Julian Milejski

polnischer Zwangsarbeiter und NS-Opfer
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Julian Milejski (auch: Mileyski, * 10. Oktober 1921 in Polen; † 4. Mai 1942 in Stelle, Landkreis Harburg) war ein polnischer Zwangsarbeiter, der wegen „Rassenschande“ von den Nationalsozialisten mit dem Tode bestraft wurde. Für die Aufarbeitung seines Schicksals erhielt eine Gruppe ehemaliger Schüler in Hamburg den Bertini-Preis 2007.

Ein "Polenabzeichen", das polnische Zwangsarbeiter aufgrund der Polen-Erlasse tragen mussten.
Faksimile von einem der Polen-Erlasse vom 8. März 1940

Leben

Milejski wurde während des Zweiten Weltkrieges von den Nazis aus seinem Heimatland Polen verschleppt und zur Zwangsarbeit auf einem Bauernhof im Landkreis Harburg verpflichtet. Er hatte ein Liebesverhältnis zu einer Frau aus Hamburg, die ebenfalls auf dem Bauernhof untergekommen war. Nachdem er sich von ihr getrennt hatte, zeigte sie ihn wegen „sexueller Nötigung“ bei der Polizei an. Am 4. Mai 1942 wurde Milejski von einem SS-Kommando abgeholt und zum Verhör in das Rathaus von Stelle abtransportiert, wo er schwer misshandelt wurde. Danach wurde er in ein Waldstück am Rande der Gemeinde Stelle gebracht, wo er vor den Augen aus der Umgebung herbeitransportierter anderer Zwangsarbeiter an einem eigens gezimmerten Galgen aufgehängt wurde. Milejski starb im Alter von 20 Jahren.[1]

Grundlage für diesen Akt waren die sogenannten Polen-Erlasse, die das Nazi-Regime im März 1940 verfügt hatte. Nach diesen Vorschriften, die gemäß der Rassenideologie des Nationalsozialismus von einer Minderwertigkeit von polnischen „Zivilarbeitern“ ausgingen, mussten diese ständig ein sogenanntes Polenabzeichen auf ihrer Kleidung tragen. Nähere Kontakte zu Deutschen waren ihnen strengstens untersagt, wobei sexuelle Kontakte mit Angehörigen „deutschen oder artverwandten Blutes“ als „Rassenschande“ galten und gemäß den NS-Rassengesetzen mit dem Tode bestraft wurden.[2]

Wirkungen

Im Jahre 2003 bat eine Einwohnerin Stelles, die sich an den jungen Polen erinnert hatte, die Gemeinde um einen Gedenkstein für Milejski, der jedoch vom Verwaltungsausschuss der Gemeinde abgelehnt wurde. Durch eine Veröffentlichung des Gemeindearchivars Rieckmann im Jahre 2005 über die nationalsozialistische Vergangenheit von Stelle, in der auch über die Ermordung des Zwangsarbeiters Milejski im Jahre 1942 berichtet wurde, fand der Fall erneut Aufmerksamkeit.

Die Dokumentation veranlasste eine Gruppe von Schülern der Harburger Haupt- und Realschule Hanhoopsfeld, sich ab Ende 2006 damit zu befassen. Nachdem die Bürger und die Ortsverwaltung wenig Interesse an weiteren Recherchen gezeigt hatten, erbrachten von den jungen Leuten angeregte und von einigen Bürgern und Kirchenvertretern unterstützte Erinnerungsveranstaltungen und provisorische Aufstellungen von Gedenksteinen auch erste Beachtung des Falles in der polnischen Presse [3], die wiederum zu einer Suche nach Verwandten Milejskis führte.

Für ihr Engagement im Fall Milejski auch über ihre aktive Schulzeit hinaus wurde die Gruppe mit dem Bertini-Preis 2007 ausgezeichnet, der ihr am 27. Januar 2008, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, überreicht wurde. Über die Auszeichnung wurde in mehreren deutschen Medien berichtet, sowie auch in der größten deutschsprachigen Zeitung in den USA, der Amerika Woche.[4] Die Bemühungen um die Aufstellung eines Gedenksteines werden inzwischen von dem polnischen Generalkonsul unterstützt.[5]

Bedeutung

Die öffentliche Aufmerksamkeit für historisch-strukturelle Aufarbeitungen des Nationalsozialismus in Deutschland, wie sie unter anderem das 1996 veröffentliche Werk „Hitlers willige Vollstrecker“ des amerikanischen Historikers Daniel Goldhagen erfuhr, das die sogenannte Goldhagen-Debatte um ein Volk der Täter auslöste, regte auch zunehmend die Recherche nach exemplarischen Einzelfällen an, um z.B. den Widerstand gegen die Nazis in seiner Verbreitung einschätzen zu können. Ebenfalls seit den 1990er Jahren verband sich der Hang zu einer Konkretisierung der Vorstellung von den Opfern des Nationalsozialismus in Deutschland mit Aufarbeitungen von Einzelfällen aus der eigenen Nachbarschaft durch interessierte Bürger. So führten zum Beispiel die Stolpersteine des Kölner Künstlers Gunter Demnig seit ihrer ersten Installierung im Jahre 1993 vielerorts zu einzelnen, sich verselbständigenden Bürgerinitiativen. Dabei geriet neben den Opfer-Gruppen von Juden sowie Roma und Sinti auch die Gruppe der Zwangsarbeiter zunehmend ins Visier der Aufklärung von Einzelschicksalen, wie sie sich zum Beispiel in der Recherche und Verfilmung des authentischen Falles eines jungen Polen namens Walerian Wróbel bereits 1990 dokumentierte.

Die Frage nach den Auswirkungen des Nationalsozialismus in der eigenen Nachbarschaft weckte Interesse auch insbesondere bei jungen Leuten, deren Neugier indes nicht selten auf örtlichen Widerstand stieß; so machte zum Beispiel der Spielfilm „Das schreckliche Mädchen“ zu Beginn der 1990er Jahre eine breitere Öffentlichkeit auf den ihm zugrunde liegenden authentischen Fall der Anna Elisabeth Rosmus aufmerksam, deren Nachforschungen die Ablehnung durch ihre nähere Umgebung hervorgerufen hatte.

Literatur

  • Gerhard Rieckmann: Vergangen, aber nicht vergessen. Stelle unterm Hakenkreuz. Selbstverl., Stelle 2005.
  • Renzo Vespignani: Faschismus. Berlin (West) und Hamburg 1976; Lizenzausg., 6. Aufl., Elefanten Press Verl., Berlin 2002 (= Elefanten Press, 3), ISBN 3-88520-003-1. (Quellensammlung; früherer Ausstellungskatalog, hrsg. von d. Neuen Ges. für Bildende Kunst u.d. Kunstamt Kreuzberg, Berlin)

Einzelnachweise

  1. Gerhard Rieckmann: Vergangen, aber nicht vergessen. Stelle unterm Hakenkreuz. Selbstverl., Stelle 2005.
  2. Renzo Vespignani (1976), S. 114 ff.: „Ostarbeiter“
  3. Pamięć wraca do Stelle, Bericht von Bartosz T. Wieliński in der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza, 27. Juni 2007 (polnisch)
  4. unter anderem:
  5. 10 Jahre Bertini-Preis. Schüler auf der Spur eines Nazi-Verbrechens. Jugendliche forschen über Lynchmord an jungem Polen, Bericht von Rainer Krey, Hamburger Morgenpost, 28. Januar 2007