Reichskleinodien

Herrschaftsinsignien der Könige bzw. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches
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Die Reichskleinodien (auch: Reichsinsignien oder Reichsschatz) sind die Herrschaftsinsignien der Kaiser und Könige des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Dazu gehören als wichtigstes Teil die Reichskrone, die Heilige Lanze und das Reichsschwert. Sie werden heute in der Schatzkammer der Wiener Hofburg aufbewahrt.

Idealbild Karl des Großen mit den Reichskleinodien, gemalt 1513 von Albrecht Dürer für seine Vaterstadt Nürnberg
Reichsapfel
Schuhe

Die Reichskleinodien sind der einzige vollständig erhaltene Kronschatz aus dem Mittelalter.

Der Begriff der Reichskleinodien

Für die Zeit bis zum Hochmittelalter ist der Begriff der Reichskleinodien bzw. -insignien wohl eher unangemessen, da der Reichsgedanke im Zusammenhang mit den Insignien erst später stärker hervortrat. So variieren die lateinischen Bezeichnungen für den Insignienschatz zwischen Ausdrücken wie: insignia imperialia, regalia insignia, insignia imperalis capellae quae regalia dicuntur und ähnlichen Ausdrücken. In einer Inventarliste der Burg Trifels aus dem Jahr 1246 heißt diese keiserliche zeichen.

Damit ist klar, dass zu dieser Zeit der Bezug auf die Person und das Amt des Herrschers maßgeblich für die Benennung ist. Trotzdem wird in der Forschung auch für diesen Zeitraum meist die Bezeichnung Reichskleinodien oder Reichsinsignien aus pragmatischen Gründen verwendet.

Bestandteile

Die Reichskleinodien bestehen aus zwei verschiedenen Teilen. Die größere Gruppe sind die sogenannten „Nürnberger Kleinodien“. Der Name stammt daher, weil sie von 1424 bis 1796 in Nürnberg aufbewahrt wurden. Zu dieser Gruppe gehören die Reichskrone, die Teile des Krönungsornats, der Reichsapfel, das Zepter, das Reichs- und das Zeremonienschwert, das Reichskreuz, die Heilige Lanze und alle übrigen Reliquien mit Ausnahme der Stephansbursa.

Die bereits erwähnte Stephansbursa, das Reichsevangeliar und der sogenannte Säbel Karls des Großen wurden bis zum Jahre 1794 in Aachen aufbewahrt und werden deshalb als die „Aachener Kleinodien“ bezeichnet. Seit wann diese Stücke den Reichskleinodien zugerechnet und in Aachen aufbewahrt wurden, ist nicht bekannt.

Heutiger Bestand in Wien:
Aachener Kleinodien Wahrscheinlicher Entstehungort und -zeitraum
Reichsevangeliar (Krönungsevangeliar)    Aachen, Ende des 8. Jahrhunderts
Stephansbursa    karolingisch, 1. Drittel des 9. Jahrhunderts
Säbel Karl des Großen    osteuropäisch, 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts
Nürnberger Kleinodien Wahrscheinlicher Entstehungort und -zeitraum
Reichskrone    westdeutsch, 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts
Reichskreuz    westdeutsch, um 1024/1025
Heilige Lanze    langobardisch, 8./9. Jahrhundert
Kreuzpartikel   
Reichsschwert    Scheide deutsch, 2. Drittel des 11. Jahrhundert
Reichsapfel    westdeutsch, etwa Ende 12. Jahrhunderts
Krönungsmantel (Pluviale)    Palermo, 1133/24
Alba    Palermo, 1181
Dalmatica (Tunicella)    Palermo, um 1140
Strümpfe    Palermo, um 1170
Schuhe    Palermo, um 1130 oder um 1220
Handschuhe    Palermo, 1220
Zeremonienschwert    Palermo, 1220
Stola    mittelitalienisch, vor 1338
Adlerdalmatica    oberdeutsch, vor 1350
Zepter    deutsch, 1. Hälfte des 14. Jahrhundert
Aspergile    deutsch, 1. Hälfte des 14. Jahrhundert
Reliquiar mit den Kettengliedern    Rom oder Prag, um 1368
Reliquiar mit einem Gewandstück des Evangelisten Johannes    Rom oder Prag, um 1368
Reliquiar mit einem Span der Krippe Christi    Rom oder Prag, um 1368
Reliquiar mit dem Armbein der heiligen Anna    wahrscheinlich Prag nach 1350
Reliquiar mit einem Zahn Johannes des Täufers    böhmisch, nach 1350
Futteral der Reichskrone    Prag, nach 1350
Reliquiar mit einem Stück vom Tischtuch des Letzten Abendmahls   

Geschichte

Mittelalter

Der Bestand der Reichskleinodien wird in hochmittelalterlichen Aufzählungen meist mit fünf oder sechs Objekten angegeben. So zählt Gottfried von Viterbo folgende Gegenstände auf: das heilige Kreuz, die Heilige Lanze, die Krone, das Zepter, den Apfel und das Schwert. Andere Listen erwähnen das Schwert hingegen nicht.

Inwiefern die Erwähnungen im Hoch- und Spätmittelalter tatsächlich auf die heute in Wien verwahrten Stücke zu beziehen sind, hängt jeweils von verschiedenen Faktoren ab. So wurde meist nur davon gesprochen, dass der Herrscher in in kaiserliche Insignien gekleidet war, ohne zu bechreiben um welche Objekte es sich konkrekt handelt. Problemlos ist die Zuordnung zu den Reichskleinodien bei der Heiligen Lanze und dem Reichskreuz, deren Datierungen vor dieser Zeit liegen.

Die heutige Reichskrone läßt sich wahrscheinlich erst um 1200 nachweisen, als sie in der mittelalterlichen Dichtung anhand des Waisen, eines großen und hervorstechenden Edelsteins, erkennbar wird. Zweifelsfrei ist der Nachweis aber erst wesentlich später auf einem Wandgemälde auf der Burg Karlstein bei Prag möglich.

Auch beim Reichs- und beim Zeremonienschwert ist es schwer zu bestimmen, seit wann diese zu den Reichskleinodien gehören.

Zeremonieller Zierrat

Spätestens seit der Zeit der Aufklärung hatten die Reichskleindoien keinerlei konstitutiven oder bestärkenden Charakter für das Reich mehr. Sie waren nur noch schmückender Zierrat für die Krönung der Kaiser, die alle aus dem Hause Habsburg stammten. Das ganze „Brimborium“ um die Krönung und die Reichskleinodien wurde meist nur noch als lächerlich empfunden. Dies belegen unterschiedliche Quellen, wie zum Beispiel bei Johann Wolfgang Goethe, der am 3. April 1764 Augenzeuge der Krönung Josephs II. in Frankfurt war. Dabei ließ Kaiser Franz I. seinen 18-jährigen Sohn noch zu seinen Lebzeiten zum König wählen und krönen, was im 18. Jahrhundert nur dieses eine Mal geschah. Damit beide Majestäten in den Reichsinsignien auftreten konnten, wurde für Kaiser Franz eine Nachahmung des Krönungsmantels angefertigt, die nach Goethes Aussagen zudem bequem und geschmackvoll gearbeitet war. Der junge König trug hingegen das eigentliche Krönungsornat und Goethe schrieb darüber in Dichtung und Wahrheit I,5:

Der junge König (...) schleppte sich in den ungeheuren Gewandstücken mit den Kleinodien Karls des Großen, wie in einer Verkleidung, einher, so daß er selbst, von Zeit zu Zeit seinen Vater ansehend, sich des Lächelns nicht enthalten konnte. Die Krone, welche man sehr hatte füttern müssen, stand wie ein übergreifendes Dach vom Kopf ab.

Ähnliches schrieb einige Jahre später über die Krönung Leopolds II. im Jahre 1790 Karl Heinrich Ritter von Lang in einem Bericht, den man getrost als gehässige Karikatur bezeichnen kann:

Der Kaiserornat sah aus, als wär' er auf dem Trödelmarkt zusammengekauft, die kaiserliche Krone, als hätte sie der allerungeschickteste Kupferschmied zusammengeschmiedet und mit Kieselstein und Glassscherben besetzt, auf dem angeblichen Schwert Karls des Großen war ein Löwe mit dem böhmischen Wappen.

Bemühungen um die Rückführung der Reichskleinodien

Nach der Rettung der Reichskleinodien nach Wien und der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches wurde von Seiten Nürnbergs und Aachens mehrfach versucht die Rückführung der Kleinodien an ihre jeweiligen Aufbewahrungsstätten zu erreichen. Dabei wurde von Anfang mit juristischen, politischen und emotionalen Mitteln gestritten. Dieser Abschnitt soll die Entwicklung der Auseinandersetzungen und die verschiedenen Standpunkte darstellen.

Nürnberg reklamiert

Bereits wenige Tage nachdem Kaiser Franz II. im Jahre 1806 die Krone des Heiligen Römischen Reiches niederlegte, fragte die Stadt Nürnberg beim kaiserlichen Konkommisär Johann Aloys Josef von Hügel, der die Kleinodien nach Wien geflüchtet hatte, an:

ob die deponierten Gegenstände nunmher ohne weiteres retourniert werden oder deswegen ein besonderer Antrag erforderlich

sei. Hügel ließ daraufhin dem Magistrat mitteilen, dass Nürnberg keine Reichsstadt mehr sei und der ehemalige Kaiser das erteilte Privilieg zu Aufbewahrung der Kleinodien als erloschen ansehe. Die Stadt läßt die Angelegenheit zunächst auf sich beruhen.

Fünfzehn Jahre später im Jahre 1821 richtet die nunmehr bayrische Stadt eine Bitte an die königlich bayrische Regierung, Schritte zur Überführung der Kleinodien einzuleiten. Diese lehnt das Ansinnen aus verschiedenen Gründen jedoch ab.

Im Jahre 1828 schlägt der Münchner Archivsekretär Klüber vor, ein Gutachten zu erstellen, das die Rückführung der Kleinodien begründen soll. Dieser Vorschlag wird dem bayrischen König unterbreitet und positiv beschieden. Die königliche Regierung betrachtet die Sache aber weiterhin als eine Angelegenheit der Stadt Nürnberg. Das Gutachten und ein weiteres des Sekretärs sind aber so schlecht und falsch und können durch die vorhandenen Unterlagen der Stadt widerlegt werden, dass ein anderes Vorgehen diskutiert wird. So soll Nürnberg unter anderem mit Hilfe von Beiträgen in vielgelesenen Zeitschriften versuchen öffentlichen Druck auf Wien auszuüben. Auf Grund verschiedener Schwierigkeiten wie nicht erstellter juristischer Gutachten, Nichtaktivitäten der Stadt Nürnberg und bürokratischer Kunstgriffe scheitert aber auch dieses. Vom Februar 1830 an ruhen die Aktivitäten zur Rückführung für mehr als 28 Jahre.

Auch Aachen reklamiert

Auch das preußisch gewordene Aachen, wo die der Säbel Karl des Großen, das Reichsevangeliar und die Stephansbursa bis 1794 verwahrt wurden, bat im Jahre 1816 die preußische Regierung in Wien, auf die Rückführung der Kleinodien hinzuwirken. Diese beschied der Stadt aber, dies in Wien nicht zur Sprache zu bringen, da:

solche (die Reichskleinodien) niemals ein bestimmtes Eigentum der Stadt Aachen gewesen und zu einer Zeit von dort weggeführt sind, wo Aachen mit dem preußischen Staat noch nicht vereinigt war

Im Jahre 1834 unternahm die Stadt einen direkten Vorstoß beim österreichischen Kaiser Franz I., die Kleinodien zurückzuführen. Franz I. beauftragte daraufhin seinen Staatskanzler Metternich mit einem Gutachten. Dieses Gutachten, ausgearbeitet von Josef von Werner, kam zur Entscheidung, dass:

dem bittstellenden Collegialstift ein eigentlicher Rechtsgrund zur Begründung seines Begehrens nicht zur Seite steht, und politische Rücksichten wichtiger Art mir es nicht räthlich erscheinen lassen von dem derzeit behaupteten Rechtsboden abzuweichen.

Eine ähnliche Bitte aus dem März 1856 wurde auf Grundlage dieses Gutachtens ebenfalls ablehenden entschieden.

Während der Nazizeit

 
Prüfung der Reichskleinodien bei der Übergabe 1946 in der Wiener Nationalbank

1938 wurden die Reichskleinodien auf Weisung von Adolf Hitler zurück nach Nürnberg gebracht, wo sie in der Katharinenkirche ausgestellt wurden.

1945 wurden die Reichskleinodien von US-Soldaten in einem Salzbergwerk bei Helmstedt gefunden und 1946 zurück nach Wien in die Hofburg gebracht.

Literatur

  • Hermann Fillitz, Die Insignien und Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches, Wien und München, 1954.
  • Johann Wolfgang Goethe, Dichtung und Wahrheit, Erster Teil, Fünftes Buch, Schilderung der Krönung Josephs II. zum römisch-deutschen König
  • Heinrich Pleticha: Des Reiches Glanz, Die Reichskleinodien und ihre Geschichte, Freiburg 1989, ISBN 3-88189-479-9
  • Ernst Kubin: Die Reichskleinodien, Ihr tausendjähriger Weg, Wien und München, 1991, ISBN 3-85002-304-4
  • Gesellschaft für staufische Geschichte (Hg.): Die Reichskleinodien, Herrschaftszeichen des Heiligen Römischen Reiches. Göppingen 1997 ISBN 3-929776-08-1

Siehe auch

Geschichte der Stadt Nürnberg