Fraktur (Schrift)

Schriftart aus der Gruppe der gebrochenen Schriften, durch NS-„Normalschrifterlass“ 1941 aus dem Alltagsgebrauch gedrängt
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Die Fraktur ist eine Schriftart aus der Gruppe der gebrochenen Schriften. Sie war von Mitte des 16. bis Anfang des 20. Jahrhunderts die meistbenutzte Druckschrift im deutschsprachigen Raum. Im weiteren Sinne schließt der Sammelbegriff Frakturschriften auch verwandte Schriften wie Textur und Schwabacher mit ein.

Fraktur
Schrifttyp Alphabet
Sprachen Deutsch, früher auch andere
Verwendungszeit Mitte 16. Jahrhundert bis 1941
Verwendet in Deutschland
Abstammung Phönizisches Alphabet
 → Griechisches Alphabet
  → Etruskische Schrift
   → Lateinisches Alphabet
    → Fraktur
Besonderheiten Langes s (ſ)
Unicodeblock Basic+ExtA/B: U+0000-U+024F
ISO 15924 Latf
Beispiel für die Breitkopf-Fraktur

Entstehung

Die Entstehung der Frakturtype am Anfang des 16. Jahrhunderts ist eng verbunden mit Kaiser Maximilian I. Wer genau die Fraktur geschaffen hat, ist aber bis heute nicht eindeutig geklärt, da die Formen der Type auch in handschriftlichen Urkunden aus dem Umfeld der Wiener Universität und in Nürnberg nachweisbar sind.

In Frage kommt unter anderem Vinzenz Rockner, ein Sekretär von Maximilian I., der den Druck des Gebetbuches (siehe unten) überwachte und die handschriftlichen Vorlagen für die Drucklettern lieferte. Unklar bleibt, ob er diese Vorlage auch selbst entworfen hat.

Der zweite mögliche Urheber ist der Mönch und Schreiber Leonhard Wagner, der bereits am Ende des 15. Jahrhunderts eine entsprechende Schriftart entwickelte, die aber in der Bibliothek seines Klosters verblieb, so dass unklar ist, wie bekannt diese Handschrift war.

Die erste Frakturschrift für den Buchdruck wurde bereits 1513 von Hans Schönsperger in Augsburg entworfen und (unter anderen) im von Albrecht Dürer illustrierten Gebetbuch verwendet. Als zweite wichtige Anwendung der Fraktur im Druck gilt der 1517 in Nürnberg gedruckte „Theuerdank“.

Ihre ästhetische Vollendung erfuhr sie durch Schriftschneider im 18. Jahrhundert wie G. I. Breitkopf und J. F. Unger.

Entwicklung

Die Fraktur hat sich, ähnlich wie die Antiqua, im Laufe der Zeit unter dem Einfluss des Zeitgeistes angepasst und verändert. Es lassen sich folgende wichtige Formen der Fraktur unterscheiden:

Lesehilfe

 
Langes s, f, k, t, x, r, y, h, v,
B, V, R, N, E, G.

In Fraktur ungeübte Leser haben meistens nur mit wenigen Buchstaben Schwierigkeiten. Das lange s („ſ“) unterscheidet sich vom „f“ immer durch den ausgesparten kurzen Querbalken auf der rechten Seite, manchmal fehlt auch zur deutlicheren Unterscheidung der linke Querbalken. Das „k“ unterscheidet sich vom „t“ vor allem durch eine kleine Schlaufe rechts oben. Das „x“ unterscheidet sich vom „r“ nur durch eine offene Schleife am Zeichenfuß. Das „y“ ähnelt dem „h“, weist aber keine Oberlänge auf und ist im Gegensatz zum „v“ unten offen. Bei den Großbuchstaben ähneln sich „B“ und „V“, wobei „V“ der schließende innere Querstrich fehlt, genauso wie „N“ im Vergleich mit „R“. Der untere Bogen des „G“ ist bei „E“ nicht geschlossen. „I“ und „J“ haben als Großbuchstaben meist das gleiche Schriftbild.

Schriftbeispiele für die Fraktur

Verwendung der Fraktur in der Neuzeit

Die Neue Zürcher Zeitung wurde seit ihrer Gründung 1780 bis zum Jahr 1946 komplett in Fraktur gesetzt. Seit der Umstellung 1946 verwendet sie, wie auch einige andere deutschsprachige Zeitungen (u.a. Frankfurter Allgemeine bis zur Layoutumstellung im Oktober 2007, die südtiroler Tageszeitung Dolomiten), Fraktur als Auszeichnungsschrift.

Auch nach 1945 wurden noch Bücher in Fraktur gedruckt. Der Autor Hermann Hesse bestand noch lange nach dem Krieg darauf, dass seine Werke in Fraktur gedruckt würden. Auch viele Klassiker fanden in den 1950er Jahren als Frakturausgaben noch sehr guten Absatz, so eine Theodor-Storm-Gesamtausgabe von 1953. Speziell die Kirchen hielten noch lange an der deutschen Schrift fest. So erschienen die meisten Bibeln bis in die 1960er Jahre in Fraktur. Bis in die 1980er Jahre wurden in Deutschland einzelne Gesetzestexte (z.B. das Wechselgesetz im "Schönfelder") in Fraktur gedruckt.

In der Gegenwart werden Frakturschrift oder andere gebrochene Schriften in der Werbung, zur Beschriftung verschiedener Artikel und für Straßenschilder verwendet. Auf Warenverpackungen, insbesondere bei Lebensmitteln, signalisiert die Frakturschrift ein Produkt von althergebrachter Art und Qualität. Auch bei Gaststätten steht die Hausinschrift in Fraktur für einen mit Liebe geführten Traditionsbetrieb, zumindest aber für Gemütlichkeit. Schließlich ist die Frakturschrift, meistens die im angelsächsischen Raum verbreitetere gotische Schrift, in Musik- und Jugendkulturen wie Metal, Punk oder Gothic beliebt. Gotische Schriften sind einerseits derzeit in der Mode verbreitet, andererseits werden sie trotz der schließlichen NS-Frakturablehnung (s.u.) auch von Neonazis verwendet.

Allerdings werden die Schreibregeln bezüglich des Langen S bei Massenprodukten und Kneipenschildern aus Kunststoff inzwischen seltener oder überhaupt nicht mehr angewandt. Gleiches gilt für die Ligaturen "ch" und "st". Selbst die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die bis zum 4. Oktober 2007[1] Meinungsartikelüberschriften in Fraktur gesetzt hat, hatte dort schon zweieinhalb Jahre früher das lange s aufgegeben.

Ein Erlass des NS-Regimes aus dem Jahre 1941 erklärte die Antiqua zur „Normalschrift“, die Fraktur galt fortan als „offiziell unerwünscht“, so dass NSDAP-treue Zeitungen und Verlage schnell zum durchgehenden Gebrauch der lateinischen Schrift übergingen.[1] Der Duden erschien 1941 letztmalig in Fraktur. Dennoch wird die Frakturschrift seit den 1970er Jahren fälschlicherweise mit der Regierungszeit der Nationalsozialisten in Verbindung gebracht.

Außerdem werden Frakturbuchstaben auch später noch oft zur Bezeichnung von Vektoren, Matrizen und Tensoren in der Mathematik benutzt sowie als Zeichen für den Real- und Imaginärteil einer komplexen Zahl verwendet. Außerdem wurden vereinzelt die hyperbolischen trigonometrischen Funktionen durch Frakturschrift gekennzeichnet. In der Physik wurden vektorielle und tensorielle Größen teilweise durch Fraktur gekennzeichnet. So konnten etwa das Formelzeichen   für den mechanischen Druck und das Formelzeichen   für den mechanischen Impuls unterschieden werden.

Fraktur im Computerschriftsatz

Seit der Desktop-Publishing-Revolution in den späten 1980ern bestand erstmals die Möglichkeit, Schriften in hoher Qualität kostengünstig zu produzieren und zu vertreiben. Die großen kommerziellen Schriftanbieter digitalisierten ihre Schriftbestände, wenn auch mangels Nachfrage nur wenige Frakturschriften. Selbstständige Typographen haben zahlreiche weitere Frakturschriften digitalisiert und produziert, deren Qualität aber stark schwankt. Für traditionellen Fraktursatz muss eine Schrift zumindest wichtige Zwangsligaturen und das lange s enthalten.

Da es sich bei der Fraktur nicht um ein eigenständiges Zeichensystem handelt, sondern nur um Glyphenvarianten des Lateinischen, ist sie in Unicode für Textanwendungen nicht gesondert kodiert. Allerdings sind einige Frakturbuchstaben als mathematische Symbole enthalten.

Das lange s als besonderer Buchstabe ist unter der Unicode-Position U+017F kodiert. Außerdem kann in HTML mit dem Schriftcode „Latf“ der Text als Fraktur gekennzeichnet werden. Mit der Angabe von „de-Latf“ kann der Browser eine geeignete Schrift für deutschen Fraktursatz auswählen. Leider bietet das zumindest Firefox in der aktuellen Version nicht an.

Literatur

Weitere Hinweise in der Bibliographischen Datensammlung zu den Geschichtlichen Hilfswissenschaften

Nach 1945 in Fraktur gesetzte Bücher

(Beispiele)

  • Besoldungs-Tabellen für Beamte zur Besoldungsordnung A-B-H. Verlag für Verwaltungspraxis Franz Rehm. München 1949.
  • Hermine Kiehnle: Kiehnle-Kochbuch. Walter Hädecke Verlag, Stuttgart-Weil der Stadt 1951.
  • Dr. Herbert Zimmermann: Lateinische Wortkunde. Verlag von Ernst Klett, Stuttgart 1956
  • Joseph Maria Stowasser: Der Kleine Stowasser, Lateinisch-Deutsches Schulwörterbuch. G. Freytag Verlag, München 1971.
  • Schönste liebe mich. Deutsche Liebesgedichte aus dem Barock und dem Rokoko. Gestaltet von Jan Tschichold. Verlag Lambert Schneider, Heidelberg 1957.
  • Kunstwerke der Schrift. Gedichte im Kleide schöner Druckschriften aus sechs Jahrhunderten. BfdS, Hannover 1994. ISBN 3-930540-09-6
  • Ernest Potuczek-Lindenthal: Bauernregeln – Scherenschnitte. Hanseatische Verlagsanstalt, Bremen 1999, ISBN 3-8179-0028-7
  • Menge-Güthling: Großwörterbuch Latein Teil II Deutsch-Latein von Prof. Dr. Otto Güthling. Langenscheidt Berlin-München-Wien-Zürich-New York 18. Auflage 2002.
  • Walter Plata: Schätze der Typographie. Gebrochene Schriften. Gotisch, Schwabacher und Fraktur im deutschen Sprachgebiet in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Informationen und Meinungen von 17 Autoren angeregt und eingeleitet von Walter Plata. Polygraph-Verlag, Frankfurt a. M. 1968.
  • Menge, Hermann; Müller, Heinrich - Langenscheidts Taschenwörterbuch der Lateinischen und Deutschen Sprache, 2 Bde., Verlagsbuchhandlung berlin Schöneberg, 12. Auflage, Druck und Einband: Langenscheid KG., Berchtesgaden/Obb., 1952
  • Ruth Harnisch: Der zerbrochne Krug. Ein Lustspiel von Heinrich von Kleist, Verlag Bund für deutsche Schrift und Sprache, Hannover 1996. ISBN 3-930540-16-9

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Martin Bormanns Schrifterlass vom 3. Januar 1941
Commons: Fraktur – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien