Religionsunterricht in Deutschland

Unterrichtsfach in Deutschland
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Der Religionsunterricht in Deutschland im Sinne des Grundgesetzes ist schulischer Religionsunterricht (RU). Daneben steht es Religionsgemeinschaften frei, religiöse Unterweisung als außerschulischen Religionsunterricht anzubieten.

Rechtsgrundlagen

Der Religionsunterricht ist als einziges Unterrichtsfach im Grundgesetz als ordentliches Lehrfach (Art. 7 Abs. 1 bis 3) abgesichert. Der Text lautet:

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.
(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.
(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

Öffentliche Schulen sind staatliche und kommunale Schulen. Ob auch staatlich anerkannte Ersatzschulen darunter fallen, ist umstritten. Das Grundgesetz setzt verschiedene Schultypen voraus, die bereits in der Weimarer Reichsverfassung (WRV) vorgesehen waren. Demnach waren Schulen im Normalfall „Gemeinschaftsschulen“, in denen Schüler jeder Religionsangehörigkeit grundsätzlich gemeinsam unterrichtet wurden (Art. 146 Abs. 1 WRV):

(1) ... für die Aufnahme eines Kindes in eine bestimmte Schule sind seine Anlage und Neigung, nicht die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung oder das Religionsbekenntnis seiner Eltern maßgebend.

„Bekenntnisschulen“ waren dagegen für die Mitglieder einer bestimmten Konfession oder Weltanschauung zu errichten (Art. 147 Abs. 2 WRV). „Bekenntnisfreie Schulen“ zeichneten sich dagegen dadurch aus, dass sie keinen Religionsunterricht kennen (Art. 149 Abs. 1 WRV). Welche dieser Schulformen eingeführt wird, ist nach dem Bundesverfassungsgericht der „demokratischen Mehrheitsentscheidung des Landesgesetzgebers anheimgegeben“ (BVerfGE 41, 88 (107)).

Das Reichskonkordat von 1933, das zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich geschlossen wurde, garantierte in Artikel 21 den katholischen Religionsunterricht („Der katholische Religionsunterricht in den Volksschulen, Berufsschulen, Mittelschulen und höheren Lehranstalten ist ordentliches Lehrfach und wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der katholischen Kirche erteilt. [...]“). Das Bundesverfassungsgericht entschied 1957, dass die Bundesländer bei der Ausgestaltung ihres Schulrechts verfassungsrechtlich keiner anderen Bindung unterliegen als der an das Grundgesetz. Eine verfassungsrechtliche Bindung an das Reichskonkordat stehe in offensichtlichem Widerspruch zur Befugnis der Länder, das Schulrecht innerhalb der Schranken des Grundgesetzes frei zu gestalten. Die Vorschrift des Art. 141 GG (Religionsunterricht, Bremer Klausel) stelle die Länder, in denen am 1. Januar 1949 der Religionsunterricht nicht ordentliches Lehrfach war, von der Verpflichtung frei, den Religionsunterricht in allen öffentlichen Schulen aufrechtzuerhalten. In Bezug auf das Reichskonkordat könne nicht angenommen werden, dass die Verfassung, wenn sie den Ländern die Einhaltung der Schulbestimmungen des Reichskonkordats hätte zur Pflicht machen wollen, davon eine Ausnahme bewilligt hätte.

Allerdings bindet das Reichskonkordat die Länder völkerrechtlich. Auch andere Staatskirchenverträge garantieren den schulischen Religionsunterricht.

Der RU als „Gemeinsame Angelegenheit“

Aus dem Grundgesetz ergibt sich, dass der RU unter staatlicher Aufsicht steht. Er ist somit wie jeder andere Unterricht auch demokratischen Grundsätzen verpflichtet. Die im Religionsunterricht von den Schülern erbrachten Leistungen werden benotet. Diese Noten sind versetzungsrelevant. Melden sich Schüler im Laufe des Schuljahres ab, kann trotzdem unter Angabe der Teilnahmedauer eine Note erteilt werden. Wie jeder ordentliche Unterricht ist der Religionsunterricht grundsätzlich vom Schulträger mit eigenen Lehrkräften zu unterrichten und zu finanzieren.

Ungeachtet dessen besteht die schulische Aufsichtspflicht für Schüler, die nicht volljährig sind für die Zeit, in der RU erteilt wird.

Der Staat ist zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet, er garantiert die Freiheit jeder Religionsausübung. Daher sind die Religionsgemeinschaften unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes für die Inhalte ihres RU verantwortlich. Sie leiten die Inhalte für den RU von ihren Glaubensaussagen ab. Diese sind weder neutral noch objektiv. Sie dürfen aber die Grundrechte einzelner nicht verletzen. Der RU ist nicht begrenzt, lediglich neutral über eine oder mehrere Religionen zu informieren, dies wäre noch kein eigentlicher Religionsunterricht im Sinne des Grundgesetzes.

Der Staat ist daher auf die Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften angewiesen. Der Religionsunterricht ist daher eine „gemeinsame Angelegenheit“ (res mixta) von Staat und Religionsgemeinschaften.

Erteilung von Religionsunterricht

Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG sichert den Bestand von Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach. Religionsgemeinschaften haben daraus einen Rechtsanspruch auf die Erteilung von Religionsunterricht. Ob auch ein Rechtsanspruch einzelner Schüler darauf besteht, dass Religionsunterricht ihrer Konfession angeboten wird, ist umstritten[1].

Der Religionsunterricht ist jedenfalls nicht den christlichen Kirchen vorbehalten, auch der sog. Körperschaftsstatus ist nicht erforderlich. Es muss sich lediglich um eine Religionsgemeinschaft handeln. Weil der Religionsunterricht ordentliches Lehrfach ist, stellen die Verwaltungsgerichte bestimmte Anforderungen an die Religionsgemeinschaften, die Religionsunterricht erteilen wollen. Bei Gemeinschaften mit Körperschaftsstatus liegen diese immer vor, weil sie schon bei der Verleihung geprüft werden. Bei privatrechtlichen Religionsgemeinschaften ist dagegen im Einzelfall zu prüfen, ob sie - etwa angesichts der Zahl ihrer Mitglieder - dauerhaft Religionsunterricht erteilen können.

Der Religionsunterricht wird vorwiegend von staatlichen Lehrern unterrichtet, die

  1. beide Staatsexamina haben,
  2. auf die Verfassung vereidigt sind und
  3. über die Zulassung (evang.: Vokation, kath.: missio canonica) der jeweiligen Religionsgemeinschaft verfügen.

Daneben kann der Staat in seinen Schulen - in Abstimmung mit den Religionsgemeinschaften - auch Personen mit der Erteilung des Religionsunterrichts beauftragen, die keine staatliche sondern eine spezifisch kirchliche Lehrerausbildung haben wie Katecheten oder diplomierte Religionspädagogen.

Zum Schutz der Religionsfreiheit der Lehrkräfte kann niemand „gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen“ (Art. 7 Abs. 3 S. 3 GG).

Die Religionsgemeinschaften haben das Recht, durch Einsichtnahme in den Unterricht zu prüfen, ob dieser mit ihren Grundsätzen übereinstimmt. Sie können bei schwerwiegenden Verstößen gegen ihre Glaubenslehren der Lehrkraft die Vokation bzw. Missio entziehen. Die Lehrkraft ist dann nicht mehr zur Erteilung von Religionsunterricht berechtigt.

Auch der Staat hat das Recht zu überprüfen, ob der Religionsunterricht staatlichen Anforderungen an Schule genügt.

In Bezug auf den Islam haben die Ministerien die Verpflichtung zur Erteilung von Religionsunterricht bisher aus formalen Gründen abgelehnt, weil 1. der Islam nicht im Sinne der im Grundgesetz angesprochenen Religionsgemeinschaften organisiert war. Daher sahen sie keine autorisierten Vertreter des Islam, die verbindliche, für die ganze Religionsgemeinschaft gültige Absprachen treffen konnten und 2. der Religionsunterricht mit aus diesen Gründen ungewissen Inhalten als gemeinschaftliche Aufgabe vom Staat nicht mitverantwortet werden könne.

Teilnahme am RU

Ob Schüler verlangen können, dass Religionsunterricht ihrer Konfession erteilt wird, ist umstritten (s.o.). Wenn das aber an ihrer Schule der Fall ist, haben sie – ableitbar aus dem Grundgesetz – ein Recht auf Teilnahme.

Als „ordentliches Lehrfach“ besteht für die Schüler der jeweiligen Konfession grundsätzlich auch Teilnahmepflicht am Religionsunterricht. Nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 Absatz 4 WRV darf aber niemand zur Teilnahme an religiösen Übungen gezwungen werden. Als Konsequenz der Religions- und Gewissensfreiheit können deshalb die Erziehungsberechtigten (in der Regel die Eltern) über die Teilnahme des Kindes entscheiden, Art. 7 Abs. 2 GG. Ab Religionsmündigkeit, wenn der Schüler also nicht mehr „Kind“ in diesem Sinne ist, entscheidet er selbst.

Die genaueren Voraussetzungen der Abmeldung vom Religionsunterricht ist im Landes(schul)recht geregelt. Häufig wird darin eine Glaubens- und Gewissensentscheidung gefordert, die aber nicht nachgeprüft wird. Auch das Alter, ab dem Schüler in dieser Frage als religionsmündig betrachtet werden, ist unterschiedlich:

  • Nach Vollendung des 10. Lebensjahres ist das Kind zu hören, wenn es in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden soll (§ 2 Abs. 3 S. 5 KErzG).
  • Bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres entscheiden die Eltern des Kindes über seine Teilnahme am Religionsunterricht. Nach Vollendung des 12. Lebensjahres bedarf diese Entscheidung der Zustimmung des Kindes (§ 5 S. 2 KErzG).
  • Nach Vollendung des 14. Lebensjahres ist das Kind religionsmündig und entscheidet allein über seine Religionszugehörigkeit sowie seine Teilnahme am Religionsunterricht (§ 5 S. 1 KErzG). In Abweichung dazu ist in Bayern und dem Saarland die Selbstabmeldung vom Religionsunterricht erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres möglich (Art. 46 Abs. 4 S. 2 BayEUG und § 14 S. 2 SL-SchoG)[2].

Schüler, die am RU teilnehmen und mit mangelhaft oder ungenügend bewertet werden, müssen es hinnehmen, aus diesen Gründen nicht versetzt zu werden. Eine „rechtzeitige“ Abmeldung vor dem Zeugnis bewahrt nicht davor, dass die Schule eine versetzungsrelevante Note erteilt. Schüler können grundsätzlich auch am RU einer Konfession teilnehmen, der sie nicht angehören. In den meisten Bundesländern ist es möglich, auch als nicht konfessionsgebundener Schüler/in am Religionsunterricht teilzunehmen.

Konfessionelle Schulen dürfen alle Schüler zur Teilnahme am RU verpflichten. Lehnt ein Schüler das ab, hat die Schule das Recht, ihn nicht zu beschulen.

Rechtlich relevante Grundlagen im GG zum RU

  • Niemand darf wegen seines Glaubens benachteiligt oder bevorzugt werden:
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.
Grundgesetz Artikel 3 (3) [Gleichheit vor dem Gesetz; hier: Verbot der Benachteiligung auf Grund des Glaubens]
  • Die Freiheit des Glaubens ist unverletzlich:
Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
Grundgesetz Artikel 4 (1) [Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit]
  • RU wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt:
Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.
Grundgesetz Artikel 7 Abs. 3 [Schulwesen]
  • Kein Zwang zu einer kirchlichen Form:
Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden.
Grundgesetz Artikel 140 i.V.m. Art. 136 Weimarer Verfassung [Individuelle Religionsfreiheit]
  • Kirche und Staat sind getrennt:
Es besteht keine Staatskirche.
Grundgesetz Artikel 140 i.V.m. Art. 137 Weimarer Verfassung [Religionsgesellschaften]
  • Andere landesrechtliche Regelung:
Artikel 7 Abs.3 Satz 1 findet keine Anwendung in einem Lande, in dem am 1. Januar 1949 eine andere landesrechtliche Regelung bestand.
Grundgesetz Artikel 141 [Religionsunterricht, Bremer Klausel]

Besondere Bestimmungen in verschiedenen Bundesländern

Ausgestaltung durch das Landesrecht

Den RU einzurichten ist Sache der Länder. Die bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben lassen den Ländern, bei denen die Kultushoheit liegt, Spielraum für Ausgestaltung. Das ist vor allem in den Landesschulgesetzen geschehen, teils auch in den Landesverfassungen. Üblich sind auch Staatskirchenverträge, in denen die Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften geregelt ist.

Für einige Bundesländer gibt es gar keine Vorgaben durch das Grundgesetz. Art. 141 GG (die sog. „Bremer Klausel“) bestimmt nämlich:

"Artikel 7 Abs. 3 Satz 1 findet keine Anwendung in einem Lande, in dem am 1. Januar 1949 eine andere landesrechtliche Regelung bestand."

Diese Regelung betrifft jedenfalls Bremen und Berlin. Die Geltung in den neuen Bundesländern ist umstritten.

Baden Württemberg

Ende 2007 beginnt an drei Pädagogischen Hochschulen Baden-Württembergs zunächst eine Zusatzausbildung für islamischen Religionsunterricht mit dem Ziel, dass die Kinder einen vernünftigen, sauberen, wissenschaftlich ausgewiesenen, religionspädagogischen Unterricht erhalten. Das neue Studienangebot wird wesentlich von Professoren für katholische Theologie an den beteiligten staatlichen Hochschulen organisiert und getragen und soll nicht zu einer Verdrängung der vielerorts angebotenen Koranschulen führen.[3]

Berlin

In Berlin ist der Religionsunterricht nach § 23 Berliner Schulgesetz vom 26. Juni 1948 Sache der Religions- und Weltanschauungsgemeinden (Berliner Schulmodell). Für Berlin gilt nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 110, 326) die Bremer Klausel; sie besagt, dass Art. 7 Abs. 3 GG keine Anwendung in einem Land findet, in dem am 1. Januar 1949 eine andere Regelung galt. Der Religionsunterricht wird hier derzeit (2004) noch von Personen mit der Befähigung für ein Lehramt und einer Prüfung im Fach Religionslehre oder von Personen, die ein fachwissenschaftliches Studium an einer Hochschule oder eine vergleichbare Ausbildung abgeschlossen haben, erteilt.[4] Man muss sich zum Religionsunterricht anmelden, er ist also ein Wahlfach; die Benotung ist nicht versetzungsrelevant; alternative Wahlfächer sind bisher: muslimischer Religionsunterricht oder Lebenskundeunterricht (ein vom Humanistischen Verband Deutschlands (HVD) erteilter weltanschaulicher Unterricht, nicht zu verwechseln mit dem weltanschaulich neutralen LER-Unterricht in Brandenburg). Es ergeben sich Probleme in der Betreuung derjenigen Schüler, die sich zu keinem dieser Wahlfächer angemeldet haben. Wegen der häufigen Verlegung des Religionsunterricht in die Randstunden oder zeitgleicher Freizeitangebote (Ganztagesschulen) besteht ein erhöhtes „Abmelderisiko“. Hinzu kommt noch eine veränderte Bevölkerungsstruktur durch die Zuwanderung andersgläubiger Menschen sowie Kirchenaustritte. Andererseits wird der RU von den Schülern gerade wegen seiner Freiwilligkeit und Nicht-Versetzungsrelevanz als „angst- und stressfrei“ erlebt. Er kann ihre Probleme des Alltags adäquat auffangen und besprechen.

Am 23. März 2006 hat das Berliner Abgeordnetenhaus mit den Stimmen von SPD und PDS sowie einem Teil der Grünen beschlossen, dass Ethik ab dem Schuljahr 2006/2007 für die Sekundarstufe I Teil des Pflichtunterrichtes für alle Schüler wird. Angesichts fehlender Lehrkräfte wird dieser Ethikunterricht jedoch vorerst nur in den 7. Klassen erteilt und soll dann in den folgenden Jahren nach und nach auch in den höheren Klassenstufen unterrichtet werden. Der Religionsunterricht kann daneben nach wie vor freiwillig besucht werden. Die evangelische Kirche, im Besonderen Landesbischof Wolfgang Huber, kritisierte, dass der konfessionelle Religionsunterricht gerade in dieser Schulstufe parallel zu dem Pflichtfach Ethik kaum noch eine Chance habe, von den Schülern und Schülerinnen wahrgenommen zu werden. Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus, Müller, schlug vor, die wegen des dann nichtnachgefragten Religionsunterrichtes freigewordenen Gelder, für die Etablierung des Ethikunterrichtes in Grundschulbereich nutzen zu wollen. Gleichzeitig sprachen sich die Religionsgemeinschaften im Rahmen eines Wahlpflichtbereichs für einen Ethikunterricht für alle nicht konfessionell gebundenen Schüler aus, d.h. die Schüler sollten sich dann, wie in den meisten anderen Bundesländern, entweder für Ethik- oder Religionsunterricht entscheiden.

Mit der Ablehnung einer Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht am 15. März 2007 entschieden, dass obligatorischer Ethikunterricht weder Eltern noch Schüler in Grundrechten verletzt (1 BvR 2780/06).

Brandenburg

In Brandenburg gibt es Religionsunterricht lediglich als kirchlichen Religionsunterricht in schulischen Räumen; er ist kein Bestandteil des Schulcurriculums.

Anfang der 90er Jahre lief ein auf drei Jahre befristeter Modellversuch LER (Lebensgestaltung/Ethik/Religion) in 44 Schulen an, der als erfolgreich bewertet wurde. Mittlerweile wird der Unterricht bei insgesamt zwei zur Verfügung stehenden Wochenstunden über das gesamte Schuljahr verteilt und in eine Integrations- und in eine Differenzierungsphase gegliedert. Die Integrationsphase umfasst „bekenntnisfreien“ Unterricht in Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde/Religionswissenschaft. In der Orientierungsphase wird RU als ordentliches Lehrfach angeboten, in der Differenzierungsphase angelehnt an das GG „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Kirchen“. Eine Leistungsbewertung durch Noten findet erst seit 2005 statt. Alle Schüler sind in Brandenburg zur Teilnahme an LER (Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde) verpflichtet, und müssen sich bislang ausdrücklich davon abmelden, um stattdessen an dem eigenständig von den christlichen Kirchen angebotenen RU teilnehmen zu können. Die Verfassungsmäßigkeit ist auch insoweit umstritten, als unklar ist, ob die „Bremer Klausel“ auf Brandenburg Anwendung findet, denn zwar galt im 1947 gegründeten Nachkriegsland Brandenburg tatsächlich 1949 eine andere Regelung, allerdings wurde dieses alte Brandenburg 1952 von der DDR aufgelöst und erst 1990 erneut gegründet. Wenn die Bremer Klausel nicht gelten würde, läge ein Verstoß gegen Art. 7 GG vor. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu dieser Frage ist aber nicht mehr zu erwarten, nachdem die Beschwerdeführer auf einen Vergleichsvorschlag eingegangen sind und das BVerfG deshalb das Verfahren mit Beschluss vom 31. Oktober 2002 für beendet erklärt hat.

Inzwischen hat der Humanistische Verband beantragt, wie in Berlin so auch in Brandenburg einen weltanschaulichen Lebenskundeunterricht anbieten zu können – nicht als Alternative zu LER, sondern als Alternative zum kirchlichen Religionsunterricht.[5] Dafür hat das Brandenburger Verfassungsgericht im Dezember 2005 den Weg geebnet. Es erklärte, es sei mit der Verfassung unvereinbar, dass das Landesschulgesetz allein den Kirchen das Recht zum Bekenntnisunterricht zuerkannte.[6]

Bremen

In Bremen wird konfessionsfreier christlicher Religionsunterricht in Biblischer Geschichte seit 1947 erteilt. In der Landesverfassung Artikel 32 ist festgeschrieben: „Die allgemeinbildenden öffentlichen Schulen sind Gemeinschaftsschulen mit bekenntnismäßig nicht gebundenem Unterricht in Biblischer Geschichte auf allgemein christlicher Grundlage“.

Im Unterschied zu den meisten Bundesländern wird dieses Fach nicht in kirchlicher Verantwortung erteilt. In Art. 141 („Bremer Klausel“) erlaubt das Grundgesetz diese Abweichung von Art. 7 GG ausdrücklich.

Diese „christliche Religionskunde“ gilt als ordentliches Unterrichtsfach für alle Schüler, auch nichtchristliche, unter staatlicher Schulaufsicht mit versetzungsrelevanter Benotung. Eine Abmeldung ist möglich, inzwischen werden an einigen Schulen auch Alternativen wie Ethik oder Philosophie angeboten. Das Alternativfach ist in § 7 des Bremer Schulgesetzes geregelt. Aktuell läuft ein Modellversuch an einer Schule zur Einrichtung einer Islamkunde.

Hamburg

In Hamburg gibt es keine bekenntnisfreie öffentliche Schule. Hier haben mehrere Umstände zu der außergewöhnlichen Etablierung eines Hamburger Religionsunterrichts für alle in evangelischer Verantwortung geführt. Formal ein bekenntnisgebundener Religionsunterricht nach Artikel 7 GG, wendet er sich jedoch an alle Schüler/-innen jedweder Glaubensvorstellung. Während dies formal auch für andere Bundesländer gilt, unterscheidet sich der Hamburger Unterricht dadurch, dass er auch inhaltlich einen interreligiösen Ansatz verfolgt. Dieses Angebot der evangelischen Kirche ist in Hamburg nicht zuletzt auch deshalb zu so großer Bedeutung erlangt, da die katholische Kirche als Diasporagemeinschaft bislang lediglich an ihren eigenen Schulen Religionsunterricht anzubieten vermochte. So waren die katholischen Schüler/-innen an den öffentlichen Schulen schon immer auf den evangelischen Religionsunterricht angewiesen. Aber auch wenn Hamburg insgesamt eine große Vielfalt an religiösen Orientierungen und Gemeinschaften aufweist, ist die Stadt insgesamt doch sehr stark säkular ausgerichtet. Damit ist ein Unterricht nach verschiedenen Weltanschauungen nur schwer organisierbar. Die Rahmenpläne für diesen Religionsunterricht werden deshalb nun informell unter Mitwirkung der wichtigsten Religionsgemeinschaften in Hamburg erstellt (allerdings ohne Mitwirkung des Erzbistums Hamburg), formal aber nur von der Nordelbischen Kirche verantwortet. Zudem liegt trotz seiner interreligiösen und dialogischen Ausrichtung ein leichtes Übergewicht auf christlichen Themen. Hierdurch ist gesichert, dass der Religionsunterricht immer noch konform mit Artikel 7 GG ist. Um diesem Grundgesetzartikel Rechnung zu tragen, darf der Hamburger Religionsunterricht deshalb auch nur von Lehrkräften erteilt werden, die einer Kirche mit evangelischem Bekenntnis angehören. In den Klassen 1 und 2 findet der RU innerhalb des Deutsch- und Sachkundeunterrichtes statt. Als eigenständiges Fach ist dieser Unterricht für die Klassen 3 - 6 und 9 - 13 vorgesehen, entsprechend der Annahme, dass Schüler der 7. und 8. Klasse stattdessen den kirchlichen Konfirmandenunterricht besuchen. In den Klassen 1 - 6 gibt es keinen Alternativunterricht; nicht am RU teilnehmende Kinder verbringen die Zeit des RU unter Aufsicht in Aufenthaltsräumen. Seit dem Schuljahr 2005/2006 wird der RU auf mehrheitlichen Wunsch der Religionslehrer bereits ab Klasse 5 zensiert. Ab Klasse 9 wird alternativ Ethik oder Philosophie angeboten, was wie Religion dann auch versetzungsrelevant zensiert wird. Aufgrund fehlender Lehrkräfte mit entsprechenden Qualifikationen wird jedoch an vielen Hamburger Schulen gar kein Religionsunterricht angeboten. Weitere Informationen zum Hamburger Religionsunterricht werden vom Pädagogisch- Theologischen Institut in Hamburg zur Verfügung gestellt.


§ 7 Religionsunterricht, Hamburgisches Schulgesetz HmbSchG vom 2. Januar 2007:

(1) Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach. Er wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften im Geiste der Achtung und Toleranz gegenüber anderen Bekenntnissen und Weltanschauungen erteilt.

...

(3) Über die Teilnahme am Religionsunterricht entscheiden die Erziehungsberechtigten, nach Vollendung des 14. Lebensjahres die Schülerinnen und Schüler.

(4) Soweit in der Stundentafel vorgesehen, wird den Schülerinnen und Schülern eine Wahlpflicht-Alternative zum Religionsunterricht in den Bereichen Ethik und Philosophie angeboten.''

Niedersachsen

In Niedersachsen gibt es die Möglichkeit, auf Antrag einen konfessionsübergreifenden Religionsunterricht (evangelisch/römisch-katholisch) durch die evangelischen oder katholischen Religionslehrkräfte erteilen zu lassen. An sehr vielen Schulen wird hiervon Gebrauch gemacht, so wird z. B. an den Berufsbildenden Schulen fast nur noch der konfessionsübergreifende Religionsunterricht erteilt. Niedersachsen erteilt als bisher einziges Bundesland auch christlich-orthodoxen Religionsunterricht, wo die entsprechenden Schülerzahlen dies sinnvoll ermöglichen.

Nordrhein-Westfalen

In Nordrhein-Westfalen nehmen die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I, wenn sie nicht am Religionsunterricht teilnehmen, am Ersatzfach „Praktische Philosophie“ teil, soweit dies angeboten wird. In der Sekundarstufe II heißt das Alternativfach zu Religion schlicht „Philosophie“.

Schüler der Primarstufe werden teilweise vom örtlichen Klerus unterrichtet. Auch Gemeindereferenten und Gemeindekatecheten erteilten in der Sekundarstufe I den Unterricht.

Geschichte des RU in Deutschland

Mittelalter/Beginn der Neuzeit

Schon Karl der Große hat den Auftrag an Bischöfe und Köster erteilt, Schulen zu gründen. Aber erst mit dem Übergang zur städtischen Kultur ergab sich auch Bedürfnisse von Handel und Handwerk nach Bildung. In den damaligen Schulen wurde Bibelverständnis und berufliches Grundlagenwissen vermittelt. 1717 wurde in Preußen die allgemeine Schulpflicht eingeführt (nicht durchgesetzt) und 1794 wurden Schulen als staatliche Aufgabe definiert. Man war damals allerdings weit davon entfernt, dass überall Schulen vorhanden waren und auch davon, dass alle Kinder die Schule besuchten.

Seit Beginn des 19. Jahrhunderts existierten Volksschulen und Gymnasien, die nicht wie heute aufeinander aufbauten, sondern verschiedene Schichten bedienten. Eine Durchlässigkeit bestand nicht. Erst nach 1870 wurden Bürger-, Real- und Mittelschulen sowie berufliche Schulen gegründet. Eine pädagogische Schulreform, formale Lehrerausbildung und Stufenschulen gab es erst nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches.

Bis dahin gab es - bedingt durch die Einheit von Thron und Altar - keine Schulen in 'religionsfreier' Verantwortung. Die Religion des jeweiligen Landesherren war bestimmend für die Konfession aller Untertanen.

Weimarer Republik

Nach der Novemberrevolution und der Ausrufung der Republik (9. November 1918) war es grundsätzlich fraglich, ob Religionsgemeinschaften überhaupt noch öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt werden sollten und ob RU überhaupt an einer staatlichen Schule unterrichtet werden dürfe. Es war erstmals möglich, Schule nicht nur traditionell kirchlich-konfessionell sondern auch bekenntnisfrei zu denken.

Die Schulreformer waren in zwei Lager gespalten: Wilhelm Paulsen, der führende Vertreter Hamburger Reformpädagogen sah in der Abschaffung des Faches die einzige Möglichkeit, die Einflussnahme der Kirche in den Schulen zu verhindern. Reformpädagogen wie Hugo Gaudig argumentierten pädagogisch gegen diesen Standpunkt: Das religiöse Element gehöre unbedingt zum Lebenshorizont Jugendlicher. Führende Religionspädagogen, wie z.B. Otto Eberhard unterstützte zwar auch den reformpädagogischen Gedanken der Arbeitsschule, vertrat aber einen RU aus theologischen Gründen: Jungen Menschen, die in einer christlich orientierten Welt aufwachsen, müssen auch die Normen christlicher Ethik und Liebe nahegebracht werden. Er argumentierte für einen konfessionell ausgerichteten RU.

Weitere Protagonisten dieses Streits waren auf politischer Ebene Adolph Hoffmann (USPD), der sich als bekennender Atheist verstand und die „Befreiung der Schule von aller kirchlichen Bevormundung“, Trennung von Kirche und Staat verlangte, Konrad Haenisch (SPD), der grundsätzlich den gesellschaftsbestärkenden und moralischen Wert von Religion und Glauben betonte, Dr. Kaufmann (Zentrum) und Dr. Gottfried Traub (DNVP), die sich vehement für die Konfessionalität der Volksschule (katholisch bzw. evangelisch) einsetzten.

Da sich auf der politischen Ebene wegen der bestehenden Mehrheitsverhältnisse keine der Gruppen in der verfassunggebenden Nationalversammlung durchsetzen konnte, wurde in Bezug auf den Fortbestand des Religionsunterrichtes in der Schule auf Vermittlungsvorschlag von Friedrich Naumann (DDP und preußischer Kirchenfunktionär) der Art. 149 RV beschlossen, der inhaltlich auch für die Formulierung des Art. 7 GG maßgeblich war. Der Religionsunterricht war konfessionell und durfte keine neutrale Religionskunde im Sinne sozialistischer Position sein.

1933 bis 1945 / Drittes Reich

Am 20.07.1933 wurde zwischen Papst Pius XI. und dem Deutschem Reich das Reichskonkordat geschlossen. In Artikel 21 bis 24 wurde katholischer Religionsunterricht als ordentliches Unterrichtsfach vereinbart, worin die Erziehung zu vaterländischem, staatsbürgerlichem und sozialem Pflichtbewusstsein aus dem Geiste des christlichen Glaubens- und Sittengesetzes mit besonderem Nachdruck gepflegt wird. Den kirchlichen Oberbehörden wird Gelegenheit eingeräumt, im Einvernehmen mit der Schulbehörde zu prüfen, ob die Schüler Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Lehren und Anforderungen der Kirche erhalten. Bei der Anstellung von katholischen Religionslehrern verständigt sich der Bischof mit der Landesregierung. Die Beibehaltung und Neueinrichtung katholischer Bekenntnisschulen bleibt gewährleistet. In allen Gemeinden, in denen Eltern oder Erziehungsberechtigte es beantragen, werden katholische Volksschulen errichtet, wenn die Zahl der Schüler unter Berücksichtigung der örtlichen schulorganisatorischen Verhältnisse einen geordneten Schulbetrieb durchführbar erscheinen lassen. An allen katholischen Volksschulen werden nur solche Lehrer angestellt, die der katholischen Kirche angehören und Gewähr leisten, den besonderen Erfordernissen der katholischen Bekenntnisschule zu entsprechen. In der allgemeinen Berufsausbildung der Lehrer werden Einrichtungen geschaffen, die eine Ausbildung katholischer Lehrer gemäß der katholischen Bekenntnisschule gewährleisten.

Die Schulbestimmungen des Reichskonkordats wurden von 1933 bis 1945 nicht vollzogen und vielfach verletzt.

Nach 1945

Bundesrepublik Deutschland: Während des staatlichen Aufbaus sahen die Verfassungen in mehreren Ländern die christliche Gemeinschaftsschule als einzige Schulform vor (Verfassung des Landes Baden vom 22. Mai 1947, Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen vom 21. Oktober 1947, Verfassung für Württemberg-Baden vom 28. November 1946). Das Land Bremen schloss sogar den Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach aus. Hamburg führte seine Schulen ausschließlich als Gemeinschaftsschulen. Seine Schulbehörde widersprach gegenüber dem Parlamentarischen Rat ausdrücklich der Einführung der Konfessionsschule. Hessen legte in seiner Verfassung vom 11. Dezember 1946 Grundsätze nieder, die eine Garantie der Gemeinschaftsschule enthalten, in welcher die religiösen und weltanschaulichen Grundsätze nicht verletzt werden, nach denen die Erziehungsberechtigten ihre Kinder erzogen haben wollen. Die Länder Bayern, Rheinland-Pfalz und Württemberg-Hohenzollern ordneten in ihrer Verfassung die bekenntnismäßige Gestaltung des Schulwesens in einer Weise, die sich mit den Grundsätzen des Reichskonkordats vereinbaren lässt (Verfassung des Freistaates Bayern vom 2. Dezember 1946, Verfassung für Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1947, Verfassung von Württemberg-Hohenzollern vom 20. Mai 1947).

In der Bundesrepublik Deutschland wurde Religionsunterricht durch das 1949 beschlossene Grundgesetz ordentliches Lehrfach in allen nicht bekenntnisfreien Schulen, außer in den Ländern, in denen „am 1. Januar 1949 eine andere landesrechtliche Regelung bestand“ (Art. 141 GG, „Bremer Klausel“). Außerdem konnte Religionsunterricht außerhalb der Schule durch die Kirchengemeinden bzw. Glaubensgemeinschaften erteilt werden.

Deutsche Demokratische Republik: In der DDR war Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach in den Schulen ausgeschlossen und konnte nur unter sehr erschwerten Bedingungen von Gemeindekatecheten als Christenlehre und/oder Konfirmationsunterricht außerhalb der Schule in Räumen der jeweiligen Kirchengemeinde erteilt werden.

Nach 1990

Durch die "Deutsche Wiedervereinigung" 1990 gilt Art. 7 GG für ganz Deutschland, allerdings nur vorbehaltlich der „Bremer Klausel“, deren Reichweite umstritten ist.

Freikirchen und Religionsunterricht

Schüler, die aus freikirchlichem Hintergrund stammen, nehmen in der Regel am evangelischen Religionsunterricht teil. Auch geben Lehrer, die einer Freikirche angehören, an vielen Schulen evangelischen Religionsunterricht. Voraussetzung dafür ist ein Übereinkommen mit der jeweiligen evangelischen Landeskirche und die Vokation durch die entsprechende Freikirche. Eine grundsätzliche Vereinbarung zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Vereinigung Evangelischer Freikirchen gibt es seit 1979. Federführend bei dieser Vereinbarung waren der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten) und die Evangelische Kirche von Westfalen. Seit dem 1. Januar 2001 regelt der § 4 einer Gemeinsamen Vokationsordnung den Dienst freikirchlicher Religionslehrer(innen); sie hat u.a. folgenden Wortlaut:

Die kirchliche Bevollmächtigung kann auch Lehrerinnen und Lehrern erteilt werden, die evangelischen Freikirchen angehören, soweit die beteiligten Landeskirchen mit diesen Vereinbarungen über die Erteilung von evangelischem Religionsunterricht durch deren Mitglieder abgeschlossen haben. Dies gilt auch im Falle der Zugehörigkeit zu einer evangelischen Freikirche, mit der eine Vereinbarung nicht besteht, wenn diese der Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen angehört.

Im Dezember 2003 schlossen die Vereinigung Evangelischer Freikirchen und die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg eine Vereinbarung über die kirchliche Beauftragung zur Erteilung von Evangelischem Religionsunterricht[7].

Islamischer Religionsunterricht

Einen Islamischen Religionsunterricht im Sinne des Paragrafen 7, Absatz 3 Grundgesetz gibt es bislang noch nicht in der Bundesrepublik Deutschland. Als Hindernis gilt die Organisationsstruktur des Islam in Deutschland. Der Islam kennt als Religion keine eingetragene Mitgliedschaft, Muslim ist, wer sich zum Islam bekennt. Der Islam wird erstens durch mehrere Verbände vertreten und zweitens sind die Mehrheit aller Muslime in Deutschland kein Mitglied in einem dieser Verbände. Von der Politik wurde und wird vielerorts aber noch immer ein einzelner Ansprechpartner gefordert, der alle Muslime des Landes vertreten kann - analog etwa zur Deutsche Bischofskonferenz, der Evangelischen Kirche in Deutschland oder zum Zentralrat der Juden. Demgegenüber fordern manche deutsche Muslime, die Bundesrepublik müsse sich auf die Bürger islamischen Glaubens zubewegen, denn das Land sei schließlich ein Staat all seiner Bürger. In NRW versucht man mit Projekten in Duisburg und Köln in dieser Angelegenheit neue Wege auf lokaler Ebene zu gehen. Islamischer RU untersteht - wie jeder RU - der Schulaufsicht. Die Unterrichtssprache ist deutsch.

Von Islamischen RU muss die islamische Unterweisung unterschieden werden. Angebote in islamischer Unterweisung gibt oder gab es in vielen Ländern der Bundesrepublik, teils eingebunden in den muttersprachlichen Ergänzungsunterricht; oft wurde dieser Unterricht nur in türkischer Sprache angeboten, anderssprachige Muslime hatten daher meist keine Gelegenheit zur Teilnahme. Inhalt der Islamischen Unterweisung war/ist islamische Landeskunde, die auch Informationen über den islamischen Glauben umfasst(e).

Einzelne Beispiele zum Stand der Entwicklung:

  • In Bayern wird seit 1986 durch vom Kultusministerium besoldete Beamte des türkischen Staates islamische Unterweisung erteilt.
  • In Berlin gibt es regulären islamischen Religionsunterricht; er wird durch die Islamische Föderation in Berlin erteilt, einem zum Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland gehörenden regionalen Verband. Die Islamische Föderation wird von Beobachtern kritisch beurteilt, da enge Kontakte zur radikal-islamischen Milli Görüs vermutet werden. Milli Görüs gilt als extremistisch und wird vom Verfassungsschutz beobachtet.
  • In Nordrhein-Westfalen wird seit 1999 im Rahmen eines Versuch Islamkunde erteilt, die offiziell ebenfalls keinen Religionsunterricht darstellt. Seit dem WS 2004/2005 gibt es in NRW den bundesweit ersten Lehrstuhl für Religion des Islam am Centrum für Religiöse Studien der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Er wird vertreten durch Prof. Dr. Muhammad Kalisch und soll zusammen mit Lamya Kaddor (Islamische Religionspädagogik) zukünftige Lehrerinnen und Lehrer für einen Islamischen Religionsunterricht ausbilden. [8]
  • In Niedersachsen wird seit einiger Zeit islamischer Religionsunterricht angeboten. Als Ansprechpartner für den Staat fungiert ein runder Tisch, der sich unter anderen aus Vertretern verschiedener islamischer Organisationen zusammensetzt.

Jüdischer Religionsunterricht

Buddhistischer Religionsunterricht

Seit 2003 wird in Berlin vom Berliner Schulsenat an drei öffentlichen Schulen jahrgangs- und schulübergreifend buddhistischer Religionsunterricht angeboten.

Die Buddhistische Gesellschaft Berlin e.V. zeichnet für die Organisation dieses Unterrichts verantwortlich. Die unterschiedlichen buddhistischen Schulrichtungen und Traditionen werden im Unterricht repräsentiert. Die Ausbildung der buddhistischen Religionslehrer obliegt der DBU.

Kritik

Trennung von Staat und Kirche

Im Grundgesetz ist die Trennung von Staat und Kirche festglegt; sie wird in das GG aus Art. 137 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung übernommen: „Es besteht keine Staatskirche.“ Die Bestimmung hatte in der Umbruchsituation bei der Verfassungsgebung 1919 v.a. die Aufgabe, in den Evangelischen Kirchen das seit der Reformationszeit etablierte so genannte landesherrliche Kirchenregiment der Kirchen mit dem Landesherrn als höchstem Bischof (summus episcopus, daher auch die Bezeichnung dieses Systems als „Summepiskopat“) zu beenden. So erklärt sich auch die Formulierung, der ein Gebot der Trennung von Staat und Kirche nicht unmittelbar zu entnehmen ist. Die Interpretation geht aber von der historischen Bedeutung aus und erklärt eine institutionelle Verflechtung von Staat und Kirche, eine Identifikation des einen mit der anderen, für unzulässig. Fraglich ist aber, wie einschneidend diese Trennung sein muss. Es handelt sich dabei um die umstrittene Frage nach der Reichweite des Trennungsgebots.

Nach einer Ansicht handelt es sich um eine „Trennung in der Wurzel“: Staat und Kirchen dürfen sich grundsätzlich gar nicht innerhalb einer Institution treffen, sofern eine Kooperation nicht ausdrücklich vom GG zugelassen ist (wie etwa beim Religionsunterricht durch Art. 7 Abs. 3 GG). Danach erscheint der RU als Ausnahme eines für die Staatsorganisation grundlegenden Prinzips.

Nach der anderen Auffassung ist eine solche strikte, laizistische Trennung dem GG nicht zu entnehmen. Der Staat muss nicht jegliche religiöse Betätigung in seinen Institutionen unterbinden. Vielmehr ermöglicht er seinen Bürgern durch die Zulassung religiöser Betätigung, von ihrer religiösen Freiheit auch im staatlichen Raum Gebrauch zu machen. Auf den RU angewendet heißt das: Wenn der Staat Schüler der Pflicht unterwirft, seine Schulen zu besuchen und sich von ihm bilden und ausbilden zu lassen, dann ermöglicht er ihnen durch das Angebot eines RU auch, die nach ihrer persönlichen religiös-weltanschaulichen Orientierung möglicherweise wichtige religiöse Komponente in ihre Bildung mit einzubeziehen. Diese Sichtweise geht von dem Recht des Kindes auf Religion aus, das auch in das Recht auf Religionsunterricht münden kann.

Gleichbehandlungsgrundsatz

Ein anderer Punkt ergibt sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, weswegen vielerorts an Konzepten für einen islamischen Religionsunterricht gearbeitet wird. Es treten dort allerdings allerlei Schwierigkeiten auf. a) Der Islam ist nicht kirchlich organisiert, so dass sich die Frage nach dem Träger islamischen RU ein ungelöstes Problem ist. b) Der Islam in Deutschland ist konfessionell, ethnisch und organisatorisch sehr stark zersplittert. Einen verbindlichen Kanon für einen islamischen RU aufzustellen stellt sich als unlösbares Problem dar. Klammert man umstrittene Themen aus läuft man Gefahr, wichtige und kontroverse Fragen nicht erörtern zu können. c) Eine ebenfalls offene (staatsbürgerliche) Frage ist, inwieweit islamische Verbände zum Aufbau von Werten beitragen können: Bezieht man verfassungsmäßig kritisch beurteilte Verbände mit ein und verschafft ihnen damit eine staatlich geförderte Plattform (womit staatlicherseits ungewünschte Werte gefördert werden könnten) oder schließt man sie aus, womit das Ziel „Religionsunterricht für alle“ verfehlt würde? Der zunehmend multikulturelle Einfluss und die Integration in unsere Gesellschaft erfordert jedoch ein grundlegendes Neukonzept des Religionsunterrichtes in Deutschland. Für verschiedene Glaubensgemeinschaften (Zeugen Jehovas), orthodoxe Kirchen und religiöse Splittergruppen ist, zumindest außerhalb großstädtischer Ballungsräume, schon mangels Masse ein Unterricht außerhalb ihrer Einrichtungen undenkbar, gewisse Religionsgruppen lehnen diese Form der Zusammenarbeit mit dem Staat auch prinzipiell ab. Kinder dieser Glaubensrichtungen müssen deshalb den Ethikunterricht besuchen und zusätzlich in ihren Einrichtungen Unterricht nehmen.

Alternativen

Eine Alternative wäre ein Unterricht, in dem Basiskenntnisse über alle Religionen vermittelt werden und in dem der eigene Glaube in Bezug zu Andersgläubigen gesetzt könnte. Dies ist aber nicht im Sinne des GG

Ein ökumenischer RU wäre als Alternative nur in Übereinstimmung mit den beteiligten Religionsgemeinschaften zu erteilen.

Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte verzeichnet vermehrt Kirchenaustritte. Daher ist ein Religionsunterricht auf volkskirchlicher Basis (der größte Teil des Volkes ist kirchlich organisiert, wie es nach 1949 der Fall war) fraglich geworden. Da der RU im GG aber als ordentliches Lehrfach abgesichert ist, ist Mitgliederschwund kein Kriterium für eine Änderung.

Außerhalb der Schule kann jede Glaubensgemeinschaft jeden wie auch immer gearteten Unterricht anbieten, solange dort keine strafrechtlich relevanten Inhalte oder Methoden, wie Volksverhetzung oder Missbrauch Schutzbefohlener, zur Anwendung kommen.

Wechsel zwischen Religions- und Ethikunterricht

Der organisatorische Rahmen der Teilnahme am Religions- bzw. Ethikunterricht führt immer wieder zu Rückfragen und auch zu Missstimmungen.

Schüler, die vom RU abgemeldet und noch nicht volljährig sind, unterliegen der schulischen Aufsichtspflicht. Schulen sind daher bemüht, einen Ersatzunterricht einzuführen.

Um eine Werteerziehung zu ermöglichen, wurde der Ethikunterricht entwickelt. In manchen Bundesländern wird statt Ethik auch Philosophie unterrichtet. Der Ersatzunterricht ist Pflichtunterricht.

Der Ethikunterricht wurde 1998 vom Bundesverwaltungsgericht als Ersatz-Pflichtfach für zulässig erklärt. In Berlin ist Ethik seit dem 23. März 2006 Pflichtfach und kann nicht durch RU ersetzt werden.

Literatur

  • Zur Gegenwärtigen Situation des Religionsunterrichtes in: Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder: Zur Situation des Evangelischen Religionsunterrichtes in den alten Bundesländern (einschließlich Berlin), Auszüge, 1992.
  • David Hassenforder: Die missionarische Dimension des katholischen Religionsunterrichts in Deutschland, GRIN Verlag, München 2007. ISBN 978-3-638-84592-2.
  • Islamischer Religionsunterricht: Hintergründe, Probleme, Perspektiven, hrsg. v. Thomas Bauer, Lamya Kaddor und Katja Strobel. Lit-Verlag, Münster 2004.
  • Hanne Leewe, Reiner Andreas Neuschäfer, Zeit-Räume für Religion. Fünfzehn Jahre Religionsunterricht in Thüringen, IKS Garamond, Jena 2006. ISBN 3-938203-39-0.
  • Rainer Lachmann, Bernd Schröder (Hg.): Geschichte des evangelischen Religionsunterrichts in Deutschland. Ein Studienbuch, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2007. ISBN 3-7887-2155-3.

Quellen

  1. Es gibt noch keine höchstrichterliche Entscheidung. In der Rechtsliteratur finden sich unterschiedliche Ansichten:
    • verneinend: Jeand´Heur/Korioth, Rn. 311; Peroth/Schlink, Rn. 670; Sachs-Schmitt=Kammler, Art. 7 Rn. 44; Renck, NVwZ 1992, 1171
    • bejahend dagegen: Maunz/Dürig, 18. EL Art. 7 Rn. 47; AK-Richter, Art. 7 Rn. 55; v.Mangoldt/Klein/Starck-Robbers, Bd. 1 Art. 7 Abs. 3 Rn. 123; Mückel, AöR 122, 513 (521); De Wall, NVwZ 1997, 465 (466), Viellechner, Jura 2007, 298 (305)
  2. Wie Art. 125 Nr. 2 GG zeigt, konnten die Länder zwischen dem 8. Mai 1945 und dem In-Kraft-Treten des Grundgesetzes Reichsrecht abändern. Jedenfalls solange der Bundesgesetzgeber nicht die Regelung erneuert, bleibt es damit bei den unterschiedlichen Altersstufen (vgl. Axel Freiherr von Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl. München 1996, S. 245 Fn. 24.). Denkbar ist auch, dass die Regelung des § 5, soweit sie das Schulwesen betrifft, im Umkehrschluss zu Art. 124 GG Landesrecht geworden ist, weil der Bundesgesetzgeber (anders als unter der Weimarer Reichsverfassung) für das Schulrecht keine Gesetzgebungskompetenz mehr hat.
  3. Radio Vatikan: Deutschland: Islamischer Religionsunterricht 20. August 2007
  4. Siehe zu Erteilung des RU auch Katechet in Berlin
  5. http://www.lebenskunde.de/brandenburg.htm
  6. taz vom 16.12.2005
  7. Siehe Amtsblatt der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz = KABl. 2004, 10
  8. Uni Münster-Religiöse Studien)

islamischer RU

buddhistischer RU