Gert Postel

deutscher Hochstapler
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Gert Postel (* 18. Juni 1958 in Bremen) ist ein deutscher Hochstapler, der vor allem durch seine mehrfachen Anstellungen als falscher Arzt Berühmtheit erlangte.

Gert Postel besuchte die Hauptschule und schloss eine Ausbildung zum Postboten ab. Gert Postel gibt an, dass seine Mutter an einer Fehlbehandlung wegen Depression starb und auch er selbst für kurze Zeit in der Jugendpsychiatrie gewesen sei. Daraus sei später die Absicht entstanden, die Psychiatrie als „Heiße Luft“ zu enttarnen und bloßzustellen.

Hochstaplerlaufbahn

Amtsarzttätigkeit in Flensburg

Obwohl er niemals ein Medizinstudium absolviert hatte, bewarb sich Postel unter dem Namen Dr. med. Dr. phil. Clemens Bartholdy im September 1982 um die Stelle des stellvertretenden Amtsarztes in Flensburg und wurde eingestellt. Auf die Frage, worüber er promoviert hätte, antwortete Postel „Über die Pseudologia phantastica am literarischen Beispiel der Figur des Felix Krull nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Mann und die kognitiv induzierten Verzerrungen in der stereotypen Urteilsbildung“. Sein Vorgesetzter war beeindruckt.

Durch einen Zufall — er verlor eine Geldbörse mit zwei Ausweisen, die auf unterschiedliche Namen ausgestellt waren — wurde im April 1983 seine wahre Identität festgestellt und Postel aus dem Dienst entfernt. 1984 erhielt er wegen mehrfacher Urkundenfälschung, missbräuchlichen Führens akademischer Titel sowie der Fälschung von Gesundheitszeugnissen eine Bewährungsstrafe. Weitere Anstellungen als Arzt folgten, u. a. in der Privatklinik von Prof. Julius Hackethal und als Stabsarzt bei der Bundeswehr.

Postel gelang es, nachdem er sich in Münster für ein Studium der katholischen Theologie eingeschrieben hatte, durch Fürsprache des Münsteraner Bischofs am 1. Mai 1991 von Papst Johannes Paul II. in Rom in Privataudienz empfangen zu werden.

Nach eigenen Angaben lebte er in den 1980er Jahren fast sieben Jahre lang mit einer norddeutschen Richterin zusammen und unterhielt zusätzlich eine Reihe von Liebesverhältnissen zu Akademikerinnen. In einem Interview mit der in Marburg erscheinenden Oberhessischen Presse ließ Postel verlauten, er wolle seine Erfahrungen mit der akademischen Welt in der Universitätsstadt Marburg in einem neuen Buch darlegen, wobei ihn die Warmherzigkeit überrascht habe, mit der man ihn in den akademischen Zirkeln aufgenommen habe.

Leitender Oberarzt im Maßregelvollzug Zschadraß

Nach einem kurzzeitigen Studium der Theologie gelang Postel im November 1995 erneut eine Rückkehr in den medizinischen Dienst. Unter seinem eigenen Namen trat er als Dr. Postel die Stelle eines Leitenden Oberarztes im Fachkrankenhaus für Neurologie und Psychiatrie Zschadraß bei Leipzig an. Postel verfertigte psychiatrische Gutachten und hielt Vorträge vor Medizinern, ohne dabei Verdacht zu erregen. Am 10. Juli 1997 wurde er zufällig von einer Mitarbeiterin erkannt und tauchte unter. Zu diesem Zeitpunkt stand bereits der Termin für ein Vorstellungsgespräch beim Sächsischen Staatsminister für Soziales, Gesundheit und Familie, Dr. Hans Geisler, anlässlich Postels Berufung auf eine C4 Professur und Ernennung zum Chefarzt und Klinikdirektor im Sächsischen Krankenhaus für Psychiatrie und Neurologie Arnsdorf fest.

Haftstrafe

Gert Postel wurde am 12. Mai 1998 in Stuttgart festgenommen und im Jahre 1999 vom Landgericht Leipzig wegen mehrfachen Betruges und Urkundenfälschung zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt.

Nach seiner vorzeitigen Entlassung im Januar 2001 veröffentlichte Gert Postel eine Beschreibung seiner Erlebnisse (Doktorspiele, Eichborn-Verlag, Frankfurt am Main, 2001). Die als Bloßstellung des Psychiatriebetriebs beschriebene Darstellung machte ihn zu einem Helden der Antipsychiatriebewegung.

Doku-Drama „Der Unwiderstehliche“

Am 6. Juni 2002 strahlte die ARD unter dem Titel Der Unwiderstehliche – Die 1000 Lügen des Gert Postel (Regie: Kai Christiansen) ein Doku-Drama aus, das sich mit der Biographie des wandlungsfähigen Postboten auseinandersetzte und dabei neben Spielfilmszenen auch Originalausschnitte aus einem Interview mit Postel verwendete.

Während in zahlreichen Veröffentlichungen eine relativ positive Tendenz der schmunzelnden Anerkennung gegenüber Postels Köpenickiaden vorherrscht, schlug diese NDR-Produktion auch deutlich kritischere Töne an. Thematisiert wurde dabei Postels auch in dem Interview offenbar werdender Narzissmus, sein vermeintlicher Wunsch, in seinen Maskeraden Kontrolle über andere Menschen ausüben zu können. Zur Sprache kam in diesem Zusammenhang der von Postel angeblich ausgeübte Telefonterror gegen eine in seiner Sache ermittelnde Staatsanwältin, die Einschüchterung einer Patientin in Zschadraß, die seine Behandlungsmethoden hinterfragte und der Postel angedroht haben soll, sie bei weiterer Widerspenstigkeit in die geschlossene Abteilung der Psychiatrie überweisen zu lassen.

Barschel-Affäre

Der KielerSchubladen-Ausschuss“ des Landtags Schleswig-Holstein vernahm Postel 1995 als Zeugen, ohne Gewissheit über dessen mögliche Rolle in der früheren Barschel-Affäre zu erlangen. Hintergrund war die publik gewordene langjährige Freundschaft zwischen Reiner Pfeiffer und Postel (Pfeiffer wurde später für eine eidesstattliche Falschaussage in einem Prozess Postels gegen seinen Vater verurteilt).

Im Abschlussbericht des Barschel-Ausschusses von 1988 wird als eines der ersten zugezogenen Beweismittel ein Exemplar des Buches „Die Abenteuer des Dr. Dr. Bartholdy“ (siehe oben) genannt, das Pfeiffer Mitte der 1980er Jahre verfasst hatte und bei einer Durchsuchung von dessen Wohnung sichergestellt wurde.

Postels Anteil am Verlauf der Barschel-Affäre blieb bis heute ungeklärt. Es ist möglich, dass einige der Pfeiffer zugeschriebenen Telefonanrufe bei Behörden und Medien, in denen Björn Engholm denunziert wurde, in Wahrheit auf Gert Postels Konto gingen. Das bei Anrufen mehrfach verwendete Pseudonym „Dr. Wagner“ hatte der im Social Engineering erfahrene Hochstapler in den Jahren zuvor schon häufig benutzt.

Darüber hinaus ist aktenkundig, dass das von Barschel in den sogenannten geheimnisvollen Notizen kurz vor seinem Tode notierte weitere Pseudonym „Gelsenberg“ schon früher von Pfeiffer benutzt worden war. Die Enttäuschung über die angeblichen Informationen des Treffpartners − laut SPIEGEL kann es sich um ein einzelnes Foto von Pfeiffer mit Postel gehandelt haben − käme als Motiv für eine Kurzschlusshandlung in aussichtsloser Lage durchaus in Frage, ist aber wie andere Theorien zum Tod des Politikers nur Spekulation.

Quellen

  • Gert Postel: Doktorspiele. Geständnisse eines Hochstaplers; Eichborn Vlg. 2001, Goldmann 2003, ISBN 344215247X.
  • Ein Gaukler, ein Artist – Gerhard Mauz über Postels Hochstaplerlaufbahn, in: DER SPIEGEL 29/1997, S. 34f.
  • Aktenzeichen 33247/87 ungelöst – Detaillierte Darstellung der letzten Lebenstage Uwe Barschels und der Verwicklung Gert Postels; in DER SPIEGEL 41/1997, S. 44ff., und 42/1997, S. 190ff.
  • Der Unwiderstehliche – Die 1000 Lügen des Gert Postel, Dokudrama, Deutschland 2002, Regie: Kai Christansen.