhöhter Populationsdruck die Pikten zwang, sich nach Süden auszubreiten.

Zwei weitere, nicht-römische Quellen, belegen die piktischen Kriege: Ein erhaltener Brief von St. Patrik an Coroticus (einem süd-west-schottischen König) aus dem 5. Jahrhundert, in dem St. Patrick Coroticus für sein "schändliches, niederträchtiges und unchristliches" Verhalten rügt. Der Mönch Gildas schrieb im Jahr 540 über die Piktischen Kriege: der erste von 382-90 (der von Magnus Maximus niedergeschlagen wurden), der zweite von 396-98 (niedergeschlagen von Stilicho) und der dritte im Jahr 450, bei dem die Pikten von einem gewissen Agitius Thrice Consul geschlagen wurden.

Piktland nach dem Abzug der Römer

Nach Abzug der Römer werden die Quellen sehr ungenau. Die vom Mönch Gildas erhaltene Königsliste kann nicht vollständig mit anderen Quellen bestätigt werden und moderne Historiker vermuten, dass die darin beschriebenen Greueltaten von Gildas stark übertrieben, wenn nicht gar frei erfunden wurden.

Nachdem die Römer die Provinz Britannia verlassen hatten, drangen die Pikten weiter nach Süden vor. Im Jahr 550 wurde der Bridei mac Maelcon zum "König der Pikten" gekrönt, der eine wichtige Rolle bei der Bekehrung der Pikten zum Christentum im Laufe des 6. Jahrhunderts spielte. Bridei war ein starker und dynamischer Anführer der Pikten. Er vereinte nördliche und südliche Piktenstämme und schaffte es auf diese Weise, die Skoten zu besiegen.

Nach Brideis Tod im Jahr 584 begannen die Angelsachsen unter Aethelfried, König von Northumbria, Druck auf die Pikten auszuüben. Nachdem er die Skoten geschlagen hatte, waren Pikten und Angelsachsen Nachbarn. Erst schienen die Beziehungen zwischen den beiden Völkern positiv und friedlich abzulaufen. Es gab sogar Heiraten unter den jeweiligen Königsfamilien. Im Jahr 668 jedoch scheint Oswiu, König von Northumberland, sein Territorium bis nach "Piktland" ausgeweitet zu haben. Für über 30 Jahre wurde Südpiktland von Northumbrien aus regiert. St. Wilfrid berichtet von einer piktischen Revolte aus dieser Zeit, die von Ecgfrith von Northumbrien grausam niedergeschlagen wurde: Es wird ihm nachgesagt, er hätte eine Brücke aus Piktischen Körpern über zwei Flüsse gebaut, damit seine Armee diese trockenen Fusses überqueren könne, um die verbleibende Piktische Armee niederzuschlagen. 685 jedoch schlug der Piktenkönig Bridei mac Bili Ecgfrith vernichtend und massakrierte seine Armee. Die in Piktland verbleibenden Northumbrier wurden versklavt.

706 wurde Nechton mac Derelei Anführer der Pikten. Er beendete den Konflikt mit Northumbrien und begann friedliche diplomatische Beziehungen mit den Angelsachsen. Nechton musste sich jedoch während seiner Regierungszeit immer wieder gegen Angriffe aus den eigenen Reihen behaupten. Sein Bruder Ciniod wurde vom König von Atholl ermordet. 724 dankte Nechton ab und ging ins Kloster. Seine Nachfolge war hart umkämpft, schliesslich übernahm Oengus mac Fergus die Macht im Jahr 729. Oengus konnte sich bis zu seinem Tod im zum Jahr 761 auf dem Thron halten. Er führte in dieser Zeit Krieg gegen die Skoten, die Iren und gegen Northumbria.

Nach dem Tod von Oengus wird die Geschichte der Pikten wieder unklar. Es scheint viele Scharmützel, aber auch einige gemeinsame Könige von Skoten und Pikten gegeben haben. Mitte 9. Jahrhunderts verbündete sich Kenneth mac Alpin der Skoten mit den Wikingern, und schlug mit deren Hilfe die Pikten vernichtend. Sie wurden ins Skotische Reich eingegliedert und die beiden Kulturen gingen ineinander auf.

Sprache

Inschriften auf gravierten Steinen deuten darauf hin, dass die Pikten einen eigenen keltischen Dialekt mit vielen (irisch-)gälischen, aber auch walisischen und bretonischen Elementen sprachen. Rätselhaft sind nach wie vor nicht-gälische Elemente (beispielsweise Flur- und Ortsnamen), die bei diesen Inschriften hin und wieder auftauchen.

Es wird vermutet, dass diese Elemente im Piktischen auf eine vorkeltische Sprache hinweisen, die im prähistorischen Nordost-Schottland gesprochen worden sein könnte. Diese Vermutungen sind jedoch unbewiesen. Wenn sie zutreffen, wären die Pikten nicht die Ureinwohner Schottlands, sondern bereits ein Eroberervolk.

Religion

Heidentum

Auch über die Religion der Pikten ist nicht viel mehr bekannt, als was römische Historiker und christliche Mönche aufgeschrieben haben. Es gibt jedoch keinen Grund anzunehmen, dass die Rituale der Pikten sich von denen anderer keltischer Stämme unterschieden haben.

Ziemlich sicher gab es bei den Pikten eine grosse Anzahl Gottheiten, auch lokale Gottheiten der Flüsse, Lochs, Wälder, Berge oder sogar Bäume oder Tiere. Die grosse Anzahl von Steinen mit eingravierten Bullen, die in der Umgebung von Burghead gefunden wurde, könnte beispielsweise auf eine Art Bullenkult in dieser Gegend schliessen lassen.

Es könnte sein, dass die Pikten Menschenopfer kannten. Piktische Steine aus der späteren, christlichen Periode stellen mit Menschenköpfen verzierte Bäume dar. Andere Gravuren zeigen Menschen in Kochkesseln, bei denen es sich um Opfer handeln könnte - oder jedoch um Widergeburt (einige prominente keltische Legenden drehen sich um den Kessel der Widergeburt).

Als Zentren für religiöse Kulte mögen Höhlen (Covesea, East Wmyss, Fife) oder prähistorische Steinkreise und -formationen gedient haben.

Die Piktische Kirche

Die Pikten wurden im Laufe des 5. und 6. Jahrhunderts von St. Ninian und St. Columba christianisiert. Moderne Historiker vermuten jedoch, dass sich das Christentum in Piktland erst im Laufe des 8. Jahrhunderts endgültig durchsetzen konnte.

Bei den meisten Beweisen für eine frühe piktische Kirche handelt es sich um Steinskulpturen und -gravuren (z.B. piktische Kreuze).

Gesellschaftsstruktur

Wie andere keltische Stämme, waren auch die Pikten tribal (d.h. in Stämmen organisiert), rural (ländlich), hierarchisch und familienzentriert.

Piktland war vermutlich in sieben unabhängige Regionen (Königreiche) aufgeteilt: Fortriu (heute Strathearn und Menthieth), Fothriff (heute Fife und Kinross), Circhenn (Angus und Mearns), Fotla (heute Atholl), Catt, Ce und Fidach. Diese Regionen waren von tuaths oder derbfhines (Familienverbänden) bewohnt. Ein derbfhine bestand aus den Nachkommen eines gemeinsamen Urgrossvaters (d.h. alle Verwandten 2. Grades in der Vaterlinie). Das Land gehörte dem Familienverband und wurde gemeinsam bewirtschaftet.

Die Frauen hatten in allen keltischen Kulturen einen hohen Status - höher beispielsweise als bei den Römern und andere zeitgenössischen Kulturen. Es gibt Hinweise von römischen Autoren, dass es unter ihnen auch weibliche Krieger gab.

Die Gesellschaft war streng hierarchisch aufgebaut (Standesgesellschaft). An der Spitze standen erbliche oder gewählte Könige, zuunterst Sklaven und Leibeigene.

Könige

Die Königswürde war erblich. Verschiedene Quellen widersprechen sich jedoch, ob sie über die Vater- oder die Mutterlinie vererbt wurde. Die Namen der Könige (maqq oder mac, "Sohn des...") und andere Belege deuten eher auf die Vaterlinie, wobei nicht auszuschliessen ist, dass bei Erbstreitigkeiten in Ausnahmefällen die Mutterlinie zum tragen kam.

Adel

Unterhalb der Könige standen verschiedene Grade von Adeligen. Adelige waren einerseits Krieger, aber Berufsleute wie Poeten, Künstler, Handwerker, Rechtsgelehrte, Historiker und Musiker. Ihre Fähigkeiten erlaubten ihnen einen höheren Stand einzunehmen, als ihnen von Geburts wegen zustand.

Freie

Der Grossteil der Bevölkerung gehörte wohl zu den Freien Menschen. Freie waren Bauern und bezahlten Abgaben aus der Ernte an den König, der ihnen im Gegenzug militärischen Schutz leistete.

Leibeigene

Zuunterst in der Hierarchie waren Sklaven und Leibeigene. Sie werden im 5. Jahrhundert in dem Brief von St. Patrick an den König Coroticus erwähnt: Patrick schalt Coroticus dafür, christliche Sklaven gekauft zu haben.

Literatur

  • Lloyd & Jenny Laing: The Picts and the Scots. Alan Sutton Publishing Ltd., 1993. ISBN 0-86299-885-9