Die Sternwarte Gotha wurde auf Initiative des Herzogs Ernst II. (Sachsen-Gotha-Altenburg) (*30. Januar 1745 † 20. April 1804) eingerichtet. Dieser Ernst Ludwig war als zweiter Sohn des Herzogs Friedrich III. (Sachsen-Gotha-Altenburg) nicht zur Thronfolge vorgesehen und erhielt eine gründliche wissenschaftliche Ausbildung. Als er dann doch durch den frühzeitigen Tod seines älteren Bruders die Regentschaft 1772 übernehmen musste, blieb er seinen wissenschaftlichen Interessen treu. Seine Vorlieben galten der Physik und der Astronomie.

Die Schlosssternwarte
Neben einem Physikalischen Kabinett, dem der Sekretär Ludwig Christian Lichtenberg aus Göttingen vorstand, ließ er sich auf Schloss Friedenstein in Gotha ein kleines Observatorium errichten. Er begann hier seine astronomischen Beobachtungen, die ihn aber wegen zu geringer wissenschaftlicher Beratung nicht zufrieden stellten. Zwar verfügte Ernst II. bereits über ausgezeichnete astronomische Instrumente. So besaß er vier astronomische Pendeluhren, davon eine mit rostförmiger Kompensationsstange von Klindworth aus Göttingen, einen zweifüßigen Quadrant von Klindworth, zwei Shortsche Spiegelteleskope, zwei achromatische Refraktoren und einen Spiegeloktant von Ramsden aus London.
Er bemühte sich um einen ausgebildeten Astronomen, den er schließlich in Franz Xaver von Zach gewinnen konnte.
Zach traf im Juni 1786 in Gotha ein und wurde als Offizier (Major) und Hofastronom übernommen. Von nun an begann Gothas astronomische Epoche.
Im Herbst des Jahres traten das Herzogspaar und Zach eine
astronomische Reise nach Südfrankreich an. Dort wurde in Hyères ein zeitweiliges Observatorium eingerichtet und eifrig beobachtet. Nach der Rückkehr im Frühjahr 1787 setzen der Herzog Ernst II. und Zach die Beobachtungen auf der Schlosssternwarte fort. Auch die Herzogin Marie Charlotte Amalie beteiligte sich als astronomische Rechnerin. Die Ergebnisse wurden dann als Sonnentafel Tabulae Motuum Solis und als Sternkatalog Catalogus Novus 1792 veröffentlicht.
Die Sternwarte auf dem Seeberg
Gleich nach der Rückkehr von der Reise nach Frankreich begann die Planung einer neuen Sternwarte. Zach konnte den Herzog überzeugen, dass Türme und hohe Gebäude für die Aufstellung von Fernrohren ungeeignet sind und schlug einen ebenerdigen einstöckigen Sternwartenbau vor. Als günstigen Aufstellungsort empfahl er den Seeberg, eine Viertelfahrstunde vom Schloss entfernt. Zach plante ein massives Sternwartengebäude in Ost-West-Ausrichtung, das Platz für die Aufstellung zweier Mauerquadranten, eines Passageninstruments und der dazu gehörigen Uhren bot. Die Beobachtungen sollten durch Mauerspalten geschehen, die einen freien Blick zum Nord- bzw. Südhorizont ermöglichten. In der Mitte des Gebäudes sollte sich über der Eingangshalle ein kleiner Rundturm mit drehbarem Kuppeldach erheben, in dem ein ganzer Kreis aufgestellt werden sollte. Zwei Seitenflügel waren als Wohnhaus des Astronomen und als Haus für das Personal, die Wache und Stallungen vorgesehen.
Die Einmessung der Fundamente nahmen der Herzog und Zach gemeinsam vor. Die Bauausführung wurde dem Gothaer Baumeister Christoph Besser übertragen. Die Bauphase endete 1789, die Sternwarte wurde 1790 in Betrieb genommen.
Die Sternwarte unter Zachs Leitung
Zach bewohnte als Junggeselle das östliche Gebäude, das eine direkte Verbindung zum Meridiangebäude hatte. Er verfügte über einen Haushalt von zwei weiblichen und drei männlichen Hausdienern, vier Pferden, einer Ordonanz, einem Sergeanten und drei Wachsoldaten zur Sicherung der Anlage. Ernst II. hatte aus seiner Apanage 38000 Taler für den Bau und 20000 Taler für die Ausrüstung ausgegeben. Diese wissenschaftliche Einrichtung sollte nach seinem Testament das einzige sichtbare Denkmal seines Lebens darstellen und von seinen Nachfolgern entsprechend erhalten werden. Er legte dafür ein Kapital von 40000 Talern an, das mit seinen 4% Zinsen die künftigen Kosten von Bauerhaltung und Gehalt des Astronomen abdecken sollte.
Das westliche Gebäude enthielt die Wirtschaftsräume, die Stallungen. die Wachräume, die Remisen für die Kutschen. Es war relativ leicht gebaut.
Das Hauptgebäude, der Meridiansaal war aus Seeberg-Sandstein fest gefügt und entsprach den ursprünglichen Planungen. In vier Räumen waren die Quadranten, das Passageinstrument von Ramsden mit 2,40m Brennweite, die astronomischen Uhren, darunter die Sternzeituhr von Arnold und die Hauptuhr von Mudge & Dutton und zahlreiche weitere astronomische und meteorologische Instrumente aufgestellt. In der Kuppel befand sich ein Repetitionskreis von Carry. Der vierte Raum war als einziger heizbar und diente der Aufwärmung der Astronomen.
In dieser Bauweise und dieser Ausrüstung war die Seeberg-Sternwarte die damals modernste Sternwarte Deutschlands. Es war immer nur ein eigentlicher Astronom angestellt. Mitarbeiter galten als Adjunkten, d. h. Gehilfen ohne eigentliche Beziehung zum Hofe.
Der Ruhm der Sternwarte verbreitete sich sehr schnell und der rege Briefwechsel Zachs machte sie zu einem gesuchten Besuchsziel der damaligen Astronomen. So konnte es nicht verwundern, dass der berühmte französische Wissenschaftler Joseph Jérome de Lalande den Wunsch äußerte, sich auf dem Seeberg mit ausländichen Fachkollegen, besonders mit Johann Elert Bode aus Berlin zu treffen. Zach erweiterte die Einladungen an mehrere Fachkollegen, von denen aber einige aus Furcht vor revolutionärem französichem Gedankengut die Reise nicht genehmmigt bekamen.
Es trafen sich im Jahre 1798 etwa 17 europäische Astronomen in der Seeberg-Sternwarte zum Gedankenaustausch, zur Vorführung neuer Geräte und Methoden, zu Vorschlägen für neue Sternbilder. Eine gemeinsame Exkursion zum Inselsberg machte praktische Übungen möglich. Während die Vorschläge für Sternbilder keinen Anklang fanden, wurde doch die Nutzung des metrischen Systems in Erwägung gezogen und eine festere Zusammenarbeit vereinbart. Letztere fand dann in der Gründung von Fachzeitschriften, so in der von Zach ab 1800 herasusgegebenen Monatlichen Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Himmelskunde ihren Ausdruck.
Dieses Treffen ging dann als erster europäischer Astronomenkongress in die Astronomiegeschichte ein.
Weitere wissenschaftliche Leistungen der Seberg-Sternwarte unter Zachs Leitung waren die Wiederentdeckung der Asteroiden Ceres, Pallas und Athene, die Gründung einer Astronomischen Gesellschaft und die Weiterentwicklung der Geodäsie in Vorbereitung der preußischen Landvermessung. Dazu wurde eine auch später mehrfach gebrauchte geodätische Basis, die Meßstrecke Seeberg-Sternwarte - Schwabhausen, genau festgelegt.
Der Tod des Herzogs Ernst II. am 20. April 1804 beendete zunächst diese fruchtbare Arbeit. Zach verließ als Haushofmeister der Herzoginwitwe Gotha und legte 1806 die Oberaufsicht über die Seeberg-Sternwarte nieder.
Astronomen der Seeberg-Sternwarte
(D = Direktor, VD = Vizedirektor, A = Adjunkt]
- Franz Xaver von Zach 1798 - 1806 D
- Bernhard von Lindenau 1801 A, 1806 VD, 1808 D
- Friedrich Nicolai 1814 A, 1814 VD
- Franz Encke 1816 A, 1818 VD, 1822 D
- Peter Andreas Hansen 1825 D
Die Nachfolger Zachs als Leiter der Sternwarte
Die Arbeit der Seeberg-Sternwarte wurde zunächst durch Bernhard von Lindenau weitergeführt, der dort schon seit 1801 als Adjunkt tätig war. Lindenau stammte aus Altenburg und war herzoglicher Kammerrat. Dieser wurde nun zum Vizedirektor berufen. 1806 schickte Zach die letzten in seinem Besitz befindlichen Sternwartengegenstände nach Gotha zurück, wo sie, wie auch die anderen Instrumente, wegen der drohenden Kriegsgefahr im Schloss Friedenstein eingelagert wurden.
1808 wurde Lindenau von dem nun regierenden Herzog August (Sachsen-Gotha-Altenburg) mit der Wiedereinrichtung der Sternwarte beauftragt und zum Direktor der Einrichtung ernannt. Er konnte im Mai 1808 die Betriebsbereitschaft der wissenschaftlichen Einrichtung melden.
Bald machten sich jedoch Bauschäden bemerkbar. 1810 musste der Turm abgetragen werden und 1811 die beiden Seitengebäude. An der Westseite des Meridiansaales erbaute man ein neues Wohngebäude für den Astronomen, einen Adjunkten und den Kastellan. Dieses Gebäude war stilistisch an das Hauptgebäude angeglichen, die Sternwarte hatte ein völlig verändertes Aussehen bekommen. Lindenau setzte die astronomische Arbeit der Seeberg-Sternwarte erfolgreich fort und veröffentlichte 1810 seine Venustafeln, 1811 seine Marstafeln und 1813 Tafeln der Merkurbahn. 1813 wurde die Sternwarte von den Franzosen besetzt und viele ihrer Papiere verbrannt. Die Geräte wurden zum Glück nicht beschädigt.
Lindenau wurde 1814 zum Generaladjutanten des Großherzogs Carl August (Sachsen-Weimar-Eisenach) ernannt und zog mit diesem in Paris ein, wo er in einem Duell verwundet wurde und längere Zeit für die Astronomie ausfiel.
Als Adjunkt der Sternwarte wurde 1814 Bernhard Nicolai berufen und zum Vizedirektor ernannt. Er blieb bis 1816 in Gotha und ging dann als Professor weiter nach Mannheim. An seine Stelle trat der ehemalige Königlich Preußische Artillerieleutnant Franz Encke.
Encke hatte wie Nicolai und Lindenau in Göttingen bei Gauß studiert. So kannten sich die drei Astronomen und arbeiteten gut zusammen. Als Lindenau wieder nach Gotha zurückkam, verblieb noch ein Jahr gemeinsamer Forschung, ehe Lindenau endgültig in den Verwaltungsdienst zurückkehren musste. Von 1816 bis 1817 gab er noch in Gotha die Zeitschrift für Astronomie und verwandte Wissenschaften heraus. Auch später veröffentlichte er noch astronomische Werke.
Encke führte die wissenschaftlichen Arbeiten weiter. Er wurde 1818 zum Vizedirektor ernanntt, während Lindenau als Kurator eingesetzt wurde. Encke berechnete hier die Umlaufzeit des Kometen Pons als kürzeste bekannte Umlaufzeit Komet Encke und die Sonnenparallaxe aus den Venusdurchgängen von 1761 und 1763, die lange Zeit Gültigkeit hatte. Trotz der verbesserten materiellen Ausstattung der Sternwarte durch ein Fraunhofersches Heliometer und einen Ertelschen Meridiankreis nahm Encke die Berufung als Professor nach Berlin an. Er betonte, dass das Gehalt in Gotha für den Erhalt einer Familie nicht ausreiche. Er nahm daher 1825 das Angebot zur Übernahme der Sternwarte in Berlin an und verließ Gotha
Mehrere Astronomen empfahlen Peter Andreas Hansen als Nachfolger. Hansen war gelernter Uhrmacher aus Tondern, der aber mehrere Jahre als Gehilfe Schumachers in Altona gewirkt hatte. Im August 1825 traf er in Gotha ein, wo er Encke noch auf der Sternwarte antraf. Daraus entwickelte sich für Jahre eine verständnisvolle Zusammenarbeit. Eine von Hansen zusammengestellte Inventarliste ließ den Umfang an Fernrohren, Messgeräten, Uhren und meteorologischen und geodätischen Instrumenten erkennen, die die Zentralstellung der Seeberg-Sternwarte begründete.
Hansen begann sofort mit umfangreichen Beobachtungen, überprüfte aber auch den Zusatand der Geräte und gab dem Konservator die entsprechenden Anweisungen.
Er selbst war aber auch an die Weisungen des Kurators von Hoff gebunden, der 1826 als Nachfolger Lindenaus eingsestzt worden war. Bald stellte es sich heraus, dass Hansen mehr an theoretischer Arbeit gelegen war und er sich zu einem Meister der Himmelsmechanik entwickelte. Schwerpunkt war die Bewegung des Erdmondes, für die er genaue Formeln entwickelte. So ergaben sich seine instrumententechnischen und himmelsmechanischen Veröffentlichungen dieser Jahre.
Inzwischen verheiratet und Vater mehrerer Kinder litt er unter dem zunehmenden Verfall der Gebäude auf dem Seeberg und ließ sich ein eigenes Wohnhaus in der Siebleber Vorstadt von Gotha bauen.
Hansens Interimsternwarte
Das Wohnhaus der Familie Hansen wurde durch einen kleinen Anbau für astronomische Geräte zu einer Interimsternwarte erweitert. Hier arbeitete Hansen zwanzig Jahre lang an seinen theoretischen und praktischen Arbeiten. Er brachte die Landesvermessung zuende, wofür er zum Geheimen Hofrat und Regierungsmitglied für Vermessungsfragen ernannt wurde.
Weiterhin verbesserte er seine Mondtheorien, wozu er den im Anbau untergebrachten Meridiankreis und astronomische Uhren benutzte. In enger Zusammenarbeit mit dem englischen Astronomen George Biddell Airy in Greenwich entstand das Fundamentalwerk Tables de la Lune, das 1857 von der englischen Regierung herausgegeben wurde. Hansen wurde mit 1000 Pfund dafür belohnt. In seiner Sternwarte besuchten ihn auch wieder zahlreiche Astronomen, die zum Teil monatelang da blieben, um zu assistieren und zu lernen. Er erhielt zahlreiche Ehrungen und wurde 1864 zum Präsidenten der Permanenten Kommission der Europäischen Gradmessung ernannt.
Hansen musste wöchentlich die alte Sternwarte auf dem Seeberg kontrollieren. Er stellte dabei den stetigen Zerfall fest und forderte nun den Neubau einer Sternwarte, die dem Vermächtnis Ernst II. entsprach. Er holte dazu Stellungnahmen von Fachkollegen ein, die dieses Vorhaben unterstützten. Selbst Alexander von Humboldt wandte sich deswegen an die Gothaer Regierung.
1856 beschloss der Gothaer Landtag den Neubau der Herzoglichen Sternwarte auf dem Gelände der ehemaligen Hofschmiede unter Verwendung des Materials der Seeberg-Sternwarte.
Sternwarte Jägerstraße
Der Neubau der Sternwarte war 1859 beendet und die Famile Hansen bezog das Gebäude. Die Sternwarte war ganz nach Hansens Vorstellungen für astrometrische Forschungen eines einzelnen Astronomen gebaut, enthielt aber auch Räume zu Lehrzwecken. An eine Erweiterung für die aufkommende Astrophysik war nicht gedacht worden.
An das solide Wohnhaus waren ein Meridiansaal (im Grundriss mit A bezeichnet) mit dem Ertelschen Meridiankreis und einem Reichenbachschen Theodoliten und ein Beobachtungsraum im 1. Quartal (B) angeschlossen, in dem das Passageinstrument Platz fand. So bestanden für alle vorhandenen Instrumente Einsatzmöglichkeiten. Neu angeschafft wurden weitere astronomische Uhren und ein Äquatoreal für absolute Messsungen in allen Richtungen, das im Turm (C) aufgestellt wurde. Das Gerät war eine Neukonstruktion der Firma Repsold in Hamburg.
Die Uhren verfügten nun über elektrische Kontaktgeber, die persönliche Beobachtungsfehler ausschließen sollten. Der Raum (D) beherbergte die Bibliothek und (E) das Arbeitszimmer des Astronomen.
Diese Sternwarte wurde wieder zu einem Zentrum des wissenschaftlichen Austausches und der gegenseitigen Besuche der Wissenschaftler. Dennoch vermißte Hansen einen ständigen Kontakt mit Fachkollegen. Er leitete die Einrichtung bis zu seinem Tode 1874.
Die Astronomen der Sternwarte Jägertraße
Direktor = D. Assistent = A, Verwalter = V, Observator = O
- Peter Andreas Hansen (1860 - 1874) D
- Adalbert Krueger (1876 - 1880) D
- Leo Anton Carl de Ball (1875 - 1878) A, V
- Hugo von Seeliger (1881 - 1882) D
- Ernst Becker (1883 -1887) D
- Paul Harzer (1887-1896) D
- Carl Rohrbach (1887 -1904) V
- Ernst Jost (1903 - 1906) O
- Ernst Anding (1906 - 1934) D
Die Arbeiten der letzten Gothaer Astronomen
Die schlechte finanzielle Situation machte es sehr schwer, geeignete Astronomen für die Sternwarte Gotha zu gewinnen und zu halten. Fast alle brachen Ihren Aufenthalt wegen zu geringer Entlohnung nach kürzerem oder längerem Aufenthalt ab.
Aus Helsingfors konnte Adalbert Krueger gewonnen werden, der hier seine Zonenbeobachtungen der Sterne zwischen 55 und 65 Grad nörlicher Declination fortsetzte, die er 1883 in Helsingfors veröffentlichte. Ihm standen als Assistenten Andreas Donner und ab 1878 Leo de Ball zur Seite. Letzterer blieb auch nach dem Weggang Kruegers 1880 als Verweser der Sternwarte bis 1882 in Gotha.
Hugo Seeliger aus Leipzig blieb nur ein knappes Jahr in Gotha bis er als Professor nach München weiterzog.
Länger blieb dann Ernst Becker aus Berlin, der hier die Beobachtungen spezieller Sterne fortsetzte. Er ließ das Äquatoreal, das sich als Messgerät nicht bewährt hatte, in einen normalen parallaktischen Refraktor umbauen. Becker legte auch den Katalog der Sternwartenbibliothek an. 1887 wurde er nach Straßburg berufen.
Eine letzte Blütezeit war der Sternwarte Jägerstraße nochmals unter der Leitung von Paul Harzer beschieden. Harzer kam von Pulkowo und war sowohl ein aktiver praktischer als auch theoretischer Astronom. Er wurde schnell in Gotha heimisch, stellte sich mit seinen Beobachtungen am Meridiankreis verschiedenen Problemen, deren Ergebnisse er laufend veröffentlichte. Durch seine Heirat mit einer Tochter Hansens auch familär mit Gotha verbunden, entwickelte er auch eine aktive Öffentlichkeitsarbeit. So gab es Privatseminare, öffentliche Beobachtungsabende und 1894 eine Tagung der Vereinigung der Freunde der Astronomie und kosmischen Physik in Gotha. Seine Berufung 1896 als Professor nach Kiel beendete diese fruchtbare Phase.
Für mehrere Jahre wurde der Gymnasialdirektor Carl Rohrbach mit der Verwaltung der Sternwarte beauftragt. Die Geräte wurden von 1902 - 1904 von Ernst Jost, dem seinerzeitigen 1. Assistenten der Sternwarte Straßburg genutzt.
1906 konnte mit Ernst Anding wieder ein wissenschaftlicher Astronom für Gotha gewonnen werden. Anding hatte erfolgreich in München theoretisch und praktisch gearbeit und es zum außerordentlichen Professor gebracht. In Gotha konnte er nun als Professor und Sternwartendirektor diese Arbeiten abschließen und publizieren. Er modernisierte Teile der Sternwarte, indem er eine Uhrenanlage als Geschenk von Riefler in München einbaute, die auch über Fernleitung zum Rathaus die öffentlichen Uhren in der Stadt steuerte. Er konnte auch noch ein modernes Passageinstrument aufstellen. So war die instrumentelle Ausrüstung nochmals auf einen hohen Stand gebracht worden. Trotzdem wurde 1934 die Sternwarte aus der Herzoglichen Stiftung für Kultur und Wissenschaft ausgegliedert und die Einrichtung geschlossen.
Die moderneren Geräte wurden mit einem Teil der Bibliothek der Sternwarte der Universität Jena übergeben. Die historischen Geräte wurden dem Deutschem Museum in München und dem Regionalmuseum in Gotha zuerkannt, die Bibliothek in die Universitäts- und Forschungsbibliothek Gotha eingegliedert.
An den Standort der Sternwarte Seeberg erinnern noch zwei Gedenksteine mit Gedentafeln für Herzog Ernst II. und Peter Andreas Hansen und der sogenannte Meridianstein. Die Gebäude der ehemaligen Sternwarte Jägerstraße entsprechen in ihrem Äußeren noch dieser Einrichtung und stehen unter Denkmalschutz.
Literaur: Strumpf, M.: Gothas astronomische Epoche, Horb am Neckar 1998, ISBN 3-89570-381-8