Pelargonienwurzelextrakt ist ein Arzneistoff, der aus den Wurzeln der südafrikanischen Kapland-Pelargonie gewonnen wird und in Form von Tropfen zur Behandlung der akuten Bronchitis zugelassen ist. Das Arzneimittel ist unter dem Namen Umckaloabo® der Firma Spitzner im Handel. Verlässliche Studien, die eine medizinische Wirksamkeit beim Menschen belegen, existieren nicht.
Pharmakologische Eigenschaften
Wirkungsweise
Pelargonienwurzelextrakt soll gegen Viren und Bakterien sowie schleimlösend wirken.
Der Extrakt wirkt in einem Fibroblasten/Enzephalomyokarditis-Virus (EMCV)-Modell in vitro steigernd auf die Produktion von Makrophagen-Interferon[1]. Ob eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf humanpathogene Viren in vivo besteht ist nicht bewiesen.
In einem weiteren in vitro-Modell ist eine antibakterielle Wirkung gegen verschiedene grampositive (Staphylococcus aureus, Streptococcus pneumoniae) und gramnegative Bakterien (Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae, Proteus mirabilis, Haemophilus Influenzae) beschrieben worden[1]. Für diesen Effekt ist das in Handel befindliche Medikament allerdings 1000fach unterdosiert[2].
Zusätzlich wird eine indirekte antibakterielle Wirkung beschrieben. So soll die Anheftung von Bakterien an die Atemwegsschleimhaut verhindert werden, sowie das Eindringen und Durchschleusen der Bakterien in die tieferen Gewebeschichten[3]. Im weiteren wird eine Mobilisation und Aktivierung der körpereigenen Fresszellen (Makrophagen) beschrieben[3].
Das Arzneimittel soll die Schlagfrequenz der Flimmerhärchen in den Bronchien erhöhen und so einen besseren Abtransport des Schleimes ermöglichen.[4]. Eine Überlegenheit gegenüber einer ebenfalls nicht gesicherten Therapie mit Acetylcystein konnte nicht nachgewiesen werden[5].
Gegenanzeigen und Nebenwirkungen
Wegen der im Extrakt enthaltenen Cumarine gelten Zustände die mit einer erhöhten Blutungsneigung (angeboren oder erworben (medikamentöse Therapie mit Phenprocoumon)) einhergehen als Kontraindikation[6]. Eine direkte gerinnungshemmende Wirkung konnte im Tierversuch nicht nachgewiesen werden[7].
Durch einen Ethanolanteil von 12 Volumenprozent ist die Einnahme bei Kindern kritisch zu betrachten. Der Hersteller verweist jedoch darauf, dass die Tagesdosis des Präparats unterhalb des natürlichen Alkoholgehalts eines Glases Apfelsaft liege und damit unbedenklich sei.
Unter der Behandlung mit Pelargonium wurden Fälle von Leberschädigung berichtet[8].
Weitere mögliche Nebenwirkungen sind: Magen-Darm-Beschwerden und leichte, sowie sehr selten auch schwere Überempfindlichkeitsreaktionen mit dem Bild eines anaphylaktischen Schocks.[6]
Zulassung und Studienlage
Pelargonienwurzelextrakt ist zugelassen zur Behandlung der akuten Bronchitis bei Kindern ab einem Jahr und Erwachsenen. Die früher vom Hersteller beanspruchten Indikationen Mandelentzündung (Angina tonsillaris), Entzündung des Nasen- und Rachenraums (Rhinopharyngitis) und Nasennebenhöhlenentzüdung (Sinusitis) mussten mit der Nachzulassung im Dezember 2005 aufgegeben werden.
Zur Wirksamkeit bei akuter Bronchitis wurden zwei placebokontrollierte Doppelblindstudien veröffentlicht[9][10]. Der dieser Studien zu entnehmenden Überlegenheit von Umckalobao gegenüber Placebo wird in einem Artikel des Arzneimitteltelegramms[11] widersprochen.
Eine Studie, welche die Überlegenheit von Umckaloabo gegenüber Placebo bei Kindern mit Nicht-Streptokokken-Angina tonsillaris [12] (Mandelentzündung ohne Nachweis von Bakterien) beweisen soll, ist zumindest dahingehend kritisch zu betrachten, daß die verwendeten Schnelltests auf Streptokokken in 9% der Fälle falsch negative Ergebnisse zeigen[13]. Die möglichen Komplikationen bei einer nicht-antibiotischen Behandlung sind erheblich.
Herstellung und chemischer Aufbau
Das Arzneimittel enthält einen ethanolischen Auszug (1:8-10) aus den Wurzeln der südafrikanischen Pelargonium sidoides aus der Familie der Storchschnabelgewächse. Ein Teil des Bedarfs an Rohmaterial wird durch Wildsammlung, ein anderer Teil durch Anbau gedeckt.
Der durch Perkolation und/oder Mazeration gewonnene Wurzelextrakt enthält unter anderem mehrfach substituierte Benzopyranonderivate und kondensierte Gerbstoffe. Bei den Benzopyranonderivaten handelt es sich um in 5- bis 8-Position zwei- bis vierfach Hydroxy-, Methoxy- und/oder Sulfooxysubstituierte 2H-1-Benzopyran-2-one wie z. B. Scopoletin und Umckalin, bei den kondensierten Gerbstoffen um Proanthocyanidine, die hauptsächlich aus Gallocatechin- und Epigallocatechin-Monomeren aufgebaut sind. Im weiteren sind einfache phenolische Verbindungen, in erster Linie Gallussäure, enthalten[1]
Historisches
Im Süden Afrikas werden Dekokte aus Pelargonium-Arten in der traditionellen Heilkunst verwendet.
Ein an Tuberkulose erkrankter englischer Major (Charles H. Stevens), reiste 1897 nach Südafrika in das Gebiet des heutigen Lesotho und wurde dort von einem Basotho-Heiler mit einem solchen Extrakt behandelt. Stevens erholte sich angeblich innerhalb von drei Monaten vollständig und importierte die vermeintliche Wunderpflanze nach Europa. Unter der Bezeichnung „Stevens' Consumption Cure“ war der Extrakt eine Zeitlang als Tuberkulosemittel populär. Es verschwand jedoch vom Markt, als Stevens nach einer verlorenen gerichtlichen Auseinandersetzung mit der British Medical Association den Bankrott erklären musste. Die Standesorganisation hatte sein Heilmittel als Fälschung und ihn selbst als Betrüger bezeichnet[14][15].
Im deutschsprachigen Raum hielt das Interesse an, auch aufgrund der Arbeit des Schweizer Missionsarztes Adrien Sechehaye (Universität Genf). Er behandelte noch in den 1920er Jahren rund 800 Tuberkulosepatienten mit „Stevens' Cure“. Während diesen Behandlungen soll er in vielen Fällen klare Heilungseffekte verzeichnet haben. Die Berichte darüber veröffentlichte er 1933 und 1954 zusammen mit den Ergebnissen diverser Experimente und Fallberichte[16].
Referenzen
- ↑ a b c Kolodziej H., Schulz, V.; Umckalabo; Deutsche Apotheker Zeitung; 143. Jahrgang; 2003; Nr. 12;[1]
- ↑ Schwabe U.; et al.; Arzneiverordnungs-Report 2002; Springer, Berlin 2002, Seite 153-4
- ↑ a b Conrad A: 4. und 5. Kongress Phytopharmaka und Phytotherapie - Forschung und Praxis, Berlin 2005 und 2006
- ↑ Neugebauer P et al.: A new approach to pharmacological effects on ciliary beat frequency in cell cultures - exemplary measurements under Pelargonium sidoides extract (EPs 7630), Phytomedicine 2005; 12: 47-52
- ↑ Blochin, B. et al.; Der Kassenarzt 1999; Nr. 49/50: 46-50
- ↑ a b Rote Liste [Online-Version] ; Rote Liste® Service GmbH Frankfurt 2007
- ↑ Koch E, 4. Kongress Phytopharmaka und Phytotherapie - Forschung und Praxis, Berlin 2005
- ↑ Pelargonium (UMCKALOABO) hepatotoxisch?; arznei-telegramm 2006; 37: 4137; [2]
- ↑ Efficacy and safety of an extract of Pelargonium sidoides (EPs 7630) in adults with acute bronchitis; Matthys H, et al.; Phytomedicine 10, 2003, Suppl. IV, 7-17
- ↑ Wirksamkeit eines Extraktes aus Pelargonium sidoides (EPs 7630) im Vergleich zu Placebo bei Patienten mit akuter Bronchitis; Golovatiouk A, et al.; Phytopharmaka VII, Steinkopff Verlag, Darmstadt 2002, 3-12). PMID 16781588
- ↑ Quacksalberei - Was ist dran an Umckalobao; arznei-telegramm 2003; 34: 37; [3]
- ↑ Efficacy of extract of Pelargonium sidoides in children with acute non-group A beta-hemolytic streptococcus tonsillopharyngitis: A randomized, double-blind, placebo-controlled trial; Bereznoy VV, et al.; Altern. Ther. Health Med. 9/2003, 68-79; PMID 14526713
- ↑ Streptokokkenangina – Diagnose per Schnelltest; arznei-telegramm 2/98; 26; [4]
- ↑ Peter Taylor: The strange story of umckaloabo (englisch)
- ↑ Meyer E.A., (1997) Naturheilpraxis Fachforum 04, 560-563
- ↑ Sehechaye, A. (1933) “Die Behandlung der organischen und chirurgischen Tuberkulose durch Umckaloabo”, Selbstverlag, Freiburg; Sehechaye, A. (1937) “Umcka, son role dans le traitement de la tuberculose”, Cavadin (1954)v. Bojanowski, W. Fortschr. d. Medizin 11: 1