St. Annaberg

Berg in Polen
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Góra Świętej Anny ('gura 'ɕfʲɛntɛɪ̯ 'an:ɨ)' (deutsch Sankt Annaberg) ist der wichtigste katholische Wallfahrtsort in Oberschlesien. Es handelt sich um einen einzelnen Hügel in ländlich geprägter Umgebung auf dem Gebiet der Gmina Leśnica (Leschnitz oder Bergstadt) zwischen Tarnowitz und Oppeln. Der Komplex besteht aus Wallfahrtskirche, Kloster und zahlreichen Denkmälern und Kapellen auf dem sogenannten Kalvarienberg. Zentrum der Wallfahrten ist eine 66 cm hohe Figur der Heiligen Anna Selbdritt aus Lindenholz.

Góra Świętej Anny
Klosterkirche auf dem Annaberg
Klosterkirche auf dem Annaberg
Höhe 406 m n.p.m.
Lage Polen, Oberschlesien
Koordinaten 50° 27′ 0″ N, 18° 10′ 0″ OKoordinaten: 50° 27′ 0″ N, 18° 10′ 0″ O
St. Annaberg (Polen)
St. Annaberg (Polen)

Früher hieß der Góra Świętej Anny „Chelmberg“, später wurde er Sankt Georgenberg genannt. Dies beweisen verschiedene Dokumente; beispielsweise wurde der Berg im Jahre 1657 als „Monte Georgi vulgo Chelm“ bezeichnet. Die Klosterchronik aus dem Jahre 1665 verzeichnete den Namen „Monte Chelm“, im Protokoll einer Visitation von 1679 wurde die Bezeichnung „monte Chelm“ verwendet. Auf einer Schlesierkarte von 1561 steht der Name „S. Georgenberg“ und 1712 „Georgenberg“. Der jetzige Name, der mit dem Kult der Heiligen Anna verbunden ist, erschien erst später.

Geschichte

Kloster und Wallfahrtsstätte

Die geschriebene Geschichte von Góra Świętej Anny begann im 15. Jahrhundert. Um 1480 liehen Krzysztof Strela, der damalige Herr auf Poremba (Poręba), und sein Sohn Krystek eine große Summe Geld, wahrscheinlich um eine Kirche auf dem ihnen gehörenden Berggipfel zu errichten. Kraft eines vom Breslauer Bischof Johannes Thurzo am 25. Juni 1516 unterschriebenen Dokuments übergab der Herr auf Poremba, Mikołaj Strela, die St. Annakirche auf dem Chelmberg dem Pfarrer der Pfarrei von Leschnitz zur Pflege. Der Berg wurde sehr schnell Ziel vieler Wallfahrten. Sein Rang wurde noch durch die Übergabe der St. Anna-Reliquien von Mikołaj Kochcicki - Besitzer von Ujest (Ujazd) - gehoben.

Die weitere Entwicklung dieser Ortschaft war mit dem Schicksal der aus Wieluń stammenden Familie von Gaschin verbunden. 1631 wurden sie Besitzer von Zyrowa, und 1637 kauften sie Poremba samt dem St. Annaberg hinzu. Graf Melchior Ferdinand von Gaschin wollte auf St. Annaberg die Franziskaner ansiedeln. Zu diesem Zweck wandte sich mehrmals an die Reformatoren in Krakau, die schon damals ein Kloster in Gleiwitz(Gliwice) besaßen. Seine Bitte wurde aber abgelehnt. Erst während des schwedischen Überfalls wurden die Franziskaner gezwungen, ihre Klöster in Krakau und Lemberg zu verlassen und in Schlesien Zuflucht zu suchen. Damals wurde die Entscheidung getroffen, die Kirche auf dem St. Annaberg den Franziskanern zu übergeben. Am 1. November 1655 trafen unter der Führung von Pater Franciszek Rychłowski 22 Mönche ein. Anfangs wohnten sie in Leschnitz. Graf von Gaschin schenkte ihnen den Platz für Kloster und Garten und sicherte Mittel für Ausbau der bisherigen Kirche. Seit dem 6. August 1656 befand sich die Kirche offiziell unter Aufsicht und Sorge der Franziskaner. Am 16. Juni 1657 wurde die Spendenabmachung vom polnischen König Johann II. Kasimir (Jan Kazimierz) bestätigt, der zu dieser Zeit das Oberhaupt des Herzogtums Ratibor-Oppeln war.

1657–1659 wurde auf dem St. Annaberg ein Kloster aus Holz errichtet. An dessen Stelle wurde in den Jahren 1733–1749 das heutige gemauerte Kloster errichtet, später wurde es einige Male umgebaut. Auf diese Weise entstand das noch heute erhaltene barock-gotische Kirchengebäude. Eine Verlängerung der Kirche ist der viereckige Hof, von drei Seiten mit Laubengängen aus dem Jahre 1768 umgeben, 1804 umgebaut, und Paradiesplatz genannt. Zu den Wohltätern der Franziskaner gehörte auch der Testamentsvollstrecker von Melchior, Georg Adam von Gaschin. Er begann Kalvarien zu bauen. Dafür erhielt er im Jahre 1700 die Zulassung des Breslauer Bischofs. 1700–1709 wurden nach dem Vorbild der Kalvarie von Zebrzydów 3 große und 30 kleinere Kapellen „zu Ehren des Leidens des Herrn“ errichtet. Diese Arbeiten führte der in Oppeln wohnende italienische Architekt Domenico Signo aus. Von 1760 bis 1764 restaurierte Graf Anton von Gaschin, genannt „der Starke“, die bisherigen Kapellen und baute weitere, der Muttergottes gewidmet, hinzu. 1764 wurden die Feierlichkeiten von Kalvaria eingeführt.

 
Kreuzweg mit Grotte auf dem Annaberg

Der St. Annaberg wurde in dieser Zeit das Zentrum des religiösen Lebens in diesem Teil Schlesiens. Hierher kamen immer mehr Gläubige, auch aus den Nachbarländern. Um für alle Pilger während der gemeinsamen Andachten ausreichend Platz bereitzustellen, wurde das Gebiet des Steinbruchs eingeebnet. 1912–1914 wurde die Lourdesgrotte gebaut. Um den sie umschließenden Platz wurden Kreuzwegstationen errichtet. Für die immer mehr zunehmende Anzahl von Pilgern wurde in den Jahren von 1929–1938 auf Veranlassung von Pater Feliks Koss ein neues Pilgerheim (ca. 2.000 Plätze) errichtet.

Für die Bedürfnisse der Pilger wurden mehrere Jahrzehnte lang Bücher und religiöse Publikationen sowohl auf Polnisch als auf Deutsch gedruckt. Schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts waren hier die Verlage von Franz Gielnik und Michael Rogier ansässig; der dritte Verlag wurde später von Adolf Marcyago eröffnet. Der Gielnik-Verlag als populärster Verlag publizierte bis in die 40er Jahre des 20. Jahrhunderts.

Dreimal in der Geschichte des St. Annabergs wurde das Kloster von den Franziskanern verlassen. Das erste Mal während der Säkularisierung der Klöster 1810, dann während des sogenannten Kulturkampfes im Jahre 1875 und schließlich zum dritten Mal 1940 während des Zweiten Weltkrieges. Die auf dem St. Annaberg durch dortige Verlage herausgegebenen Schriften sowie verschiedene Klosterdokumente beweisen, dass die Pfarrei der Franziskaner über einen langen Zeitraum einen zweisprachigen Charakter hatte. Dies zeigte sich auch in den seit 1861 abgehaltenen Feierlichkeiten der größten Ablässe, die getrennt für polnisch- und deutschsprachige Gläubige begangen wurden. Dieser Zustand dauerte bis 1939 an, als ein Verbot für polnischsprachige Andachten in Oberschlesien erlassen wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Andachten auf Polnisch gehalten. Zweisprachigkeit wurde 1989 mit der Sonntagsmesse in deutscher Sprache in der Pfarrei auf dem Góra Świętej Anny wieder eingeführt.

Politische Bedeutung

 
Theater und Denkmal zur Erinnerung an die schlesischen Aufstände in Annaberg

Der Góra Świętej Anny besitzt auch eine hervorgehobene politische Bedeutung. Bei Abstimmung am 20. März 1921 über die Zukunft Oberschlesiens stimmten fast 2/3 der Wähler für einen Verbleib Oberschlesiens bei Deutschland. Im Wahlkreis Groß Strehlitz (in welchem der Annaberg liegt) stimmte jedoch ein knappe Mehrheit für einen Anschluss an Polen. Im von Wojciech Korfanty organisierten III. Schlesischen Aufstand versuchten polnische Freischärler mit Unterstützung der französischen Truppen, die Teile Oberschlesiens, welche bei dem Abstimmungsergebnis eine polnische Mehrheit hatten, Polen zuzuschlagen. Deutschland war durch die Vereinbarungen von Versailles und den Druck der französischen Siegermacht offiziell daran gehindert, gegen die Aufständischen vorzugehen. Jedoch wurde inoffiziell der deutsche Widerstand unterstützt.

Im Mai 1921 besetzten polnische Freischärler den strategisch wichtigen Annaberg, und der Ort wurde zu einem Symbol für die beiden kämpfenden Parteien. Das Gebiet um den St. Annaberg war in dieser Zeit ein zentraler Ort der militärischen Auseinandersetzungen, die einen entscheidenden Einfluss auf das endgültige Ergebnis der Kämpfe hatten. Am 21. Mai 1921 erfolgte durch den aus deutschen Freikorps gebildeten Selbstschutz Oberschlesien (SSOS) im Sturm auf den Annaberg die Einnahme des Berges. Am 20. Oktober 1921 beschloss der Oberste Rat der Alliierten nach einer Empfehlung des Völkerbunds, den Osten des oberschlesischen Industriereviers, das einem Drittel der Gesamtfläche Oberschlesiens entsprach, an Polen zu übertragen. Beim Deutschen Reich verblieb der zwar flächen- und bevölkerungsmäßig größere, vor allem jedoch eher agrarisch strukturierte Teil des Abstimmungsgebiets.

Dieses Ereignis wurde sowohl während des Dritten Reiches als auch während der kommunistischen Herrschaft in Polen durch nationale Propagandadarstellungen verklärt, und der Berg wurde zur Gedenkstätte der Kämpfe von 1921.

1934–1938 wurde an der Stelle des alten Steinbruches ein Freilicht-Theater als nationalsozialisitische Thingstätte errichtet, über dem eine Rotunde stand, ein Mausoleum, in dem in den Kämpfen am St. Annaberg Gefallene bestattet waren. Amphitheater und Mausoleum sollten nach dem Entwurf der Behörden ein Gegengewicht für das Sanktuarium sein. Nach dem Krieg wurde das deutsche Mausoleum zerstört und 1955 an diese Stelle ein Denkmal zur Erinnerung an die drei polnischen Aufstände in Oberschlesien errichtet. Das Ehrenmal ist ein Werk des polnischen Bildhauers Xawery Dunikowski. Am Weg vom St. Annaberg nach Leschnitz befindet sich das Museum der Schlesischen Aufstände.

Literatur

  • Camillus Bolczyk, O. F. M.: St. Annaberg - Geschichte des berühmten Wallfahrtsortes im Herzen Oberschlesiens, Verlag der Franziskaner Carlowitz-Breslau, 1926
  • Camillus Bolczyk, O. F. M.: St. Annaberg - Kurze Geschichte des berühmten Wallfahrtsortes im Herzen Oberschlesiens, 2. umgearb. Aufl., Antonius-Verlag Breslau, 1937
  • Robert Thoms: Der Sturm auf den Annaberg 1921 in historischen Dokumenten, 2001, ISBN 3-8311-1792-6
  • Erich Mende: Der Annaberg und das deutsch-polnische Verhältnis, 1991
  • Stadtverwaltung in Leschnitz (Leśnica): Um den Sankt Annaberg, 1996, ISBN 83-904629-0-7

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