Rassentheorie

überholtes Klassifikationssystem für nichtexistente proklamierte menschliche Rassen
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Rassentheorien, auch veraltet Rassenkunde oder -lehre, sind wissenschaftlich überholte Theorien, die die Menschheit in verschiedene „Rassen“ einteilt und diese als natur- oder „gottgegebene“ Einheiten, bzw. biologische Tatsachen auffassen. Sie dienten als scheinbar wissenschaftliche Grundlage des modernen Rassismus, dessen Einfluss bis heute fortwirkt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg galt der biologische Rassismus als diskreditiert. Wissenschaftler aus der ganzen Welt erarbeiteten zum Beispiel das UNESCO Statement of Race von 1950/51 oder das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung von 1965.[1]

Dennoch hielt sich zunächst der Glaube an die Unterschiedlichkeit dreier sogenannter „Großrassen“ der Menschheit als vermeintlich wissenschaftlich erwiesene Tatsache; man distanzierte sich lediglich vom Missbrauch dieser Kategorien. Noch in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts beschrieben viele Schulbücher eine Einteilung der Menschen in die drei „Großrassen“: „Europide“, „Mongolide“ und „Negride“; auch heute wird dies noch vereinzelt gelehrt.[2] Seit den 90er Jahren werden diese Thesen jedoch verstärkt in Zweifel gezogen.[3][4] Moderne populations- und molekulargenetische Untersuchungen zeigen, dass eine Einteilung der Menschheit in „Rassen“ keinerlei genetische Grundlage besitzt.[5][6] Enzyklopädien, wie der Brockhaus oder Meyers Lexikon bezeichnen in ihren aktuellen (Brockhaus ab 2006) Ausgaben derartige typologisch-rassensystematische Kategorien ausdrücklich als veraltet.[7]

Geschichte

Die im 18. Jahrhundert entstehenden Rassentheorien wurden von einer Reihe von Bedingungsfaktoren beeinflusst. Die bedeutendste Rolle spielte zweifellos der europäische Kolonialismus (einschließlich der Eroberung Amerikas und des transatlantischen Sklavenhandels). Er lieferte zudem durch vermehrten Kulturkontakt fortlaufend neues Wissen über bislang unbekannte Weltteile, Völker und Sitten. Ein weiterer wichtiger Faktor war die seit Francis Bacon auf Naturbeherrschung ausgerichtete Säkularisierung der Wissenschaft. Sie führte zu verstärkten Ordnungsbemühungen hinsichtlich der sich rapide vermehrenden Erfahrungsdaten aus aller Welt. Hinzu kam, dass der Kolonialismus seinen Ausgang von Spanien nahm, das zur selben Zeit die Reconquista siegreich beendet hatte und seine „nationale Erneuerung“ mit einer auf „Blutsreinheit“ ausgerichteten Diskriminierung von Mauren und Juden verband. In diesem Zusammenhang entwickelte sich auch der Begriff der Rasse (Conze, Sommer 1984), der den Rassentheorien schließlich das Stichwort lieferte. Er bedeutete im Spanien des 15. Jahrhunderts, von guter oder schlechter Herkunft (rraça) zu sein. In diesem Sinne wurde er auch in andere Sprachen übernommen. Im Französischen etwa diente er zur Unterscheidung des alten Erbadels vom neuen Amtsadel. Zu dieser Zeit war Rasse ein sozialer Begriff, der die hierarchische Ordnung der sozialen Klassen bezeichnete, wobei er die Menschen „edler Herkunft“ und „edlen Blutes“ besserstellte bzw. eine Klassifizierung vornahm. Seine Übernahme als Bezeichnung zur Unterscheidung der Völker unterschiedlicher Erdteile war deshalb zunächst wertend.

Aufklärung

Vermutlich hat der französische Arzt und Forschungsreisende François Bernier (1620-1688) in seiner 1684 publizierten Arbeit Nouvelle division de la Terre, par les differentes Espèces ou Races d'hommes qui l'habitent (Neue Einteilung der Erde nach den verschiedenen Arten oder Rassen, die sie bewohnen) als erster den Rassenbegriff zur Unterteilung der die verschiedenen Weltteile bewohnenden Menschen benutzt (Stuurman 2000). Einerseits schreibt er dabei selbstbewusst: "Bisher haben die Geographen die Erde nur nach den verschiedenen Ländern oder Regionen eingeteilt, die sie auf ihr fanden. [...] Ich habe aber nicht weniger als vier oder fünf Arten oder Rassen des Menschen bemerkt, deren Verschiedenheit so deutlich ist, daß sie regelrecht als Grundlage einer neuen Einteilung der Erde dienen kann" (nach dem französischen Original, S. 148). Andererseits verwendet er den Rassenbegriff noch nicht systematisch, sondern benutzt "race" gleichbedeutend mit espèce (Spezies). [8]

Eine erste wissenschaftliche Theorie versuchte Carl von Linné im 18. Jahrhundert zu formulieren. Er teilte in seinem Ansatz zur Systematisierung der belebten Natur ab der 6. Auflage auch die Menschheit in verschiedene Rassen ein. Er verknüpfte seine biologische Systematik mit der Säftetheorie und verteilte dabei die vier Temperamente auf die einzelnen Rassen:

  • Europaeus: regitur ritibus - albus, sanguineus, torosus (vom Gesetz regiert, weiß, sanguinisch, muskulös)
  • Americanus : regitur consuetudine - rufus, cholericus, rectus (von Gebräuchen regiert, rot, cholerisch, aufrecht)
  • Asiaticus : regitur opinionibus - luridus, melancholicus, rigidus (von Ansichten regiert, blassgelb, melancholisch, steif)
  • Africanus : regitur arbitrio - niger, phlegmaticus, laxus (von der Willkür regiert, schwarz, phlegmatisch, schlaff)

Den Begriff der Rasse (Race) verwendeten Johann Friedrich Blumenbach und Immanuel Kant 1775 erstmals in deutschsprachigen Veröffentlichungen - womit Kant auch einen Gedanken der Über- bzw. Unterordnung einführte: für ihn gab es vier Rassen, die sich in ihrer Bildungsfähigkeit unterschieden. An der Spitze der Vernunftbegabten standen für ihn die weißen Europäer.[9], [10] Kant: "Man kann in Ansehung der Hautfarbe vier Klassenunterschiede der Menschen annehmen. Wir kennen mit Gewißheit nicht mehr erhebliche Unterschiede der Hautfarbe, als die: der Weißen, der gelben Inder, der Neger und der kupferfarbig=roten Amerikaner." [11] "Rassen"/"race" sind nach Kant "Abarten" einer Ursprungsrasse. In seiner Klassifikation weist er den "Weißen" die vollkommenere Position zu: "In den heißen Ländern reift der Mensch in allen Stücken früher, erreicht aber nicht die Vollkommenheit der temperierten Zonen. Die Menschheit ist in ihrer größten Vollkommenheit in der "race" der Weißen. Die gelben Inder haben schon ein geringeres Talent. Die Neger sind tiefer, und am tiefsten steht ein Teil der amerikanischen Völkerschaften." [12]

„Rasse“ in der frühen Soziologie

Wie heute noch „race“ im Englischen, war in Deutschland der Begriff „Rasse“ bis ins 20. Jahrhundert hinein uneindeutig, insofern die kulturelle Ausprägung der einzelnen Ethnien nicht von der biologischen getrennt wurde, sondern oftmals ideologisch auf die biologische zurückgeführt wurde. Daher versuchten frühe Soziologen, einen sozialwissenschaftlichen Begriff von „Rasse“ heraus zu arbeiten. Bemerkenswert ist hier vor allem Ludwig Gumplovicz, der sich dabei des Konzeptes der Gruppe bediente (so in: Der Rassenkampf, 1883). Diese Ansätze fanden sich noch 1961 etwa bei Wilhelm Emil Mühlmann in seinem Buch Chiliasmus und Nativismus, erloschen aber dann gänzlich.

Kolonialismus

Im Rahmen des Kolonialismus in Afrika wurden verschiedene Rassentheorien aufgestellt, unter anderem die Hamitentheorie, welche der deutsche Afrikanist Carl Meinhof weiterentwickelte. Die Hamitentheorie sagte aus, dass diejenigen Völker, deren Sprache über Nominalklassen verfügt, kulturell höherwertiger seien als andere. Man argumentierte, dass sich solche Völker kulturell an die abendländisch-morgenländischen Zivilisationen anschließen ließen. Diese Theorie diente dem deutschen Kolonialismus zur Auswahl von „Herrenvölkern“ in den besetzten Territorien. Diese und ähnliche Ansichten wurden durch Darwins Evolutionstheorie inspiriert. Dabei wurde jedoch nicht zur Kenntnis genommen, dass es laut dieser ganz eindeutig für die Natur keine höherwertigen und minderwertigen Lebensformen gibt.

19. Jahrhundert

Unter den Naturwissenschaftlern des 19. Jahrhunderts, die sich mit der Materie befassten, waren Georges Cuvier, James Cowles Pritchard, Louis Agassiz, Charles Pickering (Races of Man and Their Geographical Distribution, 1848) und Johann Friedrich Blumenbach (1752–1840). Cuvier zählte drei Rassen, Pritchard sieben, Agassiz acht und Pickering elf. Blumenbachs Einteilung, der Linnés Urtypen um eine fünfte Rasse (die braune oder malaische) erweiterte, wurde Mitte des 19. Jahrhunderts weitgehend akzeptiert. Blumenbach prägte auch den Begriff der „kaukasischen“ oder „weißen“ Rasse, die als „Stammrasse“ anzusehen sei.

In Blumenbachs Tagen ging die Beschreibung körperlicher Eigenschaften wie Hautfarbe und Schädelprofil aus durchsichtigen Gründen (Kolonialzeit) selbstverständlich Hand in Hand mit der Deutung charakterlicher Eigenschaften und intellektueller Fähigkeiten. So wurden etwa die helle Farbe und die verhältnismäßig hohe Stirn der „Kaukasier“ als körperlicher Ausdruck eines hochfliegenden Geistes und großzügigen Temperamentes gewertet. Die dunkle Haut und die leicht fliehende Stirn „der Äthiopier“ galten als Pauschalbeweis einer größeren genetischen Nähe zu den Primaten, obwohl die Haut von Schimpansen und Gorillas unter dem Haar weißer ist als die der durchschnittlichen „Kaukasier“.

Aus Verschiedenartigkeit wurde in der Theorie Verschiedenwertigkeit. Abgeblich höhere, "kulturschöpferische“ Rassen stünden niederen, „kulturzerstörerischen“ Rassen gegenüber. Es entwickelte sich eine Vielzahl miteinander konkurrierender Rassentheorien (besonders bekannt sind die von Gobineau und Chamberlain), die alle immer wieder die Europäer an der Spitze der menschlichen Entwicklung sahen. Der damals zunehmende Nationalismus und Nationalsozialismus verleitete einige Wissenschaftler zu der Annahme, dass es eine noch höhere Rasse als die der Europäer gäbe: die Rasse der Arier, auch „germanische Rasse“ genannt. Ob dieser „arische Volksstamm“ in Europa jemals existiert hat, ist nicht eindeutig geklärt. Was man jedoch heute weiß, ist die Tatsache, dass Arier ein altiranisches Wort ist und der Name des Staates Iran soviel wie Land der Arier bedeutet.

Von größtem Einfluss war in diesem Zusammenhang Joseph Arthur Graf de Gobineau mit seinem Essai sur l'inégalité des races humaines („Versuch über die Ungleichheit der menschlichen Rassen“, 1853/55), in dem er behauptete, die treibende Kraft der menschlichen Geschichte sei die „Rassenfrage“. „Rassenvermischung“, insbesondere mit „minderwertigen Rassen“, führt nach seinen Worten zu Degeneration und Untergang von Völkern und Nationen.

Der Hegelschen Dialektik eines geschichtlichen Weltgeistes folgend vertrat der Frühsozialist Moses Hess, kurzzeitiger Mitstreiter von Marx und Engels, in seinem Werk Rom und Jerusalem aus dem Jahre 1862 eine Art von Messianismus des Glaubensinhalts, dass mit der Philosophie Spinozas und der Französischen Revolution ein neues Weltzeitalter begonnen habe, nachdem das französische Volk durch die Enthauptung seines Monarchen die Vorherrschaft einer „germanischen Rasse“ gebrochen habe. Hess unterschied nach verschiedenen Rassen in der Weltgeschichte und hielt einen „letzten Racenkampf“ für notwendig, den er als dem Klassenkampf vorrangig postulierte. Für Hess waren die verschiedenen Rassen jedoch nicht von verschiedener Wertigkeit, sondern waren jeweils Träger von Eigenschaften, die für die Menschheit insgesamt bereichernd seien. Nach einer chaotischen Zeit des "Kampfes ums Dasein" sollten sie am Ende der Geschichte ein Verhältnis solidarischen Zusammenlebens als "Glieder am Körper der Menschheit" erreichen, ohne ihre jeweiligen charakteristischen Eigenschaften zu verlieren.

Gobineaus Theorien der angeblichen rassischen Überlegenheit der Arier wirkten nachhaltig auf Richard Wagner und dessen Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain, der sie in seinem Buch Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts (1899) weiter ausbaute. Chamberlain stilisierte „den Juden“ zum rassischen Antitypus der Arier und postulierte einen historischen Endkampf, in dem es nur Sieg oder Vernichtung geben könne.

Diese (Mach-)Werke fielen in vielfach popularisierter Form gerade im deutschsprachigen Raum auf fruchtbaren Boden. So ließ etwa der antisemitisch motivierte Zisterziensermönch Adolf Lanz (alias Jörg Lanz von Liebenfels) in seinen Ostara-Heftchen blond-blaue asische oder arische Herrenmenschen gegen „Sodoms-Äfflinge“ antreten. Er erklärte, die „Versklavung der Rassenminderwertigen“ sei eine „ethisch und wirtschaftlich berechtigte Forderung“. Diese gezielte Rassenhetze spielte bei der Genese des nationalsozialistischen Ideenkonglomerats eine große Rolle. Millionenfacher Mord war damit vorgedacht, pseudo-wissenschaftlich begründet und so scheinbar gerechtfertigt.

20. Jahrhundert

Rassenforscher des frühen 20. Jahrhunderts ordneten die malaische und die amerikanische Rasse wieder der mongolischen zu und kehrten somit zur 'klassischen' Dreiteilung zurück. Die Blütezeit der Rassenklassifikation, die Ende des 19. Jahrhunderts begann, erreichte ihren Höhepunkt in der Systematik Egon von Eickstedts (1934]), die 80 Rassen unterschied, welche in drei sogenannte Großrassen und verschiedene Unterrassen eingeteilt wurden. Eickstedt verband mit den unterschiedlichen Rassen nicht nur verschiedene körperliche, sondern auch psychische Eigenschaften und meinte mit Hilfe von Rasseformeln den Anteil einzelner Rassen bei einem Menschen prozentgenau bestimmen zu können. Andere Anthropologen bauten auf der Klassifikation Eickstedts auf oder kamen wie der Amerikaner Carleton S. Coon wieder auf eine grobe Gliederung in drei Primärrassen oder Rassenkreise (Negroide, Kaukasoide, Sinoide) zurück.

Von Eugenikern wie nationalsozialistischen „Rassentheoretikern“ wurde diese „Vermischung“ als Degeneration definiert und versucht, sie zu unterbinden. Deren Rassentheorie bekam während der Zeit des Nationalsozialismus den Charakter einer Staatsreligion und eines Unterrichtsfaches (Teilfach der Biologie) in der Erziehung im Nationalsozialismus, die das öffentliche und private Leben zersetzte und die Ermordung großer Bevölkerungsgruppen – besonders von Juden, Slawen und deren Nachfahren – vorbereitete.

Rassenkunde im 19. und 20. Jahrhundert

Am Ende des 19. Jahrhunderts und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts betrieben Wissenschaftler nahezu aller europäischen Staaten Rassenforschung. Die Erkenntnisse der verschiedenen Forscher ähnelten sich weitgehend.

In den frühen Zwanziger Jahren erschien von Hans F. K. Günther das Buch "Rassenkunde des Deutschen Volkes" als seine Rassentheorie. Darin führte er sechs "Unterrassen" der "weißen Rasse" mit den im folgenden aufgeführten leiblichen Merkmalen auf:

  • „Nordische Rasse“: hochgewachsen, schlank, langköpfig, schmalgesichtig mit ausgesprochenem Kinn; schmale Nase mit hoher Nasenwurzel; weiches, helles Haar; zurückliegende, helle Augen; rosigweiße Hautfarbe
  • „Westische Rasse“ (auch mittelländische oder mediterrane Rasse genannt): kleingewachsen, schlank, langköpfig, schmalgesichtig, mit weniger ausgesprochenem Kinn; schmale Nase mit hoher Nasenwurzel; weiches braunes oder schwarzes Haar; zurückliegende, dunkle Augen, bräunliche Haut
  • „Ostische Rasse“: (auch alpine Rasse genannt) kurzgewachsen, kurzköpfig, breitgesichtig mit unausgesprochenem Kinn; kurze, stumpfe Nase mit flacher Nasenwurzel; hartes, braunes oder schwarzes Haar; nach vorn liegende, braune Augen; gelblich-bräunliche Haut
  • „Dinarische Rasse“: hochgewachsen, derbschlank, kurzköpfig, schmalgesichtig, steiles Hinterhaupt, stark herausspringende Nase, braune nach hinten eingebettete Augen, dichtes schwarzbraunes Haar
  • „Fälische Rasse“ (auch dalische Rasse genannt): sehr hochgewachsen, lang- bis mittelköpfig, breitgesichtig mit ausgesprochenem Kinn und breitem Unterkiefer, Nase von (für europäische Verhältnisse) mittlerer Breite; helles Haar; in niedrigen Höhlen liegende helle (blaue oder graue) Augen, helle Haut
  • „Ostbaltische Rasse“: kurzgewachsen, kurzköpfig, breitgesichtig mit unausgesprochenem Kinn und breitem massigem Unterkiefer; ziemlich breite, eingebogene Nase mit flacher Nasenwurzel; hartes, helles Haar; leicht schief gestellt erscheinende, nach vorn liegende helle Augen, helle Haut"

Man ging jedoch davon aus, dass nicht mehr viele Menschen einer dieser Rassen zugeteilt werden können, da durch das Vermischen der verschiedenen Rassen neue Phänotypen entstanden seien.

Theorien zur Zeit des Nationalsozialismus

Die Rassentheorie wurde im Auftrag und unter Kontrolle der Nationalsozialisten weiter entwickelt und verfeinert. Rassentheoretiker in dieser Zeit waren u. a. Alfred Rosenberg, Hans F. K. Günther und Egon Freiherr von Eickstedt. Die Ideologie baute auf vielen Fehlannahmen der noch unvollkommenen Völkerkunde und Biologie auf. Zum Beispiel wurden alle Hochkulturen, die Griechen und Römer von den Nationalsozialisten mit den Ariern in Zusammenhang gesehen.

Biologismus-Werke der Nachkriegszeit

Es gibt jedoch immer wieder Versuche, den Biologismus der Rassen wissenschaftlich hoffähig zu machen. Z. B. behauptete der englische Biologe John Baker in seinem umstrittenen Werk Race von 1974, gehirnmorphologische, Intelligenz- und Charakterunterschiede zwischen den Ethnien gefunden zu haben, und leitet daraus die Überlegenheit bestimmter Zivilisationen ab. Er beruft sich dabei explizit auf überholte anthropologische Theorien der biologischen Determination.

Heutige Ansätze

Heute wird die Menschheit nicht mehr in Rassen unterteilt. Die genetischen Unterschiede werden jedoch erforscht. Das Genographic Project untersucht, wie sich die Menschheit, als sie von Afrika aus den Rest der Welt besiedelte, in immer mehr Gruppen aufspaltete. Dabei kann jeder an dem Projekt teilnehmen, indem er seine DNA-Probe untersuchen lässt. Auf diese Weise kann man – so die Grundhypothese des Projekts – herausfinden, woher die eigenen Vorfahren stammen. Das Indigenous Peoples Council on Biocolonism kritisiert dieses Projekt, da es biokolonialistisch sei und auf wissenschaftlichem Rassismus fuße.[13]

Verwendung von „Rassemerkmalen“ in der Strafverfolgung

In manchen Ländern wie z. B. den Vereinigten Staaten wird der Begriff der Rasse zur Beschreibung von Personenmerkmalen verwendet. Das FBI verwendet zum Beispiel eine Klassifikation nach Rassen um das allgemeine Erscheinungsbild (wie zum Beispiel Hautfarbe, Form der Augen, Lippen, etc.) zur generischen Personenbeschreibung bei der Suche von Verdächtigen zusammenzufassen. Eine grobe Einteilung erfolgt hierbei in die vier Gruppen 'Whites', 'Blacks', 'White (Hispanic)' und 'Asian'. Bei der Einreise in die Vereinigten Staaten wird auch eine Klassifikation des Antragsstellers auf manchen Visaformularen erwartet.

In Großbritannien verwendet Scotland Yard ebenfalls "Rassemerkmale" zur Personenbeschreibung. Dabei wird folgendermaßen unterteilt: W1 (White-British), W2 (White-Irish), W9 (Any other white background); M1 (White and black Caribbean), M2 (White and black African), M3 (White and Asian), M9 (Any other mixed background); A1 (Asian-Indian), A2 (Asian-Pakistani), A3 (Asian-Bangladeshi), A9 (Any other Asian background); B1 (Black Caribbean), B2 (Black African), B3 (Any other black background); O1 (Chinese), O9 (Any other).

In vielen Ländern ist der Exekutive eine derartige Klassifikation gesetzlich untersagt.

Aufgrund von Forschungsergebnissen, welche die umstrittene Hypothese stützen, dass eine Rassenklassifikation aufgrund von DNA-Tests mit geringer Fehlerwahrscheinlichkeit möglich ist, werden in den Vereinigten Staaten auch sogenannte biogeografische Abstammungsprofile (biogeographical ancestry - BGA) aus DNA-Proben zur Strafverfolgung eingesetzt.

Kritik

Widerspruch gegen Rassentheorien gab es, seit es Rassentheorien gibt: Humanisten wie Herder, Forster oder Lichtenberg sprachen sich schon zu Kants Zeiten gegen den Rassebegriff aus.

Anthropologen wie Theodor Weitz oder Franz Boas widersprachen dem jeweils zeitgenössischen Rassismus von Chamberlain. Spätestens mit den Ergebnissen der UNESCO-Arbeitsgruppe von 1950 ist der Rassebegriff wissenschaftlich widerlegt.

Hinter dem Interesse, Menschen in Rassen einzuteilen, verbarg sich oftmals ein Herrschaftsinteresse im Sinne von divide et impera. Heute, nach der Erfahrung mit der sogenannten Herrenrasse und der Apartheid, gilt solch ein Interesse als Zeichen eines sehr rückständigen Menschenbilds.

Die Zahl der aufgestellten Gruppen schwankte sehr stark, wobei sich die bereits von Linné angenommenen vier Urtypen (s.u. Exkurs über die Geschichte der Rassenforschung) oder dreier großer Rassenkreise - Europide (Europa, Naher Osten, Nordafrika, Indien), Mongolide (Ostasien und Ureinwohner Amerikas) und Negride (Afrika) - besonderer Beliebtheit erfreuten. Dies wurde häufig weiter ausdifferenziert in zahlreiche Mischformen (z.B. Turanide, Australide, Mestizen, Mulatten) und Unterteilungen. So wurden beispielsweise die Europiden nochmals aufgefächert in Nordide, Osteuropide, Dinaride, Dalo-Fälide, Alpinide, Mediterranide, Armenide, Orientalide, Indide.

Zwar sind diese Klassifikationen durch die Erkenntnisse der modernen Genetik überholt, aber im alltäglichen Denken der meisten Menschen als Altlast präsent. Humangenetiker wie Luigi Cavalli-Sforza argumentieren, dass äußerliche Unterschiede wie Haut- und Haarfarbe, Haarstruktur und Nasenform lediglich eine Anpassung an unterschiedliche Klima- und Ernährungsbedingungen sind, die nur von einer kleinen Untergruppe von Genen bestimmt werden. Im Prinzip ist jede beliebige Untergruppe - theoretisch auch die Bewohner eines einzelnen Dorfes - durchschnittlich von anderen unterscheidbar. Anders ausgedrückt ist beim Menschen die Vielfalt so groß, dass es unzweckmäßig ist, diesen als Art zoologisch zu untergliedern. Dieses Argument hat bereits 1871 Charles Darwin in seinem Buch über die Abstammung des Menschen benutzt.

Cavalli-Sforza und andere Wissenschaftler sprechen von Populationen (Gruppen, die einen präzise bestimmten Raum bewohnen) - ein Begriff, der nicht biologisch, sondern statistisch definiert ist. Genetische Unterschiede zwischen Populationen lassen sich anhand einzelner Merkmale (z.B. Blutgruppen) erfassen. Dabei liegt etwa 85% der bei Menschen erkennbaren genetischen Variabilität innerhalb einer Population vor; etwa 8% betreffen Unterschiede zwischen benachbarten Gruppen und nur 7% gehen auf Unterschiede zwischen den typologisch definierten "Rassen" zurück. Genetisch betrachtet können somit lt. Cavalli-Sforza zwei Menschen aus verschiedenen Kontinenten stärker einander ähneln als Individuen einer spezifischen Gruppe, auch wenn sie z.B. eine unterschiedliche Hautfarbe haben.

Das Ziel solcher Untersuchungen genetischer Unterschiede ist auch nicht die Etablierung der Einteilung von Menschen in Rassen. Dennoch argumentieren heutige Rassentheoretiker auch auf Grundlage dieser Untersuchungen. Selbst in der journalistischen Berichterstattung über Forschungsergebnisse der Humangenetik ist oft fälschlicherweise von Rassen die Rede.

Populationen sind, in gewissem Sinn, einfach statistische Blöcke, die von der Wahl der jeweiligen Variablen abhängen, wobei es keinen bevorzugten Satz von Variablen gibt. Die „populationistische“ Ansicht leugnet nicht, dass es Unterschiede zwischen Menschen gibt; sie sagt aber, dass die historischen Rassekonzepte nicht besonders nützlich sind, um diese Unterschiede wissenschaftlich zu analysieren.

Dass Rasse ein soziales, kein naturwissenschaftliches Konzept sei, sagt auch der amerikanische Genomforscher Craig Venter. Ob sich allerdings seine damit verbundene Hoffnung, ohne Rassen kein Rassismus erfüllt, erscheint vor dem Hintergrund kultureller Rassismen und des Neo-Rassismus der Neuen Rechten fraglich. Hier wird seit Beginn der 1990er-Jahre durch die Arbeiten von Étienne Balibar (1992) und Stuart Hall (1989) verstärkt ein Rassismus ohne Rassen untersucht, bei dem es für rassistisches Denken und Handeln kein explizit biologistisch definierter Rassebegriff mehr benötigt wird.

Quellen und Einzelnachweise

  1. The Race Question UNESCO 1950
  2. So ist im aktuellen Lehrplan für das Fach Biologie an den Gymnasien in Thüringen unter „Stammesentwicklung des Menschen“ angeführt: „Rassen der Menschen: Besonderheiten in der Merkmalsausprägung; Gleichwertigkeit aller Menschen; Zusammenleben der Menschen in der multikulturellen Gesellschaft“ ergänzt um die Empfehlung „Erziehung zu Akzeptanz und Toleranz“. Thüringisches Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien: Lehrplan für das Gymnasium, Fach Biologie (pdf), S. 38
  3. Prof. Dr. Ulrich Kattmann: "Im Grunde genommen sind wir alle Afrikaner" UNI-INFO September 1998
  4. vgl. Cavalli-Sforza, 1996
    American Anthropological Association Statement on „Race“, 17. Mai 1998
  5. Lexikon der Biologie, Band 11, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2003, ISBN 3827403367, S. 421 (Artikel: Rasse)
  6. Lexikon der Biologie, Band 9, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2002, ISBN 3827403340, S. 170 - 177 (Artikel: Menschenrassen)
  7. Siehe z.B. die Artikel: „Menschenrassen“; „Europiden“; „Mongoliden“; „Negriden“ in Meyers Lexikon Online
  8. Arndt: Rassismus in Gesellschaft und Sprache. In: Susan Arndt (Hrsg.): AfrikaBilder. Studien zu Rassismus in Deutschland.
  9. Kant-Zitat [1]
  10. Vgl. zum Thema Aufklärung (Kant/Hegel) und Rassismus/Hautfarbe: Arnold Farr: Wie Weißsein sichtbar wird. Aufklärungsrassismus und die Struktur eines rassifizierten Bewusstseins. In: Maureen Maisha Eggers, Grada Kilomba, Peggy Piesche, Susan Arndt (Hg.) (2005): Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland, Münster. (Rezension h-soz-kult [2]).
  11. [3]
  12. http://www.textlog.de/33161.html
  13. Indigenous Peoples Oppose National Geographic & IBM Genetic Research Project that Seeks Indigenous Peoples’ DNA [4]

Literatur

  • Barkan, Elazar: The Retreat of Scientific Racism. Changing Concepts of Race in Britain and the United States. Cambridge etc.: Cambridge University Press 1992.
  • Bernier, François: Nouvelle division de la Terre, par les différentes Espèces ou Races d'hommes qui l'habitent. Paris 1684.
  • Böckelmann, Frank: Die Gelben, die Schwarzen, die Weißen. Eichborn, Frankfurt am Main 1999. ISBN 3821844752
  • Luca und Francesco Cavalli-Sforza: Verschieden und doch gleich. Ein Genetiker entzieht dem Rassismus die Grundlage. München: Knaur 1996, ISBN 3426772426.
  • Luigi Luca Cavalli-Sforza: Gene, Völker und Sprachen. Die biologischen Grundlagen unserer Zivilisation, Dtv 2003, ISBN 3423330619.
  • Richard C. Lewontin: Menschen. Genetische, kulturelle und soziale Gemeinsamkeiten, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1986, ISBN 3922508804
  • Richard C. Lewontin: Die Gene sind es nicht ... Biologie, Ideologie und menschliche Natur, Psychologie-Verl.-Union, München 1988, ISBN 3621270361.
  • Werner Conze, Antje Sommer: Rasse. In: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Hrsg. v. Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck. Bd. 5. Stuttgart: Klett-Cotta 1984, S. 135 - 178.
  • Thomas Geisen: Antirassistisches Geschichtsbuch. Quellen des Rassismus im kollektiven Gedächtnis der Deutschen, Frankfurt am Main: IKO, 1996.
  • Imanuel Geiss: Geschichte des Rassismus, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1988.
  • G. L. Mosse: Die Geschichte des Rassismus in Europa, Frankfurt am Main: Fischer, 1990.
  • Léon Poliakov: Der arische Mythos. Zu den Quellen von Rassismus und Nationalismus, Hamburg: Junius, 1993.
  • Stuurman, Siep: François Bernier and the Invention of Racial Classification. In: History Workshop Journal, 2000, 50, S. 1 - 21.
  • Heidrun Kaupen-Haas, Christian Saller: Wissenschaftlicher Rassismus. Analysen einer Kontinuität in den Human- Naturwissenschaften., Campus Verlag 1999, ISBN 3593362287