Invalidenfriedhof
Der Invalidenfriedhof ist ein historischer Berliner Friedhof und eine Gedenkstätte im Bezirk Mitte. Er liegt zwischen Scharnhorststraße und Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal, nördlich vom Bundeswirtschaftsministerium. Wegen der historischen und kulturellen Bedeutung der Gesamtanlage und einzelner Grabdenkmale steht er unter Denkmalschutz.


Die Anlage gehört zu den ältesten Friedhöfen in Berlin und wird als Zeugnis der preußischen und deutschen Militärgeschichte wie als Erinnerungsstätte an die deutschen Befreiungskriege der Jahre 1813 bis 1815 angesehen.
Zerstörungen gegen Ende des Zweiten Weltkriegs und in der DDR-Zeit, als durch den Friedhof ein Teil der Berliner Mauer lief, haben dazu geführt, dass auf dem 2,54 Hektar großen Gelände nur etwa 230 Gräber erhalten sind. Ein Förderverein des Friedhofs bemüht sich seit 1992 um Bewahrung und Restauration der Anlage und Grabstätten.
Der Friedhof im 18. Jahrhundert
Entstehung
König Friedrich II. von Preußen ließ 1746 im noch weitgehend unbewohnten und öden Norden Berlins, in der Nähe der Charité, ein Invalidenhaus einrichten. In ihm wurden seit der Eröffnung am 15. November 1748 Kriegsversehrte untergebracht. Sie sollten sich so weit wie möglich durch Landwirtschaft selbst versorgen, dadurch aber auch mithelfen, die im Volksmund als „Sahara“ bekannte Umgebung zu kultivieren. Pläne für eine Wohnanlage für invalide Soldaten hatte es schon unter den Königen Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I. gegeben. Aber erst die hohen Versehrtenzahlen der ersten beiden Schlesischen Kriege 1740–1742 bzw. 1744–1745 veranlassten Friedrich den Großen, diese Pläne umzusetzen.[1]
Zum königlichen Legat gehörte umfangreicher Landbesitz. Direkt nördlich vom Invalidenhaus, an einer zur Gesamtanlage gehördenen Windmühle, lag der Begräbnisplatz. Bei der ersten Beerdigung auf dem neuen Friedhof wurde am 20. Dezember 1748 der katholische Unteroffizier Hans Michael Neumann aus Bamberg beigesetzt; sein Grab existiert jedoch nicht mehr.[2]
Ursprünglich umfasste der „Invalidenkirchhof“ nur das heutige Grabfeld A im Nordosten des Areals, in dem später auch die Kommandanten des Invalidenhauses beigesetzt wurden („Kommandantengräber“). Es liegt nahe jetzigem Wirtschaftshof und Lapidarium. 1769 wurde westlich angrenzend ein zweiter Friedhofsteil erschlossen, das heutige Grabfeld B. Der Rest des heutigen Friedhofbereichs wurde im 18. Jahrhundert noch landwirtschaftlich genutzt; im Gebiet bis zum östlich gelegenen Schönhauser Landwehrgraben (heute Berlin-Spandauer-Schiffahrtskanal) lagen Wiesen.[3]
Der ursprüngliche Friedhof war vermutlich eingezäunt, wies aber sonst wohl keinen Schmuck und keine Wegemarkierungen aus. Eine umfassende Gestaltung von Friedhöfen mit Ausbildung einer eigenen Friedhofskultur und parkähnlichen Anlagen setzte in Preußen erst 1794 ein. In diesem Jahr trat das „Allgemeine Landrecht der Preußischen Staaten“ in Kraft, das Bestattungen in Kirchen und bewohnten Stadtgegenden untersagte.[4]
Bis 1872 erfolgten 18.000 Beerdigungen auf dem Areal des heutigen Invalidenfriedhofs, in der ganzen Friedhofsgeschichte waren es etwa 30.000.
Grabdenkmale des 18. Jahrhunderts
Spätbarocke Sarkophaggräber
Einige der ältesten erhaltenen Grabmale des Invalidenfriedhofs wurden erst im Sommer 1998 bei Installations- und Wegearbeiten im Grabfeld A entdeckt. Sie liegen im Bereich der „Kommandantengräber“. Sechs spätbarocke Sarkophaggräber aus Sandstein aus der Zeit zwischen 1774 und 1790 kamen zum Vorschein, darunter das Grab des zweiten Kommandanten des Invalidenhauses, George Christoph von Daembke (1719–1775). Er war der erste von 21 Invalidenhaus-Kommandanten, die bis zum Zweiten Weltkrieg auf dem Friedhof bestattet wurden. Von Daembkes Vorgänger Heinrich von Feylitzsch war demgegenüber 1768 noch unter dem Altar der evangelischen Invalidenhauskirche beigesetzt worden. Die sechs Sarkophage sind reich verziert mit Inschriften, Ornamenten, Todessymbolen und zum Teil mit Wappen. Mit ihrer traditionellen Gestaltung in der Form hochbarocker Epithaphien stehen sie für eine Übergangsphase zwischen Kirchen- und Friedhofsbestattungen am Ende des 18. Jahrhunderts.[5]
Vermutlich waren die sechs Gräber nach einer Überflutung des Friedhofs durch den angrenzenden Schönhauser Landwehrgraben im Jahr 1829 zugeschüttet worden, um diesen Friedhofsbereich höher legen zu können. Gleichzeitig dürften die direkt benachbarten Grabstätten angehoben und untermauert worden sein. Das gilt etwa für die Denkmale von Diezelsky, von Rohdich und von Reineck. Warum das Grabmal von Daembke im Gegensatz zu denen seiner Nachfolger von Diezelsky und von Reineck bei dieser Umgestaltung nicht erhaltenswert erschien, ist ungeklärt.[6]
Die sechs Sarkophaggräber wurden nach der Wiederentdeckung bis 1999 restauriert und, bei sorgfältiger Konservierung der darunter liegenden Gruftgewölbe, auf das Niveau der umgebenden Grabstätten angehoben. Die sechs Grabdenkmale gehören zu den ältesten, am ursprünglichen Begräbnisort unter freiem Himmel erhaltenen, repräsentativen Grabmalen Berlins. Adel und wohlhabendes Bürgertum ließen sich noch bis 1794 in aller Regel in Kirchen und angefügten Grüften beisetzen.[6]
Kommandantengräber/Grabpostamente
Zu den erhaltenen Denkmalen aus den ersten Jahrzehnten des Invalidenfriedhofs gehört das künstlerisch bedeutende Grabpostament für den Obersten und Kommandanten des Invalidenhauses Michael Lodewig Arnim von Diezelsky (1708–1779). Der Entwurf für das frühklassizistische Denkmal stammt von dem Maler Bernhard Rode. Es ist fast dreieinhalb Meter hoch. Das altarartige Sandsteinpostament zeigt auf einer Seite ein mit Lorbeerfeston umranktes Medaillon mit einem Porträt des Toten sowie Inschriften auf den anderen Seiten. Es wird von Schild, Harnisch und Helm mit Federbusch in antikisierender Form bekrönt. Das seit dem Zweiten Weltkrieg beschädigte Monument wurde inzwischen restauriert, fehlende Teile dabei rekonstruiert.[7]
Der Denkmaltyp aus Postament mit aufgesetzter Schmuckbekrönung, zumeist in Form einer Urne, erfreute sich in der Frühzeit des Invalidenfriedhofs großer Beliebtheit. Ein eindrucksvolles Beispiel stellt das spätbarocke Monument für den Invalidenhaus-Kommandanten Oberst Ernst Otto von Reineck (1729–1791) im Grabfeld A dar. Auf den kannelierten Säulenstumpf auf hohem Unterbau ist eine Urne aufgesetzt, die die Köpfe zweier Sklaven sowie ein Wappen und die Widmung für den Toten in Reliefform umgeben. Auf einer Seite der Säule finden sich lorbeerumrankte Ruhmeszeichen wie Helm, Federbusch, Schild und Schwert, ebenfalls als Relief gearbeitet. Bei einer Restaurierung in den Jahren 2000 bis 2003 wurden fehlende Teile des Denkmals wie der Urnendeckel rekonstruiert. In diesem Zusammenhang wurde auch das wahrscheinlich nach 1829 aufgesockelte, aus Felssteinen bestehende Fundament wieder freigelegt.[8]
Auch das Grab des Generals und preußischen Kriegsministers Friedrich Wilhelm von Rohdich (1719–1796), ebenfalls in Grabfeld A, zeigt eine gesockelte Urne. Der mehrfach gestufte, in einem Zwischenglied kannelierte Sockel, trägt Inschriften auf Vorder- und Rückseite. Sein Kopf wird von der ausladenden Schmuckurne überragt, die unterhalb der Kuppa eine Inschrift trägt. Das Grabmal wird von einer massiven Eisenumfassung umgeben, die möglicherweise erst im 20. Jahrhundert entstand. Das Denkmal wurde ursprünglich finanziert vom Rohdich'schen Legatenfonds, einer seit 1993 wieder existierenden Stiftung, die auf den Toten zurückgeht. Sie gab 1998 auch die aufwändige Sandstein-Rekonstruktion des stark beschädigten Originals in Auftrag.[9]
Das in Grabfeld A gelegene Denkmal für von Reinecks Nachfolger in der Invalidenhauskommandantur, Oberst Curth Paulino Gottlieb Heinrich von Arnim (1735–1800), ist weniger aufwändig gestaltet als die drei vorgenannten Postamentdenkmale. Das Denkmal ist ein Beispiel für den frühklassizistischen Zopfstil. Das zeigt sich an den Loorbeergirlanden am Kopf des Sandsteinsockels, die statisch wirken, und an der Urne, an der die ausladenden Formen des Barock zurückgenommen sind. An der Vorderseite befindet sich eine kalligraphische Widmung für den Toten mit Nennung von dessen Lebensdaten. Der stark beschädigte Originalsockel befindet sich heute im Lapidarium des Friedhofs. Er wurde bei der Restauration orginalgetreu kopiert, die verschwundene Urne nach alten Fotos rekonstruiert.[10]
Zeitlich ist das Grabdenkmal für den preußischen Oberst Johann Friedrich von Pelkowsky (1737–1803) schon knapp dem 19. Jahrhundert zuzurechnen, aber mit ihm wird die Tradition der Postamentgräber des 18. Jahrhunderts im Grabfeld A fortgesetzt. Allerdings ist die Schmuckurne hier bereits im Stil des französischen Empire der Napoleon-Zeit verfasst. Sie weist eine schlank-ovale Form auf, die durch die aufgesetzten Volutenhenkel weiter betont wird. Die Urne ruht auf einem vierkantigen, getreppten Sockel, der auf der Vorderseite die Widmungsinschrift trägt. Sein oberer Abschluss ist eingezogen und zeigt ein Blattfries. Bei dem im Grabfeld A aufgestellten Denkmal handelt es sich um eine Rekonstruktion aus jüngster Zeit. Der alte Sockel war für eine Restauration zu stark verwittert; er steht heute im Lapidarium. Die verloren gegangene Schmuckurne konnte auf der Basis alter Fotos rekonstruiert werden.[11]
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Grabdenkmal von Reineck, Detail
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Grabdenkmal von Rohdich
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Grabdenkmal von Arnim
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Grabdenkmal von Pelkowsky
Der Friedhof im 19. Jahrhundert
Entwicklung der Gesamtanlage
Anfangs nahm der Friedhof nur Einwohner des Invalidenhauses und deren Familien auf. Ab 1806 betreuten dessen Militärseelsorger aber auch Zivilpersonen, darunter vor allem Vertreter niedriger Stände wie Handwerker, Händler, Gastwirte, später auch Industriearbeiter sowie deren Familien. So entstand eine eigene evangelische Kirchengemeinde, die als „Invalidenhaus-Zivilgemeinde“ bezeichnet wurde. Deren Angehörige wohnten in der Umgebung des Invalidenhauses in Mitte oder im westlich benachbarten Tiergarten.[12]
Die Gottesdienste dieser Gemeinde fanden in der evangelischen Kapelle des Invalidenhauses statt, waren aber von den militärischen Gottesdiensten getrennt. Die meisten Angehörigen der neuen Gemeinde, die bis zur Jahrhundertmitte auf 5000 Angehörige wachsen sollte, wurden auch auf dem Invalidenfriedhof beigesetzt. Analog gab es auch eine kleine katholische Zivilgemeinde, die an das Invalidenhaus angebunden war. Bis 1816 erfolgten die Bestattungen der Zivilisten in den gleichen Grabfeldern wie die der Militärs. Danach wurde getrennt, sodass die heutigen Grabfelder A und (etwas später) C hauptsächlich vom Invalidenhaus genutzt wurden, das heutige Grabfeld D von der Zivilgemeinde. Erhaltene Sterbelisten aus der Jahrhundertmitte belegen, dass zu diesem Zeitpunkt deutlich mehr Zivilisten als Militärs bzw. deren Familienangehörige auf dem Invalidenfriedhof ihre letzte Ruhestätte fanden.[13]
1824 bestimmte eine Kabinettsorder von König Friedrich Wilhelm III., dass ein Großteil des Landbesitzes des Invalidenhauses zum freien Verkauf gelangen sollte. Gleichzeitig hielt ein Passus fest, dass der Invalidenfriedhof ein unteilbares Grundstück darstelle und in Gänze erhalten bleiben solle. Außerdem sei ein spezielles Feld (heutiges Grabfeld C) auf dem Friedhof auszuweisen, das den „Nobilitäten der Armee“ vorbehalten bleiben sollte, die „auf höheren Befehl“, das heißt auf Order des Königs hin, hier zu bestatten waren. Hintergrund waren längerfristige Bestrebungen von Künstlern wie Karl Friedrich Schinkel und Peter Joseph Lenné, einen Ehrenfriedhof (campo santo) für die Gefallenen der Befreiungskriege gegen Napoleon anzulegen. Diese ambitionierten Pläne scheiterten aber an praktischen Hindernissen, unter anderem daran, dass viele dieser Militärs sich in den Familiengrüften bestatten ließen.[14]
Als Ersatz sollten zumindest einzelne Gräber von Militärs auf dem Invalidenfriedhof schmuckreich gestaltet werden. Das galt vor allem für das geplante Grabmal von General Gerhard von Scharnhorst (1755–1813), dessen Freunde den Toten 1826 von dessen ursprünglichem Begräbnisort Prag nach Berlin überführen ließen. Außer dem eindrucksvollen Scharnhorst-Denkmal verantwortete Schinkel auf königliche Order hin noch die Grabstätten von Generalleutnant Karl Leopold von Köckritz (1744–1821), von General Bogislav Friedrich Emanuel von Tauentzien (1760–1824), von den Brüdern General Otto Carl Lorenz von Pirch (1765–1824) und Generalleutnant Georg Dubislaw Ludwig von Pirch (1763–1838) und von Generalleutnant Job von Witzleben (1783–1837). Von diesen ist lediglich das von Köckritz-Grabmal nicht erhalten.[15]
Wie von Schinkel und anderen gewünscht, stieg das Renommee des Invalidenfriedhofs durch diese Grabstätten. 1835 wurde der Friedhof durch Anlage eines kreuzförmigen Wegesystems völlig neu gestaltet. Gleichzeitig führte man die bis heute gebräuchliche Einteilung in alphabetisch geordnete Grabfelder ein. Lindenalleen durchzogen jetzt das Areal, seitlich wurde dieses durch Sträucher begrenzt. Das ungünstig gelegene Grab von Gustav Friedrich von Kessel (1760–1827), der einige Jahre zuvor als erster Invalidenhaus-Kommandant außerhalb des bis dahin bevorzugten Grabfelds A beigesetzt worden war, musste dabei in die Mitte des vorderen Wegekreuzes eingebunden werden.[16]
Weitere Repräsentanten der Befreiungskriege wie Karl Friedrich Friesen (1784–1814) und Generalfeldmarschall und Kriegsminister Hermann von Boyen (1771–1848) wurden in den 1840er Jahren hier begraben. Allerdings erlangte der Invalidenfriedhof nie den Rang einer zentralen Gedenkstätte des preußischen oder später des reichsdeutschen Militärs. Bis ins 20. Jahrhundert hinein wurden viele Militärs hier vor allem bestattet, weil sie selbst eine Beziehung zum Invalidenhaus hatten oder dies der traditionelle Begräbnisort ihrer Familien war. Unter den Militärs der Befreiungskriege, die ihr Grab auf dem Invalidenfriedhof fanden, dominieren solche, die keinen eigenen Landbesitz in Preußen hatten und die daher auf einem öffentlichen Friedhof bestattet werden mussten. Der Historiker Laurenz Demps sieht die Umwandlung des Invalidenfriedhofs zur Begräbnisstätte wichtiger Militärs daher als „spontane Entwicklung“, die erst in der späten Kaiserzeit und nach dem Ersten Weltkrieg nachträglich eine propagandistische Überhöhung erfahren habe.[17]
In den 1840er-Jahren wertete die Anlage des von Lenné gestalteten Invalidenparks auf den nicht mehr benötigten landwirtschaftlichen Flächen des Invalidenhauses die Umgebung des Invalidenfriedhofs zusätzlich auf. Weitergehende Pläne Lennés, auch den Friedhof in eine städtbauliche und gartenkünstlerische Umgestaltung der ganzen Umgebung einzubeziehen, wurden jedoch nicht verwirklicht. Das gleiche galt nach Einspruch von König Friedrich Wilhelm IV. auch für den Vorschlag des Berliner Polizeipräsidenten, beim Ausbau des Schönhauser Landwehrgrabens zum Berlin-Spandauer Schiffahrtskanal ab 1848 beidseitig desselben Straßen anzulegen. Dies hätte die möglichen westlichen Erweiterungsflächen des Friedhofs beschnitten.[18]
Am 24. März 1848 wurden auf dem Invalidenfriedhof die gefallenen Soldaten der Märzrevolution beerdigt, während für die zivilen Opfer der Friedhof der Märzgefallenen in Berlin-Friedrichshain eingerichtet wurde. Ab 1850 durften auf dem Invalidenfriedhof auch Staatsbeamte, Theologen, Künstler und Unternehmer beigesetzt werden, die keine Verbindung zum Invalidenhaus oder zur Zivilgemeinde hatten.
Es gibt Anzeichen dafür, dass in dieser Zeit aufgrund der wachsenden Zivilgemeinde Platzmangel auf dem Friedhof herrschte. Für die 1840er-Jahre sind Grabeinebnungen dokumentiert, die aufgrund überschrittener Liegefristen nur die Zivilgemeinde betrafen (die Angehörigen des Invalidenhauses mussten für die Grabstätten nicht bezahlen). In den 1860er-Jahren wurden der Friedhof daher nach Westen bis zum Kanal erweitert und die heutigen Grabfelder E, F, G und H ausgewiesen.[19]
1860 löste sich die katholische Zivilgemeinde vom Invalidenhaus und ging in der neuen Gemeinde St. Sebastian auf, deren Angehörige nicht mehr auf dem Invalidenfriedhof bestattet wurden. Ähnliches galt wegen der Raumnot auf dem Friedhof ab 1870 auch für die evangelische Zivilgemeinde. Jedoch konnten sich deren begüterte Angehörige über die Zahlung erhöhter Gebühren dort weiterhin einen Grabplatz sichern, insbesondere wenn sie auf eine entsprechende Familientradition verweisen konnten. Trotzdem wurde der Invalidenfriedhof ab der Kaiserzeit verkürzend nur noch als Friedhof zur Bestattung verdienter Militärs wahrgenommen.[20]
Grabdenkmale des 19. Jahrhunderts
Grabstätte der Familie von Scharnhorst
Das auffälligste und bedeutendste Monument des Friedhofs findet sich in Grabfeld C in der Grabanlage für General Gerhard von Scharnhorst und dessen Familie. Scharnhorst, Heeresreformer und ehemaliger Kriegsminister, war 1813 in Prag an den Folgen einer Verwundung gestorben, die er in der Schlacht bei Großgörschen während der Befreiungskriege erlitten hatte.
Eine Kommission unter Vorsitz von August Neidhardt von Gneisenau erteilte 1820 Karl Friedrich Schinkel den Auftrag, eine Kapelle für die Grabstätte Scharnhorsts in Prag zu gestalten. Allerdings fand der ursprüngliche Entwurf Schinkels keine Zustimmung. Anschließend entwickelte Schinkel in mehreren Stufen den ungewöhnlichen Vorschlag für einen freistehenden Hochsarkophag, für den das Grabmal des italienischen Dichters Francesco Petrarca in Arqua-Petrarca als Vorbild gedient haben könnte. Nachdem von Scharnhorst 1826 auf dem Invalidenfriedhof umgebettet worden war, wurde das Grabmonument auch dort errichtet.
Im Zentrum von Schinkels realisiertem Entwurf stand der auf zwei Säulen ruhende Sarkophag aus weißem Carraramarmor mit beschriftetem Deckstein. Das den Sarkophag umlaufende Relief wurde von Friedrich Tieck gestaltet und zeigt in antikisierender Form Szenen aus dem Leben des Toten. Der Entwurf für die auf den Deckstein aufliegende, eindrucksvolle bronzene Skulptur eines Löwen stammt von Christian Daniel Rauch. Die Skulptur, die als erste eigenständige Tierplastik der Berliner Bildhauerschule des 19. Jahrhunderts gilt, wurde 1828 in der nahe dem Friedhof gelegenen königlichen Eisengießerei aus erbeuteten Kanonen von Theodor Kalide gegossen. Die Einweihung der Gesamtanlage einschließlich des von Schinkel selbst gestalteten schlichten Eisengitters erfolgte erst 1834. Durch die Zusammenarbeit der vier Künstler entstand ein Hauptwerk der klassizistischen Grabmalskunst des 19. Jahrhunderts.
Ab 1990 wurde die Gesamtanlage zur Sicherung insbesondere des anfälligen Marmors zwischenzeitlich von einem Plastikschutzdach überspannt. Da dieses jedoch den optischen Eindruck stark beeinflusste, entschloss sich das Landesdenkmalamt Berlin 1995 zu einer umfassenden Restaurierung, bei der Marmor-Sarkophag und -Deckstein durch Kunststeinkopien ersetzt wurden. Das originale Tieck-Relief wird heute in der Skulpturensammlung der Berliner Nationalgalerie aufbewahrt. Das stark korrodierte Eisengitter der Grabanlage war bereits 1993 restauriert worden.[21]
Das Grabmal ist als „Ehrengrab“ des Landes Berlin ausgewiesen.
Grabmal Graf Tauentzien von Wittenberg
Das sehr schlichte Grabmal des preußischen Generals Graf Tauentzien von Wittenberg (1760–1824) ehrt einen der erfolgreichsten Militärs der Kriege gegen Napoleon. Es liegt jedoch nicht im Ehrengrabfeld C, sondern in Grabfeld A, in der Nähe der „Kommandantengräber“. Karl Friedrich Schinkel hatte sich mit mehreren Entwürfen, die antike bzw. mittelalterliche Formen aufgriffen, dafür eingesetzt, ein eindrucksvolleres Denkmal für den General zu schaffen. Der Plan scheiterte jedoch an den begrenzten Finanzmitteln der Witwe und der Sparsamkeit von König Friedrich Wilhelm III.
Der umgesetzte Entwurf Schinkels aus dem Jahr 1835 richtet sich an Sarkophagvorbildern aus, wobei auf dem Sandsteinunterbau hier allerdings eine bronzefarbene Deckplatte aus Eisenguss aufliegt. Sie wurde vermutlich in der nahe des Friedhofs gelegenen Königlichen Eisengießerei hergestellt. Wegen der Bedeutung, die Eisen beim Aufstieg Preußens zur Industrie- wie Militärmacht besaß, wurde es im 19. Jahrhundert als Werkstoff auch für Kunstwerke durchaus geschätzt. Statt der symbolhaften Ornamentalik des Barock steht die sorgfältig gearbeitete, erhaben erscheinende, vergoldete Inschrift auf der Deckplatte im Mittelpunkt; die Platte ist ansonsten nur mit Messing-Rosetten in den Ecken geschmückt.
Das Grabdenkmal wurde im Jahr 1998 umfassend restauriert.[22]
Grabmal Karl Friedrich Friesen
Karl Friedrich Friesen (1784–1814), Pädagoge und Mitbegründer der deutschen Turnbewegung, hatte als Angehöriger des Lützowschen Freikorps an den Befreiungskriegen gegen Napoleon teilgenommen. Er war 1814 bei dem Dorf La Robbe in den Ardennen von französischen Freischärlern getötet, anschließend dort bestattet worden. Sein Freund Hauptmann August Freiherr von Vietinghoff (genannt Scheel) ließ den als Freiheitskämpfer Verehrten 1816 exhuminieren, da er und Friesen sich versprochen hatten, gegebenenfalls für die Beerdigung des jeweils anderen in Preußen Sorge zu tragen. Da Pläne von Friedrich Ludwig Jahn, Friesen in der Berliner Hasenheide, dem Ort gemeinsamen sportlichen Wirkens, bestatten zu lassen, nicht realisiert werden konnten, bewahrte von Vietinghoff die Gebeine des Freundes ein Vierteljahrhundert lang in einer Kiste auf, die er zu seinen verschiedenen militärischen Standorten mitnahm.
Nach seiner Verabschiedung vom Militär siedelte sich von Vietinghoff 1841 in Berlin an. 1842 wandte er sich mit dem Antrag an den preußischen Kultusminister Johann Albrecht Friedrich von Eichhorn, Friesen in Berlin zur Ruhe legen zu dürfen. König Friedrich Wilhelm IV. stimmte einer Bestattung auf dem Ehrengrabfeld des Invalidenfriedhofs zu. Allerdings verfügte er auch, dass die Beisetzung „mit Vermeidung alles Aufsehens“ geschehen solle, offenbar weil von Vietinghoff keinen Nachweis erbringen konnte, dass die Gebeine wirklich Friesens waren und dem preußischen Staat die makaberen Umstände der Umbettung peinlich waren. Das Skelett Friesens wurde sorgfältig zusammengefügt und mit Lorbeerkranz auf dem Schädel in den Sarg gelegt. Die Bestattung fand am 15. März 1843 statt, ohne von Vietinghoffs Beisein.
Das auf Geheiß des Königs vom Kriegsministerium finanzierte gusseiserne Grabkreuz auf Sandsteinsockel ist in schlichtem Schwarz mit goldenen gotischen Ornamenten und ausführlichen Inschriften gehalten. Gußeiserne Grabkreuze wurden auf dem Invalidenfriedhof häufig verwendet, das Friesen-Kreuz ist aber das einzige erhaltene Beispiel. Die Vorderseite informiert den Betrachter über die Umstände von Friesens Bestattung: „Die Überreste desselben wurden auf seinen früheren Wunsch hierher geführt“. Auf der Rückseite des Kreuzes heißt es: „Früher als Lehrer ein eifriger Begeisterer der Jugend zur Befreiung des Vaterlandes vom Feindesjoch, fiel er als Mitkämpfer unter den Vaterlandsvertheidigern.“
Das Grabmal wurde 1872 und 1931/1934 vom Berliner Turnverein restauriert. Bei der zweiten Gelegenheit wurde das Grab von einer Kettenbarriere umgeben, die jedoch nach 1961 wieder verschwand. Die Nationalsozialisten erklärten die Grabstätte 1938 zum „Staatsgrab“.
Das Grabkreuz musste 1990 zur zwischenzeitlichen Sicherung entfernt werden, da es, in Ermangelung des Sockels, direkt in der Erde steckte und zu verrosten drohte. Nach Restauration wurde es am 17. Mai 1991 ohne Kettenbarriere wiedererrichtet und markierte damit eines der ersten rekonstruierten Gräber des Invalidenfriedhofs. Das Grabmal ist heute als „Ehrengrab“ des Landes Berlin ausgewiesen.[23]
Grabstätte Familie von Boyen
Generalfeldmarschall Hermann Ludwig Leopold Gottlieb von Boyen war 1814–1819 (wie auch 1841–1847) preußischer Staats- und Kriegsminister. Er gilt als Reformer des preußischen Heereswesen und war für die Einführung der Wehrpflicht im Lande verantwortlich. Er ist ein weiterer Repräsentant der Befreiungskriege gegen Napoleon, der mit großen Ehren auf königlichen Befehl im Grabfeld C des Invalidenfriedhofs beigesetzt wurde. Eine persönliche Bindung an die Stätte ergab sich dadurch, dass von Boyen am Ende seines Lebens kurzzeitig Gouverneur des Invalidenhauses war.
Friedrich August Stüler entwarf eine Anlage, die von zwei hohen, schlanken Sandsteinsäulen mit ionischem Kapitell, letzteres verziert mit Eulen, Datteln und Plametten, dominiert wird. Auf den Plinthen stehen zwei Viktorien mit großen Flügeln, die je einen Kranz nach oben halten; sie wurden womöglich, wie die Kapitelle, von Christian Daniel Rauch in Bronze gearbeitet. Die Säulen ruhen auf den Eckpfosten einer Sandsteinmauer, die auf der Vorderseite fünf Rechteckfelder aufweist, auf denen die Namen und Lebensdaten der hier bestatteten Mitglieder der Familie von Boyen aufgetragen sind, mit Hermann von Boyen in der Mitte. Die Grabanlage wird nach vorne umschlossen von einem einfachen Eisengitter, das ein Mittelbeet und einen Kiesweg umschließt; in der Vorderseite ist eine Tür eingelassen.
Stüler arbeitete auf der Basis einer persönlichen Entwurfsskizze des Königs, die ein Grabpostament mit Helm und Schwert und vier umgebenden Säulen zeigte; vielleicht wurde dieser Entwurf stark abgewandelt, weil sich sonst eine Beeinträchtigung der Perspektive auf das Scharnhorst-Denkmal ergeben hätte. Durch Stülers Konzeption wird selbiges von den Säulen des Boyen-Grabes nur eingerahmt und dadurch noch betont. Beide Grabmale zusammen bilden den künstlerischen und optischen Höhepunkt des Invalidenfriedhofs.
Bei der aufwändigen, aber gelungenen Rekonstruktion, die von 1993 bis 2003 durchgeführt wurde, entschloss man sich nach längeren Diskussionen, zahlreiche Veränderungen an der Grabanlage aus dem 20. Jahrhundert rückgängig zu machen. Säulen, Viktorien und das Gitter waren nach Schäden im Krieg 1952 abgebaut worden und gingen verloren. Die Grabwand wurde 1963 versetzt, um Platz für Ehrenbekundungen der NVA am Scharnhorst-Grab zu schaffen. Säulen und Viktorien wurden inzwischen nach alten Fotos rekonstruiert, beim Gitter konnte dies auf der Basis von Resten geschehen. Die Grabmauer wurde an ihren ursprünglichen Standort versetzt, Schäden wurden ausgebessert. Im Grabfeld setzte man entsprechend des historischen Erscheinungsbildes wieder zwei Lindenbäume an.[24]
Die Grabstätte Hermann von Boyens ist als Ehrengrab des Landes Berlin ausgewiesen.
Grabstätte Familie von Rauch
Der Auftrag zur Errichtung des Grabmals für Generalleutnant Friedrich Wilhelm von Rauch (1790–1850) und seine Familie geht auf König Friedrich Wilhelm IV. zurück, dessen Generaladjutant von Rauch gewesen war. Vielleicht auf der Basis einer eigenhändigen Zeichnung des Königs errichtete Friedrich August Stüler ein spätklassizistisches Grabdenkmal aus Sandstein mit breit gefasster Sockelmauer, auf der eine Ädikula mit Rundbogen aufsitzt. Stüler orientierte sich vermutlich auch an dem Grabmal, das Schinkel, ebenfalls im Auftrag Friedrich Wilhelms (damals noch Kronprinz), für den Historiker Barthold Georg Niebuhr auf dem Alten Friedhof in Bonn entworfen hatte. Im Gegensatz zu Schinkel ließ Stüler die Ädikula, die hier einen altarartigen Vorsatz und im Giebelfirst beidseitig Putten aufweist, jedoch offen. Der Sockel ist mit einer Widmungsinschrift des Königs versehen: „Dem treuen Freunde und tapferen Krieger – Friedrich Wilhelm IV. 1850“. Das Grabmal wird von einem schweren Eisengitter mit mächtigen Pfosten umgeben, das ebenfalls von Stüler entworfen wurde.
Vermutlich befand sich in der Ädikula ursprünglich den Vorstellungen Stülers gemäß ein Standbild, das jedoch verloren ging und vor 1990 durch von Rauchs erhalten gebliebenes, schlichtes Grabkreuz aus weißem Marmor ersetzt worden ist. Obwohl dies sowohl stilistisch als auch materiell einen Stilbruch darstellt, ergibt sich dadurch doch eine eindrucksvolle Kommunikation mit anderen Marmorkreuzen, die vor dem Stülerschen Denkmal für weitere Angehörige der Familie von Rauch bis ins 20. Jahrhundert errichtet wurden und teils auf der ursprünglichen Grabanlage, teils dieser vorgelagert stehen. (In einem nach 1945 angelegten Verzeichnis der Beisetzungen auf dem Invalidenfriedhof ist diese Familie am stärksten vertreten.)
Bei den Renovierungsarbeiten in den Jahren 1998/1999 wurden an dem Grabmal Reste einer alten Bemalung in hellem Ocker entdeckt, die vermutlich frühzeitig aufgetragen worden war, um den verwendeten unterschiedlichen Sandsteinen eine harmonische Gesamterscheinung zu geben. Dies wurde bei der Restaurierung wieder aufgegriffen. Die Stülersche Gittereinfassung wurde auf der Basis alter Fotos rekonstruiert. Insbesondere die Rückseite des Grabmals weist Spuren der Kämpfe aus, die am Ende des Zweiten Weltkriegs auf dem Invalidenfriedhof stattfanden; diese Schäden sind bei der Rekonstruktion bewusst erhalten geblieben.[25]
Grabmal Hans Karl von Winterfeldt
Das Grabmal für Hans Karl von Winterfeldt (1707–1757) wurde 1857 im Grabfeld C errichtet, aus Anlass des 100. Todestages des preußischen Generals, der bei der Schlacht von Moys im Siebenjährigen Krieg tödlich verwundet worden war. Die Nachkommen von Winterfeldts hatten eingewilligt, dessen sterbliche Überreste von der Familiengrabstätte im schlesischen Pilgramsdorf auf den Invalidenfriedhof zu überführen.
Die Anlage verbindet klassizistische Merkmale wie die vom Schinkelschen Scharnhorst-Grabmal übernommene Gitterumfassung mit dem spätbarocken Element des Grabpostaments mit Schmuckbekrönung. Der mehrstufige Sockelunterbau aus rötlich-braunem Granit trägt goldfarbene Inschriften, neben dem Namen des Toten auf der Vorderseite, seine Geburtsdaten rechts und ein Zitat König Friedrichs II. über von Winterfeldt auf der Rückseite: „Er war ein guter Mensch, ein Seelenmensch. Er war mein Freund.“ Auf der Rückseite befindet sich auch ein Bronzerelief, das eine Viktoria mit Kriegsattributen zeigt, darunter ein Schild mit einem weiteren Zitat von Friedrich II. In die Vorderseite des Postaments ist eine medaillonartig umfasste Bronzebüste von Winterfeldts eingelassen. Auf dem Sockel erhebt sich ein großer Bronzeaufsatz, in dem Waffen und Siegestrophäen in antikisierender Form und eine umfassende Fahne mit königlichem Monogramm und reich gestaltetem preußischem Adler auf der Rückseite integriert sind. Der gesamte Bronzeschmuck des Denkmals stammt von dem Generalleutnant und Bildhauer Heinrich von Ledebur, der 1912 ebenfalls auf dem Invalidenfriedhof beigesetzt wurde.
Neben der Grabanlage sind weitere Mitglieder der Familie von Winterfeldt bestattet, die zwischen 1940 und 1954 gestorben sind.[26]
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Grabmal Gebrüder von Pirch
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Grabmal H. C. von Winterfeld, Detail
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Grabmal G. F. von Kessel
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Grabmale Job von Witzleben und Gustav von Rauch
Der Friedhof zwischen 1900 und 1945
Entwicklung bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs
Viele deutsche Heerführer des Ersten Weltkriegs und der Freikorps bekamen ihr Grab auf dem Invalidenfriedhof, aber auch Offiziere niedrigerer Dienstgrade, sofern sie besondere militärische Leistungen vollbracht hatten. Auch für die Weimarer Republik hatte das Gelände die Bedeutung eines Heldenfriedhofs.
Der langjährige Friedhofinspektor Karl Friedrich Treuwerth hob 1925 in einem Friedhofsführer vor allem die hier bestatteten Personen hervor, die einen militärischen Hintergrund hatten. Er zählte dabei elf Generalfeldmarschälle und Generaloberste, sieben preußische Kriegsminister, neun Admirale, 67 Generale der Waffengattungen, 104 Generalleutnants und 93 Generalmajore, die auf dem Friedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten.
Trotz der Bedeutung des Friedhofs wurden nach 1925 zahlreiche Gräber eingeebnet, die länger als 30 Jahre bestanden und für die keine Gebühren mehr bezahlt wurden. Das verringerte den Bestand von 6000 im Jahr 1925 auf ca. 3000 Grabstellen im Jahr 1941.
Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden hier verschiedene Offiziere wie Werner von Fritsch und Walter von Reichenau sowie Repräsentanten des NS-Systems wie Fritz Todt und Reinhard Heydrich beerdigt. Auch der in den letzten Kriegstagen ermordete Offizier Wilhelm Staehle, ein Mitglied des Widerstands, fand sein Grabmal auf dem Invalidenfriedhof.
1936 wurde im Grabfeld F Wolfgang Fürstner, stellvertretender Kommandant des Olympischen Dorfes bei den Berliner Spielen, beigesetzt. Fürstner hatte erfahren, dass er aufgrund der Nürnberger Gesetze als Jude eingestuft und aus der Wehrmacht entlassen werden sollte; er erschoss sich am 19. August 1936 – drei Tage nach Ende der Olympischen Spiele. Um Schaden für das internationale Ansehen Deutschlands abzuwenden, wurde der Tod als Unglücksfall hingestellt und der Tote erhielt eine Bestattung auf dem Invalidenfriedhof; sein Grab wurde auch in Friedhofsführern der NS-Zeit ausgewiesen.[27]
Die Pläne Adolf Hitlers und Albert Speers zur Umgestaltung Berlins sahen vor, den Invalidenfriedhof einzuebnen und die bedeutendsten Toten in eine Ruhmeshalle umzusetzen.
In den letzten Kriegsmonaten wurden zahlreiche Tote in Massengräbern beerdigt, die auf Höhe des späteren Mauerstreifens lagen. Auf einigen Grabmalen finden sich noch Spuren der Kämpfe gegen Kriegsende.
Grabdenkmale des 20. Jahrhunderts
Grabmal Julius von Gross
Ein bemerkenswertes Grabdenkmal aus dem frühen 20. Jahrhundert ist das des Königlich-Preußischen Generalmajors Karl Julius von Gross, gen. von Schwarzhoff (1850–1901), in Grabfeld D. Dieser war als Chef des Generalstabs beim Armee-Oberkommandanten in Ostasien, Graf von Waldersee, am 17. April 1901 bei einem Brand im kaiserlichen Winterpalast in Peking, dem Hauptquartier der deutschen Expeditionstruppen während des Boxeraufstandes, ums Leben gekommen.[28]
Die den Eklektizismus des Jugendstils spiegelnde Grabstele aus grauem Granit enthält auf der Vorderseite in einer Rundbogennische eine von dem badischen Bildhauer Otto Feist in spätklassizistisch-naturalistischer Manier gestaltete Bronzeskulptur. Diese zeigt den Kampf des Erzengels Michael gegen den Drachen als Allegorie des Kampfes der westlichen Mächte gegen die Chinesen. Rechter Arm und Speer des Erzengels sind durch Metalldiebstahl nach 1945 verloren gegangen. Auf der Rückseite des Denkmals sind die „vereinsamte Mutter u. Schwester“ des Toten als dessen Stifter genannt. Der dort ebenfalls eingeritzte biblische Spruch „Ich will Dich segnen und Du sollst ein Segen sein“ (1 Mose 12.2) wird umrankt von Wappenbildern von elf Orten, die mit der Biographie des Toten in Verbindung stehen, darunter ein Bär für Berlin und ein Drachen für Peking.[28]
Grabmal Max Hoffmann
Das Grabmal von Generalmajor Max Hoffmann (1869–1927), Chef des Generalstabes Ober Ost im Ersten Weltkrieg und Leiter der deutschen Delegation bei den Waffenstillstandsverhandlungen von Brest-Litowsk, wurde von dessen Freund Arnold Rechberg entworfen. Es wird dominiert von einer auf einem gesockelten Kubus aufgesetzten monumentalen Skulptur, die einen auf einem Felsen sitzenden, fast nackten Jüngling zeigt. Rechberg hatte das von Auguste Rodin beeinflusste Werk 1906 als Gipsmodell unter dem Titel „Resignation Humaine“ beim Pariser Salon eingereicht. Der Bronzeabguss wurde 1929 auf dem Grabmal errichtet. Auf der Rückseite des Kubus sind Schlachtorte aus Hoffmanns militärischer Karriere (Tannenberg, Masurische Seen, Lyck und Augustow) sowie dessen Ehrenbürgerschaft in der Heimatgemeinde Homburg an der Efze genannt. Das Grabfeld wird umgeben von einer Brüstung aus Muschelkalkstein.
Für den Freund und sich hatte Rechberg eine Grabstelle auf dem Grabfeld E am westlichen Rand des Friedhofs erworben und mit der Friedhofsverwaltung einen Pachtvertrag bis zum Jahr 2100 abgeschlossen. Sein Antrag aus dem Jahr 1942, dort bestattet zu werden, wurde von Nationalsozialisten wegen unliebsamer politischer Aktivitäten Rechbergs (er war zeitweilig im Konzentrationslager Dachau interniert) jedoch abgelehnt. Er wurde nach seinem Tod im Jahr 1947 in Hersfeld beigesetzt.
Vermutlich schon beim Bau der Berliner Mauer im Jahr 1961 war das Grabmal Hoffmanns ins Grabfeld C versetzt, gleichzeitig wohl eine Widmungsinschrift Rechbergs entfernt worden. Da der ursprüngliche Standort anhand verbliebener Fundamentreste identifiziert werden konnte, wurde das Grabmal nach Restauration im Jahr 2002 zurück ins Grabfeld E verlegt.[29]
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Grabmal Marga von Etzdorf (1933)
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Grabmal Ludwig von Falkenhausen (1936)
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Grabmal Hans von Seeckt (1936)
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Grabmal Ernst Udet (1941)
Der Friedhof zwischen 1945 und 1990
Entwicklungen bis 1961
Als Eigentum einer aufgelösten Stiftung wurde der Invalidenfriedhof nach Kriegsende zunächst der Groß-Berliner Grundstücksverwaltung AG unterstellt. Diese bezahlte Angestellte sowie die Bewirtschaftung des Geländes und nahm Gebühren für weiterhin stattfindende Bestattungen ein. Jedoch sind keine Bemühungen nachweisbar, Kriegsschäden systematisch zu beseitigen. Das Holzkreuz auf dem Grab von Reinhard Heydrich wurde zwar entfernt; es ist aber nicht belegt, dass dies auf amtlichen oder alliierten Geheiß hin geschah. Ein Alliierter Kontrollratsbeschluss vom 17. Mai 1946, der die Entfernung aller „militaristischen und nationalsozialistischen Denkmäler“ auch von Friedhöfen verlangte, scheint keine großen Konsequenzen für den Invalidenfriedhof gehabt zu haben.[30]
1950 ging der Invalidenfriedhof in die Verwaltung des Bezirksamtes von Berlin-Mitte über. Der Berliner Magistrat beschloss, ab 1. Mai 1951 keine weiteren Bestattungen mehr zuzulassen. Dieser Beschluss erfolgte wohl wegen des vermeintlich militaristischen Charakters des Friedhofs und weil dieser immer weniger genutzt wurde. Ein weiterer Grund könnte der zunehmend schlechte Zustand der Anlage gewesen sein, für deren Unterhaltung das Bezirkamt nicht aufkommen wollte. Aufgrund einer Eingabe des angesehenen Gynäkologen Walter Stoeckel, der neben seiner 1946 verstorbenen Frau auf dem Invalidenfriedhof beigesetzt werden wollte, wurde der Beschluss 1952 modifiziert. In Einzelfällen durften Ehepartner in den folgenden Jahren weiterhin in bereits existierenden Familiengräbern bestattet werden. Stoeckels eigene Beisetzung im Februar 1961 war dann die letzte für den Invalidenfriedhof nachgewiesene.[31]
Beschädigte Grabstellen oder solche mit abgelaufener Liegefrist (vor 1926 bei Erwachsenen und vor 1936 bei Kindern unter 12 Jahren) wurden ab 1951 abgeräumt und an ihrer Stelle Rasenflächen angelegt. Gleichzeitig gab es interne Debatten zwischen Repräsentanten der Friedhofsverwaltung, des Instituts für Denkmalpflege, von SED-Parteistellen und des Museums für deutsche Geschichte, welche Gräber aufgrund der historischen Bedeutung der dort Bestatteten erhalten und gepflegt werden sollten. Weil keine endgültigen Beschlüsse diesbezüglich gefasst wurden (Einigkeit herrschte nur beim Wunsch zur Erhaltung des Grabmals von Scharnhorst), erfolgte die Pflege solcher Grabstätten in den folgenden Jahren ungeregelt und auf Eigeninitiative von Friedhofsverwaltung und Privatpersonen.[32]
Zerstörungen infolge des Mauerbaus
Die eigentliche Zerstörung des Invalidenfriedhofs begann mit dem Bau der Berliner Mauer durch die DDR 1961. Am Westufer des Berlin-Spandauer Schifffahrtskanals verlief die Grenze zwischen Ost- und Westberlin. Ab November 1961 galten daher Einschränkungen für das Betreten des Friedhofs; Besucher mussten bei der Friedhofsverwaltung Berechtigungmarken beantragen.[33]
Je weiter die Grenzanlagen ausgebaut wurden, desto mehr nahmen die Zerstörungen auf dem Invalidenfriedhof zu. Als vordere Grenzmauer diente hier die aus Ziegelsteinen bestehende alte Friedhofsmauer aus dem Jahr 1902, auf die ein Zaun aufgesetzt wurde. Die Lücke in der Mitte der Mauer wurde beseitigt, die dort stehende „Königslinde“ (benannt nach König Friedrich II., der bei Invalidenhausbesuchen an ihr gerastet haben soll), wurde gefällt. Im davor gelegenen Bereich bewachten Boote den zu Ost-Berlin gehörenden Schifffahrtskanal. Auf den Grabfeldern E, F und G wurde ein Todesstreifen mit Wachtürmen, Kontrollstreifen, Lichttrasse und einer Laufanlage für Wachhunde sowie einer Betontrasse („Kolonnenweg“) angelegt. Störende Grabsteine auf dem Grenzstreifen wurden abgeräumt und zunächst auf anderen Teilen des Friedhofs abgelegt, später ganz beseitigt. Zu den wenigen sachgemäß versetzten Grabmalen gehörte das von Max Hoffmann, das von Grabfeld E in Grabfeld C verlegt wurde. Der Grenzstreifen wurde vom restlichen Friedhof durch eine erst aus Stachdrahtzaun, ab 1975 aus Betonplatten bestehende „Hinterlandsicherung“ abgetrennt.[34]
1967 war etwa ein Drittel des Friedhofs eingeebnet, darunter auch Grabmale, die hinter der eigentlichen Sperrzone lagen. Wertvolle Grabgitter wurden abgebaut und anderorts wieder verwendet. Sporadische Einwände der Denkmalschützer konnten sich gegen die Forderungen der Grenzsicherungstruppen nach Übersichtlichkeit des Geländes und nach Schussfreiheit nicht durchsetzen. 1971 entstand im nördlich der Grabfelder A und B gelegenen Grabfeld I auf Beschluss des Ministerrats der DDR eine Garage mit 40 Stellplätzen und eine Waschhalle. Das Grabfeld wurde komplett eingeebnet; es gehört heute nicht mehr zum Friedhofsgelände. In den Jahren 1972–1975 wurden weitere Grabstellen niedergelegt oder anonym verlagert. Zerstört wurde so auch das von den Architekten Wilhelm Böckmann und Hermann Ende errichtete spätklassizistische Mausoleum des Bautechnikers Carl Rabitz. Auch das benachbarte Grab von Manfred von Richthofen wurde beseitigt, dessen sterbliche Überreste auf Antrag seiner Familie nach Wiesbaden umgebettet. Der verbliebene Vegetation im Grenzstreifen wurde entfernt.[35]
Nur die Gräber von Repräsentanten der Freiheitskriege wie Scharnhorst, in dessen Nachfolge die Nationale Volksarmee der DDR sich sah, und Friesen verhinderten vermutlich die völlige Zerstörung des Invalidenfriedhofs. So erklärt sich auch der Widerstand der Denkmalschützer gegen den seit den 1960er Jahren mehrfach vorgebrachten Vorschlag, das Scharnhorst-Grabmal vom Invalidenfriedhof auf einen öffentlichen Platz zu verlegen. Nach dem Erlass eines neuen Denkmalpflegegesetzes 1975 und dem Einsturz des von Schinkel gestalteten Grabdenkmals für Job von Witzleben 1984 gab es zwar erneute Bemühungen, verliebene Grabstätten zu schützen; erstmals wurden so die entstandenen Schäden fotografisch dokumentiert. Dennoch verhinderte der Widerstand der Grenzsicherungstruppen bis 1989, dass umfassende Maßnahmen zum Schutz des Bestandes ergriffen wurden.[36]
Von den 3000 Grabstellen, die 1961 noch existierten, waren 1989 nur etwa 230 übriggeblieben.[37]
Tote am Grenzabschnitt Invalidenfriedhof
Mindestens vier Menschen starben in den 1960er-Jahren gewaltsam am Grenzabschnitt am Invalidenfriedhof.
Zum bis dahin dramatischsten Grenzzwischenfall an der Berliner Mauer kam es am 23. Mai 1962. Ost-Berliner Grenzsoldaten schossen auf den 15-jährigen Schüler Wilfried Tews, der über Invalidenfriedhof und Kanal in den Westen fliehen wollte. West-Berliner Polizisten, die angewiesen waren, Flüchtlinge zu schützen, erwiderten das Feuer, um den von sieben Schüssen getroffenen Tews am westlichen Kanalufer bergen zu können. Insgesamt wurden bei dem Schusswechsel über 100 Kugeln abgefeuert. Der Gefreite bei den Ost-Berliner Grenztruppen Peter Göring wurde dabei tödlich verletzt, zwei seiner Kameraden verwundet. Göring wurde später in der DDR als Märtyrer gefeiert; Straßen, Schulen und Kasernen wurden nach ihm benannt. Drei überlebende Grenzsoldaten wurden 2002 vom Berliner Landgericht vom Vorwurf des versuchten Totschlags freigesprochen. Es konnte nicht bewiesen werden, dass die Kugeln, die Tews trafen, nicht alle aus Görings Waffe gekommen waren.[38]
Am 22. Juni 1964 wurde der 29-jährige Maurergehilfe Walter Heike bei einem Fluchtversuch in den Westen auf dem Invalidenfriedhof getötet. Heike war gegen 5:30 Uhr morgens einem Wachposten am DDR-Regierungskrankenhaus in der Scharnhorststraße aufgefallen, der daraufhin Warnschüsse abgab. Trotzdem überstieg Heike die Mauer des Invalidenfriedhofs und rannte in Richtung Kanal. Er wurde von zwei Grenzsoldaten in einem auf dem Friedhof stehenden Wachturm entdeckt, die ebenfalls Warnschüsse abgaben, ein dritter nahm die Verfolgung Heikes auf. Als Heike sich an der Mauer am Kanal hochziehen wollte, gab sein Verfolger drei gezielte Schüsse auf ihn ab. Heike starb an einem Bauchdurchschuss. Seine Familie ließ man über die Umstände des Todes im Unklaren, ihr wurde lediglich mitgeteilt, Heike sei durch Selbstverschulden tödlich verletzt worden.[39]
Am 29. April 1966 starb ein weiterer Mensch an der Grenze in der Nähe des Invalidenfriedhofs. Der 31-jährige Paul Stretz, Mitarbeiter einer Speditionsfirma, die auf westlicher Seite am Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal lag, feierte nachmittags mit Kollegen den Zahltag. Bei sonnigem Wetter wollte er sich im Kanalwasser erfrischen. Die Warnung eines West-Berliner Zollbeamten, der Kanal gehöre zu Ost-Berlin, kam zu spät. Vom Wachtum der Führungsstelle „Kieler Eck“ wurden zwei Leuchtkugeln abgefeuert; kurz darauf wurde von Grenzposten auf dem Wachturm auf dem Invalidenfriedhof auf Stretz geschossen. Dieser wurde tödlich getroffen.[40]
Vier Monate später, am 29. August 1966, kam hier der 46-jährige Heinz Schmidt auf ähnliche Weise ums Leben. Schmidt lebte in einem Obdachlosenheim im Wedding (West-Berlin) und stand wegen geistiger Gebrechen unter staatlicher Pflegschaft. Er war am Nordhafen ins Wasser gestiegen und von dort aus in den südlich anschließenden Berlin-Spandauer Kanal geschwommen. Warnungen von Anglern und herbeigerufenen West-Berliner Polizisten ignorierte er. Trotz auf ihn abgegebener Schüsse erreichte Schmidt das östliche Ufer und ging dort in Deckung. Die Polizisten forderten ihn auf, ruhig zu bleiben und riefen den Ost-Berliner Grenzsoldaten zu, nicht auf den – ihrem Eindruck nach betrunkenen – Mann zu schießen. Trotzdem stieg Schmidt wieder ins Wasser und versuchte, zum Nordhafen zurückzuschwimmen. Dabei wurde er auf Höhe des Invalidenfriedhofs von mehreren Schüssen der Grenzsoldaten tödlich getroffen. Er konnte am westlichen Kanalufer geborgen werden, aber im nahegelegenen Virchow-Krankenhaus wurde nur noch sein Tod festgestellt.[41]
Erhaltung und Rekonstruktion seit 1990
Noch vor der deutschen Wiedervereinigung wurde der Friedhof mit den erhaltenen Grabmälern und Resten der Berliner Mauer 1990 unter Denkmalschutz gestellt. Seither beteiligen sich verschiedene Institutionen und ehrenamtliche Helfer daran, das Vorhandene zu restaurieren und denkmalpflegerisch zu betreuen. Erklärtes Ziel ist es, sich dem ursprünglichen Erscheinungsbild anzunähern, ohne die Zerstörungen des 20. Jahrhunderts zu verleugnen.
Die mit bräunlichem Kies befestigten Hauptwege wurden 1992/1993 bzw. 2000 wiederhergestellt, auch im Bereich des ehemaligen Grenzstreifens, wo heute kaum noch Grabstellen existieren. Zusätzlich wurden auch einige Nebenwege rekonstruiert, vor allem im Grabfeld C. Die Wege werden seitdem wieder von Lindenbäumen gesäumt. Dabei hat man den an den erhaltenen Stümpfen erkennbaren unregelmäßigen Abstand zwischen den Bäumen eingehalten. Die Friedhofsmauer wurde in der ursprünglichen Form rekonstruiert, im freigelassenen mittleren Bereich wieder eine neue „Königslinde“ angepflanzt.
Die erhaltenen Abschnitte der Hinterlandmauer wurden 2003 sorgsam restauriert. Allerdings hat man dabei die typische Bemalung auf der dem Grenzstreifen abgewandten Seite (weiße Rechtecke mit grauer Rahmung) auch auf die Grenzseite (die zu Mauerzeiten durchgehend weiß war) übertragen. Auch der 1975 im Grenzbereich angelegte, erst betonierte, später asphaltierte „Kolonnenweg“ blieb erhalten bzw. wurde rekonstruiert. Über (nicht historische) Friedhofseingänge im Norden und Süden ist dieser an den Geh- und Radweg entlang des Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanals angebunden. Der materielle und farbliche Gegensatz zwischen „altem“ und „neuem“ Wegesystem ist im Grabfeldbereich E, F und G zu beobachten. Die abgeräumten Grabfelder wurden mit neuen Rasenflächen bepflanzt.[42]
Der „Kolonnenweg“ auf dem Invalidenfriedhof ist heute Teil des zwischen 2002 und 2006 unter Verantwortung der Senatsverwaltung angelegten Berliner Mauerwegs, der auf 160 Kilometer den ehemaligen Grenzverlauf zwischen West-Berlin und Ost-Berlin bzw. der DDR markiert.[43] Er darf mit dem Fahrrad befahren werden. Der Invalidenfriedhof wurde außerdem als Standort von drei Schautafeln gewählt, die über den größeren Grenzabschnitt zwischen Sandkrugbrücke im Süden und Kieler Eck im Norden informieren. Zwei Tafeln verweisen auf die Geschichte des zweiten Mauertoten Günter Litfin (der am 21. August 1961 nahe der Sandkrugbrücke erschossen wurde) bzw. auf den Tod des Ost-Berliner Grenzsoldaten Peter Göring am Invalidenfriedhof.[44]
Ein Problem bereitete nach 1989 der Wunsch von Familien, die größtenteils gar nicht mehr markierten Gräber ihrer Vorfahren und Verwandten wieder würdig zu gestalten, dabei jedoch auf heutige, nicht auf historische Gestaltungsformen, etwa bei Grabsteinen, zurückzugreifen. Ein solches Beispiel zeigt sich am Grab von Werner Mölders, wo seit 1990 eine schwere Granitplatte das in den 1950er-Jahren entfernte, schlichte Holzkreuz ersetzt, das die Grabstelle ursprünglich markierte.[45]
Aus der Befürchtung heraus, der Invalidenfriedhof könnte zu einem Anziehungspunkt nationalistischer und rechtsextremer Gruppierungen werden, die einzelne Grabstätten hervorheben wollten, beschloss der aus Berliner Senatsvertretern, Fachleuten und Familienangehörigen bestehende Gesprächskreis Invalidenfriedhof 1991, gänzlich verlorene Grabsteine und -denkmale sollten nicht rekonstruiert werden. Statt dessen ist es erlaubt, einheitlich gestaltete Gedenksteine („Kissensteine“ oder „Restitutionssteine“) mit 60 × 60 cm Größe auf identifizierten Grabstellen abzulegen. In Fällen, bei denen keine Verwandten zur Finanzierung eines Kissensteins bereitstehen, eine Ausweisung der Grabstelle aber aufgrund der Bedeutung der Toten geboten erscheint, bemüht sich der Förderverein Invalidenfriedhof, Stifter zu gewinnen.[46] Auch das nicht erhaltene Grab von Wolfgang Fürstner in Grabfeld F wird von einem solchen Stein markiert; er wurde 2002 von NOK-Präsident Walther Tröger eingeweiht.
Seitlich angebrachte Plaketten an den Kissensteinen nennen das Restitutionsjahr und teilweise die Stifter. Die am Boden liegenden Steine haben sich als anfällig für Flechten und Moose erwiesen, inbesondere bei nicht geglätteten Oberflächen. Bei einigen in den vergangenen Jahren platzierten Kissensteinen ist daher die Beschriftung bereits schwer zu entziffern.
Da Repräsentanten des NS-Regimes von der Regelung bezüglich der Kissensteine auf geschleiften Gräbern ausgenommen bleiben sollten, lehnte das Bezirksamt von Berlin-Mitte im Jahr 2002 einen entsprechenden Antrag von Ilsebill Todt bezüglich des Grabs ihres Vaters, Reichsminister Fritz Todt, ab. Zustimmung erhielt diese Entscheidung vom Landesdenkmalamt und dem Förderverein Invalidenfriedhof. Nach Einreichen einer Klage beim Berliner Verwaltungsgericht durch Todts Anwalt Thor von Waldstein lenkte das Bezirksamt im Jahr 2004 ein. Als Begründung gab man an, Todt sei von den Alliierten posthum entnazifiziert worden.[47] Der daraufhin gelegte Kissenstein ist inzwischen jedoch wieder beseitigt worden (siehe Fotovergleich).
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Grab von Ernst Troeltsch, Restitutionsstein von 1991
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Grab von Wilhelm Heinrich Solf, Restitutionsstein von 2001
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Grab von Wolfgang Fürstner, Restitutionsstein von 2002
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Grab von Helmuth und Eliza von Moltke, Restitutionsstein von 2007
Bekannte Personen, die hier bestattet wurden
Siehe auch
Literatur
- Laurenz Demps: Zwischen Mars und Minerva. Wegweiser über den Invalidenfriedhof. Ein Verzeichnis der auf dem Invalidenfriedhof zu Berlin noch vorhandenen Grabdenkmale. Verlag für Bauwesen, Berlin 1998, ISBN 3-345-00659-6.
- Laurenz Demps: Der Invalidenfriedhof. Ein Denkmal preußisch-deutscher Geschichte in Berlin. Brandenburgisches Verlags-Haus, Berlin 1996, ISBN 3-89488-093-7.
- Laurenz Demps, Christian Scheer, Hans-Jürgen Mende: Invalidenfriedhof. Ein Friedhofsführer. 2., erw. und überarb. Auflage. Simon, Berlin 2007, ISBN 3-936242-08-9.
- Horst Helas: „Der Invalidenfriedhof in Berlin“. In: Berlinische Monatsschrift 2/2000, S. 23-36. [3]
- Klaus von Krosigk (Hrsg.): Der Invalidenfriedhof. Rettung eines Nationaldenkmals. L-und-H-Verl., Hamburg 2003, ISBN 3-928119-83-4.
- Klaus Hammer: Friedhöfe in Berlin – Ein kunst- und kulturgeschichtlicher Führer. Jaron Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-89773-132-0, S. 33-40.
- Robert Thoms: Invalidenfriedhof Berlin. Seine Geschichte in den Biographien dort Beerdigter. Eigenverlag, Berlin 1999, ISBN 3-89811-048-6.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Klaus von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, Rettung eines Nationaldenkmals, L-und-H-Verl., Hamburg 2003, S. 11-2; Laurenz Demps, Der Invalidenfriedhof – Denkmal preußisch-deutscher Geschichte in Berlin, Brandenburgisches Verlagshaus, Berlin 1996, S. 13–22.
- ↑ von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 11-2; Demps, Der Invalidenfriedhof, S. 45.
- ↑ von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 12; Demps, Der Invalidenfriedhof, S. 51.
- ↑ von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 12; Demps, Der Invalidenfriedhof, S. 51.
- ↑ Jörg Kuhn, „Ein wiedergewonnenes, spätbarockes Denkmal-Ensemble auf dem Invalidenfriedhof“, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 1/2002; von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 12-3.
- ↑ a b Kuhn, „Ein wiedergewonnenes, spätbarockes Denkmal-Ensemble auf dem Invalidenfriedhof“.
- ↑ Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.), Denkmale in Berlin, Bezirk Mitte, Ortsteil Mitte, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2003, S. 635; von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 28−30.
- ↑ Denkmale in Berlin, Bezirk Mitte, Ortsteil Mitte, S. 635; von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 28–31.
- ↑ von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 37-8.
- ↑ von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 31–5.
- ↑ von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 26-8.
- ↑ Horst Helas, „Der Invalidenfriedhof in Berlin“. In: Berlinische Monatsschrift 2/2000, S. 23–36.[1]
- ↑ Helas, „Der Invalidenfriedhof in Berlin“. [2]; von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 15.
- ↑ von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 14-5; Demps, Der Invalidenfriedhof, S. 45-8; Demps, Der Invalidenfriedhof, S. 55.
- ↑ von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 14-5; Demps, Der Invalidenfriedhof, S. 46-7.
- ↑ von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 12–4, 73–4; Demps, Der Invalidenfriedhof, S. 51.
- ↑ von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 14–5, 66–9 und 70–3; Demps, Der Invalidenfriedhof, S. 47–50, Zitat S. 50.
- ↑ von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 14.
- ↑ Demps, Der Invalidenfriedhof, S. 53–6.
- ↑ Demps, Der Invalidenfriedhof, S. 53–7.
- ↑ von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 64-5.
- ↑ von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 39–40, 99.
- ↑ von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 67-9; Demps, Der Invalidenfriedhof, S. 48–50.
- ↑ von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 70-3; Demps, Der Invalidenfriedhof, S. 62–50.
- ↑ von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 16, 67-9; Demps, Der Invalidenfriedhof, S. 74-6; Demps, Der Invalidenfriedhof, S. 48.
- ↑ von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 60–2.
- ↑ Demps, Zwischen Mars und Minerva, S. 46-7.
- ↑ a b von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 81.
- ↑ von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 58–60.
- ↑ Demps, Der Invalidenfriedhof, S. 85.
- ↑ Demps, Der Invalidenfriedhof, S. 85–89.
- ↑ Demps, Der Invalidenfriedhof, S. 89–97.
- ↑ Demps, Der Invalidenfriedhof, S. 98.
- ↑ Demps, Der Invalidenfriedhof, S. 98-9; von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 17–18, 60; Polly Feversham und Leo Schmidt, Die Berliner Mauer heute - The Berlin Wall Today, Verlag Bauwesen, Berlin 1999, S. 83; Berliner Mauer - Invalidenfriedhof.
- ↑ Demps, Der Invalidenfriedhof, S. 98–102; Berliner Mauer - Invalidenfriedhof.
- ↑ Demps, Der Invalidenfriedhof, S. 99–103; von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 18–20.
- ↑ von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 17–23.
- ↑ Schautafel Peter Göring auf dem Invalidenfriedhof; Kerstin Gehrke, „DDR-Grenzsoldaten vor Gericht“, Tagesspiegel, 29. Mai 2002; Dokumentationszentrum Berliner Mauer (Hrsg.), Todesopfer an der Berliner Bauer 1961-1989: 125 Kurzporträts, Potsdam 2006, S. 99.
- ↑ Todesopfer an der Berliner Bauer 1961–1989, S. 35.
- ↑ Todesopfer an der Berliner Bauer 1961-1989, S. 51.
- ↑ Todesopfer an der Berliner Bauer 1961-1989, S. 52.
- ↑ von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 5, 84.
- ↑ Berliner Mauerweg.
- ↑ Schautafel Göring
- ↑ von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 55.
- ↑ von Krosigk (Hrsg.), Der Invalidenfriedhof, S. 5–6, 20–3.
- ↑ Thomas Loy: Aufregung um Grabstein für Nazi-Führer - Ruhestätte bisher anonym auf Invalidenfriedhof, Der Tagesspiegel, 1. September 2004; Eva Dorothée Schmid: Invalidenfriedhof erinnert an die Geschichte der Stadt – Neuer Stein für Grab eines NS-Ministers, Berliner Zeitung, 4. September 2004.