Die Innu sind Indianer im kanadischen Québec und Labrador, die vor ca. 8000 Jahren in diese Region zogen. Heute sind noch etwa 7.000 als Status-Indianer anerkannt, dazu kommt eine große Zahl von nicht anerkannten Innu, die in Québec leben. Sie wurden früher Montagnais-, die weiter nördlich lebenden Naskapi-Indianer genannt. Im offiziellen Sprachgebrauch des Department of Indian Affairs and Northern Development werden sie immer noch so bezeichnet.

Sprache
Die Sprache der Innu, auch Montagnais (frz. montagnes, die Berge) genannt, ist nah mit der Sprache der Naskapi, dem Kri (Cree) und dem Altikamek verwandt. Dabei unterscheidet man vier Dialekte, das Südliches Montagnais (Mashteuiatsh und Betsiamites), das Östliche Montagnais (Mingan, Natashquan, La Romaine, Pakuashipi), das Zentral-Montagnais (Sept-Iles und Malioténam, Matimekosh) und das Labrador-Montagnais (Sheshatshit). Die Sprecher der verschiedenen Dialekte können sich gut miteinander verständigen. Das Montagnais wird von über 8000 Menschen, die in vier Reservaten und zehn Dörfern im nordöstlichen Québec und in Labrador leben, gesprochen. Schon 1633 entstand das erste Wörterbuch des Montagnais.
Geschichte
Franzosen (16. Jahrhundert - 1763)
Noch als Jacques Cartier 1535 das Tal des Sankt Lorenz bereiste, war es von sesshaften Irokesen bewohnt, die Landbau betrieben, aber in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts aus unbekannten Gründen abzogen.
Um 1600 reichte das Gebiet der Innu hingegen bis in die Quellgebiete der von Norden in den St. Lorenz mündenden Flüsse, westwärts bis zum Saint-Maurice, an der Côte Nord bis nach Mingan und weiter ostwärts bis zur sich ständig verschiebenden Grenze zu den Inuit.
Bereits 1599 erhielt Pierre Chauvin de Tonnetuit, ein Kaufmann aus Honfleur, das Pelzhandelsmonopol und versuchte, dauerhafte Handelsbeziehungen mit den Montagnais-Gruppen aufzubauen, die ab 1605 nach Tadoussac kamen. Er gründete im Jahr 1600 die erste Pelzhandelsstation in Nordamerika. Sein Partner Francois Gravé du Pont, der 1603-07 das Besiedlungsmonopol für Nordamerika zwischen dem 40. und 60. Breitengrad hatte, lud 1602 und 1603 mehrere Montagnais an den französischen Hof ein, wo sie große Neugier hervorriefen und von Gravé du Pont freundlich behandelt wurden. Sie blieben bis zum Ende der französischen Herrschaft Verbündete.
1609-11 unterstützten die Franzosen die Montagnais gegen die benachbarten Irokesen. Solange die Franzosen nicht versuchten, die Indianer aus dem Pelzhandel zu drängen, um ihr Monopol durchzusetzen, war das Verhältnis freundlich, zumal die Franzosen sich als wichtige Helfer gegen feindliche Stämme erwiesen hatten.
Die Missionierung begann mit der Ankunft der von Cartier herbeigerufenen vier Rekollekten im Jahr 1615. Diese vier Missionare bildeten vier verschiedene Schwerpunkte, wobei Jean d’Olbeau für die Montagnards zuständig war. Ein weiterer Missionar, Gabriel Sagard, sollte zum Historiker der Ordenstätigkeit werden. Schon 1625 kamen, angesichts des riesigen, nicht zu bewältigenden Gebiets, die Jesuiten zu den Rekollekten hinzu. Doch blieben die Bekehrungsversuche, solange keine Übersetzung der zentralen christlichen Werke, vor allem der Bibel existierten, immer wieder stecken. Obwohl die Jesuiten Techniken entwickelt hatten, um mit Schauspiel, Gesang und Tanz zu werben, blieben die Erfolge mäßig. Daher begannen die Missionare, die Zeichensysteme und Symbole der Montagnais zu übernehmen und einzusetzen. Da die freundlichen Kinder besonders gut auf die Ansprache der Brüder reagierten, wurden sie als Mittel eingesetzt, um die Eltern zu bekehren. In einer Übergangsphase setzten sie auch Dolmetscher ein, doch sie kamen nicht umhin, die Sprache selbst zu lernen.
Jean de Brébeuf verbrachte den Winter 1625/26 bei den Montagnais und erlernte ihre Sprache. Aber auch Montagnais wie Pierre Pastedechouan lernten umgekehrt Französisch - er ging sogar für mehrere Jahre nach Frankreich und half Paul Lejeune 1632/33 bei der Erarbeitung eines Wörterbuchs. Doch zeigte er nicht nur die typischen Folgen eines totalen Kulturverlusts, sondern er verlernte auch zunehmend seine Muttersprache und verhielt sich in den Augen der Missionare äußerst undiszipliniert. Sie überließen ihn später seinem Schicksal.
Als Dolmetscher fungierten auch die Waldläufer (coureur des bois), wie Nicolas Marsolet. Er war bereit, Charles Lalement und seinen Jesuiten als Informant zu dienen und ihnen die Algonkin-Dialekte, die er beherrschte, beizubringen. Doch erst 1659 war die Sprachausbildung so weit gediehen und die Genauigkeit der Übersetzung hinreichend, um ausgebildete Missionare auszuschicken. Sprachlich unbegabte Missionare wurden sogar nach Frankreich zurückgeschickt. Als Hilfsmittel entstand Bonaventure Fabvres' Racines montagnaises, doch es blieb bei Manuskripten. Auch wenn die Jesuiten schon 1665 um eine Druckerpresse baten, so kam erst 1764 die erste nach Québec. Das Dictionnaire montagnais-français von 1687 (von Antoine Silvy) wurde erst 1974 in Montréal publiziert.
Mindestens ebenso gravierend wie die kulturellen, wenn auch anfangs oberflächlichen Eingriffe, war die Überzeugung der Missionare, die Innu müssten sesshaft gemacht werden. Das hing auch damit zusammen, dass die Wanderzüge, vor allem während der Jagdsaison, für die Franzosen zu strapaziös wurden. So entstanden ab 1637 erste Reduktionen, in denen überwiegend getaufte Indianer lebten, dazu kam oftmals eine Art Krankenhaus, in dem erkrankte Indianer gepflegt wurden. In der Reduktion arbeiteten sie zusammen mit den Ordensbrüdern, mussten schwören, auf ihre traditionellen Rituale zu verzichten. Dabei kontrollierten und bestraften die Brüder auch. Doch finanzielle Probleme, die Oberflächlichkeit der zunehmend auf Gehorsam basierenden Lebensabläufe und die Angriffe der Irokesen leerten die Reduktionen, die um 1670 aufgegeben wurden.
Ab 1635 versuchten die Jesuiten Schulen einzurichten, von denen 1693 immerhin 24 in der Provinz existierten. 1636 entstand auch für die Innu das erste séminaire, in dem Jungen zwischen 10 und 14 unterrichtet wurden. 1639 lernte Marie de l’Incarnation, eine Ursulinin die Sprache der Innu und gründete eine Mädchenschule. Doch auch dieser Versuch endete 1663, als die Schulen praktisch nicht mehr von Indigenen aufgesucht wurden.
Die Franzosen übernahmen aus der Sprache der Indianer zunächst Ortsnamen, wie Québec oder Cabano (wir legen an, aus dem Montagnais übernommene Bezeichnung für einen kleinen Ort am Madawaska), dazu kamen zahlreiche Bezeichnungen für Tiere und Pflanzen, wie etwa Caribou aus dem Mi'kmaq. Umgekehrt benannten die Franzosen zunehmend Orte, indem sie an Personen erinnerten oder den Ort beschrieben. Zusätzlich entstand eine Handelsmischsprache, die Elemente beider Sprachen einsetzte.
Briten (1763 - 1871)
Kanada (seit 1871)
Bodenschätze, Infrastruktur, Ende der Jagdkultur
Das riesige, von den Innu bewohnte Gebiet (Nutshimiu Innut - Innu-Land), galt lange als beinahe unbewohnt und wirtschaftlich wenig interessant. 1927 wurde der Ostteil der Provinz Neufundland zugeschlagen, der Rest ging an Québec. Damit wurde das Innu-Gebiet auf zwei Provinzen aufgeteilt.
In den Fünfzigerjahren begann der Aufbau einer Infrastruktur mit der Errichtung einer Eisenbahnlinie, die 1957 fertiggestellt wurde. Dazu kam bis 1992 eine nicht asphaltierte Straße bis zur Goose Bay.
Im Winter 1971/72 wurde die letzte Umsiedlung durchgeführt, nach Pukuatshipit. Damit endete die nomadische Epoche, die Kinder wurden der Schulpflicht unterworfen. Einige Männer arbeiteten nun in den Nickel- und Kupferminen von Utshimassits und der Kupfermine nordwestlich von Sept-Iles. Dennoch lebte die Jagd auf Karibus fort, denn auf der Ungava-Halbinsel existiert immer noch die größte Tierherde Nordamerikas, die George River Caribou-Herde, die über 800.000 Tiere umfasst. Ein weiterer Grund für die partielle Fortsetzung dieseer Lebensweise war die geringe Zahl an Arbeitsmöglichkeiten und die als demütigend wahrgenommene Abhängigkeit vom kanadischen Wohlfahrtsstaat. Doch die Regierung untergrub diesen Lebensstil durch strikte Jagdverbote.
Mitte der neunziger Jahre war die Desintegration der Innu-Gesellschaft in vollem Gange. Unterbeschäftigung, Abhängigkeit, Ohnmacht und zersetzte Selbstachtung sowie Fremdheit im eigenen Land waren die Grundlage für Drogenabhängigkeit, Gewalt und eine hohe Selbstmordrate, die mehrere Jahre lang in der kanadischen Presse Aufsehen erregte.
Wiederbelebung
In dieser Situation wurde die Tshikapisk Foundation gegründet, eine Stiftung, die sich für die kulturelle Wiederbelebung und eine eigene ökonomische Basis vor allem für die jungen Innu einsetzt. 1999 begann in der einzigen Institution höherer Bildung, dem Labrador College, ein Versuch, Kultur und Geschichte der Innu aufzuarbeiten und zu vermitteln. Wenige Jahre später ging daraus Nutshimiu Atusseun hervor, eine selbstständige Kulturinstitution im Rahmen von Human Resources Canada. Doch war diese Unterstützung zeitlich befristet, so dass eine Stiftung entstand. Ab 2001 wurde das Innu Cultural Center in Kamestastin errichtet, ein Dorf an einem wassergefüllten Krater. 2005 waren mehrere Gästeunterkünfte fertiggestellt, auf deren Dach sich inzwischen 48 Solar-Panels befinden. Durch Nutzung der Windkraft versucht die Stiftung von teuren Dieselgeneratoren unabhängig zu werden.
Literatur
- Lynn Drapeau, La situation de la langue montagnaise à Mashteuiatch, in: Recherches ameérindiennes au Québec 26/1 (1996) 33-42
- Cornelius J. Jaenen, Friend and Foe – Aspects of French-Amerindian Cultural Contact in the Sixteenth and Seventeenth Centuries, New York: Columbia University Press 1976.
- Katrin Kolmer, Abenteuer Sprache. Spanisch und Französisch im Kontakt mit amerikanischen Ureinwohnersprachen, Diss. Trier 2005
- Pierre Martin, Le Montagnais, langue algonquienne du Québec, Paris: Peeters 1991
Reservate
Die vier Dialektgruppen der Innu werden im offiziellen Sprachgebrauch des Department of Indian Affairs and Northern Development nach wie vor Montagnais genannt. Diese vier Gruppen heißen dementsprechend nach ihren Wohnorten. Im Januar 2008 galten bei den vier Gruppen als anerkannte Status-Indianer (in Klammern Reservatsname und Fläche):
- Montagnais de Natashquan 933 (Reservat Natashquan 1, 20,3 ha)[1]
- Montagnais de Pakua Shipi 307 (St. Augustin Indian Settlement, ?)[2]
- Montagnais de Unamen Shipu 1.054 (Romaine 2, 42,6 ha)[3]
- Montagnais du Lac St.-Jean 4.892 (Mashteuiatsh, 1522 ha).[4]
Anmerkungen
- ↑ Nach Angaben des Department of Indian Affairs and Northern Development: Indian Profiles, Montagnais de Natashquan
- ↑ ebd.: Indian Profiles, Montagnais de Pakua Shipi
- ↑ ebd.: Indian Profiles, Montagnais de Unamen Shipu
- ↑ ebd.: Indian Profiles, Montagnais du Lac St.-Jean
Weblinks
- Survival International – Menschenrechtsorganisation zum Schutz von Stammesgesellschaften
- Danielle Cyr, La langue montagnaise: grammaire et ethnographie
- Karte der archäologischen Stätten (frz.)
- Homepage der Tshikapisk Foundation (dt.)
Siehe auch: Liste nordamerikanischer Indianerstämme