Der Großdeutsche Schachbund (GSB, teilweise auch GDSB) war eine nationalsozialistische Schachorganisation mit Sitz in Berlin, die ab 1933 als einzige in Deutschland die Erlaubnis hatte, landesweit tätig zu sein. Von Juli 1933 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs war der Großdeutsche Schachbund die Dachorganisation der deutschen Schachspieler.
Gründung
Anfang der 1930er Jahre gehörte nur etwa jeder vierte organisierte deutsche Schachspieler einer Mitgliedsorganisation des Deutschen Schachbundes an, die übrigen waren in parteipolitisch (SPD, KPD, DNVP) oder konfessionell gebundenen Verbänden organisiert. In diesem Umfeld gründete die NSDAP am 13. Dezember 1931 einen weiteren, nationalsozialistischen Schachverband, den sie als Großdeutschen Schachbund bezeichnete. Bundesleiter war Otto Zander, zum Geschäftsführer wurde Ehrhardt Post bestellt.
Gleichschaltung
Nach der Machtergreifung verfolgte die NSDAP-Führung das Ziel, die bestehende Vielfalt in der Schachorganisation durch eine Einheitsorganisation unter dem Dach des GSB zu ersetzen. Den Arbeiterschachvereinen wurde schon Anfang 1933 die Betätigung verboten; ihre Mitglieder konnten oft in anderen Vereinen unterkommen. Der GSB richtete im Juli 1933 in Bad Pyrmont einen Kongress aus, der seinen Führungsanspruch deutlich machte. Die Mitgliedsvereine des Deutschen Schachbundes wurden in den GSB aufgenommen. Sie mussten noch im Juli 1933 außerordentliche Mitgliederversammlungen abhalten, auf denen nach Möglichkeit ein Mitglied der NSDAP zum „Vereinsführer“ gewählt werden solle. Der Vereinsführer ernannte dann weitere Mitarbeiter, etwa einen „stellvertretenden Führer“, einen „Schriftführer“ oder einen „Mannschaftsführer“. Die konfessionell gebundenen Schachorganisationen wurden im Laufe des Jahres 1933 in den GSB übernommen.[1] Der Deutsche Schachbund bestand formaljuristisch bis 1934 fort.
Rassenpolitik
Der GSB hatte in seiner Satzung festgelegt, als Mitglieder „nur Deutsche arischer Abstammung“ aufzunehmen. Bereits im Frühjahr 1933 mussten alle jüdischen Schachfunktionäre von ihren Ämtern zurücktreten, allen voran der Präsident des Deutschen Schachbundes, Walter Robinow. Noch im Mai 1933 schrieb Heinrich Ranneforth in der Deutschen Schachzeitung: „Wer deutsch fühlt und handelt und sich dadurch dem deutschen Volk innerlich verbunden fühlt, warum soll man den nicht als Volksgenossen gelten lassen?“ Aber bereits ab Juli 1933 durften Juden nicht mehr Mitglieder von Schachvereinen innerhalb des GSB sein. In dieser Zeit wurden einige rein jüdische Schachvereine gegründet, die teilweise bis 1938 Bestand hatten. 1935 und 1937 fanden sogar „Jüdische Meisterschaften“ statt, die von Sammi Fajarowicz gewonnen wurden.
Ab 1936 gab der GSB unter der Bezeichnung „Bücherei“ eigene Bücher heraus, die sich unter anderem dadurch auszeichneten, dass einige Eröffnungsvarianten, die nach jüdischen Schachspielern benannt waren, mit anderen Namen ausgestatten wurden, und dass alle abgedruckten Partien mit jüdischer Beteiligung durch den „Arier“ gewonnen wurden. Dadurch wurden deutschen Lesern viele der besten Schachpartien vorenthalten, waren doch die führenden Schachspieler im Zeitraum zwischen 1880 und 1930 größtenteils Juden gewesen.
Im Frühjahr 1941, als der deutsch-sowjetische Nichtangrffspakt noch Bestand hatte, erschien vom damaligen Weltmeister Alexander Aljechin in zwei Zeitschriften eine Artikelserie mit der Überschrift „Jüdisches und arisches Schach, eine psychologische Studie, die - gegründet auf die Erfahrungen am schwarz-weißen Brett - den jüdischen Mangel an Mut und Gestaltungskraft nachweist", die nachweisen sollte, dass Arier aufgrund ihrer Anlagen - insbesondere aufgrund ihres Kampfgeistes - die besseren Schachspieler sind. Begleitet wurde diese theoretischen Versuche durch die zeittypische martialisch-rassistische Rhetorik in offiziellen Papieren. So erfolgte die Einladung zum 23. Schwäbischen Schachkongress im Juni 1941 mit den Worten: „Zum zweiten Male in diesem großen Kampf des nationalsozialistischen Deutschlands gegen seine plutokratisch-jüdischen Feinde ruft der Schachverband Württemberg-Hohenzollern seine Mitglieder zu einem Kriegs-Schachkongreß auf.“
In seinem 1943 in der Deutschen Schachzeitung erschienenen Aufsatz „Schach - Kampf und Kunst“ schrieb Emil Joseph Diemer: „Ich sehe in dieser Angst vor der Verantwortung, vor dem Risiko, vor der großen Tat, vor dem Gefährlich-Leben den letzten Ausdruck jüdischen Einflusses auf unsere Schachjugend. Warum sollte es auch im Schach anders sein, diesem Symbol des menschlichen Lebens, dieser Parallelerscheinung zu allen menschlichen Auseinandersetzungen auf kulturellem und politischem Gebiete, als auf allen anderen Gebieten des heutigen menschlichen Daseins? Hie Kampf, hie Maginotgeist!“.[2]
Die FIDE und die inoffizielle Olympiade 1936
Nachdem der Großdeutsche Schachbund 1933 den Austritt Deutschlands aus der FIDE erklärt hatte, trat er 1935 mit dem Anliegen an diese heran, anläßlich der Olympischen Sommerspiele 1936 die Ausrichtung eines internationalen Mannschaftsturniers in München zu unterstützen. Die FIDE stellte hierzu auf ihrem Kongress in Warschau fest, dass die rassistischen Elemente in den Statuten des GSB nicht mit den Grundsätzen der FIDE vereinbar sind. Da der GSB aber zugesagt habe, diese für die Dauer des Turniers auszusetzen, stellte die FIDE ihren Mitgliedsföderationen frei, an dem als Schach-Olympia 1936 bezeichneten Turnier in München teilzunehmen. Letztlich nahmen 21 Nationen teil und das Turnier wird heute teilweise als inoffizielle Schacholympiade 1936 angesehen. Im November 1936 schrieb das British Chess Magazine, das Münchener Länderturnier sei sehr gut organisiert gewesen, und es sei doch bedauerlich, dass Deutschland aus der FIDE ausgetreten sei.
„Anschluss“ Österreichs
Der Einmarsch der Wehrmacht in Österreich im März 1938 wurde von den führenden Schachfunktionären und Schachspielern Österreichs begrüßt, wie aus einem Brief hervorgeht, den Hans Geiger und Albert Becker nur sechs Tage nach dem Einmarsch an den GSB schrieben. Der Österreichische Schachverband trat als Landesverband dem Großdeutschen Schachbund bei.[3]
Schachleben während des Krieges
Im Jahr 1939 übernahm Erhardt Post die Leitung des Großdeutschen Schachbundes. Unter seiner Führung organisierte der Großdeutsche Schachbund die Turniere von München 1941, Salzburg 1942, München 1942 und Salzburg 1943.
Einzelnachweise
- ↑ Zur Gleichschaltung der Schachvereine siehe das Beispiel des SV Bottrop 1921
- ↑ Artikel aus der Zeitschrift Kaissiber zur Rolle Diemers in der Vorkriegszeit
- ↑ Zum Beitritt des Österreichischen Schachverbandes siehe Geschichte des NÖSV
Weblinks
- Zur Schachorganisation in Deutschland um 1933
- Brinckmann, Alfred und Richter, Kurt: Erster Kongreß des Großdeutschen Schachbundes in Pyrmont 1933. Ausführlich. Bericht, ausgewählte Partien und Anhang: Hauptturnier Bahrenfeld. Mit zahlreichen Diagrammen und Bildern. Verlag des Großdeutschen Schachbundes, Berlin s.a. (1933).
- Zoneneinteilung des Großdeutschen Schachbundes (Seite 8)
- „Das Schachspiel von Juden aus nationalsozialistischer Sicht unter Einbeziehung des Weltmeisters Alexander Aljechin“ von Edmund Bruns
- „Nationalsozialismus, Schach, Klaus Junge“ von Edmund Bruns
- Harald Ballo über die Auflösung des Deutschen Schachbundes 1934
- Edward Winter über schachpolitische Hintergründe der Schacholympiade 1936 (Nr. 4371)