Neger

historische Bezeichnung für Menschen mit dunkler Hautfarbe
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Für andere Bedeutungen siehe Neger (Begriffsklärung).

Neger (v. lat.: niger = schwarz) war eine bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts weit verbreitete Bezeichnung für braun- bis schwarzhäutige Menschen. Heute wird der Gebrauch des Wortes meist als rassistisch wahrgenommen, was nicht unbedingt Rückschlüsse auf den Gebrauch in vergangenen Jahrzehnten erlaubt, in denen dieser Begriff unter Umständen sogar als politisch korrekte Variante gegenüber anderen, eindeutig abwertenden Begriffen verwendet wurde.

Der Begriff Neger ist wohl nicht direkt aus dem lateinischen "niger" (schwarz) abgeleitet, sondern Mitte des 18. Jahrhunderts aus dem portugiesischen "negro" (im Zusammenhang mit der Diskussion um den Kolonialismus) übernommen worden. Bis dahin war der Begriff Mohr, abgeleitet aus dem lateinischen Maurus geläufig, der jedoch keine Aussage über die Hautfarbe, sondern nur über die Herkunft machte.

Geschichte

Bis in das 18. Jahrhundert war der Begriff "Mohr" gängig, der sowohl positive als auch negative Aspekte beinhaltete: So werden dunkelhäutige Heilige und Helden aus Legenden verehrt und besungen (z. B. Feirefîz in Wolframs von Eschenbach "Parzivâl", Kaspar und Balthasar, Mauritius oder Bilkis, die Königin von Saba). Gleichzeitig gab es besonders seit der massenhaften Versklavung von Afrikanern auch rassistische Stereotype wie die Herabstufung zu Affen.

Im späten 17. Jahrhundert hat sich besonders in West-Afrika durch Handel ein wohlhabendes Bürgertum ausgebildet, das Kontakte in andere Teile der Welt hatte und auch in Europa gab es eine kleine, kulturell sehr aktive Gemeinde von Afro-Europäern (u.a. Ibrahim Petrowitsch Hannibal (1670 - 1761), Anton Wilhelm Amo (1700 - 1754), Francis Williams (1700 - 1770) und Phillis Wheatley (1753 - 1784)).

Mit dem Aufkommen der modernen Rassentheorien kam der Begriff "Neger" in die deutsche Sprache. Er hat seinen Ursprung in den romanischen Sprachen. Lateinisch Niger heißt "(glänzend) schwarz", und ist im spanisch-portugiesischen negro und dem französischen nègre erhalten. Mit dem Rassismus und dem deutschen Imperialismus prägte sich ein besonderer Blick auf die "Neger", den schon Kant, der den Rassebegriff in die deutsche Sprache einführte, in seinen Vorlesungen 1790 -1791 skizzierte: sie seien wie Kinder und benötigten Erziehung, zudem hätten "die Neger von Afrika [...] von der Natur kein Gefühl, welches über das Läppische stiege."

Im Dezember 1865 bildete sich in Tennessee in den USA eine Organisation, gar eine Bewegung, der Ku Klux Klan. Mit dem Motto wie etwa White Power griff die weiße Bevölkerung in den Südstaaten der USA Menschen afroamerikanischer Herkunft und schwarzer Hautfarbe an, gab ihnen in allen Konflikten die Schuld, auch wenn sie gar nicht daran beteiligt waren und richteten sie auf brutale Weise bis etwa 1895 in der Öffentlichkeit hin. Heute bestehen immer noch Aktionen gegen afroamerikanische Kirchengemeinden. Entsprechend stellten der deutsche Staat und die Kirche die Kolonialanstrengungen als eine Schutz- und Erziehungsmaßnahme gegen die "Neger" dar. Die Berliner Kongokonferenz von 1884/85 sollte unter diesen Vorzeichen Macht über die "Neger" bringen. Die afrikanischen Kolonien wurden konsequent als "Schutzgebiete" bezeichnet und mit dem Schutz der "Neger" gegen die Versklavung (durch arabische oder französische Sklavenhändler) sowie ihrer Verfleißigung begründet. Dabei waren in den Schutzgebieten Haussklaven, also rechtlose Diener, - nicht aber Plantagensklaven - erlaubt. Die übrige Bevölkerung sollte durch Steuern und Strafmaßnahmen zu Fleiß erzogen werden. Jeder Widerstand wurde als ein Beweis der angeborenen Faulheit und damit der Notwendigkeit weiterer Gewalt gewertet.

Das zweite Attribut, mit dem im ethnozentrischen Blick "Neger" belegt wurden, ist das der Triebhaftigkeit. In Zeiten zwanghafter Sexualrepression in Deutschland wurden exotische Menschen sexuell aufgeladen gesehen (vgl. Exotismus). In den Schutzgebieten kam es zunehmend zu Vergewaltigungen an "Negerinnen" durch die Besatzungstruppen, was ein weiterer Anlass für die antikolonialen Aufstände wurde (vgl. Herero, Nama).

Mit dem Ende des 1. Weltkrieges musste Deutschland die Kolonien abgeben, und gleichzeitig kamen mit der französischen Armee "Neger" in die besetzten Gebiete im Rheinland. In der Folge wurden Kinder, die aus Partnerschaften zwischen diesen Soldaten und einheimischen Frauen hervorgingen, als "Bastarde" angefeindet und verfolgt. Gleichzeitig hatten in deutschen Kinos Kolonialfilme Hochkonjunktur, in denen "Neger" als Darsteller den eurozentrischen Blick befriedigen sollten: Sie wurden als dumme Diener gezeichnet, die auf den Schutz und Rat der weißen deutschen Helden angewiesen waren. Einer von wenigen schwarzen Schauspielern, die auch größere Nebenrollen angeboten bekamen, war Louis Brody (1892-1951). In ähnlich verzerrender, oft bewusst grotesker Form griff die Werbeindustrie der Zwischenkriegszeit das Bild des "Negers" auf und verwendete es für vielfältige Produkte, insbesondere aus dem Bereich der Tabak- und Kolonialwaren. Neben Bezeichnungen wie "Negerkuss" und "Mohrenkopf" sind z. B. einige bis heute verwendete Warenzeichen Relikte dieser Zeit

1918 gründete sich in Hamburg der "Afrikanische Hilfsverein", der ein Zusammenschluss von Menschen afrikanischer Herkunft war, die in Deutschland als "Neger" diskriminiert wurden. Ziel des Vereines war vor allem ein Zusammenhalt gegen Diskriminierung und im Umgang mit Behörden.

Im Nationalsozialismus wurden die Kolonialgelüste wieder angeheizt, und es sollten erneut "Neger" unter deutsche Herrschaft gebracht werden. In Deutschland gehörten die Menschen afrikanischer Herkunft und besonders die erwähnten Nachkommen im Rheinland zu den rassistisch Verfolgten. Mindestens 400 von ihnen wurden als "Neger" zwangssterilisiert. Bevorzugte Hautfarbe der Neger(Auch Tarnung genannt)ist die Farbe Schwarz.

Diskriminierung

Bis heute haben Menschen mit dunkler Hautfarbe in der von hellhäutigen Europäern geprägten Wirtschaft wie die meisten nicht-europäischen Ethnien selbst in den großen Industrienationen schlechtere berufliche Chancen, auch wenn sie die Landessprache perfekt beherrschen. Dazu gehört z. B. die Beschränkung der Berufsmöglichkeiten außerhalb von Tätigkeiten, die dem eurozentristischen Blick entsprechen, wie dienende und helfende Berufe, oder in der Unterhaltungsindustrie die Sparten Musik, Sport und Erotik. Rassistische und vorurteilsbeladene Haltungen sind weiterhin in Teilen europäisch dominierter Gesellschaften anzutreffen. Auch in der Wissenschaft und Erziehung werden immer wieder rassistische Bilder von "Negern" verbreitet.

Gleichzeitig ist die Fixierung auf das Opfersein von "Negern" ein elementarer Bestandteil des eurozentrischen Blicks, der in den letzten Jahrhunderten die Einrichtung von Schutzgebieten in Afrika hervorbrachte.

Begriffsalternativen

Menschen nach ihrer Herkunft oder Hautfarbe zu bezeichnen ist in der Regel nicht angemessen, da diese nichts über den Menschen aussagen. Herkunftsbetonende Wörter wie Afroamerikaner oder Afrodeutsche sind in erster Linie als Selbstbezeichnungen bzw. wenn es um das Aufzeigen von Gemeinsamkeiten in der sozialen oder ökonomischen Situation, wie sie z. B. durch Diskriminierung entstehen, sinnvoll. Eine gemeinhin anerkannte Bezeichnung ist "Schwarzer", zumal wenn die Herkunft des Betreffenden unbekannt ist.

Elemente des eurozentristischen Blicks

Mit dem Begriff "Neger" sind eine Vielzahl von rassistischen und eurozentristischen Stereotypen verbunden. Diese Bilder oder Projektionen haben vor allem mit eigenen Versagungen und Ängsten zu tun: Sexualrepression, Entfremdung und/oder Ohnmachtserfahrungen sind psychodynamische Grundlagen für das Suchen von vermeintlich Schwächeren, um die eigene Person aufzuwerten. Einige Elemente des eurozentristischen Blicks auf die "Neger" sind:

  • Inferiorität, die "Neger" seien den "Weißen" unterlegen;
  • Viktimisierung, die Darstellung als Opfer bzw. als schwach;
  • Infantilisierung, das Zum-Kind-Machen;
  • Triebhaftigkeit und Naturhaftigkeit, insbesondere die übertriebene Darstellung von Sexualität;
  • Kulturlosigkeit, der Beitrag Afrikas zur Zivilisation wird geleugnet.

Bis heute halten sich die rassistischen und eurozentristischen Bilder der "Neger" in Deutschland und werden unter anderem in der Werbung und anderen Medien reproduziert.

Da die akademische Wertung von Kulturen allgemein weitgehend durch eurozentrische Konzepte dominiert wird, wurde das von Marimba Ani im Jahre 1994 veröffentlichte Buch "Yurugu", welches eines der ersten, umfassenden Gegenwerke zum akademischen Eurozentrismus darstellt, rasch zum Kultbuch. Derzeit (Stand 2004) sind nur noch teure antiquarische Ausgaben erhältlich.

Literatur

  • S. Arndt [Hrsg.]: AfrikaBilder. Studien zu Rassismus in Deutschland, Münster: Unrast, 2001.
  • U. Bitterli: Die »Wilden« und die »Zivilisierten«. Die europäisch-überseeische Begegnung, München: dtv, 1982.
  • F. Böckelmann: Die Gelben, die Schwarzen und die Weißen, Frankfurt am Main: Eichborn, 1999.
  • R. Gronemeyer [Hrsg.]: Der faule Neger. Vom weißen Kreuzzug gegen den schwarzen Müßiggang, Reinbek: Rowohlt, 1991.
  • H. Melber: Der Weißheit letzter Schluß. Rassismus und kolonialer Blick, Frankfurt: Brandes & Apsel, 1992, ISBN 3-86099-102-7.
  • Institut für Auslandsbeziehungen [Hrsg. ]: Exotische Welten - Europäische Phantasien, Ausstellungskatalog, 1987.
  • J. Kristeva: Fremde sind wir uns selbst, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1990.
  • M. Lorbeer, B. Wild [Hrsg.]: Menschenfresser - Negerküsse. Das Bild von Fremden im deutschen Alltag, 2. Auflage, Frankfurt am Main: Eichborn, 1993.
  • P. Martin: Schwarze Teufel, edle Mohren, Hamburg: Hamburger Edition, 2001.
  • K. Oguntoye, M. Opitz, D. Schultz [Hrsg.]: Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte, 2. Auflage, Berlin: Orlanda, 1991, ISBN 3-922166-21-0.
  • Marimba Ani: Yurugu - An African-Centered Critique of European Cultural Thought and Behavior. Trenton, N.J., USA: Africa World Press, 1994, ISBN 086543249X

Siehe auch