Sir Joseph William Bazalgette (* 28. März 1819; + 15. März 1891) war einer der großen Tiefbauingenieure des Viktorianischen Zeitalters. Als Chefingenieur der Londoner Metropolitan Board of Works war sein wichtigstes Werk der Bau des Abwassernetzwerks für Zentral-London, das die Stadt durch die großen Säuberungsaktionen der Themse, die sich während des Großen Gestanks 1858 in eine Kloake verwandelt hatte, vor den Cholera-Epidemien rettete.
Karriere
Geboren in Enfield als Sohn eines Kapitäns der Royal Navy und Enkel eines französischen Immigranten, begann er mit siebzehn Jahren von Ingenieur Sir John MacNeill in Eisenbahnprojekten in die Lehre genommen seine Karriere und erlangte ausreichende Erfahrung (einige in Nordirland) in Entwässerungs- und Urbarmachungsprojekten, bevor er sein eigenes Ingenieurbüro 1842 in London gründete. 1849 trat er in die Metropolitan Sewer Commission, die hauptstädtischen Abwasserkommission ein.
Unterstützt durch seinen Kollegen Isambard Kingdom Brunel wurde er dann 1856 zum Chefingenieur der Metropolitan Board of Works berufen, einen Posten den er bis zur Abschaffung der Metropolitan Board of Works behielt, die 1889 durch den London County Council ersetzt wurde. Seine Berufung kam, nachdem drei Choleraepidemien 30.000 Menschen, davon zuletzt 1853/1854 eine Choleraepidemie bereits über 10.000 Menschen in Zentrallondon getötet hatte. Zu diesem Zeitpunkt war London die größte Stadt der Welt und erfuhr immer wieder neue Epidemien von Cholera, Typhus und Disenterie. Niemand kannte den genauen Zusammenhang zwischen Trinkwasser, Hygiene und Epidemien. 1858, während des Großen Gestanks, als alle Bewohner einschließlich der Abgeordneten aus der Nähe des Flußes flohen, beschloß das Parlament, das zuvor fünf Mal Bazalgettes Konzept immer wieder zur Überarbeitung zurückgewiesen hatte, einen Instandsetzungsplan und setzte Bazalgettes Konzept endlich mit der Bewilligung von 3 Mio. £ in Kraft.
Bazalgettes Konzept
Zu dieser Zeit war die Themse nicht viel mehr als ein offener Abwasserkanal, völlig ohne jeden Fisch oder irgendein Leben und offenbar eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit Londons. Allgemein wurde zu dieser Zeit angenommen, Miasmas, der üble Geruch, löse die Cholera aus. Nicht zuletzt deshalb verbannte Bazalgette die Abwässer unter die Erde. Bazalgettes Lösung bestand im Bau von 135 km aus Ziegelsteinen gemauerter unterirdischer Abwassersammler, um jährlich 140 Mrd. Liter Abwässer aus Abflüssen und von 1750 km Abwasserkanälen in den Straßen zu abzutransportieren und um zu verhüten, das diese Abwässer unkontrolliert in den Fluß gerieten. In einer Reihe von Versuchen hatte er die noch heute gültige Eiform für das Querschnittsprofil der bis zu 3 m hohen Abwässerkanäle als besonders vorteilhaft entwickelt. Dabei werden, entsprechendes Gefälle vorausgesetzt, die Abwässer unabhängig von der transportierten Flüssigkeitsmenge weitergeleitet und die Menge der sich absetzenden Feststoffe ist gering, wenn das von ihm ausgerechnete Gefälle von 40 cm pro Kilometer Abwasserleitung eingehalten wird. In weiteren Versuchen auf der Themse hatte er außerhalb des Stadtgebiets den Punkt ermittelt, bei dem eine Einleitung nicht durch die Gezeiten zurückgestaut wurde. Diese Abwässer wurden dann in drei großen Abwassersammlern nach Ostlondon geleitet, wo sie dann mit geringeren negativen Effekten für die städtische Bevölkerung in den Fluß eingeleitet wurden. Heute befinden sich dort beidseits des Flußes ausgedehnte Kläranlagen.
Bauphase
Ein Problem stellte sich in der Auswahl eines geeigneten Materials: Um den hohen Drücken und dem fortlaufenden Kontakt mit ätzenden Abwässern standzuhalten, entschied sich Bazalgette für den besonders hochwertigen und teuren Portland-Zement. Sowohl die Ziegelsteine, als auch der Mörtel, mit dem sie vermauert wurden, wurde von Bazalgette auf das Peinlichste laufend auf die Einhaltung der von ihm geforderten Qualität geprüft. Qualitätsmanagement war geboren.
Das Konzept umfasste Hauptpumpstationen in Deptford (1864) und bei Crossness (1865) in den Erith Marschen, beide auf der Südseite der Themse sowie bei Abbey Mills im River Lea Tal (1868) und an den Themseuferstraßen (1875) auf der Nordseite des Flußes. Das Gebäüde bei Abbey Mills besteht zwar noch heute, aber Pumpen und Motoren wurden am Anfang des 20. Jahrhunderts abgebaut, während in Crossness Gebäude und Maschinen nicht zuletzt Dank seiner aufwendigen, eisernen viktorianischen Ornamentik als Monument erhalten blieben.
Der Bau brachte Bazalgette bis an die Grenze seiner Ausdauer, nicht zuletzt weil sein Konzept der unterirdischen Abwasserkanäle mit dem gleichzeitig stattfindenden Ausbau der London Underground im Konflikt stand.
Während der Bauphase stand die Baustelle zeitweilig ein Jahr wegen eines Streiks, bei dem die beteiligten Maurer, damals ausgesuchte Spezialisten, ihren Lohn von fünf auf sechs Shilling pro Tag steigern wollten. Eine Gasexplosion forderte ein Todesopfer. Zeitweilig wurden 6 Arbeiter verschüttet, wovon 3 lebend und 2 tot geborgen werden konnten. Einer blieb vermißt. Weniger als zehn Unfälle ereigneten sich während der gesamten Bauzeit, was für diese Epoche gering war.
Einer der wichtigsten Elemente des Systems bestand im Tunnel von Woolwich, der die Abwässer zu einer Pumpstation transportierte. Dort befand sich die größte Pumpe, die jemals gebaut wurde. Vier Dampfmaschinen wurden installiert. Sie erlaubten die Förderung der Abwässer aus 7 m Tiefe.
Der Trinkwasserlieferant beschwor, nur sauberes Wasser nach London zu fördern. Als jedoch bei einer Störung in einem Ventil ein toter Aal zu Tage kam, war bewiesen, daß die Abwässerbestandteile in das Trinkwasser gelangt sein mußten. Deshalb schlug Bazalgette die Filtration des Trinkwassers vor, die daraufhin eingeführt wurde. Drei Monate nach der Einweihung verschwand die Cholera aus London und kehrte nie wieder zurück.
Londons Abwassersystem wurde schnell zum Vorbild anderer Metropolen, die Bazalgettes Konzept auf ihre Verhältnisse übertrugen.
Ehrungen
Das System wurde vom Prinzen von Wales 1865 eingeweiht, obwohl das gesamte Projekt erst 10 Jahre später vollständig fertiggestellt wurde.
Bazalgette wurde 1875 zum Ritter geschlagen und 1888 zum Präsidenten der Tiefbauingenieur-Institution gewählt.
Mehrere Jahre lebte Balzagette in Nordlondon in St. Johns Wood an der Hamilton Terrace 17, wo heute eine blaue Ehrenplakette an ihn erinnert. Sein Grab befindet sich in Wimbledon, wo er starb. Ein Monument auf der Flußseite des Victoria Embankments in Zentrallondon erinnert an Bazalgettes Genialität.
weitere Arbeiten
- Victoria Uferstraße 1870
- Albert Uferstraße 1870
- Chelsea Uferstraße 1874
- Putney Brücke 1886
- Albert Brücke 1884, Modifikationen
- Hammersmith Brücke 1887
- Woolwich Fähre 1889
- Battersea Brücke 1890
- Charing Cross Road
- Garrick Straße
- Northumberland Avenue
- Shaftesbury Avenue
- frühe Pläne für den Blackwall Tunnel 1897
- Vorschlag für die spätere Tower Bridge
- Abbey Mills Pumpstation 1868